Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 6087/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 5390/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28. Oktober 2005 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers.
Mit Bescheid vom 05.11.2002 stellte das Versorgungsamt Stuttgart (VA) den GdB des am 20.02.1949 geborenen Klägers seit 29.04.2002 mit 30 fest. Dem Bescheid lag die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. G. vom 28.10.2002 zugrunde, wonach eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und ein Bandscheibenschaden (GdB 20) sowie ein medikamentös einstellbarer Diabetes mellitus und eine Polyneuropathie (GdB 20) zu berücksichtigen waren.
Am 15. 01.2004 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB.
Auf Anforderung des VA übersandte Dr. W. neurologische Befundberichte von Dr. D. (16.05.03, 12.09.03, 16.01.04), Auszüge aus einem sozialmedizinischen Gutachten von Dr. N. für die gesetzliche Rentenversicherung (06.06.03) sowie Laborberichte. Nach der vä Stellungnahme von Dr. W. hierzu vom 22.03.04 ergaben sich daraus keine Anhaltspunkte für eine Verschlimmerung der festgestellten Gesundheitsstörungen. Das VA lehnte daraufhin die Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 01.04.2004 ab.
Hiergegen legte der Kläger am 14.04.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung wurden Befundberichte von Dr. W. (04.02.04), Dr. D. (05.02.04) und Dr. M. (16.02.04) vorgelegt, die diese Ärzte als sachverständige Zeugen für das Sozialgericht Stuttgart in einem Rentenrechtsstreit des Klägers erstattet hatten. Am 13.05.2004 erließ das VA daraufhin nach Einholung einer vä Stellungnahme von Dr. G. einen Teil-Abhilfebescheid. Es wurde nunmehr seit 15.01.2004 ein GdB von 40 anerkannt. Dr. G. hielt für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, den Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen und die Polyneuropathie einen GdB in Höhe von 30 sowie für den Diabetes mellitus einen GdB von 20 für angemessen. Eine seelische Störung mit funktionellen Organbeschwerden war nach der Stellungnahme von Dr. G. mit einem Teil-GdB von 10 zusätzlich zu berücksichtigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2004 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 13.09.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung führte er aus, es bestehe ein GdB von mindestens 50. Die festgestellten Erkrankungen führten dazu, dass er nicht mehr in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Das SG erhob Beweis durch Einholung von sachverständigen Zeugenauskünften von Dr. J. (Allgemeinmedizin) vom 25.02.05, Dr. M. (Unfallchirurgie) vom 25.02.05 und Dr. H. (Neurologie und Psychiatrie - Praxisnachfolgerin von Dr. D.) vom 03.05.05. Vorgelegt wurden ein Bericht der Medizinischen Klinik 3 des B.hospitals S. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 25.02. bis 09.03.2004 wegen chronischer hyperglykämischer Entgleisungen des Diabetes mellitus Typ II sowie der Arztbrief von Dr. S. vom 02.02.05 über eine kernspintomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule (LWS), der u. a. eine Pseudospondylisthesis, Osteochondrosis intervertebralis und bilaterale Bandscheibenprotrusion im Segment L 5/S 1 beschrieb. In Auswertung dieser Unterlagen vertrat Dr. F. in der vä Stellungnahme vom 02.08.05 die Auffassung, die gesundheitliche Situation habe sich insofern verschlechtert, als nach dem Bericht des B.hospitals S. zur Einstellung des Diabetes nunmehr auch Insulin erforderlich sei. Es werde daher vorgeschlagen, den diesbezüglichen Teil-GdB auf 30 anzuheben. Weiterhin werde vorgeschlagen, die bekannte Polyneuropathie getrennt von den Beeinträchtigungen der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Der Beklagte erklärte sich daraufhin mit Anerkenntnis vom 11.08.2005 bereit, den GdB ab 15.01.2004 mit 50 festzustellen.
Der Kläger nahm dieses Anerkenntnis nicht an, sondern begehrte nunmehr die Feststellung eines GdB in Höhe von mindestens 60, da der Wert von 50 nicht in vollem Umfang dem Beschwerdebild zu entsprechen scheine.
