Land
Schleswig-Holstein
Sozialgericht
Schleswig-Holsteinisches LSG
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Lübeck (SHS)
Aktenzeichen
6 RJ 242/06
Datum
2. Instanz
Schleswig-Holsteinisches LSG
Aktenzeichen
L 7 R 105/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Leitsätze
- Ein Sachverständiger, der in der ersten Instanz im Rahmen der Beweisaufnahme-vernommen worden ist, kann im Berufungsverfahren nicht in entsprechender An-wendung des § 41 Nr. 5 ZPO oder des § 41 Nr. 6 ZPO abgelehnt werden.
Der Antrag des Klägers, Dr. , Arzt für Neurologie und Psychiatrie, , als Sachverständigen wegen Befangenheit abzu- lehnen, wird zurückgewiesen.
Gründe:
I.
Der Kläger verfolgt in dem Berufungsverfahren einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der bisher gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit weiter.
In dem Klageverfahren hat das Sozialgericht Lübeck den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. , , als Sachverständigen zu den Gesundheitsstörungen und dem Leistungsvermögen des Klägers vernommen (Termingutachten vom 9. Februar 2006, vorab übersandte schriftliche Zusammenfassung vom 25. Januar 2006). Im Wesentlichen gestützt auf dieses Gutachten hat das Sozialgericht am 9. Februar 2006 die Klage abgewiesen.
In dem Berufungsverfahren hat der Senat mit Schreiben vom 6. Juli 2007 Dr. zu dem auf den 4. September 2007 anberaumten Verhandlungstermin als Sachverständigen geladen mit dem Gegenstand der Vernehmung "Erläuterung des Gutachtens vom 25. Januar 2006 unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers und insbesondere im Hinblick auf die neurologische Symptomatik und die daraus und aus deren Behandlung folgenden Konsequenzen für das Leistungsvermögen des Klägers."
Die Terminsmitteilung für den Verhandlungstermin am 4. Septem¬ber 2007 mit dem darin enthaltenen Hinweis auf die Ladung des Sachverständigen Dr. ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. Juli 2007 zugegangen.
Mit dem am 13. Juli 2007 bei Gericht eingegangenen Schreiben lehnt der Kläger Dr. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dr. sei bereits in der ersten Instanz vom Sozialgericht Lübeck zum Sachverständigen bestellt worden. Sein Gutachten sei auch Grundlage für das angefochtene Urteil vom 9. Februar 2006 gewesen.
II.
Der statthafte (§ 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG – i. V. m. § 406 Zivilprozessordnung – ZPO ) und fristgerecht (binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen; § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO) eingegangene Antrag ist unbegründet. Es besteht kein Grund für die Ablehnung des Sachverständigen Dr. wegen Befangenheit.
Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter sowohl in den (in § 41 ZPO geregelten) Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
Ein Ablehnungsgrund folgt weder aus § 41 Nr. 5 ZPO noch aus § 41 Nr. 6 ZPO; weitere Tatbestände des § 41 ZPO kommen hier von Vornherein nicht in Betracht. Gemäß § 41 Nr. 5 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist. Diese Vorschrift regelt ersichtlich den Ausschluss der Teilnahme an einem Prozess in zwei verschiedenen Verfahrensfunktionen, nicht hingegen die Teilnahme an einem Prozess in derselben Verfahrensfunktion in zwei verschiedenen Rechtszügen. Insofern ist es auch folgerichtig und spricht nicht etwa - im Umkehrschluss für die Anwendbarkeit des § 41 Nr. 5 ZPO auf eine Tätigkeit als Sachverständiger in der Vorinstanz, wenn in § 406 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausdrücklich (nur) geregelt ist, dass ein Ablehnungsgrund nicht daraus entnommen werden kann, dass der Sachverständige "als Zeuge" vernommen worden ist.
