L 6 SB 961/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 7 SB 3330/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 SB 961/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25. Januar 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt die Feststellung der Schwerbehinderteneigenschaft.

Bei dem 1943 geborenen Kläger wurde erstmals mit Bescheid vom 05.03.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 18.06.2001 ein Grad der Behinderung (GdB) von 20 seit 27.11.2000 festgestellt. Dabei berücksichtigte der Beklagte eine Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes (Teil-GdB 20) sowie eine Funktionsbehinderung der Wirbelsäule, eine Funktionsbehinderung beider Ellenbogengelenke und eine Funktionsstörung durch Fußfehlform (Teil-GdB jeweils 10). Die Beurteilung beruhte auf dem Bericht der R.klinik B. K. über das Heilverfahren vom 05.10. bis 02.11.2000 (u.a. Z. n. AC-Plastik linke Schulter und offener Rotatorenmanschettenrekonstruktion am 28.04.2000 nach Arbeitsunfall mit Sturz auf die Schulter 1999) und dem unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachten von Dr. T. vom 30.11.2000 für die Textil-und Bekleidungs-Berufsgenossenschaft (Impingementsyndrom der linken Schulter mit deutlicher Bewegungseinschränkung - MdE 20 v. H.)

Am 30.04.2003 beantragte der Kläger die Neufeststellung seines GdB mit der Begründung, die Beschwerden der linken Schulter sowie Hüft- und Kniebeschwerden hätten sich verschlimmert. Zusätzlich bestünden Kopfschmerzen und Schlafstörungen. Vorgelegt wurden u. a. der Bericht des Klinikums der Stadt V.-S. vom 26.02.2003 (erhebliche Bewegungseinschränkung nach offenem, operativ versorgtem Rotatorenmanschettendefekt links) sowie der Nachschaubericht des behandelnden Unfallchirurgen Dr. B. an die Textil- und Bekleidungs-Berufsgenosschschaft vom 24.04.2003 mit Anlagen. Dr. K. bewertete in der versorgungsärztlichen (vä) Stellungnahme vom 10.06.2003 den Gesamt-GdB mit 40 und bezeichnete die Funktionsstörungen wie folgt: Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes (von BG anerkannte Unfallfolgen), Funktionsbehinderung des rechten Schultergelenkes, Fingerpolyarthrose (Teil-GdB 30), Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20) Funktionsbehinderung beider Ellenbogengelenke Teil-GdB 10) Funktionsstörung durch Fußfehlform (Teil-GdB 10)

Mit Bescheid vom 23.06.2003 stellte das Versorgungsamt Rottweil (VA) daraufhin den GdB des Klägers seit 30.04.2003 mit 40 fest.

Der Kläger legte hiergegen Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule sei mit einem Teil-GdB von 20 zu niedrig bewertet. Weiterhin bestehe eine depressive Verstimmung, die bisher nicht erfasst sei. Das VA holte daraufhin bei dem Facharzt für Allgemeinmedizin Dr. K. den Befundbericht vom 10.09.2003 ein. Dieser berichtete, der Kläger habe sich am 22.07.2003 erstmals wegen einer reaktiven depressiven Episode mit Schlafstörungen vorgestellt. Es sei eine medikamentöse Behandlung mit Doxepin eingeleitet worden. Dr. A.-F. vertrat hierzu in der vä Stellungnahme vom 19.10.2003 die Auffassung, eine reaktive Depression bedinge keinen GdB. Der Beklagte wies daraufhin den Widerspruch des Klägers mit Widerspruchsbescheid vom 31.10.2003 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 10.11.2003 Klage zum Sozialgericht Reutlingen (SG). Zur Begründung führte er aus, die Funktionsstörungen im Bereich des Bewegungsapparates seien insgesamt zu niedrig bewertet. Die Argumentation, eine reaktive Depression bedinge keinen GdB könne nicht nachvollzogen werden. Er machte auch eine Minderung des Hörvermögens rechts infolge Hörsturz geltend.