Mit Urteil vom 28.10.2005 verpflichtete das SG unter Abänderung der angefochtenen Bescheide den Beklagten, den GdB des Klägers mit 50 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Gegen das ihm nach seinen Angaben am 04.11.2005 zugegangene Urteil hat der Kläger am Montag, den 05.12.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er nochmals vor, nach seiner Ansicht betrage der GdB wegen der festgestellten Gesundheitsstörungen mindestens 60. Zur weiteren Begründung wird der Arztbrief von Dr. M. über die kernspintomographische Untersuchung der LWS am 15.03.2006 (in den Etagen L 2/3 bis L 4/5 nach kaudal zunehmend bis 6 mm tiefe, alte Protrusionen mit mäßigen Spondylarthrosen und geringer Bedrängung beider L4-Ganglien) vorgelegt. Der Beklagte legte hierzu die vä Stellungnahme von Dr. K. vom 01.06.06 vor, wonach sich daraus keine wesentliche Abweichung von der bisherigen Beurteilung ergebe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.10.2005, den Bescheid vom 01.04.2002 in der Gestalt des Bescheides vom 13.05.2004 und des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2004 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den GdB mit mindestens 60 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage von Dr. H ... Diese teilte unter dem 29.06.06 mit, der Kläger leide unter einer diabetischen Polyneuropathie, einer chronifizierten Depression mit somatischen Syndromen, einer somatoformen Schmerzstörung und einer Lumboischialgie bei degenerativen LWS-Veränderungen. Daraus würden Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne von Schmerzen im Rücken mit Ausstrahlung ins Bein bei längerem Stehen oder Gehen resultieren. Es lägen wiederkehrende Reizerscheinungen der 5. Wurzel ohne Gefühlsstörungen oder Lähmungen vor. Die Depression äußere sich beim Kläger hauptsächlich in körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen und Reizbarkeit. Sie werde medikamentös behandelt.
Nach der weiteren vä Stellungnahme von Dr. W. vom 21.08.2006 sei es vertretbar, den bisherigen Teil-GdB von 10 auf psychischem Gebiet bei Mitberücksichtigung der Auskunft von Dr. H. auf 20 zu erhöhen. Ein höherer Gesamt-GdB als 50 ergebe sich daraus nicht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt (Schreiben vom 29.08.2006 bzw. 05.9.06).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb ein höherer GdB als 50 nicht festzustellen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an (§ 153 Abs. 2 SGG). Dies gilt insbesondere für die Ausführungen zur Heranziehung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" aus dem Jahr 2004 (AP) sowie zur Bewertung der einzelnen Gesundheitsstörungen und der Gesamtbehinderung.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren, der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahmen, die gem. § 128 Abs. 1 SGG als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen gewertet werden, sowie der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenaussage von Dr. H. ist eine andere Beurteilung nach Überzeugung des Senats nicht gerechtfertigt. Vom Kläger wird nicht bestritten, dass der Beklagte sämtliche vorliegenden Behinderungen berücksichtigt hat. Der Beklagte geht aufgrund der vä Stellungnahme von Dr. W. nunmehr davon aus, dass der GdB wegen der seelischen Störung und der funktionellen Organbeschwerden aufgrund der Angaben von Dr. H. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft mit 20 bewertet werden kann. Dies erscheint auch dem Senat angemessen, ist aber auch ausreichend. Eine stärker behindernde Störung (z. B. ausgeprägte depressive Störung, somatoforme Störung) mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten wäre (AP 26.3, S. 48), ergibt sich aus den Ausführungen von Dr. H. nicht.
Auch unter Berücksichtigung des erhöhten Teil-GdB für die seelische Störung ist der GdB insgesamt weiterhin mit 50 zu bewerten.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind hierfür ungeeignet (AP 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen verstärken oder überschneiden. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP, 19 Abs. 3, S. 25). Von Ausnahmefällen abgesehen führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP 19 Abs. 4, S. 26).
