L 8 AL 4434/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 14 AL 3752/00
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 8 AL 4434/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Juli 2002 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin wendet sich gegen die Pflicht zur Erstattung des ihrem früheren Arbeitnehmer M. P. (AN) von der Beklagten in der Zeit vom 21.10.1999 bis zum 31.07.2000 gezahlten Arbeitslosengeldes sowie der Beiträge zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung.

Der am 21.10.1941 geborene AN war vom 07.07.1970 bis 29.12.1997 bei der D.-B. AG, der Rechtsvorgängerin der Klägerin, beschäftigt, zuletzt als Schaber. Eine ordentliche Kündigung war tarifvertraglich zeitlich unbegrenzt ausgeschlossen. In den Jahren 1996 und 1997 war AN im Zeitraum vom 22.02.1996 bis zum 15.08.1997 an insgesamt 276 Tagen arbeitsunfähig krank. Am 06.05.1997 und 20.06.1997 wurde er wegen eines Blasentumors operiert. Anschließend erfolgte eine Chemotherapie. Das Arbeitsverhältnis wurde mit einem am 24.11.1997 geschlossenen Auflösungsvertrag zum 29.12.1997 beendet. AN erhielt aus Anlass der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Abfindung in Höhe von 117.179,00 DM.

AN meldete sich am 08.12.1997 beim Arbeitsamt Rastatt (AA) arbeitslos und beantragte Arbeitslosengeld (Alg). Er hielt seine Vermittlungsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen für eingeschränkt. Die letzte Tätigkeit könne er nicht mehr ausüben. Er stelle sich im Rahmen des ärztlichen Gutachtens der Arbeitsvermittlung zur Verfügung. Zum Grund des Ausscheidens gab er an, es handele sich um einen Auflösungsvertrag im Rahmen einer Frühpensionierungsregelung. Mit Bescheid vom 16.12.1997 stellte das AA den Eintritt einer Sperrzeit vom 30.12.1997 bis 23.03.1998 mit einer Minderung der Anspruchsdauer um 208 Tage fest. Mit weiteren Bescheiden vom 16.12.1997 stellte das AA das Ruhen des Anspruchs wegen der erhaltenen Abfindung nach § 117 AFG bis zum 26.07.1998 und nach § 117a AFG vom 27.07.1998 bis 14.10.1998 fest.

Im arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 29.01.1998 wurde AN für fähig erachtet, noch leichte bis zeitweise mittelschwere in gehender, stehender oder sitzender Körperhaltung, in Tages- bzw Früh- und Spätschicht vollschichtig zu verrichten. Ob er die letzte Tätigkeit auf Dauer hätte ausüben können, könne nur aufgrund eines anzufordernden Anforderungsprofils entschieden werden. AN hatte angegeben, er habe zuletzt eine im Stehen und Gehen auszuübende Beschäftigung verrichtet. Dabei habe er gleichzeitig 9 Maschinen bedienen und Zahnräder ohne Hilfsmittel in die Maschinen einlegen müssen. Dies sei ihm mit der Zeit zu schwer gewesen. Da eine Umsetzung auf einen behindertengerechten Arbeitsplatz – bei ihm sei ein GdB von 60 festgestellt – nicht mehr möglich gewesen sei, habe er einen Aufhebungsvertrag abgeschlossen.

Mit Bescheid vom 10.10.1998 bewilligte das AA ihm Alg ab 15.10.1998 mit einer Anspruchsdauer von 648 Tagen in Höhe von DM 67,58 täglich (Bemessungsentgelt DM 1180,-, Leistungsgruppe C/0; Leistungstabelle 1998). Der tägliche Leistungssatz betrug ab 01.12.1998 DM 67,97, ab 01.01.1999 DM 68,84, ab 01.12.1999 DM 69,67 und ab 01.01.2000 DM 71,27. Ab 01.08.2000 war der Anspruch auf Alg erschöpft. Ein Antrag auf Arbeitslosenhilfe wurde abgelehnt (Bescheid vom 25.07.2007).