Das SG befragte Dr. B. und Dr. K. schriftlich als sachverständige Zeugen. Dr. B. nannte in seiner Auskunft vom 17.01.2004 zahlreiche Diagnosen (u. a. Schulterdistorsion links, Rotatorenmanschettenruptur links, erhebliche Bewegungseinschränkung der linken Schulter, Zustand nach Naht der Rotatorenmanschette links am 28.04.2000, Rotatorenmanschettenteilruptur rechts, chronisches HWS-Syndrom, Osteochondrose und Spondylarthrose an der HWS, BWS und LWS, leichte Retropatellararthrose links, Hallux valgus beidseits). Er hielt für die Funktionseinschränkungen beider Schultergelenke einen GdB von 40 und für das chronische HWS-Syndrom einen GdB von 20 für gerechtfertigt, voraus sich ein Gesamt-GdB von 50 ergebe. Auch Dr. K. teilte in seiner Auskunft vom 17.02.2004 mit, nach seinem Ermessen, sei ein Gesamt-GdB von 50 zutreffend. Er vertrat insbesondere die Auffassung, die reaktiv-depressive Episode sei nicht in unmittelbarem Zusammenhang mit den orthopädischen Leiden zu sehen. Es lägen andere Ursachen, wie Langzeitarbeitslosigkeit des ohnehin zu depressiven Verstimmungen neigenden Patienten vor. Ein GdB von 20 für diese Symptomatik sei angemessen.

Das SG holte noch die sachverständige Zeugenauskunft des HNO-Arztes Dr. G. vom 18.05.2004 ein. Dieser berichtete über eine geringgradige Innenohrschwerhörigkeit, die einen GdB von 10 bedinge.

Der Kläger begab sich in die Behandlung des Neurologen und Psychiaters Dr. R., den das SG ebenfalls als sachverständigen Zeugen hörte. In seiner Auskunft vom 11.10.2004 berichtete Dr. R. über eine Behandlung seit 19.05.2004 wegen der depressiven Symptomatik. Dr. K. nahm in einer weiteren sachverständigen Zeugenauskunft vom 06.07.2004 nochmals detailliert zu der Bewertung der Depression sowie zu dem geltend gemachten Innenohrschaden mit Tinnitus und Hörstürzen Stellung und legte weitere Facharztbefunde vor.

Das SG holte dann das orthopädische Gutachten von Prof. Dr. B. vom 21.12.2004 ein. Bei der Untersuchung klagte der Kläger über Kraftlosigkeit im linken Arm. Er könne diesen nicht richtig zur Seite heben. Weiterhin leide er unter Kreuzschmerzen, Schmerzen im linken Knie und im linken Sprunggelenk sowie unter Kopfschmerzen. Prof. Dr. B. stellte auf orthopädischem Fachgebiet folgende Diagnosen:

1. Schulterteilsteife links, Zustand nach operativer Behandlung 2. Bandscheibenverschleiß an der Halswirbelsäule 3. chronischer Reizzustand linkes Sprunggelenk 4. bei der klinischen Untersuchung kein Anhalt für Arthrose im Bereich der Hände

Prof. Dr. B. bewertete den Teil-GdB für die Schulterteilsteife links mit 30, den Teil-GdB für den Bandscheibenverschleiß der Halswirbelsäule mit 20 und den Teil-GdB für den chronischen Reizzustand des linken Sprunggelenkes mit 10. Zur Begründung führte er aus, die Bewertung des Schulterbefundes links gehe über die Vorgabe der Anhaltspunkte hinaus und sei somit äußerst großzügig. Die von Dr. B. vorgeschlagene Bewertung mit 40 gehe vollständig an den Vorgaben der Anhaltspunkte vorbei.

Das SG holte weiterhin das nervenärztliche Gutachten von Dr. Z. vom 09.03.2005 ein. Dieser berichtete, der Kläger wirke deutlich depressiv herabgestimmt mit eingeschränkter Schwingungsfähigkeit und Schwingungsbreite. Die Affekte seien zum depressiven Pol hin verschoben gewesen. Hinweise auf Aggravations- und Simulationstendenzen hätten sich nicht ergeben. Er diagnostizierte eine mittelschwere depressive Episode, eine Insomnie und einen Zustand nach rezidivierenden Hörstürzen, woraus sich erhebliche negative Auswirkungen auf die Lebensfreude, den Antrieb, das Selbstbewusstsein sowie die sozialen Fähigkeiten ergeben würden. Hierfür sei seit 30.04.2003 ein GdB von 20 zu berücksichtigen. Unter Einbeziehung der bisherigen versorgungsärztlichen Beurteilung ergebe sich ein Gesamt-GdB von 50.

Der Beklagte legte hierzu die vä Stellungnahme von Dr. Götz vom 16.06.2005 vor. Dieser vertrat die Auffassung, für die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes sei ein Teil-GdB von 20 nach den von Prof. Dr. B. mitgeteilten Befunden ausreichend. Er wies darauf hin, dass das rechte Schultergelenk nicht wesentlich bewegungseingeschränkt sei und eine Arthrose im Bereich der Hände nicht vorliege. Er berücksichtigte entsprechend der Beurteilung von Dr. Z. die Depression mit einem Teil-GdB von 20. Unter Einbeziehung der Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (Teil-GdB 20), der Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenkes (Teil-GdB 10) sowie der Schwerhörigkeit beidseits (Teil-GdB 10) sei nach wie vor ein Gesamt-GdB von 40 ausreichend.

