S 20 AY 4/07

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Aachen (NRW)
Sachgebiet
Sonstige Angelegenheiten
Abteilung
20
1. Instanz
SG Aachen (NRW)
Aktenzeichen
S 20 AY 4/07
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
B 8 AY 2/07 R
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Beklagte wird unter entsprechender Abänderung der Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Monate Oktober 2005 bis März 2006 und Rücknahme des Bescheides vom 12.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2007 verpflichtet, den Klägern für die Zeit vom 01.10.2005 bis 30.04.2006 Leistungen nach § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII zu gewähren. Die außergerichtlichen Kosten der Kläger trägt der Beklagte. Die Sprungrevision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten über Leistungen nach § 2 Asylbewerberleistungsgesetz (AsylbLG) in entsprechender Anwendung des Zwölften Buch Sozialgesetzbuch (SGB XII) für die Zeit vom 01.10.2005 bis 30.04.2006.

Die Kläger zu 1) (geb. 00.00.1962), zu 2) (geb. 00.00.1992) und zu 3) (geb.00.00.2000) sind kongolesische Staatsangehörige. Die Klägerin zu 1), die seit Juni 1991 in Deutschland lebt, ist die Mutter der Kläger zu 2) und 3). Die Kläger zu 1) und 2) waren seit 00.00.1997, die Klägerin zu 3) seit ihrer Geburt im Besitz von Aufenthaltsbefugnissen, die regelmäßig verlängert wurden. Seit 2005 sind die Kläger im Besitz von Aufenthaltserlaubnissen (aus humanitären Gründen) nach § 25 Abs. 5 Aufenthaltsgesetz (AufenthG). Die Kläger zu 1) und 2) - vermutlich auch die Klägerin zu 3) - sind HIV-positiv und bedürfen der Dauermedikation, engmaschiger Kontrolluntersuchungen und dementsprechender Krankenbehandlung. Diese Bedingungen sind nach einem Erlass des Innenministeriums des Landes Nordrhein-Westfalen vom 10.05.2004 im Heimatland der Kläger nicht gegeben.

Von der Stadt L. erhielten die Kläger zu 1) und 2) vom 04.06.1991 (Klägerin zu 1)) bzw. vom 13.11.1992 (Klägerin zu 2)) bis 31.03.1993 und vom 01.07. bis 31.10.1993 Leistungen nach dem Bundes- sozialhilfegesetz (BSHG), vom 01.11.1993 bis 31.05.1997 Leistungen nach § 2 AsylbLG in ent- sprechender Anwendung des BSHG, vom 01.06.1997 bis 31.01.1999 Leistungen nach § 3 AsylbLG, vom 01.02.1999 bis 31.08.2000 Leistungen nach dem BSHG. Von dem Beklagten erhielten alle 3 Kläger vom 01.09.2000 bis 31.12.2004 ebenfalls Leistungen unmittelbar nach dem BSHG.

Durch bestandskräftigen Bescheid vom 20.12.2004 bewilligte der Beklagte den Klägern für Januar 2005 wieder Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG. Diese Leistungen erhielten die Kläger auch für die Monate Februar 2005 bis März 2006 und Mai bis August 2006, jedoch ohne schriftlichen Bewilligungsbescheid. Für die Monate April 2006 und September 2006 bewilligte der Beklagte die Leistungen durch schriftliche, mit Rechtsbehelfsbelehrung versehene Bescheide vom 12.04.2006 bzw. 30.08.2006.

Am 19.09.2006 erhoben die Kläger "Widerspruch gegen die Einstufung nach § 3 AsylbLG für die vergangenen 12 Monate"; sie verwiesen auf die schon in der Vergangenheit bezogenen Leistungen durch die Stadt L.

Nach Einholung entsprechender Auskünfte der Stadt L. über den dortigen Leistungsbezug bewilligte der Beklagte den Klägern durch Bescheid vom 04.10.2006 Leistungen ab 01.05.2006 nach § 2 AsylbLG analog dem SGB XII mit der Begründung, unter Einbeziehung der von der Stadt L. bezogenen Leistungen sei am 30.04.2006 die 36-Monats-Frist des § 2 AsylbLG erfüllt.

