Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 2 R 630/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 R 572/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Dezember 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt noch Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 01. Juli 2002 bis 30. April 2004.
Die am 1947 geborene Klägerin ist 1972 aus Kroatien zugewandert; sie hat dort keinen Beruf erlernt und keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Ab November 1972 war sie als Näherin beschäftigt. Das letzte Beschäftigungsverhältnis endete wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zum 30. November 1999. Die Klägerin bezog, unterbrochen durch Zeiten der Krankheit mit Krankengeldbezug, vom 01. Dezember 1999 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 17. Juli 2002 Arbeitslosengeld. Der Antrag auf Arbeitslosenhilfe wurde wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt.
Im Juni 2002 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Facharzt für Allgemeinmedizin/Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie Dr. P. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg) zog zum Gutachten vom 15. Juli 2002 Berichte der behandelnden Ärzte sowie die sozialmedizinischen Gutachten des Dr. St. vom 16. Mai 2001 und des Dr. S. vom 08. Mai 2002 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) bei. Der Gutachter nannte als Leiden von wesentlicher Bedeutung ein chronisch agitiert-depressives Syndrom sowie eine beginnende Hüftgelenksarthrose beiderseits ohne wesentliche Bewegungseinschränkung. Nebenbefunde ohne wesentliche Bedeutung für das Leistungsvermögen seien der Zustand nach Brustkrebsoperation 1991 mit gutem Erfolg, lediglich Schmerzen im Bereich des linken Armes ohne Schwellung und Bewegungseinschränkung, Kreuzschmerzen ohne Röntgenbefund, ohne Nervenreizzeichen, ohne neurologische Ausfälle oder Bewegungseinschränkungen, eine leichte Handgelenksarthrose sowie den Zustand nach Gallenblasenentfernung vom November 2002. Leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Nachtschicht oder besonderen Zeitdruck sowie ohne Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 15 kg seien vollschichtig möglich. Durch Bescheid vom 25. Juli 2002 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab. Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, wegen der orthopädischen Befunde und der behandlungsbedürftigen Depression könne sie nicht mehr arbeiten. Die Beklagte ließ das Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Z. vom 12. Dezember 2002 erstatten. Dieser nannte - auch in Kenntnis eines kurzen Berichts des behandelnden Psychiaters Dr. G. - eine "nicht erhebliche" auf das Krebsleiden zurückzuführende Polyneuropathie, die eine Tätigkeit vorwiegend im Sitzen empfehlen lasse; ferner bestehe eine behandlungsbedürftige depressive Verstimmung. Arbeiten vorwiegend im Sitzen ohne Termindruck und Akkord seien vollschichtig möglich. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2003.
Zur Begründung der am 11. März 2003 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage legte die Klägerin eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin M. vom 25. Juli 2003 vor, der Hüftschmerzen, erhöhte Laborwerte, niederen Blutdruck, Kreislaufstörungen und Harnwegsinfekte nannte und eine leichte Arbeit nur etwa zwei Stunden täglich für möglich hielt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Neurologe und Psychiater Dr. G. berichtete unter dem 15. März 2004 über das von ihm behandelte chronifizierte agitiert-depressive Syndrom. Orthopäde Dr. Sc. nannte in der Aussage vom 26. April 2004 Beschwerden und Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule, der rechten Hand und linken Schulter. Eine leichte Arbeit in wechselnder Haltung ohne Heben und Tragen von Lasten sei vollschichtig möglich. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin und Rehabilitationswesen Dr. Stä. erstattete auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten vom 14. März 2005. Eine chronisch depressive Grundstimmung mit sich aufpfropfenden Verschlechterungsphasen sei deutlich. Für zahlreiche weitere Beschwerden und Störungen gebe es keine ausreichende organische Erklärung. Ferner sei ein Syndrom der ruhelosen Beine (Restless-Legs-Syndrom) feststellbar. Zusätzlich sei von einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung auszugehen, die sich durch das ganze Leben ziehe. Die Brustkrebserkrankung von 1991 sei folgenlos geblieben. Die mittelgradige depressive Verstimmung müsse bereits zur Zeit des Rentenantrags zu einer Einschränkung der täglichen Leistungsfähigkeit auf drei bis vier Stunden geführt haben.