Auch der Ausschlusstatbestand des § 41 Nr. 6 ZPO greift nicht ein. Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, bei denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt. Ein Sachverständiger wirkt hingegen nicht bei dem Erlass einer Gerichtsentscheidung mit, er ist vielmehr – lediglich – Hilfsperson des Gerichts bei der Ermittlung des dem Urteil zugrunde zu legenden Sachverhalts.
Dass ein Sachverständiger, der in der Vorinstanz vernommen worden ist, im Berufungsverfahren nicht allein aus diesem Grund in entsprechender Anwendung des § 41 Nr. 5 ZPO oder des § 41 Nr. 6 ZPO als Sachverständiger abgelehnt werden kann, entspricht der ganz herrschenden Meinung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 1961 – IV ZB 400/60 – MDR 1961, S. 397, Leitsatz 2; OLG Köln, MDR 1990, S. 1121; Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 406 Rz. 9; Leipold in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl. 2006 § 406 Rz. 6 jeweils m. w. N.). Soweit abweichend hiervon zum Teil die Auffassung vertreten wird, § 41 Nr. 5 oder 6 ZPO seien dem Grundgedanken der Regelung nach entsprechend auf den in der Vorinstanz vernommenen Sachverständigen anzuwenden (vgl. Kahlke, ZZP 94, S. 50 (60 ff.)), berücksichtigt dies nicht hinreichend die Einheit des Verfahrens (zu diesem Argument vgl. OLG Köln, a. a. O., S. 1122) und ebenso nicht die Systematik der §§ 411, 412 ZPO. Der im erstinstanzlichen Verfahren ermittelte Sachverhalt einschließlich der hierzu herangezogenen Beweismittel ist auch Gegenstand des Berufungsverfahrens. Die in § 157 Satz 1 SGG normierte Verpflichtung des Landessozialgerichts, den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht zu prüfen, bedeutet daher nicht, dass eine in erster Instanz erfolgte Beweisaufnahme zu wiederholen ist. Eine Beweisaufnahme muss vielmehr – ausnahmsweise – nur dann wiederholt werden, wenn Tatsachenfeststellungen auf andere Weise nicht ordnungsgemäß oder nicht vollständig getroffen werden können, d. h. bezogen auf die Beweisaufnahme durch Sachverständige, wenn Unvollständigkeiten, Unklarheiten oder Zweifel bezüglich des in erster Instanz erstattete Gutachtens anders nicht zu beseitigen sind (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2005, § 157 Rz. 2 Buchst.c m. w. N.; Bernsdorff in Hennig, SGG, Loseblattsamml., § 157 Rz. 57 ff). Zudem können im Rahmen einer Anfechtungs- und Leistungsklage auch Veränderungen der Sachlage gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidungsgrundlage Anlass zu einer weiteren Beweisaufnahme geben (vgl. § 157 Satz 2 SGG). In welcher Weise im Rahmen der Amts¬ermittlungspflicht fehlende Beweise erhoben werden, steht im Ermessen des Gerichts. Bezogen auf die Anhörung von Sachverständigen legen die §§ 411 Abs. 3, 412 ZPO ein abgestuftes Vorgehen nahe, indem zunächst das Erscheinen des Sachverständigen zu einem Termin zwecks Erläuterung des schriftlichen Gutachtens angeordnet wird (§ 411 Abs. 3 ZPO) und, sofern das Gericht das Gutachten auch dann noch nicht für genügend erachtet, eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige angeordnet wird (§ 412 Abs. 1 ZPO). Selbst im Falle eines für ungenügend erachteten Gutachtens steht es demnach im Ermessen des Gerichts, denselben Sachverständigen nochmals mit der Begutachtung zu beauftragen. Im Hinblick auf die dargelegte Einheit des Verfahrens gelten §§ 411 Abs. 3, 412 ZPO gleichermaßen