Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
SG Berlin (BRB)
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
112
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 112 KR 406/07
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Der Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchs-bescheides vom 25. Oktober 2006 wird aufgehoben. Es wird festgestellt, dass der Kläger seit 1. Mai 2006 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten ist. Die Beklagte hat die außergerichtlichen Kosten des Klägers zu erstatten. Im Übrigen sind Kosten nicht zu erstatten. Die Sprungrevision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er ab 1. Mai 2006 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten ist.
Der 1974 geborene Kläger schloss 1997 eine Ausbildung zum Stuckateur ab. Nach kurzen Beschäftigungen und der Ableistung einer gesetzlichen Dienstpflicht bezog er zuletzt bis 31. Januar 2001 Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Anschließend befand sich der Kläger nach eigenen Angaben ohne Leistungsbezug bei seiner Familie in Spanien. Seit 29. Mai 2002 erhielt er – wohl unterbrochen von Zeiten der Obdachlosigkeit, in denen der Kläger keinerlei Leistungen bezog – vom Beigeladenen zu 2) Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Die vom Beigeladenen zu 2) eingeschaltete Fachärztin für psychotherapeutische Medizin V. hatte auf Grund einer Untersuchung bereits am 26. August 2004 festgestellt, dass der Kläger an einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung leidet, die dringend einer Behandlung bedarf. Derzeit liege Arbeitsunfähigkeit vor (Stellungnahme vom 1. September 2004).
Am 4. Januar 2005 forderte ein Mitarbeiter des Beigeladenen zu 2) den Kläger auf, einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu stellen. Im SGB-II-Antragsformular ist die Frage, ob der Kläger seiner Einschätzung nach mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen könne, mit braunem Kugelschreiber verneint mit der Begründung "psychisch eingeschränkt". Gleichzeitig ist mit rotem Stift das Feld "ja" angekreuzt. Nachdem das JobCenter Steglitz-Zehlendorf dem Kläger ab 4. Januar 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) zuerkannt hatte, stellte der Beigeladene zu 2) die Hilfe zum Lebensunterhalt ab 1. Juni 2005 ein (Bescheid vom 2. Mai 2005).
Vom 6. bis 26. Dezember 2005 wurde der Kläger stationär im S-Krankenhaus behandelt. Der Entlassungsbrief nennt die Diagnose paranoide Schizophrenie. Die Agenturärztin (BA) K. schätzte am 22. Dezember 2005 nach Aktenlage ein, dass der Kläger länger als sechs Monate auf unabsehbare Dauer nicht leistungsfähig ist für eine geregelte Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Nachdem der Rentenversicherungsträger den Antrag des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen bindend abgelehnt hatte (Bescheid vom 24. Februar 2006) hob das JobCenter die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Wirkung vom 1. Mai 2006 auf (Bescheid vom 28. März 2006). Seitdem bezieht der Kläger vom Beigeladenen zu 2) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – und erhält Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
Am 16. Juni 2006 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten seinen Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung. Die Beklagte beschied ihn dahin, eine freiwillige Krankenversicherung sei mangels ausreichender Vorversicherungszeiten nicht möglich (Bescheid vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2006).
Im Klageverfahren trägt der Kläger vor, die Vorversicherungszeiten seien erfüllt. Denn das JobCenter Steglitz-Zehlendorf gehe von einer Leistungsberechtigung bis zum 30. April 2006 aus und stelle keine Rückforderungen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2006 aufzuheben und festzustellen, dass er seit 1. Mai 2006 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für zutreffend.
Das JobCenter Steglitz-Zehlendorf hat auf gerichtliche Anfrage erklärt, dass eine Rückforderung der dem Kläger bis Ende April 2006 zuerkannten SGB-II-Leistungen ebenso wenig beabsichtigt ist, wie die Anmeldung eines Erstattungsanspruchs beim Beigeladenen zu 2).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und zur Ergänzung des Sachverhalts wird schließlich Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Vorgelegen haben außerdem die Rentenakte des Klägers, Band III seiner Sozialhilfeakten sowie seine Alg II – Akte (Bl. 1 bis Bl. 105).