Die Beklagte erkannte zunächst auf der Grundlage der beratungsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. vom 19. Mai 2005 volle Erwerbsminderung seit 10. März 2005 (Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Stä.) an und erklärte sich bereit, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. Oktober 2005 bis 31. März 2008 zu gewähren. Der weiteren von Dr. Stä. angenommenen Einschränkung könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin nahm dieses Teilanerkenntnis an. In der weiteren Stellungnahme vom 26. August 2005 wandte Ärztin Dr. D. ein, angesichts der übereinstimmenden Beurteilung der früheren Gutachter und insbesondere des MDK-Gutachtens Dr. S. vom 08. Mai 2002, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit verneint habe, könne dem Sachverständigen Dr. Stä. nicht gefolgt werden.
Durch Urteil vom 13. Dezember 2005 verurteilte das SG unter Abänderung des Bescheids vom 25. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2003 die Beklagte, der Klägerin bereits ab 01. Mai 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung legte das SG dar, es sei trotz der Argumente von Dr. Stä. nicht ausreichend nachgewiesen, dass bereits zum Zeitpunkt des Rentenantrags ein unter sechs Stunden gesunkenes Leistungsvermögen bestanden habe. Die damals untersuchenden Ärzte hätten einen deutlich milderen Befund der depressiven Stimmungslage beschrieben. Dennoch sei es angemessen, einen Leistungsfall in der zeitlichen Mitte zwischen Rentenantrag und Untersuchung durch Dr. Stä. anzunehmen, also im Oktober 2003. Demgemäß sei Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Beginn des siebten Kalendermonats, also ab 01. Mai 2004 befristet bis 31. März 2008 zu gewähren. Die Beklagte hat das Urteil durch Bescheid vom 27. März 2006 ausgeführt (monatlicher Nettobetrag der Rente im Mai 2004 EUR 561,25).
Gegen das am 20. Januar 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03. Februar 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie macht sich weiterhin die Auffassung des Sachverständigen Dr. Stä. zu eigen, bereits seit Rentenantragstellung habe ein reduziertes Leistungsvermögen bestanden. Sie sei seit 25. Februar 2002 wegen des depressiven Syndroms und chronischer Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparats arbeitsunfähig gewesen. Der behandelnde Allgemeinarzt M. habe im Attest vom 25. Juli 2003 nur noch zwei Stunden täglich für möglich gehalten. Die Behandlung durch Facharzt Dr. G. sei bereits 2001 erforderlich geworden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Dezember 2005 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 25. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2003 zu verurteilen, vom 01. Juli 2002 bis 30. April 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.
Der Senat hat die die Klägerin betreffenden Akten der Agentur für Arbeit Balingen beigezogen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Rentenakten der Beklagen (23 121047 C 517) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Es besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bereits für die Zeit vom 01. Juli 2002 bis 30. April 2004. Dies hat das SG zutreffend entschieden.
Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 13. Dezember 2005 die rechtlichen Grundlagen für den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend dargelegt. Es hat weiter zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erfüllt, jedoch weder teilweise (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) noch voll (Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift) erwerbsgemindert bereits vor Oktober 2003 war. Das SG ist - über das Angebot der Beklagten betreffend einen Leistungsfall zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Stä. im März 2005 hinausgehend - zu dem Ergebnis gelangt, dass der Auffassung des Sachverständigen, Erwerbsminderung müsse bereits für den Zeitpunkt des Rentenantrags im Juni 2002 angenommen werden, angesichts der Beurteilung mehrerer Ärzte (Dr. S. vom MDK, Gutachten 08. Mai 2002; Schmerztherapeut Dr. P., Gutachten vom 15. Juli 2002; Psychiater Dr. Z., 12. Dezember 2002), die einen weniger schwerwiegenden Befund des depressiven Syndroms annahmen, nicht gefolgt werden kann; vielmehr sei nach Abwägung der ärztlichen Äußerungen allenfalls ein Leistungsfall in der Mitte zwischen Rentenantrag und März 2005, nämlich im Oktober 2003 mit der Folge eines Beginns der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zum 01. Mai 2004 anzunehmen.