für das Berufungsgericht, das im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht zu entscheiden hat, ob es den in der Vorinstanz vernommenen Gutachter zur Erläuterung und ggf. Ergänzung seines Gutachtens vernimmt, ihn mit der Erstellung eines neuen Gutachtens betraut oder einen anderen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt. Der systematische Zusammenhang mit den genannten Vorschriften belegt, dass eine Auslegung des § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO, nach der ein bereits in der Vorinstanz eingesetzter Sachverständiger in der Berufungsinstanz auf Antrag eines Beteiligten ohne weiteres in Anwendung des § 41 Nr. 5 oder 6 ZPO wegen Befangenheit ausgeschlossen wäre, nicht dem Willen des Gesetzgebers entspräche. Dies schließt eine Ablehnung des Sachverständigen wegen einer im konkreten Fall glaubhaft gemachten Befangenheit nicht aus. Konkrete, in der Person des Sachverständigen bzw. seiner bisherigen Tätigkeit in dem Verfahren liegende Gründe, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (vgl. zu diesem Maßstab (allg. M.) BGH, Beschl. vom 05. November 2002 - X ZR 178/01 – veröffentl. in juris Rz. 7 m. w. Nw.), hat der Kläger hingegen nicht vorgetragen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Arndt Kampe Rademacker Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Richterin am Landes- sozialgericht Richter am Landes- sozialgericht
Gründe:
I.
Der Kläger verfolgt in dem Berufungsverfahren einen Anspruch auf Rente wegen voller Erwerbsminderung anstelle der bisher gewährten Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit weiter.
In dem Klageverfahren hat das Sozialgericht Lübeck den Arzt für Neurologie und Psychiatrie Dr. , , als Sachverständigen zu den Gesundheitsstörungen und dem Leistungsvermögen des Klägers vernommen (Termingutachten vom 9. Februar 2006, vorab übersandte schriftliche Zusammenfassung vom 25. Januar 2006). Im Wesentlichen gestützt auf dieses Gutachten hat das Sozialgericht am 9. Februar 2006 die Klage abgewiesen.
In dem Berufungsverfahren hat der Senat mit Schreiben vom 6. Juli 2007 Dr. zu dem auf den 4. September 2007 anberaumten Verhandlungstermin als Sachverständigen geladen mit dem Gegenstand der Vernehmung "Erläuterung des Gutachtens vom 25. Januar 2006 unter Berücksichtigung des Berufungsvorbringens des Klägers und insbesondere im Hinblick auf die neurologische Symptomatik und die daraus und aus deren Behandlung folgenden Konsequenzen für das Leistungsvermögen des Klägers."
Die Terminsmitteilung für den Verhandlungstermin am 4. Septem¬ber 2007 mit dem darin enthaltenen Hinweis auf die Ladung des Sachverständigen Dr. ist dem Prozessbevollmächtigten des Klägers am 11. Juli 2007 zugegangen.
Mit dem am 13. Juli 2007 bei Gericht eingegangenen Schreiben lehnt der Kläger Dr. wegen Besorgnis der Befangenheit ab. Dr. sei bereits in der ersten Instanz vom Sozialgericht Lübeck zum Sachverständigen bestellt worden. Sein Gutachten sei auch Grundlage für das angefochtene Urteil vom 9. Februar 2006 gewesen.
II.
Der statthafte (§ 118 Abs. 1 Satz 1 Sozialgerichtsgesetz SGG – i. V. m. § 406 Zivilprozessordnung – ZPO ) und fristgerecht (binnen zwei Wochen nach Zustellung des Beschlusses über die Ernennung des Sachverständigen; § 406 Abs. 2 Satz 1 ZPO) eingegangene Antrag ist unbegründet. Es besteht kein Grund für die Ablehnung des Sachverständigen Dr. wegen Befangenheit.