Im Übrigen wies der Beklagte den Widerspruch durch Widerspruchsbescheid vom 26.02.2007 zurück: Für den Monat April 2006 sei der Widerspruch unzulässig, da er gegen den entsprechenden Bescheid vom 12.04.2006 nicht innerhalb der dort angegebenen Rechtsbehelfsfrist von einem Monat erhoben worden sei. Soweit für die Monate Oktober 2005 bis März 2006 die Leistungen ohne schriftlichen Verwaltungsakt und ohne formgerechte Rechtsbehelfsbelehrung bewilligt und gezahlt worden seien, gelte für den Widerspruch eine Jahresfrist, die gewahrt sei. Der Widerspruch sei deshalb zulässig, aber unbegründet. Zwar hätten die Kläger unstreitig die Dauer ihres Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst. Jedoch könne der 36-Monats-Zeitraum für Leistungen nach § 2 AsylbLG analog dem SGB XII nur durch Leistungen nach § 3 AsylbLG erfüllt werden. Die früher bezogenen Leistungen unmittelbar nach dem BSHG bzw. nach § 2 AsylbLG könnten insoweit nicht berücksichtigt werden.

Dagegen haben die Kläger am 02.04.2007 Klage erhoben. Sie sind der Auffassung, dass die 36-Monats-Frist des § 2 Abs.1 AsylbLG auch durch Zeiten des Bezugs von Leistungen nach dem BSHG bzw. nach § 2 AsylbLG erfüllt werde. Solche Leistungen hätten sie über einen weit längeren Zeitraum erhalten, sodass jedenfalls ab Oktober 2005 die Voraus- setzungen für Leistungen nach § 2 AsylbLG analog dem SGB XII erfüllt seien. Soweit der Leistungsbescheid vom 12.04 2006 für den Monat April 2006 bestandskräftig geworden sei, bestehe ein Anspruch auf Rücknahme dieses Bescheides nach § 44 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X), da die Bewilligung niedrigerer Leistungen nach § 3 AsylbLG für April 2006 aus den dargelegten Gründen rechtswidrig gewesen sei.

Die Kläger beantragen,

den Beklagten unter entsprechender Abänderung der Entscheidungen über die Bewilligung von Leistungen nach § 3 AsylbLG für die Monate Oktober 2005 bis März 2006 und Rücknahme des Bescheides vom 12.04.2006 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 26.02.2007 zu verpflichten, den Klägern für die Zeit vom 01.10.2005 bis 30.04.2006 Leistungen nach § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Klage abzuweisen.

Er verweist auf den Wortlaut des § 2 Abs. 1 AsylbLG, wonach zur Erfüllung der 36-Monats-Frist nur Zeiten des Bezugs von "Leistungen nach § 3 AsylbLG" berücksichtigt würden. Die Einbeziehung anderer Leistungen als solcher nach § 3 AsylbLG über den Wortlaut der Vorschrift hinaus im Wege einer Analogie oder eine verfassungskonformen Auslegung sei nicht zulässig; es liege weder eine planwidrige Regelungslücke noch ein Redaktionsversehen vor. Vielmehr habe der Gesetzgeber den Anwendungsbereich und den Kreis der Leistungsberechtigten nach dem AsylbLG durch die ab 01.01.2005 in Kraft getretene Änderung dieses Gesetzes bewusst erweitert.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze und den sonstigen Inhalt der Gerichtsakte sowie der beigezogenen die Kläger betreffenden Verwaltungsakten des Beklagten und des Ausländeramtes der Stadt B., die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Klage ist zulässig und begründet.

Die Kläger werden durch die angefochtenen Bescheide beschwert im Sinne des § 54 Abs. 2 Sozialgerichtsgesetz (SGG), da sie rechtswidrig sind. Die Kläger haben für den allein streitbefangenen Zeitraum vom 01. 10. 2005 bis 30.04.2006 Anspruch auf Leistungen nach § 2 AsylbLG entsprechend dem SGB XII.