Mit Urteil vom 25.01.2006 änderte das SG den Bescheid vom 23.06.2003 ab, hob den Widerspruchsbescheid vom 31.10.2004 auf und stellte fest, dass der GdB des Klägers seit 30.04.2003 50 beträgt. Zur Begründung führte das SG aus, als schwerwiegendste Behinderung imponiere die Behinderung im Bereich der Schultern, insbesondere die Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes. Sie sei mit einem Einzel-GdB-Wert von 30 entsprechend den Ausführungen des Sachverständigen Prof. Dr. B. zu schätzen. Dieser habe zwar einräumen müssen, dass diese Bewertung "äußerst großzügig" sei, sie könne dennoch nicht als unzutreffend angesehen werden. Die glaubhafte Kraftminderung am linken Arm sowie Schmerzen in diesem Bereich gäben Anlass, den GdB der gesamten Funktionsbeeinträchtigung auf 30 zu belassen (wie im angefochtenen Bescheid vom 23.06.2003). In Übereinstimmung mit dem Sachverständigen Dr. Z. sei diesem GdB-Wert (von 30) für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und die Depression (Teil-GdB unstreitig jeweils 20) jeweils 10 Punkte hinzuzufügen, sodass sich zwanglos ein Gesamt-GdB von 50 ergebe.

Gegen das dem Beklagten am 08.02.2006 zugestellte Urteil hat dieser am 24.02.2006 Berufung eingelegt. Zur Begründung legte er die vä Stellungnahme von Dr. W. vom 10.02.2006 vor, wonach für sämtliche Funktionseinschränkungen in den oberen Gliedmaßen ein Teil-GdB von 30 nicht vertretbar sei.

Der Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 25.01.2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Der Kläger hält das Urteil für zutreffend und hat vorgetragen, zwischenzeitlich sei noch eine Angina Pectoris festgestellt worden. Er hat das Herzkatheterprotokoll des Krankenhauses A. vom 15.01.2007 vorgelegt. Der Senat hat hierzu noch den Entlassbericht über die dortige Behandlung des Klägers vom 10.01. bis 17.01.2007 beigezogen. Danach bestand eine Reanimationspflichtigkeit bei cerebralem Krampfanfall und passagerer Asystolie unklarer Genese. Eine coronare Herzkrankheit konnte ausgeschlossen werden. Nach der von dem Beklagten vorgelegten vä Stellungnahme von Dr. W. ergeben sich aus dem während der Herzkatheteruntersuchung aufgetretenen cerebralen Krampfanfall keine weiteren GdB-relevanten Gesundheitsstörungen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen sowie die Verwaltungsakten des Beklagten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und gem. § 151 form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig.

Die Berufung, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entscheiden konnte, ist auch begründet. Die beim Kläger vorliegenden Funktionsbeeinträchtigungen sind trotz der zusätzlich zu berücksichtigenden Funktionsbeeinträchtigung durch die Depression mit einem Gesamt-GdB von 40 zutreffend bewertet. Ein GdB von 50 und damit die Schwerbehinderteneigenschaft lässt sich anhand der medizinischen Befunde nicht begründen.

Das SG hat die maßgeblichen Rechtsvorschriften, nach denen die für die Durchführung des Bundesversorgungsgesetzes zuständigen Behörden den GdB feststellen, umfassend und zutreffend dargestellt. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird insoweit auf die Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).

Soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, ist der Verwaltungsakt nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch (SGB X) mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Der Verwaltungsakt soll mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufgehoben werden, soweit die Änderung zu Gunsten des Betroffenen erfolgt (§ 48 Abs. 1 Satz 2 Nr. 1 SGB X).

Seit der letzten maßgeblichen Feststellung des GdB mit dem Widerspruchsbescheid des Beklagten vom 18.06.2001 ist eine wesentliche Änderung im Behinderungszustand des Klägers insoweit eingetreten, als sich das Wirbelsäulenleiden verschlimmert hat und zusätzlich eine Depression zu berücksichtigen ist.