Das AA befragte AN am 05.04.2000 zur Entwicklung der gesundheitlichen Verhältnisse in den letzten zwei Beschäftigungsjahren sowie in der Zeit vom 21.10.1999 bis 31.03.2000 zu Arbeitsunfähigkeitszeiten und zu Anträgen auf andere Sozialleistungen. Hierzu gab AN am 18.04.2000 an, er habe keine krankheitsbedingten Fehlzeiten gehabt und sei nach Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht in ärztlicher Behandlung oder sonst arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Er habe auch keine Sozialleistungen der gefragten Art beantragt gehabt. Gesundheitliche Gründe seien für die Beendigung des Beschäftigungsverhältnisses nicht maßgeblich gewesen. Eine Weiterbeschäftigung auf seinem letzten Arbeitsplatz sei noch möglich gewesen. Anschließend unterrichtete das AA die Klägerin über die Erstattungspflicht nach § 128 AFG für die Zeit vom 21.10.1999 bis 31.03.2000 in Höhe von DM 19.182,41 und gab ihr Gelegenheit, sich bis 30.05.2000 zu äußern (Schreiben vom 20.04.2000). Die Auskunft von AN war beigefügt. Mit Bescheid vom 07.06.2000 stellte das AA die Verpflichtung der Klägerin fest, das AN gezahlte Alg sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 21.10.1999 bis 31.03.2000 zu erstatten. Den Erstattungsbetrag errechnete es wie folgt:

Alg (163 Leistungstage) DM 11.467,78 Beiträge zur Krankenversicherung DM 2.981,03 Beiträge zur Rentenversicherung DM 4.352,00 Beiträge zur Pflegeversicherung DM 381,60 Insgesamt DM 19.182,41

Am 13.06.2000 erhob die Klägerin Widerspruch und brachte vor, zum Gesundheitszustand von AN seit seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis könne sie keine Angaben machen. Mit Widerspruchsbescheid vom 15.06.2000 wies die Widerspruchsstelle des AA den Widerspruch zurück. Zu Begründung verwies sie auf die Regelung des § 128 AFG und darauf, dass AN weder bei seiner Arbeitslosmeldung noch in seinem Leistungsantrag gesundheitliche Einschränkungen geltend gemacht habe. Ferner bezog sie sich auf die Angaben von AN im Fragebogen zu seinem Gesundheitszustand.

Das AA befragte AN am 10.08.2000 zur Entwicklung der gesundheitlichen Verhältnisse in der Zeit vom 01.04.2000 bis 31.07.2000, zu Arbeitsunfähigkeitszeiten und zu Anträgen auf andere Sozialleistungen. AN gab hierzu am 15.08.2000 an, eine Veränderung seines Gesundheitszustandes sei nicht eingetreten. Er sei während der gesamten Zeit der Arbeitslosigkeit nicht arbeitsunfähig erkrankt gewesen. Anschließend unterrichtete das AA die Klägerin über die Erstattungspflicht nach § 128 AFG für die Zeit vom 01.04.2000 bis 31.07.2000 in Höhe von DM 14.883,30 und gab ihr Gelegenheit, sich binnen vier Wochen zu äußern (Schreiben vom 17.08.2000). Die Antwort von AN war beigefügt. Mit Bescheid vom 25.09.2000 stellte das AA die Verpflichtung der Klägerin fest, das AN gezahlte Alg sowie die hierauf entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken-, Pflege- und Rentenversicherung für die Zeit vom 01.04.2000 bis 31.07.2000 zu erstatten. Den Erstattungsbetrag errechnete es wie folgt:

Alg (122 Leistungstage) DM 8.873,74 Beiträge zur Krankenversicherung DM 2.351,57 Beiträge zur Rentenversicherung DM 3.361,87 Beiträge zur Pflegeversicherung DM 296,12 Insgesamt DM 14.883,30

Am 05.10.2000 erhob die Klägerin Widerspruch und brachte vor, hinsichtlich des Gesundheitszustandes von AN seit seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis könne sie keine Angaben machen. Mit Widerspruchsbescheid vom 11.10.2000 wies die Widerspruchsstelle des AA den Widerspruch aus den Gründen des Widerspruchsbescheids vom 15.06.2000 zurück.