Auch der Senat vermag - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren - nicht festzustellen, dass volle Erwerbsminderung bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung im Juni 2002 oder zu einem anderen Zeitpunkt vor Oktober 2003 bestand. Richtig ist, dass Dr. S. im Gutachten vom 08. Mai 2002 die Arbeitsunfähigkeit seit 25. Februar 2002 wegen eines chronisch agitiert-depressiven Syndroms und chronischer Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparats bestätigt hat. Gleichzeitig hat er aber deutlich gemacht, dass die Erwerbsfähigkeit jedenfalls für eine leichtere Tätigkeit als die bisherige, auf die im Recht der Rentenversicherung verwiesen werden darf, ab 21. Mai 2002 wiederhergestellt sein würde. Er sah auch keine Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit. Mithin war die Arbeitsunfähigkeit seinerzeit erst als vorübergehend zu erachten. Dr. S. bestätigt somit widerspruchslos die Auffassung des Gutachters der Beklagten Dr. P. im Gutachten vom 15. Juli 2002 und des Facharztes Dr. Z. vom 12. Dezember 2002, dass eine depressive Verstimmung, die bereits ein rentenrechtlich erhebliches Herabsinken der Leistungsfähigkeit auf Dauer begründen ließe, noch nicht bestand. Die Erwägungen im angefochtenen Urteil des SG werden hierdurch keinesfalls entkräftet.
Etwas Günstigeres ergibt sich auch nicht aus der Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin M. vom 25. Juli 2003. Die in dieser Bescheinigung aufgeführten Befunde sind von den Gutachtern berücksichtigt worden. Weshalb leichte Arbeiten nur noch etwa zwei Stunden täglich möglich seien, wird in dieser kein Gutachten darstellenden Bescheinigung letztlich nicht überzeugend begründet. Demgemäß gibt der Senat ebenso wie das SG den Bekundungen der Gutachter Dr. S., Dr. P. und Dr. Z. den Vorrang und erachtet - um dies nochmals zu wiederholen - die zugunsten der Klägerin weitergehende Auffassung des Sachverständigen Dr. Stä. für den von ihm in Bezug genommenen zurückliegenden Zeitraum noch nicht für hinreichend tragfähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten auch des Berufungsverfahrens sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Klägerin erhebt noch Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung vom 01. Juli 2002 bis 30. April 2004.
Die am 1947 geborene Klägerin ist 1972 aus Kroatien zugewandert; sie hat dort keinen Beruf erlernt und keine Beiträge zur Rentenversicherung entrichtet. Ab November 1972 war sie als Näherin beschäftigt. Das letzte Beschäftigungsverhältnis endete wegen Zahlungsunfähigkeit des Arbeitgebers zum 30. November 1999. Die Klägerin bezog, unterbrochen durch Zeiten der Krankheit mit Krankengeldbezug, vom 01. Dezember 1999 bis zur Erschöpfung des Anspruchs am 17. Juli 2002 Arbeitslosengeld. Der Antrag auf Arbeitslosenhilfe wurde wegen fehlender Bedürftigkeit abgelehnt.