Eine wesentliche Verschlimmerung der Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes liegt dagegen nicht vor. Der Senat kommt zu dieser Auffassung anhand eines Vergleiches der Befunde in dem vom SG eingeholten Gutachtens von Prof. Dr. B. mit dem unfallchirurgischen Zusammenhangsgutachten von Dr. T. vom 30.11.2000. Damals ergab die Überprüfung der Beweglichkeit des linken Schultergelenkes eine annähernd freie Beweglichkeit bei der Flexion. Die Seitwärtsbewegung war gegenüber rechts um 50 Grad eingeschränkt. Es konnte maximal eine Höhe von 135 Grad erreicht werden. Beim Halteversuch aus 90 Grad seitwärts gehaltenem Arm ergab sich eine minimale Kraftabschwächung. Demgegenüber berichtete Prof. Dr. B., der passiv gehobene Arm könne nicht selbsttätig in 90 Grad Abduktion gehalten werden. Insgesamt finde sich eine im Hinblick auf Seitheben und Vorheben etwa hälftige Bewegungseinschränkung des linken Schultergelenkes gegenüber rechts (90-0-20 gegenüber rechts 180-0-35 bzw. 15-0-120 gegenüber rechts 30-0-180). Es liegt damit eine deutliche Funktionsbeeinträchtigung des linken Schultergelenkes im Sinne einer Schulterteilsteife vor. Die Befunde haben sich auch seit der erstmaligen Feststellung des GdB verschlimmert. Die dokumentierte Verschlimmerung ist jedoch nicht so erheblich, dass der Befund der linken Schulter nunmehr mit einem Einzel-GdB von 30 anstelle des bisher berücksichtigten Einzel-GdB von 20 zu bewerten wäre. Nach den Anhaltspunkten für die ärztliche Gutachtertätigkeit im sozialen Entschädigungsrecht und nach dem Schwerbehindertenrecht, Stand 2004 (AHP), die das Gericht im Interesse einer gleichmäßigen Rechtsanwendung entsprechend der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zu beachten hat, ist ein GdB von 30 erst gerechtfertigt bei einer Versteifung des Schultergelenkes in günstiger Stellung bei gut beweglichem Schultergürtel. Eine Bewegungseinschränkung des Schultergelenkes (einschließlich Schultergürtel) bei der der Arm nur um 90 Grad zu erheben ist, führt danach zu einem GdB von 20. Beim Kläger liegt lediglich eine Schulterteilsteife und keine komplette Versteifung des Schultergelenkes vor. Der Arm kann seitwärts bis 90 Grad erhoben werden. Vorwärts ist eine Armhebung sogar bis 120 Grad möglich. Ein GdB von 30 wird somit allein durch den Befund an der linken Schulter des Klägers auch weiterhin nicht erreicht. Diese Auffassung vertritt auch Prof. Dr. B., wenn er ausführt, dass die Bewertung des Schulterbefundes links mit einem GdB von 30 über die Vorgabe in den Anhaltspunkten hinaus geht. Dies lässt sich insbesondere nicht mit der Kraftminderung des linken Armes bei der Seitwärtshebung und auch nicht mit den Schmerzen des linken Schultergelenkes begründen. Die vom Kläger gegenüber Prof. Dr. B. geschilderten Schmerzen, die gelegentlich die Einnahme von Schmerztabletten erfordern, gehen nicht über die in den AHP bereits berücksichtigten üblicherweise vorhandenen Schmerzen hinaus (vgl. AHP Nr. 18 Abs. 8).

Funktionsbehinderungen des rechten Schultergelenkes, der Ellenbogengelenke oder der Finger, die zusammen mit der Schulterteilsteife links zu einem Teil-GdB von 30 führen könnten, liegen nach den Befunden von Prof. Dr. B. nicht vor. Vielmehr war der Gebrauch der Arme und Hände nach dessen Beobachtung bis auf die Einschränkung durch die linke Schulter unbehindert. Auch im Hinblick auf die Feinmotorik bestanden keine erkennbaren Störungen. Sensibilität, Durchblutung und Beschwielungsmuster waren an beiden Händen regelrecht und seitengleich. Auch Dr. B. beschreibt in seiner sachverständigen Zeugenauskunft vom 17.01.2004 lediglich einen Druckschmerz im Bereich der rechten Schulter bei freier Beweglichkeit. Befunde, die seine Diagnose einer minimalen Heberdenarthrose beidseits und minimalen Bouchardarthrose beidseits rechtfertigen könnten, teilt Dr. B. nicht mit. Soweit minimale arthrotische Veränderungen der Fingergelenke vorliegen, haben sie jedenfalls nicht zu Funktionsbeeinträchtigungen geführt. Eine Fingerpolyarthrose, die über das altersentsprechende Ausmaß hinausgeht, besteht danach, worauf Prof. Dr. B. zu Recht hinweist, nicht. Funktionsbehinderungen im Bereich der Ellenbogen bestehen ebenfalls nicht, nachdem eine Epicondylitis ulnaris humeri rechts am 27.03.2002 offenbar erfolgreich operiert wurde (Arztbrief von Dr. M. vom 06.05.2002 - vorgelegt von Dr. K.). Auch der Befund im Bereich der rechten Schulter, wo nach dem Gutachten von Dr. T. in der Vergangenheit Behandlungen wegen einer Periarthropathia humeri aktenkundig sind, ist nach den Befunden von Prof. Dr. B. und auch Dr. B. altersentsprechend.