Am 30.06.2000 (S 18 AL 3752/00) und 03.11.2000 (L 12 AL 6129/00) erhob die Klägerin jeweils Klage beim Sozialgericht Stuttgart (SG). Mit Beschluss vom 28.11.2000 wurden die Streitsachen zur gemeinsamen Verhandlung und Entscheidung verbunden. Die Klägerin machte geltend, § 128 AFG sei verfassungswidrig. Insoweit nahm sie insbesondere auf die Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts vom 10.11.1998 (1 BvR 2296/96 und 1 BvR 1081/97) zur Verfassungswidrigkeit des § 128a AFG Bezug. Die Beklagte sei im Übrigen ihren Verpflichtungen zur Ermittlung nicht bzw. nicht in ausreichendem Umfang und nicht zeitnah nachgekommen. AN sei 1996 130 und 1997 146 Tage arbeitsunfähig krank gewesen.

Das SG befragte AN am 16.05.2001 nach Erkrankungen und dem Bezug von Sozialleistungen im Erstattungszeitraum. Dieser teilte mit, er sei vom 07.03.2001 bis 15.03.2001 wegen einer Blasentumoroperation erkrankt gewesen. Spätfolgen dieser Erkrankung lägen nicht vor. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung sei nicht ausgestellt worden und er habe auch keine anderen Sozialleistungen beantragt.

Das SG hörte den Urologen Dr. B., den Radiologen Dr. S. und den Internisten Dr. P. schriftlich als sachverständige Zeugen. Während Dr. S. und Dr. P. keine näheren Angaben machen konnten (Dr. S. legte den Bericht über die keine krankhaften Befunde zeigende Darmuntersuchung vom 11.11.1999 und Dr. P. den Röntgenbefundbericht (Brust) vom 19.02.2001 vor), gab Dr. B. am 03.07.2001 an, im Zeitraum vom 21.10.1999 bis 31.07.2000 seien urologischerseits keine Besonderheiten festzustellen gewesen. Am 02.11.1999 habe AN jedoch über blutige Stuhlabgänge seit ca. drei Wochen geklagt. Die deshalb veranlassten weiterführenden Untersuchungen hätten keine weiteren Erkrankungen ergeben. Die Diagnostik sei aber teilweise derart belastend, dass eine Arbeitsaufnahme am selben Tag, z. B. nach eine Coloskopie nicht zugemutet werden könne.

Mit Gerichtsbescheid vom 04.07.2002 wies das SG die Klage ab. Es hielt die Regelung des § 128 AFG für verfassungsgemäß. AN habe nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens auch keinen Anspruch auf andere Sozialleistungen gehabt. Insbesondere bestünden keine Anhaltspunkte für eine Berufsunfähigkeit von AN. Die Leistungsbeurteilung im von der Beklagten eingeholten arbeitsamtsärztlichen Gutachten (leichte, teilweise mittelschwere Arbeiten vollschichtig) decke sich mit der Beschreibung der mit seinem Arbeitsplatz verbundenen Anforderungen, die AN selbst gegeben habe. Die letzte längere Erkrankung von AN beruhe auf der Behandlung eines Blasentumors. Hierbei habe es sich um ein punktuelles Ereignis gehandelt, das zunächst mit dem Ende der Arbeitsunfähigkeit abgeschlossen gewesen sei. Anhaltspunkte für weitere Ermittlungen hätten sich nicht ergeben. Die Klägerin sei ordnungsgemäß angehört worden.

Gegen den ihrem Prozessbevollmächtigten am 23.07.2002 zugestellten Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 14.08.2002 Berufung eingelegt. Sie macht geltend, der Beklagten, die die Darlegungs- und Beweislast dafür habe, sei es nicht gelungen das Nichtvorliegen einer anderweitigen Sozialleistungsberechtigung von AN zu beweisen. Bei AN hätten schon im Arbeitsverhältnis extrem hohe Fehlzeiten wegen Krankheit vorgelegen. Hinzu seien schwerste Erkrankungen nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses gekommen. Allein diese Tatsachen ließen nur den Schluss zu, dass AN nicht mehr in der Lage war, einer Arbeitstätigkeit nachzugehen. Ein störungsfreier Verlauf der Zwischenzeit könne ausgeschlossen werden.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 4. Juli 2002 und die Bescheide der Beklagten vom 7. Juni 2000 und 25. September 2000, in der Gestalt der jeweiligen Widerspruchsbescheide vom 15. Juni 2000 und 11. Oktober 2000 aufzuheben,

