L 14 B 182/07 AS ER

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
14
1. Instanz
SG Potsdam (BRB)
Aktenzeichen
S 21 AS 2120/06 ER
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 14 B 182/07 AS ER
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde der Antragstellerin gegen den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Dezember 2006 wird zurückgewiesen. Der Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe für das Verfahren vor dem Landes-sozialgericht wird abgelehnt. Außergerichtliche Kosten haben die Beteiligten einander nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Streitig ist, ob der Antragsgegner weitere Kosten der Unterkunft für den Monat Dezember 2006 in Höhe von 177,62 Euro zu übernehmen hat.

Die 1960 geborene Antragstellerin lebt mit ihrem 1986 geborenen Sohn F in einem Einfamilienhaus mit 75 m² Wohnfläche auf einem 1.417 m² großen Grundstück. Dieses erwarb sie 1997 zusammen mit ihrem (damaligen) Ehemann R Z, von dem sie mittlerweile geschieden ist. 2000 überließ R Z der Antragstellerin das Haus gegen Freistellung von den Kreditverbindlich-keiten.

Im September 2004 beantragte die Antragstellerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch, Zweites Buch (SGB II). Zu den Kosten der Unterkunft gab sie an, dass sie Zinsen in Höhe von 403,91 Euro monatlich für ein zum Erwerb des Hauses aufgenommenes Darlehen entrichte. Neben Betriebskosten in Höhe von 78,64 Euro monatlich fielen weiter Heizkosten in Höhe von 86,80 Euro monatlich an.

In der Folge bewilligte die Antragsgegnerin der Antragstellerin Leistungen nach dem SGB II unter Berücksichtigung von 551,36 Euro monatlich für die Kosten der Unterkunft. Durch Schreiben vom 8. Februar 2005 belehrte sie die Antragstellerin darüber, dass die Kosten der Unterkunft zu hoch seien, angemessen für zwei Personen sei nur eine Wohnung bis 65 m² und 380,25 Euro Unterkunftskosten. Ab 1. Juli 2005 würden Kosten nur noch in angemessener Höhe übernommen.

Die Antragstellerin wandte sich am 5. Juli 2005 schriftlich gegen die Belehrung vom 8. Februar 2005. Die Zinsen seien in Höhe von 403,92 Euro bis 2007 festgeschrieben, sie führe bereits Verhandlungen wegen einer Reduzierung auf 290,40 Euro monatlich. In der Folge bewilligte die Antragsgegnerin Leistungen, wobei sie die Kosten der Unterkunft weiter in voller Höhe von 551,36 Euro berücksichtigte, teilweise aufgeteilt zwischen der Antragstellerin und ihrem mit ihr in Haushalts- und zeitweise in Bedarfsgemeinschaft lebenden volljährigen Sohn F.

Auf den Fortzahlungsantrag vom 15. September 2006 bewilligte die Antragsgegnerin durch Bescheide vom 18. September 2006 und 23. Oktober 2006 Leistungen für die Zeit ab November 2006 bis April 2007, in denen als Kosten der Unterkunft nur noch die für eine Mietwohnung angemessenen in Höhe von (insgesamt) 380,25 Euro berücksichtigt wurden. Daran änderte sich auch durch die Neuberechungen mit Bescheiden vom 20. Oktober 2006, 21. November 2006, 1. Dezember 2006 und 5. Januar 2007 sowie nach der Neubewilligung durch Bescheid v. 14. März 2007 mit Wirkung ab April 2007 nichts. Mit ihrem Widerspruch gegen den Bescheid vom 18. September 2006 machte die Antragsgegnerin geltend, dass es ihr gelungen sei, die Zinsbelastung ab April 2007 auf 288,37 Euro zu senken.

Mit dem am 5. Dezember 2006 beim Sozialgericht Potsdam eingegangenen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Anordnung begehrt die Antragstellerin die Übernahme zusätzlicher Kosten der Unterkunft für Dezember 2006 in Höhe von 177,62 Euro. Das Sozialgericht hat den Antrag durch Beschluss vom 29. Dezember 2006 abgelehnt. Ein Anordnungsgrund sei nicht glaubhaft gemacht. Die Antragstellerin habe nicht dargelegt, unmittelbar von Wohnungslosigkeit oder Privatinsolvenz bedroht zu sein.

