L 1 KR 29/05

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 28 KR 1806/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 KR 29/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Mai 2005 aufgehoben und die Klage abgewiesen. 2. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten. 3. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist das Begehren des 1937 geborenen Klägers auf Feststellung, dass die Beklagte in der Zeit vom 1. April 2003 bis 30. Juni 2003 verpflichtet war, ihm ärztlich verordnete Leistungen der häuslichen Krankenpflege zu bewilligen.

In dieser Zeit lebte der Kläger in der Wohnanlage "L." – einer Wohnform für psychisch kranke Menschen – auf dem Gelände des Klinikums N. ( ...). Am 4. Februar 2004 zog er um und lebt seither in der W. in einer Nachfolgeeinrichtung. Die Wohnanlage "L.", in die er am 5. Juli 2002 eingezogen war, wurde zum 1. Mai 2004 aufgelöst.

Der Kläger bezog im streitbefangenen Zeitraum eine Altersrente in Höhe von 664,89 EUR und war Mitglied der Beklagten. Er erhielt in dieser Zeit aufgrund einer neben dem Mietvertrag mit der a. GmbH über ein Zimmer in der Wohnanlage gesondert geschlossenen Betreuungsvereinbarung mit der P. GmbH von dieser in der Einrichtung gegen gesonderte Vergütung dreimal täglich Verpflegung und nahm von ihr auch hauswirtschaftliche Leistungen (Wäsche- und Zimmerreinigung, Reinigung der Gemeinschaftsräume, Einkaufen usw.) in Anspruch. Die Beigeladene bezahlte diese Leistungen.

Die P. GmbH erbrachte gegenüber dem Kläger in der Zeit vom 1. April 2003 bis 30. Juni 2003 auch die ärztlich verordneten Leistungen der häuslichen Krankenpflege. Die Beklagte lehnte die Kostenübernahme hierfür gegenüber dem Kläger durch den mit der Klage angegriffenen Bescheid vom 31. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2003 ab, weil dieser in der Wohnanlage "L." nicht über einen eigenen Haushalt im Sinne des § 37 Abs. 2 Fünftes Buch Sozialgesetzbuch (SGB V) verfüge. Für die Leistungen der P. GmbH zahlte auch insoweit die Beigeladene. Sie trat bereits ab 16. August 2002 mit Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz (BSHG) ein. Durch Bescheid vom 1. September 2003 gewährte sie ab dem 16. August 2002 als vorläufige Hilfeleistung nach § 44 BSHG in Verbindung mit § 43 Erstes Buch Sozialgesetzbuch die häusliche Krankenpflege, befristete die Bewilligung jedoch bis zum Zeitpunkt einer rechtskräftigen Entscheidung im sozialgerichtlichen Verfahren über einen Anspruch des Klägers gegen die Beklagte oder der Anerkennung ihrer Leistungsverpflichtung durch diese. Für die Monate April und Juni 2003 zahlte die Beigeladene an die P. GmbH 705,60 EUR, für den Monat Mai 2003 729,12 EUR.

Das Sozialgericht hat durch Urteil vom 2. Mai 2005 den Bescheid der Beklagten vom 31. März 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 4. Juli 2003 aufgehoben und festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet war, dem Kläger Leistungen der häuslichen Krankenpflege in Form von viermal täglich und siebenmal wöchentlich Medikamentengabe in dem Zeitraum vom 1. April 2003 bis 30. Juni 2003 zu bewilligen. Der Kläger habe in dieser Zeit in der Wohnanlage "L." einen eigenständigen Haushalt im Sinne des § 37 Abs. 2 Satz 1 SGB V geführt.

Gegen das am 17. Mai 2005 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 14. Juni 2005 Berufung eingelegt. Mit dieser trägt sie unter anderem vor, dass die Klage unzulässig sein dürfte. Zudem habe der erkennende Senat im Beschluss vom 8. März 2006 (L 1 B 400/05 ER KR) und im Urteil vom 30. August 2006 (L 1 KR 88/05) das Vorliegen eines eigenen Haushalts in vergleichbaren Fällen abgelehnt.

Die Beklagte beantragt nach dem Inhalt der Akten,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 2. Mai 2005 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger – mit Schriftsatz vom 12. Dezember 2005 – und die Beigeladene – mit Schriftsatz vom 7. Juli 2005 – beantragen,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger ist der Auffassung, seine Klage sei zulässig, denn die Beigeladene habe die Kosten der häuslichen Krankenpflege nur nach § 44 BSHG übernommen; dies hindere ihn nicht, seine Ansprüche gegen die Beklagte weiter zu verfolgen. Er ist zudem der Auffassung, dass er in der Wohnanlage "L." in einem eigenen Haushalt gelebt habe.

