L 1 RJ 79/04

Land
Hamburg
Sozialgericht
LSG Hamburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Hamburg (HAM)
Aktenzeichen
S 16 RJ 503/03
Datum
2. Instanz
LSG Hamburg
Aktenzeichen
L 1 RJ 79/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. August 2004 und der Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2003 abgeändert und die Beklagte gemäß ihrem Anerkenntnis vom 23. März 2007 verurteilt, dem Kläger ab 1. April 2005 Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. 2. Im Übrigen wird die Berufung zurückgewiesen. 3. Die Beklagte hat dem Kläger die notwendigen außergerichtlichen Kosten zu erstatten. 4. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Im Streit ist der Anspruch des Klägers auf Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung.

Der 1956 geborene Kläger ist alkoholkrank vor dem Hintergrund einer Persönlichkeitsstörung. Schon seit 1988 ist er nicht mehr erwerbstätig und hat eine Reihe von Entgiftungs- und Entwöhnungsbehandlungen absolviert.

Die am 10. Oktober 2002 beantragte Gewährung von Rente wegen Erwerbsminderung lehnte die Beklagte durch Bescheid vom 17. November 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2003 ab. Die hiergegen erhobene Klage vor dem Sozialgericht Hamburg blieb erfolglos. Das Sozialgericht hat die Klage durch Urteil vom 9. August 2004 abgewiesen. Wegen des Sachverhalts bis zum Abschluss des erstinstanzlichen Verfahrens wird Bezug auf den Tatbestand des Urteils des Sozialgerichts genommen.

Das Sozialgericht hat sich gestützt auf ein Gutachten, das der Neurologe/Psychiater Dr. N. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 17. Februar 2004 erstattet hatte. Es hat festgestellt, der Kläger könne noch leichte körperliche Arbeiten einfacher geistiger Natur mit geringer Verantwortung, nicht unter besonderem Zeitdruck, nicht unter Akkord- und Nachtarbeitsbedingungen, nicht auf Leitern, Gerüsten, an schnell laufenden Maschinen oder sonst gefährdenden Arbeitsplätzen vollschichtig verrichten. Die Wegefähigkeit sei erhalten. Der Kläger sei zudem in der Lage, möglicherweise bestehende Hemmungen gegenüber der beschriebenen Tätigkeit aus eigenem Antrieb zu überwinden. Diese Einschränkungen bestünden seit Antragstellung. Eine medizinische Rehabilitationsmaßnahme in Form einer erneuten Entwöhnungsbehandlung sei zum Erhalt der Erwerbsfähigkeit anzuraten.

Gegen das am 19. August 2004 zugestellte Urteil hat der Kläger am 17. September 2004 Berufung eingelegt.

Das Gericht hat Befundberichte eingeholt vom Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. B., Psychologischen Psychotherapeuten W. und von der Fachärztin für Psychiatrie Dr. W1 ...

Im Anschluss an den Bericht von Dr. W1. beabsichtigte das Gericht eine neurologisch-psychiatrische Begutachtung des Klägers durch Dr. L ... Hierzu kam es jedoch nicht; der Kläger erschien trotz wiederholter Einladung nicht zur Untersuchung. Er war stationär in der Psychiatrie des A. W2. Hamburg in R. untergebracht.

In Auswertung der von Dr. W1. zur Verfügung gestellten Unterlagen, die unter anderem Berichte über die stationären Unterbringungen des Klägers enthielten, und des Entlassungsberichts des A. W2. Hamburg hat die Beklagte mit Schreiben vom 23. März 2007 anerkannt, dass der Kläger seit dem Tag seiner Aufnahme im Klinikum N1. am 15. März 2005 voll erwerbsgemindert auf Dauer ist. Die versicherungsrechtlichen Voraussetzungen für diesen Leistungsfall seien gegeben. Sie werde nach Abschluss des Klagverfahrens Rente wegen voller Erwerbsminderung gewähren und einen entsprechenden Bescheid erteilen. Außerdem würden die notwendigen außergerichtlichen Kosten in vollem Umfang dem Grunde nach übernommen.