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist aufgrund seiner Beitrittserklärung zum 1. Mai 2006 freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der hier maßgeblichen, seit 31. Dezember 2005 geltenden Fassung des Art. 2a des Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2005 (BGBl I, S. 3676) können Personen der gesetzlichen Krankenversicherung beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens vierundzwanzig Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren; Zeiten der Mitgliedschaft nach § 189 SGB V und Zeiten, in denen eine Versicherung allein deshalb bestanden hat, weil Arbeitslosengeld II zu Unrecht bezogen wurde, werden nicht berücksichtigt.
Der Kläger hat die Voraussetzungen für den Beitritt zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Mai 2006 erfüllt. Er war mit Ablauf des April 2006 wegen der Beendigung des Bezuges von Alg II als Mitglied der Beklagten aus der Versicherungspflicht ausgeschieden (vgl. § 190 Abs. 12 SGB V) und unmittelbar vor dem Ausscheiden mindestens zwölf Monate - nämlich seit 4. Januar 2005 - gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V durch den Bezug von Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch versichert. Der Kläger hat den Beitritt der Beklagten innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V angezeigt.
Die Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld II sind vollständig (4. Januar 2005 bis 30. April 2006) als Vorversicherungszeiten zu berücksichtigen. Der Kläger hat Alg II nicht zu Unrecht bezogen. Rechtsgrund für den Leistungsbezug sind die bindenden Bewilligungsbescheide des JobCenters Steglitz-Zehlendorf. Dieser Leistungsträger hat ausdrücklich erklärt, dass er eine rückwirkende Aufhebung der Bescheide nicht beabsichtigt. Der Bezug des Arbeitslosengeldes II ist damit zumindest formell rechtmäßig. Zwar steht mit Rücksicht auf das Gutachten der BA-Ärztin fest, dass der Kläger spätestens seit dem 22. Dezember 2005 – mit Rücksicht auf seinen Krankenhausaufenthalt ab 6. Dezember 2005 wohl sogar ab diesem Zeitpunkt – nicht mehr erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II war und damit materiell unrechtmäßig Alg II bezogen hat. Die Beklagte ist jedoch im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 letzter Halbsatz SGB V grundsätzlich an die Entscheidung des JobCenters nach dem SGB II gebunden. Es ist aus systematischen Gründen nicht auf die materielle Rechtmäßigkeit des Leistungsbezuges abzustellen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. August 2006 – L 11 B 18/06 KR ER; Beschluss vom 17. August 2006 - L 5 B 41/06 KR ER; Beschluss vom 29. August 2006 – L 20 B 77/06 SO ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 7. Juli 2006 - L 8 KR 109/06 ER; SG Gießen, Urteil vom 5. April 2007 - S 15 KR 213/06 – allesamt juris). Ein im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Regelung 2 SGB V unrechtmäßiger Alg-II-Bezug ist nur anzunehmen, wenn die Bewilligung förmlich (rückwirkend) aufgehoben worden ist oder der Träger nach dem SGB II bei dem Sozialhilfeträger zumindest einen Erstattungsanspruch angemeldet hat (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. August 2006 – L 11 B 18/06 KR, RdNrn. 11 und 14 = juris). Beides liegt hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Sprungrevision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 161 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Frage, wann Alg II im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Regelung 2 SGB V zu Unrecht bezogen wurde, bedarf höchstrichterlicher Klärung.
Tatbestand:
Der Kläger begehrt die Feststellung, dass er ab 1. Mai 2006 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten ist.
Der 1974 geborene Kläger schloss 1997 eine Ausbildung zum Stuckateur ab. Nach kurzen Beschäftigungen und der Ableistung einer gesetzlichen Dienstpflicht bezog er zuletzt bis 31. Januar 2001 Leistungen der Bundesagentur für Arbeit (BA). Anschließend befand sich der Kläger nach eigenen Angaben ohne Leistungsbezug bei seiner Familie in Spanien. Seit 29. Mai 2002 erhielt er – wohl unterbrochen von Zeiten der Obdachlosigkeit, in denen der Kläger keinerlei Leistungen bezog – vom Beigeladenen zu 2) Leistungen nach dem Bundessozialhilfegesetz. Die vom Beigeladenen zu 2) eingeschaltete Fachärztin für psychotherapeutische Medizin V. hatte auf Grund einer Untersuchung bereits am 26. August 2004 festgestellt, dass der Kläger an einer schwerwiegenden psychiatrischen Erkrankung leidet, die dringend einer Behandlung bedarf. Derzeit liege Arbeitsunfähigkeit vor (Stellungnahme vom 1. September 2004).