Soweit den Klägern für Monat April 2006 die niedrigeren Leistungen des § 3 AsylbLG durch schriftlichen Verwaltungsakt vom 12.04.2006 bewilligt worden sind, ist dieser Verwaltungsakt, auch wenn er unanfechtbar geworden ist, gem. § 44 Abs. 1 Satz 1 SGB X mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen. Denn bei seinem Erlass ist - wie schon bei der Bewilligung der Leistungen (ohne schriftlichen Verwaltungsakt) für die Monate Oktober 2005 bis März 2006 - das Recht unrichtig angewandt und sind deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden. Die Anwendbarkeit der Vorschrift des § 44 SGB X ergibt sich ausdrücklich aus § 9 Abs. 3 AsylbLG. Soweit das Verwaltungs- gericht Münster unter Hinweis auf Strukturprinzipien des Sozialhilferechts ("keine Hilfe für die Vergangenheit") und die dazu ergangene Rechtsprechung des Bundesverwaltungs- gerichts (BVerwG, Urteil vom 15.12.1983 - 5 C 65/82 = BVerwGE 68, 285 = FEVS 33, 133; Urteil vom 13.11.2003 - 5 C 26/02 = FEVS 55, 320) die entsprechende Anwendbarkeit des § 44 SGB X auf AsylbLG-Leistungen abgelehnt hat (VG Münster, Urteil vom 04.10.2005 - 5 K 1271/03), folgt die Kammer dieser Entscheidung nicht. Die vom VG Münster bemühte Entstehungsgeschichte stützt die Auffassung des VG nicht. Zwar heißt es in der Gesetzes- begründung, mit der entsprechenden Anwendung der aufgeführten Vorschriften des SGB X werde der zuständigen Behörde die Möglichkeit gegeben, einen Rückforderungsan- spruch geltend zu machen, wenn z.B. zunächst nicht bekannt war, dass der Leistungsbe- rechtigte über eigenes Einkommen verfügt und ihm daher zu Unrecht Leistungen erbracht worden sind, weshalb in solchen Fällen die Vorschriften über die Rücknahme und Widerruf von Verwaltungsakten und die Erstattung zu Unrecht erbrachter Leistung entsprechende Anwendung finden sollten (vgl. BT-Drucksache 13/2746, S. 17). Jedoch hat der Gesetz- geber eben nicht nur die §§ 45 bis 50 SGB X, die die Rücknahme, den Widerruf und die Aufhebung von Verwaltungsakten und die Erstattung von Leistungen zu Ungunsten von Leistungsempfängern regeln, sondern auch die Vorschrift des § 44 SGB X, der die Rück- nahme eines rechtswidrigen nicht begünstigenden Verwaltunsaktes zu Gunsten des Leistungsberechtigten regelt, für anwendbar erklärt. Trotz mehrfacher Änderungen des AsylbLG und zahlreicher Möglichkeiten zur Änderung dieses Gesetzes ist der Verweis auf § 44 SGB X in § 9 Abs. 3 AsylbLG nicht gestrichen worden. Daraus wird deutlich, dass eine Zugunstenentscheidung entsprechend § 44 SGB X im AsylbLG vom Gesetzgeber gewollt war und ist. Ohnehin ist fraglich, ob die frühere Rechtsprechung der Verwaltungs- gerichte zur Nichtanwendbarkeit des § 44 SGB X im Sozialhilferecht noch Bestand hat. Für das Recht der Grundsicherung im Alter und bei Erwerbsminderung ist sie bereits aufgegeben worden (vgl. Bayerischer VGH, Beschluss vom 13.04.2005 - 12 ZB 05.262 = FEVS 56, 574).

Nach § 2 AsylbLG ist abweichend von den §§ 3-7 AsylbLG das SGB XII auf diejenigen Leistungsberechtigten entsprechend anzuwenden, die über eine Dauer von insgesamt 36 Monaten Leistungen nach § 3 AsylbLG erhalten haben und die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst haben. Diese Voraussetzungen haben die Kläger (auch) im streitigen Zeitraum erfüllt. Dies ist für die Tatbestandsvoraussetzung, die Dauer des Aufenthalts nicht rechtsmissbräuchlich selbst beeinflusst zu haben, unstreitig.