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. AN habe im Erstattungszeitraum keinen Anspruch auf eine andere Sozialleistung, insbesondere wegen Arbeitsunfähigkeit, gehabt. Nach der Bestätigung von Dr. B. vom 03.07.2001 sei er in diesem Zeitraum nicht arbeitsunfähig gewesen. Ferner sei AN nach dem Ende seiner Krankheit ab 19.08.1997 wieder beschäftigt gewesen. Die tatsächliche Ausübung der letzten Tätigkeit widerspreche einer weitergehenden Arbeitsunfähigkeit. Hätte AN seine bisherige Tätigkeit auf Dauer nicht mehr weiter ausüben können, hätte es an der Klägerin gelegen, ihm eine leichtere Tätigkeit zu übertragen.

Der Senat hat AN schriftlich als Zeugen zu Erkrankungen, Behandlungen und zu Sozialleistungen befragt. Er hat angegeben, im erfragten Zeitraum nicht erkrankt gewesen zu sein. Auch seien von ihm keine anderen Sozialleistungen beantragt worden. Die Angabe im Antrag auf Arbeitslosengeld vom 08.12.1997, wonach er die letzte Tätigkeit (als Maschinenarbeiter) nicht weiter ausüben könne, habe er wegen seines Blasentumors gemacht.

Wegen weiterer Einzelheiten des Sachverhaltes und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Senatsakten, die Akten des SG sowie die AN betreffende Leistungsakte des AA Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß den §§ 143, 144 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte sowie frist- und formgerecht (§ 151 SGG) eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig, aber nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Die streitbefangenen Erstattungsbescheide der Beklagten sind rechtmäßig.

Gegenstand des vorliegenden Berufungsverfahrens ist der Bescheid vom 07.06.2000 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 15.06.2000 und der Bescheid vom 25.09.2000 in der Ge-stalt des Widerspruchsbescheides vom 11.10.2000, mit denen die Beklagte von der Klägerin die Erstattung von 19.182,41 DM und 14.883,30 DM verlangt, die sie in der Zeit vom 21.10.1999 bis 31.07.2000 anlässlich der Arbeitslosigkeit von AN für Alg sowie in Form von Beiträgen zur Kranken-, Renten- und Pflegeversicherung aufgewandt hat.

Die angefochtenen Bescheide sind formell rechtmäßig. Die gemäß § 24 SGB X erforderliche Anhörung der Klägerin ist jeweils erfolgt. Ein zur Aufhebung der angefochtenen Bescheide führender Anhörungsfehler liegt nicht vor. Die jeweiligen Antworten von AN zu den Anfragen der Beklagten waren beiden Anhörungsschreiben beigefügt, sodass der Klägerin der von der Beklagten ermittelte Sachverhalt bekannt war.

Die angefochtenen Bescheide sind auch materiell rechtmäßig. Rechtsgrundlage des Erstattungsanspruchs ist § 128 AFG (idF des Gesetzes zur Änderung der Förderungsvoraussetzungen im AFG und in anderen Gesetzen vom 18.12.1992, BGBl I 2044), der gemäß § 431 Abs. 1 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III) iVm § 242x Abs. 6 und Abs. 3 S. 1 Nr. 1 AFG (jeweils idF des Arbeitsförderungs-Reformgesetzes vom 24. März 1997, BGBl I 594) hier anzuwenden ist, weil AN innerhalb der Rahmenfrist mindestens 360 Kalendertage vor dem 01.04.1997 in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat (vgl. BSG 20.06.2002 - B 7 AL 8/01 R - juris). Nach § 128 Abs. 1 Satz 1 AFG erstattet der Arbeitgeber, bei dem der Arbeitslose innerhalb der letzten vier Jahre vor dem Tag der Arbeitslosigkeit, durch den nach § 104 Abs. 2 AFG die Rahmenfrist bestimmt wird, mindestens 720 Kalendertage in einer die Beitragspflicht begründenden Beschäftigung gestanden hat, der BA vierteljährlich das Alg für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres, längstens für 624 Tage. Diese Voraussetzungen sind erfüllt, denn der am 21.10.1941 geborene AN war von 1970 bis 29.12.1997 bei der Klägerin bzw. deren Rechtsvorgängerin beitragspflichtig beschäftigt. Das Arbeitsverhältnis wurde auch nicht vor Vollendung des 56. Lebensjahres (am 20.10.1997) des Arbeitslosen beendet (§ 128 Abs. 1 S. 2 Halbsatz 1 1. Alternative AFG) und die Beklagte verlangt eine Erstattung nur für die Zeit nach Vollendung des 58. Lebensjahres am 20.10.1999.