Gegen den ihr am 15. Januar 2007 zugestellten Beschluss richtet sich die am 25. Januar 2007 bei dem Sozialgericht eingegangene Beschwerde der Antragstellerin, der das Sozialgericht nicht abgeholfen hat. Ein wesentlicher Nachteil, dessen Abwendung den Erlass einer einstweiligen Anordnung rechtfertige, liege nicht erst vor, wenn Zwangsversteigerung oder Privatinsol-venz unmittelbar bevorstehen würden. Denn in diesen Fällen sei der bereits eingetretene Schaden allein durch den Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht wieder auszugleichen. Vielmehr komme es darauf an, ob das Abwarten auf eine Entscheidung in der Hauptsache zumutbar sei. Zugunsten der Antragstellerin sei insoweit zu berücksichtigen, dass nach der Rechtsprechung des Landessozialgerichts Berlin-Brandenburg (Hinweis auf Urt. v. 9. Mai 2006 – L 10 AS 102/06 - ) die Angemessenheit der Aufwendungen eines selbst genutzten Eigenheims nicht nach den für eine Mietwohnung festgesetzten Grenzen beurteilt werden dürfe. Die An-tragsgegnerin habe auch nicht aufgezeigt, wie die Kosten gesenkt werden könnten. Da eine Kostensenkung tatsächlich nicht möglich sei, müssten die tatsächlichen Aufwendungen auch für einen Zeitraum über 6 Monate hinaus übernommen werden.

Die Antragstellerin beantragt,

den Beschluss des Sozialgerichts Potsdam vom 29. Dezember 2006 aufzuheben und die Antragsgegnerin im Wege der einstweiligen Anordnung zu verpflichten, weitere Kosten der Unterkunft für Dezember 2006 in Höhe von 177,62 Euro zu gewähren, sowie ihr für das Verfahren vor dem Sozialgericht und dem Landessozialgericht Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt R H, H Str. , B zu gewähren.

Die Antragsgegnerin beantragt,

die Beschwerde zurückzuweisen.

Sie hält die Entscheidung des Sozialgerichts für zutreffend. Es sei nicht ihre Sache, Wege auf-zuzeigen, die zu einer Senkung der Unterkunftskosten führten. Der Antragstellerin seien schon länger als sonst üblich die höheren tatsächlichen Kosten der Unterkunft gewährt worden.

Für die weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gerichtsakte und die die Antragstellerin betreffende Verwaltungsakte der Antragsgegnerin verwiesen, die vorgelegen haben und Gegenstand der Beratung gewesen sind.

II.

Die zulässige Beschwerde hat keinen Erfolg. Die Entscheidung des Sozialgerichts ist nicht zu beanstanden, da der für den Erlass der begehrten einstweiligen Anordnung erforderliche Anordnungsgrund nicht ersichtlich ist.

Nach § 86 b Abs. 2 Satz 2 SGG kann das Gericht der Hauptsache eine einstweilige Anordnung zur Regelung eines vorläufigen Zustandes in Bezug auf ein streitiges Rechtsverhältnis erlassen, wenn eine solche Regelung zur Abwendung wesentlicher Nachteile nötig erscheint. Erforderlich sind demnach Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund. Das Bestehen eines Anspruches muss überwiegend wahrscheinlich und die Sache eilbedürftig sein, so dass nicht zumutbar auf ein Hauptsacheverfahren verwiesen werden kann. Dabei stehen Anordnungsanspruch und Anordnungsgrund in einer wechselseitigen Beziehung: Je wahrscheinlicher das Bestehen des geltend gemachten Anspruchs ist, desto geringer sind die an das Vorliegen eines Anordnungsgrundes zu stellenden Anforderungen. Vorliegend sind indessen hohe Anforderungen an das Bestehen eines Anordnungsgrundes zu stellen, weil nicht zweifelsfrei ist, ob es für den geltend gemachten Anspruch eine rechtliche Grundlage gibt.

Zwar spricht einiges dafür, dass im Rahmen des SGB II bei der Bestimmung der nach § 22 zu übernehmenden angemessenen Kosten der Unterkunft für Eigenheime bzw. Eigentumswohnungen andere Regeln gelten als für Mietwohnungen (vgl. insbesondere das schon von der Antragstellerin herangezogene Urteil des LSG Berlin-Brandenburg v. 9. Mai 2006 – L 10 AS 102/06 -), so dass die Rechtmäßigkeit der Vorgehensweise der Antragsgegnerin, die für De-zember 1996 Aufwendungen nur in Höhe einer angemessenen Mietwohnung berücksichtigt hat, fraglich ist. Eine klärende höchstrichterliche Rechtsprechung zur Frage der bei Eigenheimen zu berücksichtigenden Aufwendungen steht indessen noch aus. Das Bundessozialgericht hat in seinem Urteil vom 7. November 2006 – B 7b AS 2/05 R – formuliert, dass "im Rahmen der Angemessenheitsprüfung bei § 22 Abs. 1 SGB II ( ) eine Privilegierung von Eigentümern gegenüber Mietern nicht zu rechtfertigen sein (wird)". Danach erscheint auch nicht ausge-schlossen, dass die Antragsgegnerin die von ihr zu übernehmenden Kosten der Unterkunft zutreffend festgesetzt hat. Indifferent ist die bisherige höchstrichterliche Rechtsprechung ebenso in Bezug auf den von der Antragstellerin aufgestellten Rechtssatz, dass Hauseigentümern für den Fall unangemessen hoher Kosten der Unterkunft Wege zur Kostenreduzierung aufgezeigt werden müssten. Folglich ist ebenso wenig mit hinreichender Sicherheit davon auszugehen, dass sich jedenfalls aus einer unterlassenen Beratung weitere Ansprüche ergeben würden. Vor diesem Hintergrund wäre eine im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes ausgesprochene Verpflichtung der Antragsgegnerin zur Erbringung höherer Leistungen nur zu rechtfertigen, wenn anderenfalls der Antragstellerin schwere und nicht wieder gut zu machende Nachteile entstehen würden.