Die Funktionsbeeinträchtigungen im Bereich der Wirbelsäule sind mit einem Teil-GdB von 20 ebenfalls ausreichend bewertet. Prof. Dr. B. fand bei der klinischen Untersuchung einen endphasigen Bewegungsschmerz der Halswirbelsäule ohne neurologische Ausfälle, und röntgenologische Verschleißerscheinungen an der unteren Halswirbelsäule sowie eine leichte Fehlhaltung im Bereich der Lendenwirbelsäule. Der Senat folgt der Beurteilung von Prof. Dr. B. und den von der Beklagten vorgelegten vä Stellungnahmen, dass hier ein Wirbelsäulenschaden mit mittelgradigen funktionellen Auswirkungen in einem Wirbelsäulenabschnitt vorliegt, der nach Nr. 26.18 der AHP einen GdB von 20 rechtfertigt. Ein höherer GdB für den Wirbelsäulenschaden lässt sich anhand der Befunde entgegen den Ausführungen von Dr. B. und Dr. K. keinesfalls begründen.

Ein weiterer Teil-GdB von 20 ist für die beim Kläger bestehende depressive Störung anzunehmen. Der Senat folgt insoweit den überzeugenden Ausführungen des Gutachters Dr. Z., denen sich auch der Beklagte angeschlossen hat. Dabei waren nach den Ausführungen von Dr. Z. auch die beim Kläger rezidivierend auftretenden Hörstürze zu berücksichtigen.

Aus dem Bericht des Krankenhauses A. vom 27.02 2007 ergeben sich keine Anhaltspunkte für das Hinzutreten weiterer Behinderungen auf internistischem Fachgebiet. Eine koronare Herzkrankheit konnte ausgeschlossen werden. Der Kläger wurde beschwerdefrei aus der stationären Behandlung entlassen.

Nach dem Ergebnis der sozialgerichtlichen Beweisaufnahme sind außerdem ein chronischer Reizzustand des linken Sprunggelenkes sowie eine Schwerhörigkeit beidseits mit einem Teil-GdB von jeweils 10 zu berücksichtigen. Danach ergibt sich folgende Beurteilungsgrundlage:

1. Funktionsbehinderung des linken Schultergelenkes (20) 2. Funktionsbehinderung der Wirbelsäule (20) 3. Funktionsbehinderung des linken Sprunggelenkes (10) 4. Schwerhörigkeit beidseits (10) 5. Depression (20).

Der Senat folgt insoweit der vä Stellungnahme von Dr. G. vom 16.06.2005, der die Beweisergebnisse zutreffend gewürdigt hat.

Aus diesen Funktionsbehinderungen ergibt sich ein Gesamt-GdB von 40. Nach AHP Nr. 19 ist bei der Beurteilung des Gesamt-GdB in der Regel von der Funktionsbeeinträchtigung auszugehen, die den höchsten Einzel-GdB bedingt, und dann im Hinblick auf alle weiteren Funktionsbeeinträchtigungen zu prüfen, ob und inwieweit hierdurch das Ausmaß der Behinderung größer wird, ob also wegen der weiteren Funktionsbeeinträchtigungen dem ersten GdB 10 oder 20 oder mehr Punkte hinzuzufügen sind, um der Behinderung insgesamt gerecht zu werden. Dabei müssen die wechselseitigen Beziehungen der Funktionsbeeinträchtigungen zueinander in die Beurteilung einbezogen werden. Danach sind dem Teil-GdB von 20 für die Funktionsbehinderung der linken Schulter jeweils 10 Punkte für die Funktionsbehinderung der Wirbelsäule und die Depression hinzuzufügen. Dies erscheint im Hinblick auf die Wechselwirkungen der Behinderungen erforderlich, aber auch ausreichend. Eine weitere Erhöhung des GdB wegen der Schwerhörigkeit beidseits oder der Reizung des Sprunggelenkes war danach nicht vorzunehmen.

Aus den genannten Gründen war das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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