Die mit Beschluss vom 19. April 2004 als Trägerin der Sozialhilfe beigeladene Freie und Hansestadt Hamburg hat sich den Ausführungen des Klägers angeschlossen und ist zur Zulässigkeit der Klage der Auffassung, dass das Rechtsschutzinteresse des Klägers nicht dadurch entfallen könne, dass sie während des streitbefangenen Zeitraums die Rechnungen der P. GmbH bezahlt habe.

Zur Ergänzung des Tatbestands wird auf die vorbereitenden Schriftsätze der Beteiligten sowie den weiteren Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten sowie der Sozialhilfeakte der Beigeladenen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung, über die der Senat nach § 124 Abs. 2, § 153 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz (SGG) mit Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung entscheiden kann, ist statthaft (§§ 143, 144 SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben. Sie ist auch begründet.

Die Berufung der Beklagten ist schon deshalb begründet, weil die Klage unzulässig und daher abzuweisen ist.

Da die Beigeladene bereits ab 16. August 2002 mit Leistungen nach dem BSHG eingetreten war und im streitbefangenen Zeitraum vom 1. April 2003 bis 30. Juni 2003 die Rechnungen der P. GmbH für die häusliche Krankenpflege bezahlte, kommt wegen der Nachrangigkeit der Leistungen der Sozialhilfe nach § 2 Abs. 2 Satz 1 BSHG ein Erstattungsanspruch der Beigeladenen nach § 104 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) gegen die Beklagte dem Grunde nach in Betracht. Zugleich aber gilt der Leistungsanspruch des Klägers gegen die Beklagte nach § 107 Abs. 1 SGB X insoweit als erfüllt (BSG 28.5.2003 – B 3 KR 32/02 R, SozR 4-2500 § 37 Nr. 2). Eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage (§ 54 Abs. 4 SGG) ist daher insoweit unzulässig.

Die Klage ist aber entgegen der Auffassung des Sozialgerichts auch als Fortsetzungsfeststellungsklage (§ 131 Abs. 1 Satz 3 SGG) unzulässig. Für die Zulässigkeit dieser Klage wäre erforderlich, dass im Zeitpunkt der letzten mündlichen Verhandlung eine konkrete, in naher Zukunft oder doch absehbarer Zeit tatsächlich bevorstehende Gefahr der Wiederholung des erledigten Verwaltungsakts bei im Wesentlichen unveränderten tatsächlichen und rechtlichen Umständen besteht (Meyer-Ladewig, in: ders. / Keller / Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 131 Rn. 10, 10b). Daran fehlt es hier. Der Kläger lebt schon seit Februar 2004 nicht mehr in der Wohnanlage "L.", die zum 1. Mai 2004 aufgelöst wurde.

Ein Fortsetzungsfeststellungsinteresse für die Vergangenheit ist vorliegend abzulehnen. Es käme allenfalls für die Zeit vom Einzug des Klägers in die Wohnanlage "L." am 5. Juli 2002 bis 15. August 2002, dem Tag vor Eintritt der Beigeladenen mit Leistungen nach dem BSHG, und nur für ein etwaiges Verfahren nach § 44 SGB X in Betracht. Dieses ist weder eingeleitet noch ist ersichtlich, dass dies geschehen soll. Ohne ein konkretes Überprüfungsverfahren aber, mit Blick auf das die Annahme eines Fortsetzungsfeststellungsinteresses allein in Betracht kommen könnte, ist die Fortsetzungsfeststellungsklage auch insoweit unzulässig.

Ihrer Zulässigkeit steht auch die Erwägung entgegen, dass der Kläger, soweit er überhaupt beschwert ist, seine Rechte durch eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage hätte verfolgen können. Er hätte seine Rechte wegen der ihm etwa vor dem 16. August 2002 im Verhältnis zur P. GmbH entstandenen Kosten oder von ihm übernommenen Zahlungsverpflichtungen dadurch geltend machen können, dass er gegen die Bescheide der Beklagten, welche den Anspruch auf Gewährung häuslicher Krankenpflege verneint hatten, Widerspruch einlegte, das Vorverfahren betrieb und gegen einen abschlägigen Widerspruchsbescheid eine kombinierte Anfechtungs- und Leistungsklage – gestützt auf § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V – erhob. Dass der Kläger wegen der von der Beigeladenen ab 16. August 2002 erbrachten Vorausleistung und der Erfüllungswirkung des § 107 Abs. 1 SGB X ab diesem Zeitpunkt weder Anspruch auf Sachleistung nach § 37 Abs. 2 SGB V noch Anspruch auf Kostenerstattung nach § 13 Abs. 3 Satz 1 SGB V hat, so dass der Klage gegen die angefochtenen Bescheide insoweit der Boden entzogen ist, gibt keine Berechtigung, das Vorliegen der Voraussetzungen einer Fortsetzungsfeststellungsklage anzunehmen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und folgt dem Ausgang in der Hauptsache.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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