Nach dem Sinn und Zweck des § 2 Abs. 1 AsylbLG sollen grundsätzlich alle Leistungsberechtigten des § 1 AsylbLG nach 36 Monaten Leistungen auf dem Sozialhilfeniveau des SGB XII erhalten; lediglich bei rechtsmissbräuchlich beeinflusster Aufenthaltsdauer soll dies ausgeschlossen sein (vgl. BT-Drucksache 15/420 S. 121 zu Art. 8 Nr. 3). Nach ursprünglichen Fassung des § 2 Abs. 1 AsylbLG vom 30.06.1993 (BGBl. I S. 1074) erhielten Leistungsberechtigte bereits nach einem Zeitraum von 12 Monaten, in dem sie abgesenkte Leistungen nach dem AsylbLG erhalten hatten, die höheren Leistungen entsprechend dem BSHG. Geduldete Ausländer, die aus von ihnen nicht zu vertretenden Gründen nicht ausreisen konnten, erhielten sogar unmittelbar Sozialhilfe nach dem BSHG. Der Gesetzgeber des AsylbLG vom 30.06.1993 hat den Wechsel von Leistungen nach §§ 3-7 AsylbLG auf Leistungen entsprechend dem BSHG (ab 01.01.2005: SGB XII), d.h. auf Leistungen des soziokulturellen Existenzminimums damit begründet, "dass bei einem längeren Zeitraum des Aufenthalts und - mangels Entscheidung - noch nicht absehbarer weiterer Dauer nicht mehr auf einen geringeren Bedarf abgestellt werden kann, der bei einem in der Regel nur kurzen, vorübergehenden Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland entsteht. Insbesondere sind nunmehr Bedürfnisse anzuerkennen, die auf eine stärkere Angleichung an die hiesigen Lebensverhältnisse und auf bessere soziale Integration gerichtet sind" (BT-Drucksache 12/5008, S. 15). Hatte der Gesetzgeber den nicht bestehenden oder minderen Angleichs- und Integrationsbedarf ursprünglich nur für 12 Monate gesehen, so hat er diesen Zeitraum später durch das 1. AsylbLG-Änderungs- gesetz vom 26.05.1997 (BGBl. I S. 1130) auf 36 Monaten ausgedehnt, allerdings mit der Begrenzung auf Personen, die Leistungen erst seit dem 01.06.1997 erhielten. Auch hierbei war es erklärte Absicht des Gesetzgebers, in den Fällen, in denen der Aufenthalt länger dauert als im Normalfall, den betroffenen Ausländern spätestens nach 3 jähriger Duldung oder Aufenthaltsgestattung "auch eine Integration in die deutsche Gesellschaft durch öffentliche Mittel zu ermöglichen, so dass die höheren Leistungen entsprechend dem Bundessozialhilfegesetz zu gewähren sind" (BT-Drucksache 13/2746 S. 15). Die 36-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG, nach deren Ablauf die höheren Leistungen ent- sprechend dem SGB XII vorgesehen sind, hat also nicht den Selbstzweck, den nach § 1 AsylbLG Leistungsberechtigten in jedem Fall ein Wirtschaften unterhalb des sozio- kulturellen Existenzminimums auf der Basis der abgesenkten Leistungen nach §§ 3-7 AsylbLG zuzumuten; vielmehr legt sie fest, nach welchem Zeitraum der Gesetzgeber von einem "längeren Aufenthalt und einem damit verbundenen, legitimen Bedürfnis des Betroffenen auf Integrationsleistungen" ausgeht (BT-Drucksache 15/4645, S. 6).