Gemäß § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO kann ein Sachverständiger aus denselben Gründen abgelehnt werden, die zur Ablehnung eines Richters berechtigen. Gemäß § 42 Abs. 1 ZPO kann ein Richter sowohl in den (in § 41 ZPO geregelten) Fällen, in denen er von der Ausübung des Richteramts kraft Gesetzes ausgeschlossen ist, als auch wegen Besorgnis der Befangenheit abgelehnt werden.
Ein Ablehnungsgrund folgt weder aus § 41 Nr. 5 ZPO noch aus § 41 Nr. 6 ZPO; weitere Tatbestände des § 41 ZPO kommen hier von Vornherein nicht in Betracht. Gemäß § 41 Nr. 5 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, in denen er als Zeuge oder Sachverständiger vernommen ist. Diese Vorschrift regelt ersichtlich den Ausschluss der Teilnahme an einem Prozess in zwei verschiedenen Verfahrensfunktionen, nicht hingegen die Teilnahme an einem Prozess in derselben Verfahrensfunktion in zwei verschiedenen Rechtszügen. Insofern ist es auch folgerichtig und spricht nicht etwa - im Umkehrschluss für die Anwendbarkeit des § 41 Nr. 5 ZPO auf eine Tätigkeit als Sachverständiger in der Vorinstanz, wenn in § 406 Abs. 1 Satz 2 ZPO ausdrücklich (nur) geregelt ist, dass ein Ablehnungsgrund nicht daraus entnommen werden kann, dass der Sachverständige "als Zeuge" vernommen worden ist.
Auch der Ausschlusstatbestand des § 41 Nr. 6 ZPO greift nicht ein. Nach § 41 Nr. 6 ZPO ist ein Richter von der Ausübung des Richteramtes kraft Gesetzes ausgeschlossen in Sachen, bei denen er in einem früheren Rechtszug oder im schiedsrichterlichen Verfahren bei dem Erlass der angefochtenen Entscheidung mitgewirkt hat, sofern es sich nicht um die Tätigkeit eines beauftragten oder ersuchten Richters handelt. Ein Sachverständiger wirkt hingegen nicht bei dem Erlass einer Gerichtsentscheidung mit, er ist vielmehr – lediglich – Hilfsperson des Gerichts bei der Ermittlung des dem Urteil zugrunde zu legenden Sachverhalts.
Dass ein Sachverständiger, der in der Vorinstanz vernommen worden ist, im Berufungsverfahren nicht allein aus diesem Grund in entsprechender Anwendung des § 41 Nr. 5 ZPO oder des § 41 Nr. 6 ZPO als Sachverständiger abgelehnt werden kann, entspricht der ganz herrschenden Meinung (vgl. BGH, Beschluss vom 1. Februar 1961 – IV ZB 400/60 – MDR 1961, S. 397, Leitsatz 2; OLG Köln, MDR 1990, S. 1121; Zöller, Zivilprozessordnung, 26. Aufl. 2007, § 406 Rz. 9; Leipold in Stein/Jonas, Kommentar zur Zivilprozessordnung, 22. Aufl. 2006 § 406 Rz. 6 jeweils m. w. N.). Soweit abweichend hiervon zum Teil die Auffassung vertreten wird, § 41 Nr. 5 oder 6 ZPO seien dem Grundgedanken der Regelung nach entsprechend auf den in der Vorinstanz vernommenen Sachverständigen anzuwenden (vgl. Kahlke, ZZP 94, S. 50 (60 ff.)), berücksichtigt dies nicht hinreichend die Einheit des Verfahrens (zu diesem Argument vgl. OLG Köln, a. a. O., S. 1122) und ebenso nicht die Systematik der §§ 411, 412 ZPO. Der im erstinstanzlichen Verfahren ermittelte Sachverhalt einschließlich der hierzu herangezogenen Beweismittel ist auch Gegenstand des Berufungsverfahrens. Die in § 157 Satz 1 SGG normierte Verpflichtung des Landessozialgerichts, den Streitfall im gleichen Umfang wie das Sozialgericht zu prüfen, bedeutet