Im Juni 2002 beantragte die Klägerin Rente wegen Erwerbsminderung. Facharzt für Allgemeinmedizin/Anästhesiologie/Spezielle Schmerztherapie Dr. P. vom Sozialmedizinischen Dienst der Beklagten (damals noch Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg) zog zum Gutachten vom 15. Juli 2002 Berichte der behandelnden Ärzte sowie die sozialmedizinischen Gutachten des Dr. St. vom 16. Mai 2001 und des Dr. S. vom 08. Mai 2002 vom Medizinischen Dienst der Krankenversicherung Baden-Württemberg (MDK) bei. Der Gutachter nannte als Leiden von wesentlicher Bedeutung ein chronisch agitiert-depressives Syndrom sowie eine beginnende Hüftgelenksarthrose beiderseits ohne wesentliche Bewegungseinschränkung. Nebenbefunde ohne wesentliche Bedeutung für das Leistungsvermögen seien der Zustand nach Brustkrebsoperation 1991 mit gutem Erfolg, lediglich Schmerzen im Bereich des linken Armes ohne Schwellung und Bewegungseinschränkung, Kreuzschmerzen ohne Röntgenbefund, ohne Nervenreizzeichen, ohne neurologische Ausfälle oder Bewegungseinschränkungen, eine leichte Handgelenksarthrose sowie den Zustand nach Gallenblasenentfernung vom November 2002. Leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung, ohne Nachtschicht oder besonderen Zeitdruck sowie ohne Heben, Tragen oder Bewegen von Lasten über 15 kg seien vollschichtig möglich. Durch Bescheid vom 25. Juli 2002 lehnte die Beklagte eine Rentengewährung ab. Mit ihrem Widerspruch brachte die Klägerin im Wesentlichen vor, wegen der orthopädischen Befunde und der behandlungsbedürftigen Depression könne sie nicht mehr arbeiten. Die Beklagte ließ das Gutachten des Facharztes für Neurologie, Psychiatrie und Psychotherapie Dr. Z. vom 12. Dezember 2002 erstatten. Dieser nannte - auch in Kenntnis eines kurzen Berichts des behandelnden Psychiaters Dr. G. - eine "nicht erhebliche" auf das Krebsleiden zurückzuführende Polyneuropathie, die eine Tätigkeit vorwiegend im Sitzen empfehlen lasse; ferner bestehe eine behandlungsbedürftige depressive Verstimmung. Arbeiten vorwiegend im Sitzen ohne Termindruck und Akkord seien vollschichtig möglich. Die Widerspruchsstelle der Beklagten erließ den zurückweisenden Widerspruchsbescheid vom 25. Februar 2003.
Zur Begründung der am 11. März 2003 zum Sozialgericht Reutlingen (SG) erhobenen Klage legte die Klägerin eine Bescheinigung des Facharztes für Allgemeinmedizin M. vom 25. Juli 2003 vor, der Hüftschmerzen, erhöhte Laborwerte, niederen Blutdruck, Kreislaufstörungen und Harnwegsinfekte nannte und eine leichte Arbeit nur etwa zwei Stunden täglich für möglich hielt.
Die Beklagte trat der Klage entgegen.
Das SG befragte die behandelnden Ärzte schriftlich als sachverständige Zeugen. Neurologe und Psychiater Dr. G. berichtete unter dem 15. März 2004 über das von ihm behandelte chronifizierte agitiert-depressive Syndrom. Orthopäde Dr. Sc. nannte in der Aussage vom 26. April 2004 Beschwerden und Verschleißerscheinungen im Bereich der Wirbelsäule, der rechten Hand und linken Schulter. Eine leichte Arbeit in wechselnder Haltung ohne Heben und Tragen von Lasten sei vollschichtig möglich. Facharzt für Neurologie und Psychiatrie/Psychotherapie, Psychotherapeutische Medizin und Rehabilitationswesen Dr. Stä. erstattete auf Antrag der Klägerin gemäß § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten vom 14. März 2005. Eine chronisch depressive Grundstimmung mit sich aufpfropfenden Verschlechterungsphasen sei deutlich. Für zahlreiche weitere Beschwerden und Störungen gebe es keine ausreichende organische Erklärung. Ferner sei ein Syndrom der ruhelosen Beine (Restless-Legs-Syndrom) feststellbar. Zusätzlich sei von einer ängstlich-vermeidenden Persönlichkeitsstörung auszugehen, die sich durch das ganze Leben ziehe. Die Brustkrebserkrankung von 1991 sei folgenlos geblieben. Die mittelgradige depressive Verstimmung müsse bereits zur Zeit des Rentenantrags zu einer Einschränkung der täglichen Leistungsfähigkeit auf drei bis vier Stunden geführt haben.