Beim Kläger ergibt sich somit aus dem Teil-GdB von 30 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und dem Teil-GdB von 30 für den Diabetes mellitus ein Gesamt-GdB von 50. Eine Erhöhung wegen der Polyneuropathie (Teil-GdB 10) ist nicht vorzunehmen. Auch wegen der nunmehr mit einem Teil-GdB von 20 bewerteten seelischen Störung ist eine Erhöhung des Gesamt-GdB weiterhin nicht gerechtfertigt. Der Senat folgt insoweit der vä Stellungnahme von Dr. W ... Es ist zu berücksichtigen, dass die von Dr. H. beschriebene depressive Störung sich beim Kläger hauptsächlich in körperlichen Beschwerden äußert. Insoweit ist von einer weitgehenden Überschneidung mit den körperlichen Beschwerden aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung und der Zuckerkrankheit auszugehen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Außergerichtliche Kosten sind im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist die Neufeststellung des Grades der Behinderung (GdB) des Klägers.
Mit Bescheid vom 05.11.2002 stellte das Versorgungsamt Stuttgart (VA) den GdB des am 20.02.1949 geborenen Klägers seit 29.04.2002 mit 30 fest. Dem Bescheid lag die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. G. vom 28.10.2002 zugrunde, wonach eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und ein Bandscheibenschaden (GdB 20) sowie ein medikamentös einstellbarer Diabetes mellitus und eine Polyneuropathie (GdB 20) zu berücksichtigen waren.
Am 15. 01.2004 beantragte der Kläger die Neufeststellung des GdB.
Auf Anforderung des VA übersandte Dr. W. neurologische Befundberichte von Dr. D. (16.05.03, 12.09.03, 16.01.04), Auszüge aus einem sozialmedizinischen Gutachten von Dr. N. für die gesetzliche Rentenversicherung (06.06.03) sowie Laborberichte. Nach der vä Stellungnahme von Dr. W. hierzu vom 22.03.04 ergaben sich daraus keine Anhaltspunkte für eine Verschlimmerung der festgestellten Gesundheitsstörungen. Das VA lehnte daraufhin die Neufeststellung des GdB mit Bescheid vom 01.04.2004 ab.
Hiergegen legte der Kläger am 14.04.2004 Widerspruch ein. Zur Begründung wurden Befundberichte von Dr. W. (04.02.04), Dr. D. (05.02.04) und Dr. M. (16.02.04) vorgelegt, die diese Ärzte als sachverständige Zeugen für das Sozialgericht Stuttgart in einem Rentenrechtsstreit des Klägers erstattet hatten. Am 13.05.2004 erließ das VA daraufhin nach Einholung einer vä Stellungnahme von Dr. G. einen Teil-Abhilfebescheid. Es wurde nunmehr seit 15.01.2004 ein GdB von 40 anerkannt. Dr. G. hielt für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, den Bandscheibenschaden, Nervenwurzelreizerscheinungen und die Polyneuropathie einen GdB in Höhe von 30 sowie für den Diabetes mellitus einen GdB von 20 für angemessen. Eine seelische Störung mit funktionellen Organbeschwerden war nach der Stellungnahme von Dr. G. mit einem Teil-GdB von 10 zusätzlich zu berücksichtigen.
Mit Widerspruchsbescheid vom 10.08.2004 wies der Beklagte den Widerspruch im Übrigen zurück.
Hiergegen erhob der Kläger am 13.09.2004 Klage zum Sozialgericht Stuttgart (SG). Zur Begründung führte er aus, es bestehe ein GdB von mindestens 50. Die festgestellten Erkrankungen führten dazu, dass er nicht mehr in der Lage sei, einer Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Das SG erhob Beweis durch Einholung von sachverständigen Zeugenauskünften von Dr. J. (Allgemeinmedizin) vom 25.02.05, Dr. M. (Unfallchirurgie) vom 25.02.05 und Dr. H. (Neurologie und Psychiatrie - Praxisnachfolgerin von Dr. D.) vom 03.05.05. Vorgelegt wurden ein Bericht der Medizinischen Klinik 3 des B.hospitals S. über die stationäre Behandlung des Klägers vom 25.02. bis 09.03.2004 wegen chronischer hyperglykämischer Entgleisungen des Diabetes mellitus Typ II sowie der Arztbrief von Dr. S. vom 02.02.05 über eine kernspintomographische Untersuchung der Lendenwirbelsäule (LWS), der u. a. eine Pseudospondylisthesis, Osteochondrosis intervertebralis und bilaterale Bandscheibenprotrusion im Segment L 5/S 1 beschrieb. In Auswertung dieser Unterlagen vertrat Dr. F. in der vä Stellungnahme vom 02.08.05 die Auffassung, die gesundheitliche Situation habe sich insofern verschlechtert, als nach dem Bericht des B.hospitals S. zur Einstellung des Diabetes nunmehr auch Insulin erforderlich sei. Es werde daher vorgeschlagen, den diesbezüglichen Teil-GdB auf 30 anzuheben. Weiterhin werde vorgeschlagen, die bekannte Polyneuropathie getrennt von den Beeinträchtigungen der Wirbelsäule mit einem Teil-GdB von 10 zu bewerten. Der Beklagte erklärte sich daraufhin mit Anerkenntnis vom 11.08.2005 bereit, den GdB ab 15.01.2004 mit 50 festzustellen.