In diesem Sinne genügt zur Erfüllung der 36-Monats-Frist des § 2 Abs. 1 AsylbLG auch der unmittelbare oder entsprechende Bezug von Leistungen nach dem BSHG bzw. dem SGB XII. Das Integrationsbedürfnis, zu dessen Befriedigung auch ausreichende wirtschaftliche Leistungen auf der Höhe des soziokulturellen Existenzminimums (= BSHG- bzw. SGB XII-Niveau) gehören, besteht unabhängig davon, ob ein Asylbewerber seinen Lebensunterhalt über einen mindestens 36-monatigen Zeitraum durch Leistungen nach §§ 3-7 AsylbLG oder - erlaubt - anders bestritten hat (LSG NRW, Beschluss vom 26.04.2007 - L 20 B 4/07 AY ER). Wenn bereits der Bezug der (niedrigen) Leistungen nach § 3 AsylbLG nach Ablauf von 36 Kalendermonaten die von § 2 Abs. 1 AsylbLG bezweckte Besserstellung rechtfertigt, dann gilt dies erst recht, wenn der 3-Jahres-Zeitraum durch den Bezug von "höherwertigen" Sozialleistungen gedeckt ist. Der Anspruch auf diese Sozialleistungen verlangt die Erfüllung höherer Anspruchsvoraussetzungen als jene für § 3 AsylbLG. Daraus resultiert, dass bei einem Bezug dieser "höherwertigen" Sozialleistungen auch Ansprüche nach § 3 AsylbLG potenziell bestehen, welche nur deswegen nicht zum Tragen kommen, weil dieser Leistungen nachrangig sind (Hessisches LSG, Beschluss vom 21.03.2007 - L 7 AY 14/06 ER; vgl. in diesem Sinn auch: SG Düsseldorf, Beschluss vom 30.10.2006 - S 29 AY 6/06 ER; SG Aachen, Beschluss vom 03.06.2005 - S 19 AY 6/05 ER).

Der Fall der Kläger macht deutlich, dass die Erfüllung des 36-Monats-Bezugszeitraums ausschließlich durch Leistungen nach §§ 3-7 AsylbLG vor einer - erneuten - Bewilligung höherer Leistungen auf Sozialhilfeniveau den aufgezeigten Willen des Gesetzgebers konterkarieren würde. Dies Klägerin zu 1) lebt seit 16 Jahren in Deutschland, ihre Kinder - die Kläger zu 2) und 3) - sind hier geboren, aufgewachsen und gehen hier zur Schule. Die Kläger haben in der Vergangenheit - die Kläger zu 1) und 2) ca. 10 Jahre, die Klägerin zur 3) ca. 5 Jahre - Leistungen auf Sozialhilfeniveau unmittelbar oder entsprechend dem BSHG bezogen. Indem der Beklagte sie seit Januar 2005 und auch für den hier streitigen Zeitraum von Oktober 2005 bis April 2006 wieder auf das abgesenkte Leistungsniveau nach §§ 3-7 AsylbLG unterhalb des soziokulturellen Existenzminimums verweist, gefährdet er ihre legitime Integration in die deutsche Gesellschaft.

Nach Auffassung der Kammer lag es nicht in der Absicht des Gesetzgebers, durch die Änderungen des AsylbLG zum 01.01.2005 grundsätzlich allen Personen, die - wie die Kläger - bereits vor dem 31.12.2004 anstelle von Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG langjährig gem. § 2 Abs. 1 AsylbLG Leistungen in entsprechender Anwendung des BSHG oder sogar unmittelbar nach dem BSHG bezogen haben, diese Privilegierung ab dem 01.01.2005 wieder zu entziehen und ab diesem Zeitpunkt nur noch Leistungen nach §§ 3 ff. AsylbLG zu gewähren. Es findet sich an keiner Stelle der Gesetzesbegründung und auch nicht im Gesetz selbst ein Hinweis darauf, dass alle Leistungsberechtigten, die sich bereits seit geraumer Zeit nicht rechtsmissbräuchlich im Bundesgebiet aufhalten und die bereits vor dem 01.01.2005 einen langjährigen Anspruch in unmittelbarer oder entsprechender Anwendung der Vorschriften des BSHG gehabt haben, durch die infolge der Änderungen des Ausländerrechts notwendig gewordenen redaktionellen Änderungen des AsylbLG ihre bisherigen Ansprüche verlieren sollten, um sich dann von neuem einen entsprechenden Anspruch durch erneuten Bezug abgesenkter Leistungen nach dem AsylbLG zu erwerben. Vielmehr sollen nur Ausländer schlechter gestellt werden, die rechtsmissbräuchlich die Dauer ihres Aufenthalts selbst beeinflusst haben (SG Aachen, Beschluss vom 03.06.2005 - S 19 AY 6/05 ER; bestätigend: LSG NRW, Beschluss vom 14.09.2005 - L 12 B 5/05 AY ER). Ein derartiges missbräuchliches Verhalten lag und liegt bei den Klägern, wie auch der Beklagte anerkennt, nicht vor.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Kammer hat die Sprungrevision zugelassen, weil sie der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beimisst (§§ 161 Abs. 2 Satz 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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