Die Beklagte erkannte zunächst auf der Grundlage der beratungsärztlichen Stellungnahme der Fachärztin für Neurologie und Psychiatrie Dr. D. vom 19. Mai 2005 volle Erwerbsminderung seit 10. März 2005 (Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Stä.) an und erklärte sich bereit, eine Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit vom 01. Oktober 2005 bis 31. März 2008 zu gewähren. Der weiteren von Dr. Stä. angenommenen Einschränkung könne nicht gefolgt werden. Die Klägerin nahm dieses Teilanerkenntnis an. In der weiteren Stellungnahme vom 26. August 2005 wandte Ärztin Dr. D. ein, angesichts der übereinstimmenden Beurteilung der früheren Gutachter und insbesondere des MDK-Gutachtens Dr. S. vom 08. Mai 2002, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit verneint habe, könne dem Sachverständigen Dr. Stä. nicht gefolgt werden.
Durch Urteil vom 13. Dezember 2005 verurteilte das SG unter Abänderung des Bescheids vom 25. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2003 die Beklagte, der Klägerin bereits ab 01. Mai 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren. Im Übrigen wurde die Klage abgewiesen. Zur Begründung legte das SG dar, es sei trotz der Argumente von Dr. Stä. nicht ausreichend nachgewiesen, dass bereits zum Zeitpunkt des Rentenantrags ein unter sechs Stunden gesunkenes Leistungsvermögen bestanden habe. Die damals untersuchenden Ärzte hätten einen deutlich milderen Befund der depressiven Stimmungslage beschrieben. Dennoch sei es angemessen, einen Leistungsfall in der zeitlichen Mitte zwischen Rentenantrag und Untersuchung durch Dr. Stä. anzunehmen, also im Oktober 2003. Demgemäß sei Rente wegen voller Erwerbsminderung ab Beginn des siebten Kalendermonats, also ab 01. Mai 2004 befristet bis 31. März 2008 zu gewähren. Die Beklagte hat das Urteil durch Bescheid vom 27. März 2006 ausgeführt (monatlicher Nettobetrag der Rente im Mai 2004 EUR 561,25).
Gegen das am 20. Januar 2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 03. Februar 2006 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie macht sich weiterhin die Auffassung des Sachverständigen Dr. Stä. zu eigen, bereits seit Rentenantragstellung habe ein reduziertes Leistungsvermögen bestanden. Sie sei seit 25. Februar 2002 wegen des depressiven Syndroms und chronischer Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparats arbeitsunfähig gewesen. Der behandelnde Allgemeinarzt M. habe im Attest vom 25. Juli 2003 nur noch zwei Stunden täglich für möglich gehalten. Die Behandlung durch Facharzt Dr. G. sei bereits 2001 erforderlich geworden.
Die Klägerin beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 13. Dezember 2005 abzuändern und die Beklagte unter weiterer Abänderung des Bescheids vom 25. Juli 2002 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 25. Februar 2003 zu verurteilen, vom 01. Juli 2002 bis 30. April 2004 Rente wegen voller Erwerbsminderung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil und ihre Bescheide für zutreffend.
Der Senat hat die die Klägerin betreffenden Akten der Agentur für Arbeit Balingen beigezogen.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung wird auf den Inhalt der Berufungsakten, der Klageakten und der Rentenakten der Beklagen (23 121047 C 517) Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung der Klägerin, über die der Senat im Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, hat in der Sache keinen Erfolg. Es besteht kein Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung bereits für die Zeit vom 01. Juli 2002 bis 30. April 2004. Dies hat das SG zutreffend entschieden.