daher nicht, dass eine in erster Instanz erfolgte Beweisaufnahme zu wiederholen ist. Eine Beweisaufnahme muss vielmehr – ausnahmsweise – nur dann wiederholt werden, wenn Tatsachenfeststellungen auf andere Weise nicht ordnungsgemäß oder nicht vollständig getroffen werden können, d. h. bezogen auf die Beweisaufnahme durch Sachverständige, wenn Unvollständigkeiten, Unklarheiten oder Zweifel bezüglich des in erster Instanz erstattete Gutachtens anders nicht zu beseitigen sind (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, Sozialgerichtsgesetz, 8. Aufl. 2005, § 157 Rz. 2 Buchst.c m. w. N.; Bernsdorff in Hennig, SGG, Loseblattsamml., § 157 Rz. 57 ff). Zudem können im Rahmen einer Anfechtungs- und Leistungsklage auch Veränderungen der Sachlage gegenüber der erstinstanzlichen Entscheidungsgrundlage Anlass zu einer weiteren Beweisaufnahme geben (vgl. § 157 Satz 2 SGG). In welcher Weise im Rahmen der Amts¬ermittlungspflicht fehlende Beweise erhoben werden, steht im Ermessen des Gerichts. Bezogen auf die Anhörung von Sachverständigen legen die §§ 411 Abs. 3, 412 ZPO ein abgestuftes Vorgehen nahe, indem zunächst das Erscheinen des Sachverständigen zu einem Termin zwecks Erläuterung des schriftlichen Gutachtens angeordnet wird (§ 411 Abs. 3 ZPO) und, sofern das Gericht das Gutachten auch dann noch nicht für genügend erachtet, eine neue Begutachtung durch dieselben oder durch andere Sachverständige angeordnet wird (§ 412 Abs. 1 ZPO). Selbst im Falle eines für ungenügend erachteten Gutachtens steht es demnach im Ermessen des Gerichts, denselben Sachverständigen nochmals mit der Begutachtung zu beauftragen. Im Hinblick auf die dargelegte Einheit des Verfahrens gelten §§ 411 Abs. 3, 412 ZPO gleichermaßen für das Berufungsgericht, das im Rahmen seiner Amtsermittlungspflicht zu entscheiden hat, ob es den in der Vorinstanz vernommenen Gutachter zur Erläuterung und ggf. Ergänzung seines Gutachtens vernimmt, ihn mit der Erstellung eines neuen Gutachtens betraut oder einen anderen Sachverständigen mit der Begutachtung beauftragt. Der systematische Zusammenhang mit den genannten Vorschriften belegt, dass eine Auslegung des § 406 Abs. 1 Satz 1 ZPO, nach der ein bereits in der Vorinstanz eingesetzter Sachverständiger in der Berufungsinstanz auf Antrag eines Beteiligten ohne weiteres in Anwendung des § 41 Nr. 5 oder 6 ZPO wegen Befangenheit ausgeschlossen wäre, nicht dem Willen des Gesetzgebers entspräche. Dies schließt eine Ablehnung des Sachverständigen wegen einer im konkreten Fall glaubhaft gemachten Befangenheit nicht aus. Konkrete, in der Person des Sachverständigen bzw. seiner bisherigen Tätigkeit in dem Verfahren liegende Gründe, die in den Augen einer verständigen Partei geeignet sind, Zweifel an der Unparteilichkeit des Sachverständigen zu erregen (vgl. zu diesem Maßstab (allg. M.) BGH, Beschl. vom 05. November 2002 - X ZR 178/01 – veröffentl. in juris Rz. 7 m. w. Nw.), hat der Kläger hingegen nicht vorgetragen.
Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Arndt Kampe Rademacker Vorsitzender Richter am Landessozialgericht Richterin am Landes- sozialgericht Richter am Landes- sozialgericht
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