Die Erstattungspflicht tritt nicht ein, wenn der Arbeitslose auch die Voraussetzungen für eine der in § 118 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 bis 4 AFG genannten Leistungen - dazu zählen u.a. Krankengeld und Rente wegen Erwerbsunfähigkeit - oder für eine Rente wegen Berufsunfähigkeit erfüllt (§ 128 Abs. 1 S. 2 AFG). Eine Erstattungspflicht entfällt ferner, wenn der Arbeitgeber darlegt und nachweist, dass der Arbeitslose das Arbeitsverhältnis durch Kündigung beendet und weder eine Abfindung noch eine Entschädigung oder ähnliche Leistung wegen der Beendigung des Arbeitsverhältnisses erhalten oder zu beanspruchen hat (§ 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 3 AFG), er das Arbeitsverhältnis durch sozial gerechtfertigte Kündigung beendet hat (§ 128 Abs. 1 S. 2 Nr. 4 AFG) oder er bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses berechtigt war, das Arbeitsverhältnis aus wichtigem Grund ohne Einhaltung der Kündigungsfrist oder mit sozialer Auslauffrist zu kündigen (§ 128 Abs. 1 S.2 Nr. 5 AFG). Soweit Alg zu erstatten ist, schließt dies die auf diese Leistung entfallenden Beiträge zur gesetzlichen Kranken- und Rentenversicherung sowie zur sozialen Pflegeversicherung ein (§ 128 Abs. 4 AFG).