Das SG hat im angefochtenen Urteil vom 13. Dezember 2005 die rechtlichen Grundlagen für den Anspruch auf Rente wegen Erwerbsminderung zutreffend dargelegt. Es hat weiter zutreffend ausgeführt, dass die Klägerin zwar die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen nach § 43 Abs. 1 Satz 1 Nrn. 2 und 3, Abs. 2 Satz 1 Nrn. 2 und 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch (SGB VI) erfüllt, jedoch weder teilweise (vgl. § 43 Abs. 1 Satz 2 SGB VI) noch voll (Abs. 2 Satz 2 der Vorschrift) erwerbsgemindert bereits vor Oktober 2003 war. Das SG ist - über das Angebot der Beklagten betreffend einen Leistungsfall zum Zeitpunkt der Untersuchung durch den Sachverständigen Dr. Stä. im März 2005 hinausgehend - zu dem Ergebnis gelangt, dass der Auffassung des Sachverständigen, Erwerbsminderung müsse bereits für den Zeitpunkt des Rentenantrags im Juni 2002 angenommen werden, angesichts der Beurteilung mehrerer Ärzte (Dr. S. vom MDK, Gutachten 08. Mai 2002; Schmerztherapeut Dr. P., Gutachten vom 15. Juli 2002; Psychiater Dr. Z., 12. Dezember 2002), die einen weniger schwerwiegenden Befund des depressiven Syndroms annahmen, nicht gefolgt werden kann; vielmehr sei nach Abwägung der ärztlichen Äußerungen allenfalls ein Leistungsfall in der Mitte zwischen Rentenantrag und März 2005, nämlich im Oktober 2003 mit der Folge eines Beginns der Rente wegen voller Erwerbsminderung auf Zeit zum 01. Mai 2004 anzunehmen.
Auch der Senat vermag - auch unter Berücksichtigung des Vorbringens der Klägerin im Berufungsverfahren - nicht festzustellen, dass volle Erwerbsminderung bereits zum Zeitpunkt der Rentenantragstellung im Juni 2002 oder zu einem anderen Zeitpunkt vor Oktober 2003 bestand. Richtig ist, dass Dr. S. im Gutachten vom 08. Mai 2002 die Arbeitsunfähigkeit seit 25. Februar 2002 wegen eines chronisch agitiert-depressiven Syndroms und chronischer Schmerzen im Bereich des Bewegungsapparats bestätigt hat. Gleichzeitig hat er aber deutlich gemacht, dass die Erwerbsfähigkeit jedenfalls für eine leichtere Tätigkeit als die bisherige, auf die im Recht der Rentenversicherung verwiesen werden darf, ab 21. Mai 2002 wiederhergestellt sein würde. Er sah auch keine Gefährdung bzw. Minderung der Erwerbsfähigkeit. Mithin war die Arbeitsunfähigkeit seinerzeit erst als vorübergehend zu erachten. Dr. S. bestätigt somit widerspruchslos die Auffassung des Gutachters der Beklagten Dr. P. im Gutachten vom 15. Juli 2002 und des Facharztes Dr. Z. vom 12. Dezember 2002, dass eine depressive Verstimmung, die bereits ein rentenrechtlich erhebliches Herabsinken der Leistungsfähigkeit auf Dauer begründen ließe, noch nicht bestand. Die Erwägungen im angefochtenen Urteil des SG werden hierdurch keinesfalls entkräftet.
Etwas Günstigeres ergibt sich auch nicht aus der Bescheinigung des Arztes für Allgemeinmedizin M. vom 25. Juli 2003. Die in dieser Bescheinigung aufgeführten Befunde sind von den Gutachtern berücksichtigt worden. Weshalb leichte Arbeiten nur noch etwa zwei Stunden täglich möglich seien, wird in dieser kein Gutachten darstellenden Bescheinigung letztlich nicht überzeugend begründet. Demgemäß gibt der Senat ebenso wie das SG den Bekundungen der Gutachter Dr. S., Dr. P. und Dr. Z. den Vorrang und erachtet - um dies nochmals zu wiederholen - die zugunsten der Klägerin weitergehende Auffassung des Sachverständigen Dr. Stä. für den von ihm in Bezug genommenen zurückliegenden Zeitraum noch nicht für hinreichend tragfähig.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Zur Zulassung der Revision besteht kein Anlass.
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