Am 4. Januar 2005 forderte ein Mitarbeiter des Beigeladenen zu 2) den Kläger auf, einen Antrag auf Gewährung von Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch – Grundsicherung für Arbeitsuchende – (SGB II) zu stellen. Im SGB-II-Antragsformular ist die Frage, ob der Kläger seiner Einschätzung nach mindestens drei Stunden täglich einer Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt nachgehen könne, mit braunem Kugelschreiber verneint mit der Begründung "psychisch eingeschränkt". Gleichzeitig ist mit rotem Stift das Feld "ja" angekreuzt. Nachdem das JobCenter Steglitz-Zehlendorf dem Kläger ab 4. Januar 2005 Arbeitslosengeld II (Alg II) zuerkannt hatte, stellte der Beigeladene zu 2) die Hilfe zum Lebensunterhalt ab 1. Juni 2005 ein (Bescheid vom 2. Mai 2005).
Vom 6. bis 26. Dezember 2005 wurde der Kläger stationär im S-Krankenhaus behandelt. Der Entlassungsbrief nennt die Diagnose paranoide Schizophrenie. Die Agenturärztin (BA) K. schätzte am 22. Dezember 2005 nach Aktenlage ein, dass der Kläger länger als sechs Monate auf unabsehbare Dauer nicht leistungsfähig ist für eine geregelte Erwerbstätigkeit auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt. Nachdem der Rentenversicherungsträger den Antrag des Klägers auf Rente wegen voller Erwerbsminderung wegen fehlender versicherungsrechtlicher Voraussetzungen bindend abgelehnt hatte (Bescheid vom 24. Februar 2006) hob das JobCenter die Bewilligung der Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts mit Wirkung vom 1. Mai 2006 auf (Bescheid vom 28. März 2006). Seitdem bezieht der Kläger vom Beigeladenen zu 2) Leistungen nach dem Sozialgesetzbuch Zwölftes Buch – Sozialhilfe – und erhält Krankenbehandlung nach § 264 Abs. 2 Sozialgesetzbuch Fünftes Buch – Gesetzliche Krankenversicherung – (SGB V).
Am 16. Juni 2006 erklärte der Kläger gegenüber der Beklagten seinen Beitritt zur freiwilligen Krankenversicherung. Die Beklagte beschied ihn dahin, eine freiwillige Krankenversicherung sei mangels ausreichender Vorversicherungszeiten nicht möglich (Bescheid vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2006).
Im Klageverfahren trägt der Kläger vor, die Vorversicherungszeiten seien erfüllt. Denn das JobCenter Steglitz-Zehlendorf gehe von einer Leistungsberechtigung bis zum 30. April 2006 aus und stelle keine Rückforderungen.
Der Kläger beantragt,
den Bescheid der Beklagten vom 19. Juli 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 25. Oktober 2006 aufzuheben und festzustellen, dass er seit 1. Mai 2006 freiwillig versichertes Mitglied der Beklagten ist.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie hält den angefochtenen Bescheid für zutreffend.
Das JobCenter Steglitz-Zehlendorf hat auf gerichtliche Anfrage erklärt, dass eine Rückforderung der dem Kläger bis Ende April 2006 zuerkannten SGB-II-Leistungen ebenso wenig beabsichtigt ist, wie die Anmeldung eines Erstattungsanspruchs beim Beigeladenen zu 2).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Beteiligtenvorbringens und zur Ergänzung des Sachverhalts wird schließlich Bezug genommen auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen sowie auf den übrigen Inhalt der Gerichtsakte und der den Kläger betreffenden Verwaltungsakte der Beklagten, die vorgelegen hat und Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist. Vorgelegen haben außerdem die Rentenakte des Klägers, Band III seiner Sozialhilfeakten sowie seine Alg II – Akte (Bl. 1 bis Bl. 105).
Entscheidungsgründe:
Die Klage ist zulässig und begründet.
Der Kläger ist aufgrund seiner Beitrittserklärung zum 1. Mai 2006 freiwilliges Mitglied der Beklagten geworden.