Der Kläger nahm dieses Anerkenntnis nicht an, sondern begehrte nunmehr die Feststellung eines GdB in Höhe von mindestens 60, da der Wert von 50 nicht in vollem Umfang dem Beschwerdebild zu entsprechen scheine.
Mit Urteil vom 28.10.2005 verpflichtete das SG unter Abänderung der angefochtenen Bescheide den Beklagten, den GdB des Klägers mit 50 festzustellen. Im Übrigen wies es die Klage ab.
Gegen das ihm nach seinen Angaben am 04.11.2005 zugegangene Urteil hat der Kläger am Montag, den 05.12.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt er nochmals vor, nach seiner Ansicht betrage der GdB wegen der festgestellten Gesundheitsstörungen mindestens 60. Zur weiteren Begründung wird der Arztbrief von Dr. M. über die kernspintomographische Untersuchung der LWS am 15.03.2006 (in den Etagen L 2/3 bis L 4/5 nach kaudal zunehmend bis 6 mm tiefe, alte Protrusionen mit mäßigen Spondylarthrosen und geringer Bedrängung beider L4-Ganglien) vorgelegt. Der Beklagte legte hierzu die vä Stellungnahme von Dr. K. vom 01.06.06 vor, wonach sich daraus keine wesentliche Abweichung von der bisherigen Beurteilung ergebe.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 28.10.2005, den Bescheid vom 01.04.2002 in der Gestalt des Bescheides vom 13.05.2004 und des Widerspruchsbescheides vom 10.08.2004 abzuändern und den Beklagten zu verurteilen, den GdB mit mindestens 60 festzustellen.
Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Senat hat Beweis erhoben durch Einholung einer sachverständigen Zeugenaussage von Dr. H ... Diese teilte unter dem 29.06.06 mit, der Kläger leide unter einer diabetischen Polyneuropathie, einer chronifizierten Depression mit somatischen Syndromen, einer somatoformen Schmerzstörung und einer Lumboischialgie bei degenerativen LWS-Veränderungen. Daraus würden Funktionsbeeinträchtigungen im Sinne von Schmerzen im Rücken mit Ausstrahlung ins Bein bei längerem Stehen oder Gehen resultieren. Es lägen wiederkehrende Reizerscheinungen der 5. Wurzel ohne Gefühlsstörungen oder Lähmungen vor. Die Depression äußere sich beim Kläger hauptsächlich in körperlichen Beschwerden wie Kopfschmerzen, Gedächtnisstörungen, Schlafstörungen und Reizbarkeit. Sie werde medikamentös behandelt.
Nach der weiteren vä Stellungnahme von Dr. W. vom 21.08.2006 sei es vertretbar, den bisherigen Teil-GdB von 10 auf psychischem Gebiet bei Mitberücksichtigung der Auskunft von Dr. H. auf 20 zu erhöhen. Ein höherer Gesamt-GdB als 50 ergebe sich daraus nicht.
Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung nach § 124 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) einverstanden erklärt (Schreiben vom 29.08.2006 bzw. 05.9.06).
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gem. §§ 143 und 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG zulässige Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist unbegründet.
Das SG hat in der angefochtenen Entscheidung die für den Rechtsstreit maßgeblichen Rechtsvorschriften zutreffend und umfassend dargestellt und ausgeführt, weshalb ein höherer GdB als 50 nicht festzustellen ist. Der Senat schließt sich diesen Ausführungen nach eigener Prüfung unter Verweis auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils zur Vermeidung von Wiederholungen an (§ 153 Abs. 2 SGG). Dies gilt insbesondere für die Ausführungen zur Heranziehung der "Anhaltspunkte für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht" aus dem Jahr 2004 (AP) sowie zur Bewertung der einzelnen Gesundheitsstörungen und der Gesamtbehinderung.