Auch die negativen Erstattungsvoraussetzungen des § 128 Abs. 1 Satz 2 AFG schließen die Erstattung nicht aus. AN standen im Zeitraum vom 21.10.1999 bis 31.07.2000 keine der in § 128 Abs. 1 Satz 2 AFG erwähnten Leistungen zu. Er war von Oktober 1999 bis Juli 2000 weder arbeitsunfähig noch berufsunfähig noch erwerbsunfähig und hatte deshalb keinen Anspruch auf Krankengeld oder Rente wegen Erwerbs- oder Berufsunfähigkeit. Zwar ist der Klägerin zuzugeben, dass AN in den beiden letzten Jahren seiner Berufstätigkeit oft arbeitsunfähig krank war. So war er 1996 130 Tage und 1997 146 Tage arbeitsunfähig krank. Daraus lassen sich jedoch kein Schlüsse für den Gesundheitszustand des Klägers im Erstattungszeitraum ziehen. Denn die häufigen Krankschreibungen des AN erfolgten vor der Operation des Blasentumors im Mai und Juni 1997. Danach war AN vom 16.08. bis zu seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis am 29.12.1997 nicht mehr arbeitsunfähig. Auch ergibt sich aus dem von der Beklagten eingeholten arbeitsamtsärztlichen Gutachten vom 29.01.1998, dass AN noch leichte bis zeitweise mittelschwere Arbeiten vollschichtig verrichten konnte. Ob er mit diesem Leistungsvermögen seine letzte Tätigkeit auf Dauer noch hätte ausüben können, kann der Senat offen lassen. Denn nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses ändert sich der rechtliche Maßstab für die Beurteilung der Arbeitsunfähigkeit zunächst insofern, als dafür nicht mehr die konkreten Verhältnisse am früheren Arbeitsplatz maßgebend sind, sondern nunmehr abstrakt auf die Art der zuletzt ausgeübten Beschäftigung abzustellen ist. Der Versicherte darf gemäß der ständigen Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses daher auf gleich oder ähnlich geartete Tätigkeiten verwiesen werden, wobei der Kreis möglicher Verweisungstätigkeiten nach der Funktion des Krankengeldes zu bemessen ist (BSG 07.12.2004 - B 1 KR 5/03 R - SozR 4-2500 § 44 Nr. 3). Das bedeutet für den vorliegenden Fall, dass AN, der keinen Beruf erlernt hat und als Maschinenarbeiter auch keine gelernte Tätigkeit ausgeübt hat, im Erstattungszeitraum auf alle Tätigkeiten, die für einen Maschinenarbeiter anfallen, verwiesen werden konnte. Dies schließt Tätigkeiten ein, die grundsätzlich als körperlich leicht und nur zeitweise als mittelschwer zu bezeichnen sind. Die vom SG und vom Senat durchgeführten Ermittlungen bestätigen, dass AN für solche Tätigkeiten in der Zeit vom 21.10.1999 bis 31.07.2000 ausreichend leistungsfähig war. Während Dr. P. keine näheren Angaben zu Behandlungen von AN im Erstattungszeitraum machen und Dr. S. lediglich den Bericht über die keine krankhaften Befunde zeigende Darmuntersuchung vom 11.11.1999 vorlegen konnte, gab der Urologe Dr. B. an, im Zeitraum vom 21.10.1999 bis 31.07.2000 seien urologischerseits keine Besonderheiten festzustellen gewesen. Die wegen Klagen über blutige Stuhlabgänge seit ca. drei Wochen am 02.11.1999 veranlassten weiterführenden Untersuchungen hätten keine weiteren Erkrankungen ergeben. Daraus folgt für den Senat, dass bei AN im Erstattungszeitraum keine mit Arbeitsunfähigkeit verbundenen Erkrankungen vorlagen. Diese Beurteilung wird bestätigt durch die Angaben von AN gegenüber dem SG und dem Senat. Gegenüber dem SG gab AN an, er sei erst wieder vom 07.03.2001 bis 15.03.2001, also außerhalb des Erstattungszeitraums, wegen einer Blasentumoroperation erkrankt gewesen. Vom Senat nochmals zu Erkrankungen, Behandlungen und zu Sozialleistungen im Erstattungszeitraum befragt, gab AN an, in Erstattungszeitraum nicht erkrankt gewesen zu sein. Auch seien von ihm keine anderen Sozialleistungen beantragt worden. Eine anderweitige Sozialleistungsberechtigung von AN ist damit nicht anzunehmen.

Die Regelung des § 128 AFG in der hier maßgeblichen Fassung ist nach Ansicht des Senats mit dem Grundgesetz (GG) vereinbar. Spätestens seit der Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) vom 09.09.2005 - 1 BvR 620/01 - (NZA 2005, 1401) besteht Klarheit, dass die von der Klägerin bislang vertretene Auffassung, § 128 AFG sei verfassungswidrig, nicht haltbar ist. Das BVerfG hat die Rechtsprechung des BSG, wonach § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 4 AFG nicht auf Aufhebungsverträge anwendbar ist, als mit dem GG vereinbar erklärt. Damit scheidet ein Wegfall der Erstattungspflicht der Klägerin nach der genannten Bestimmung sowie auch nach § 128 Abs. 1 Satz 2 Nr. 3 AFG im vorliegenden Fall aus, da die Klägerin und AN das Arbeitsverhältnis nicht durch Kündigung, sondern durch einen Aufhebungsvertrag aufgelöst haben.

Die Erstattungsforderungen der Beklagten sind auch der Höhe nach nicht zu beanstanden. Die Klägerin hat sich auch nicht gegen die Berechnung der Beklagten gewandt. Ferner ist der Senat davon überzeugt, dass AN die Leistungen, die er im Erstattungszeitraum von der Beklagten erhalten hat, nach Grund und Höhe zu Recht bezogen hat.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 01.01.2002 geltenden Fassung, da die Klagen bereits am 30.06.2000 und 03.11.2000 erhoben worden und damit vor dem Inkrafttreten des 6. SGG-ÄndG vom 17.08.2001 (BGBl. I S. 2144) am 02.01.2002 rechtshängig geworden sind (Art. 17 Abs. 1 Satz 2 6. SGG-ÄndG).

Die Voraussetzungen für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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