Gemäß § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB V in der hier maßgeblichen, seit 31. Dezember 2005 geltenden Fassung des Art. 2a des Fünften Gesetzes zur Änderung des Dritten Buches Sozialgesetzbuch und anderer Gesetze vom 22. Dezember 2005 (BGBl I, S. 3676) können Personen der gesetzlichen Krankenversicherung beitreten, die als Mitglieder aus der Versicherungspflicht ausgeschieden sind und in den letzten fünf Jahren vor dem Ausscheiden mindestens vierundzwanzig Monate oder unmittelbar vor dem Ausscheiden ununterbrochen mindestens zwölf Monate versichert waren; Zeiten der Mitgliedschaft nach § 189 SGB V und Zeiten, in denen eine Versicherung allein deshalb bestanden hat, weil Arbeitslosengeld II zu Unrecht bezogen wurde, werden nicht berücksichtigt.
Der Kläger hat die Voraussetzungen für den Beitritt zur freiwilligen gesetzlichen Krankenversicherung zum 1. Mai 2006 erfüllt. Er war mit Ablauf des April 2006 wegen der Beendigung des Bezuges von Alg II als Mitglied der Beklagten aus der Versicherungspflicht ausgeschieden (vgl. § 190 Abs. 12 SGB V) und unmittelbar vor dem Ausscheiden mindestens zwölf Monate - nämlich seit 4. Januar 2005 - gemäß § 5 Abs. 1 Nr. 2a SGB V durch den Bezug von Arbeitslosengeld II nach dem Zweiten Buch versichert. Der Kläger hat den Beitritt der Beklagten innerhalb der Drei-Monats-Frist des § 9 Abs. 2 Nr. 1 SGB V angezeigt.
Die Zeiten des Bezuges von Arbeitslosengeld II sind vollständig (4. Januar 2005 bis 30. April 2006) als Vorversicherungszeiten zu berücksichtigen. Der Kläger hat Alg II nicht zu Unrecht bezogen. Rechtsgrund für den Leistungsbezug sind die bindenden Bewilligungsbescheide des JobCenters Steglitz-Zehlendorf. Dieser Leistungsträger hat ausdrücklich erklärt, dass er eine rückwirkende Aufhebung der Bescheide nicht beabsichtigt. Der Bezug des Arbeitslosengeldes II ist damit zumindest formell rechtmäßig. Zwar steht mit Rücksicht auf das Gutachten der BA-Ärztin fest, dass der Kläger spätestens seit dem 22. Dezember 2005 – mit Rücksicht auf seinen Krankenhausaufenthalt ab 6. Dezember 2005 wohl sogar ab diesem Zeitpunkt – nicht mehr erwerbsfähig im Sinne des § 8 Abs. 1 SGB II war und damit materiell unrechtmäßig Alg II bezogen hat. Die Beklagte ist jedoch im Rahmen des § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 letzter Halbsatz SGB V grundsätzlich an die Entscheidung des JobCenters nach dem SGB II gebunden. Es ist aus systematischen Gründen nicht auf die materielle Rechtmäßigkeit des Leistungsbezuges abzustellen (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. August 2006 – L 11 B 18/06 KR ER; Beschluss vom 17. August 2006 - L 5 B 41/06 KR ER; Beschluss vom 29. August 2006 – L 20 B 77/06 SO ER; Hessisches LSG, Beschluss vom 7. Juli 2006 - L 8 KR 109/06 ER; SG Gießen, Urteil vom 5. April 2007 - S 15 KR 213/06 – allesamt juris). Ein im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Regelung 2 SGB V unrechtmäßiger Alg-II-Bezug ist nur anzunehmen, wenn die Bewilligung förmlich (rückwirkend) aufgehoben worden ist oder der Träger nach dem SGB II bei dem Sozialhilfeträger zumindest einen Erstattungsanspruch angemeldet hat (vgl. LSG Nordrhein-Westfalen, Beschluss vom 31. August 2006 – L 11 B 18/06 KR, RdNrn. 11 und 14 = juris). Beides liegt hier nicht vor.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG).
Die Sprungrevision war zuzulassen, weil die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat (§§ 161 Abs. 1 Satz 1, Abs. 2 Satz 1, 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Die Frage, wann Alg II im Sinne von § 9 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 Halbsatz 2 Regelung 2 SGB V zu Unrecht bezogen wurde, bedarf höchstrichterlicher Klärung.
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