Auch unter Berücksichtigung des Vorbringens des Klägers im Berufungsverfahren, der vom Beklagten vorgelegten vä Stellungnahmen, die gem. § 128 Abs. 1 SGG als qualifiziertes Beteiligtenvorbringen gewertet werden, sowie der vom Senat eingeholten sachverständigen Zeugenaussage von Dr. H. ist eine andere Beurteilung nach Überzeugung des Senats nicht gerechtfertigt. Vom Kläger wird nicht bestritten, dass der Beklagte sämtliche vorliegenden Behinderungen berücksichtigt hat. Der Beklagte geht aufgrund der vä Stellungnahme von Dr. W. nunmehr davon aus, dass der GdB wegen der seelischen Störung und der funktionellen Organbeschwerden aufgrund der Angaben von Dr. H. in ihrer sachverständigen Zeugenauskunft mit 20 bewertet werden kann. Dies erscheint auch dem Senat angemessen, ist aber auch ausreichend. Eine stärker behindernde Störung (z. B. ausgeprägte depressive Störung, somatoforme Störung) mit wesentlicher Einschränkung der Erlebnis- und Gestaltungsfähigkeit, die mit einem GdB von 30 bis 40 zu bewerten wäre (AP 26.3, S. 48), ergibt sich aus den Ausführungen von Dr. H. nicht.
Auch unter Berücksichtigung des erhöhten Teil-GdB für die seelische Störung ist der GdB insgesamt weiterhin mit 50 zu bewerten.
Liegen mehrere Beeinträchtigungen der Teilhabe am Leben in der Gesellschaft vor, so wird der GdB nach den Auswirkungen in ihrer Gesamtheit unter Berücksichtigung ihrer wechselseitigen Beziehungen festgestellt (§ 69 Abs. 3 Satz 1 des Neunten Buches des Sozialgesetzbuchs - SGB IX). Dabei dürfen die einzelnen Werte bei der Ermittlung des Gesamt-GdB nicht addiert werden. Auch andere Rechenmethoden sind hierfür ungeeignet (AP 19 Abs. 1, S. 24). Vielmehr ist darauf abzustellen, ob und wie sich die Auswirkungen von einzelnen Beeinträchtigungen verstärken oder überschneiden. Bei der Beurteilung des Gesamt-GdB ist in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB-Grad 10, 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden (AP, 19 Abs. 3, S. 25). Von Ausnahmefällen abgesehen führen leichte Gesundheitsstörungen, die nur einen GdB-Grad von 10 bedingen, nicht zu einer Zunahme des Ausmaßes der Gesamtbeeinträchtigung, die bei der Gesamtbeurteilung berücksichtigt werden könnte, auch dann nicht, wenn mehrere derartige leichte Gesundheitsstörungen nebeneinander bestehen. Auch bei leichten Funktionsbeeinträchtigungen mit einem GdB Grad von 20 ist es vielfach nicht gerechtfertigt, auf eine wesentliche Zunahme des Ausmaßes der Behinderung zu schließen (AP 19 Abs. 4, S. 26).
Beim Kläger ergibt sich somit aus dem Teil-GdB von 30 für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und dem Teil-GdB von 30 für den Diabetes mellitus ein Gesamt-GdB von 50. Eine Erhöhung wegen der Polyneuropathie (Teil-GdB 10) ist nicht vorzunehmen. Auch wegen der nunmehr mit einem Teil-GdB von 20 bewerteten seelischen Störung ist eine Erhöhung des Gesamt-GdB weiterhin nicht gerechtfertigt. Der Senat folgt insoweit der vä Stellungnahme von Dr. W ... Es ist zu berücksichtigen, dass die von Dr. H. beschriebene depressive Störung sich beim Kläger hauptsächlich in körperlichen Beschwerden äußert. Insoweit ist von einer weitgehenden Überschneidung mit den körperlichen Beschwerden aufgrund der Wirbelsäulenerkrankung und der Zuckerkrankheit auszugehen.
Die Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Für eine Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
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