Der Kläger hat sich hierauf nicht mehr geäußert. Gerichtliche Anfragen blieben unbeantwortet.

Der Kläger beantragt nach Lage der Akten,

das Urteil des Sozialgerichts Hamburg vom 9. August 2004 und den Bescheid der Beklagten vom 17. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. Juni 2003 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. November 2002 Rente wegen voller Erwerbsminderung, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung oder teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Die Beklagte verweist auf ihr Anerkenntnis vom 23. März 2007 und beantragt im Übrigen,

die Berufung zurückzuweisen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den Inhalt der zum Gegenstand der Beratung und Entscheidung des Senats gemachten Akten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist statthaft (§§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz - SGG) und auch im Übrigen zulässig, insbesondere form- und fristgerecht (§ 151 SGG) erhoben.

Sie ist teilweise begründet. Die Beklagte hat ein Teilanerkenntnis abgegeben. Danach erkennt sie den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Dauer (§ 43 Abs. 2 Sechstes Buch Sozialgesetzbuch – SGB VI) seit 15. März 2005 an und ist zur Rentengewährung ab 1. April 2005 bereit. Da vom Kläger eine Erklärung über die Annahme dieses Teilanerkenntnisses nicht zu erlangen war, ist die Beklagte zur Erledigung des Rechtsstreits insoweit gemäß ihrem Anerkenntnis vom 23. März 2007 zu verurteilen. Eines dahingehenden Antrags des Klägers bedarf es nicht.

Im Übrigen ist die Berufung unbegründet. Für einen früheren als den von der Beklagten anerkannten Leistungsfall einer Erwerbsminderung fehlen belastbare und durchgreifende medizinische Anhaltspunkte. Die Leistungsbeurteilung durch Dr. N. nach ambulanter Untersuchung des Klägers am 17. Februar 2004, auf die sich das klagabweisende Urteil des Sozialgerichts stützt, ist nachvollziehbar und überzeugend. Auch der Senat folgt ihr.

Anschließend hat eine erneute sozialmedizinische Begutachtung des Klägers nicht mehr stattgefunden. Aus der dokumentierten Krankengeschichte des Klägers ergibt sich, dass er vor seiner Aufnahme im Klinikum N1. am 15. März 2005 zuletzt vom 6. November 2003 bis 11. November 2003 in stationärer Behandlung war und er damit nach der Untersuchung durch Dr. N. am 17. Februar 2004 und vor der Aufnahme im Klinikum N1. am 15. März 2005 nicht erneut in stationärer Behandlung war. Der Krankenhausaufenthalt des Klägers im November 2003 war Dr. N. bekannt und hat in seine Bewertung des Leistungsvermögens Eingang gefunden. Die Anknüpfung des Anerkenntnisses der Beklagten für den Leistungsfall der vollen Erwerbsminderung auf Dauer erst an die nachfolgende Aufnahme des Klägers im Klinikum N1. am 15. März 2005 ist schlüssig. Auch zur Überzeugung des Senats kommt ein früherer Leistungsfall, auch nicht einer nur teilweisen Erwerbsminderung, nicht in Betracht.

Ein Anspruch des Klägers auf eine vor dem 1. April 2005 beginnende Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit nach § 240 SGB VI scheitert schon am fehlenden Berufsschutz. Der Kläger hatte sich nach eigenen Angaben von seinem ausgeübten Ausbildungsberuf als Messtechniker gelöst und zuletzt bis 1988 un- und angelernte Tätigkeiten als Gebäudereiniger und Kraftfahrer ausgeübt, weil er aus diesen ein höheres Einkommen erzielen konnte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG und dem Anerkenntnis der Beklagten.

Die Revision ist nicht zuzulassen, weil die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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