Davon kann hier indessen nicht die Rede sein. Schon die eher geringe Höhe des streitigen Betrags (177,62 Euro) lässt fern liegend erscheinen, dass die Antragstellerin zum Zeitpunkt des Eingangs des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung beim Sozialgericht dringend auf die Zahlung durch die Antragsgegnerin angewiesen war, weil sie keine anderen Möglich-keiten hatte, den Betrag aufzubringen. Bei erstmaliger Beantragung von Leistungen gemäß dem SGB II hatte sie angegeben, über ein (Schon-)Vermögen von 877,-Euro auf ihrem Girokonto zu verfügen. Dass bei Eingang des Antrags auf Erlass einer einstweiligen Anordnung keine Notwendigkeit zum sofortigen Eingreifen bestand, wird durch die weitere Entwicklung der Dinge bestätigt. Die Antragstellerin hat – nach ihrem eigenen Vorbringen - bislang alle Raten für das Haus aufbringen können, auch wenn sie dafür die finanzielle Hilfe ihrer Eltern in Anspruch nehmen musste. Das erscheint dem Senat aber bis zur Klärung der Ansprüche durch ein Hauptsacheverfahren - ebenso wenig wie die Inanspruchnahme eigenen Schonvermögens - nicht unzumutbar zu sein.

Letztlich hat die – anwaltlich vertretene – Antragstellerin nicht nachvollziehbar darlegen können, warum sie auf die beantragte Entscheidung im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes angewiesen ist. Gegen den Beschluss des Sozialgerichts hat sie eingewandt, dass der Erlass einer einstweiligen Anordnung nicht erst dann gerechtfertigt sei, wenn Zwangsversteigerung oder Privatinsolvenz unmittelbar bevorstehen würden. Zwar hat auch der erkennende Senat bisher nie die Auffassung vertreten, dass einstweiliger Rechtsschutz wegen der nach dem SGB II zu übernehmenden Kosten der Unterkunft grundsätzlich nur dann in Betracht komme, wenn ein unmittelbar drohender Verlust der Wohnung abgewendet werden soll (vgl. etwa Beschluss vom 2. Februar 2007 – L 14 B 1168/06 AS ER – und vom 9. Februar 2007 – L 14 B 68/07 AS ER -). Wegen der Wechselbeziehung zwischen Anordnungsgrund und -anspruch gelten aber engere Voraussetzungen, wenn Grund und Umfang des geltend gemachten Anspruchs problematisch sind. Die Antragstellerin ist danach darauf zu verweisen, ein Hauptsacheverfahren zur Klärung ihrer Ansprüche gegen die Antragsgegnerin zu führen.

Der Bewilligung von Prozesskostenhilfe steht entgegen, dass dem Antrag auf Gewährung einstweiligen Rechtsschutzes von Anfang an die erforderliche Erfolgsaussicht (§§ 73a SGG, 114 der Zivilprozessordnung) gefehlt hat. Zwar kann angesichts der höchstrichterlich noch nicht abschließend geklärten Rechtslage und der für die Antragstellerin günstigen Rechtspre-chung der Instanzgerichte (vgl. nochmals Urteil des LSG Berlin-Brandenburg v. 9. Mai 2006 – L 10 AS 102/06 -) in der Sache dem Begehren der Antragstellerin nicht von vornherein jede Erfolgsaussicht abgesprochen werden. Da sie aber ein Verfahren des einstweiligen Rechts-schutzes betreibt, muss die Erfolgsaussicht auch im Hinblick auf die insoweit erforderliche Eilbedürftigkeit geben sein. Daran fehlt es aber, weil von Anfang an nicht ersichtlich war, dass die Antragstellerin auf die sofortige Zahlung des streitigen Betrages angewiesen gewesen sein könnte. Entsprechend ist der angegriffene Beschluss des Sozialgerichts auch in Bezug auf die Versagung von Prozesskostenhilfe zu bestätigen und kann für das Beschwerdeverfahren vor dem Landessozialgericht ebenso wenig Prozesskostenhilfe bewilligt werden.

Da keine einstweilige Anordnung zu erlassen ist, hat der Senat von einer Korrektur des Aktivrubrums im Hinblick darauf, dass der Antragstellerin höhere Leistungen nur gemeinsam mit ihrem (mit ihr in Bedarfsgemeinschaft lebenden) Sohn zustehen können, abgesehen.

Die Kostenentscheidung ergeht entsprechend § 193 SGG unter Berücksichtigung des Ergebnis-ses in der Sache.

Dieser Beschluss ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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