L 6 VX 1123/07 NZB

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Ulm (BWB)
Aktenzeichen
S 5 VX 638/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 VX 1123/07 NZB
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde des Klägers gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.11.2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind im Beschwerdeverfahren nicht zu erstatten.

Gründe:

I.

Mit seiner Nichtzulassungsbeschwerde wendet sich der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.11.2006. In der Hauptsache streiten die Beteiligten über die Höhe der Kostenerstattung für ein Widerspruchsverfahren.

Der 1957 geborene Kläger stellte am 12.01.2005, vertreten durch Rechtsanwalt H., bei dem Versorgungsamt Ulm den Antrag, den zuletzt mit Bescheid vom 25.08.1998 festgestellten Grad der Behinderung (GdB) nach dem Schwerbehindertenrecht neu festzustellen. Mit Bescheid vom 12.04.2005 wurde dieser Antrag zunächst abgelehnt.

Dem hiergegen eingelegten Widerspruch half das Landratsamt Göppingen mit Bescheid vom 16.11.2005 teilweise ab, indem der GdB seit 12.01.2005 mit 70 festgestellt wurde. Das Landratsamt erklärte sich ferner bereit, die dem Kläger im Vorverfahren entstandenen außergerichtlichen Kosten zur Hälfte zu erstatten. Der Kläger erklärte sich damit einverstanden und das Widerspruchsverfahren für erledigt.

Mit seiner Gebührenrechnung vom 29.11.2005 forderte der Kläger die Erstattung von 333,36 Euro, wobei er unter anderem eine Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten nach der Nr. 2500 des Vergütungsverzeichnisses (VV) zum Rechtsanwaltsvergütungsgesetz (RVG) in Höhe von 240 Euro in Ansatz brachte.

Mit Bescheid vom 08.12.2005 setzte das Landratsamt Göppingen die zu erstattenden Kosten des Vorverfahrens in Höhe von 255,20 Euro fest. Zur Begründung führte es aus, die Regelgebühr betrage lediglich 120 Euro, weil dem Vorverfahren eine Tätigkeit des Anwalts im Verwaltungsverfahren vorausgegangen sei. Außerdem wurde nur ein Teil der geltend gemachten Kopien als notwendig anerkannt.

Hiergegen erhob der Kläger mit der Begründung Widerspruch, die Geschäftsgebühr falle sowohl im Verwaltungsverfahren als auch im Widerspruchsverfahren auf jeden Fall einmal an. Er forderte nunmehr (jeweils zur Hälfte) nicht nur die Geschäftsgebühr nach der Nr. 2500 VV RVG in Höhe von 240 Euro, sondern auch die Geschäftsgebühr Nr. 2501 VV RVG in Höhe von 120 Euro, insgesamt 402,96 Euro.

Mit dem Widerspruchsbescheid vom 13.01.2006 wies der Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück. Die vorgenommene Kostenfestsetzung entspreche den Vorschriften des RVG.

Hiergegen erhob der Kläger am 16.02.2006 Klage zum Sozialgericht Ulm (SG) mit dem Antrag, den Beklagten unter Abänderung der angefochtenen Bescheide zu verurteilen, zusätzlich die Geschäftsgebühr gemäß Nr. 2500 VV RVG in Höhe von 240 Euro festzusetzen. Zur Begründung wiederholte er sein bisheriges Vorbringen.

Der Beklagte trat der Klage entgegen.

Mit Urteil vom 17.11.2006 - den Prozessbevollmächtigten des Klägers zugestellt am 05.02.2007 - wies das SG die Klage ab. Es ließ die Berufung nicht zu. In den Entscheidungsgründen führte es aus, die Vorstellung des Klägervertreters, dass im vorliegenden Fall beide Gebühren entstanden seien, sei abwegig, da dies der Systematik des RVG eindeutig widerspreche.

Am 02.03.2007 hat der Kläger gegen die Nichtzulassung der Berufung im genannten Urteil Beschwerde eingelegt und vorgetragen, die Streitsache habe grundsätzliche Bedeutung, weil das SG davon ausgehe, dass eine Gebühr nach Nr. 2500 VV RVG lediglich dann entstehe, wenn ein Rechtsanwalt erst im Vorverfahren tätig werde. Richtigerweise entstehe die Gebühr nach Nr. 2500 VV RVG auch dann, wenn der Rechtsanwalt vorher schon im Verwaltungsverfahren tätig gewesen sei, nämlich eben für dieses Verwaltungsverfahren. Im anschließenden Widerspruchsverfahren entstehe dann zusätzlich die Gebühr der Nr. 2501 VV RVG.

Der Kläger beantragt, das Urteil des Sozialgerichts Ulm vom 17.11.2006 abzuändern und die Berufung zuzulassen.

Der Beklagte beantragt, die Beschwerde zurückzuweisen. Er trägt vor, der Streitsache komme keine grundsätzliche Bedeutung zu. Eine kumulative Anwendung der Gebührentatbestände nach den Nr. 2500 und 2501 VV RVG scheide aus, da eine entsprechende Regelung im Gesetz nicht vorgesehen sei. Die genannten Gebührentatbestände könnten nur alternativ angewandt werden. Habe wie hier eine Vertretung bereits im Antragsverfahren stattgefunden, so sei seitens der Verwaltung ausschließlich eine Gebühr nach der Nr. 2501 VV RVG zu erstatten.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten des Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

II.

Die nach § 145 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) statthafte und zulässige Nichtzulassungsbeschwerde des Klägers ist zulässig, aber nicht begründet.

Gemäß § 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG bedarf die Berufung im vorliegenden Fall der Zulassung, weil der Wert des Beschwerdegegenstandes 500 Euro nicht übersteigt. Gemäß § 144 Abs. 2 Nr. 1 ist die Berufung zuzulassen, wenn die Rechtssache grundsätzliche Bedeutung hat. Dies ist hier zu verneinen, da die vom Kläger aufgeworfene Rechtsfrage nicht klärungsbedürftig ist. Die Antwort auf diese Rechtsfrage ergibt sich unmittelbar und ohne Weiteres aus dem Gesetz und ist daher nicht zweifelhaft.

Anspruchsgrundlage für den Erstattungsanspruch des Klägers ist ausschließlich die Vorschrift des § 63 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X). Nach Abs. 1 Satz 1 dieser Bestimmung hat der Rechtsträger, dessen Behörde den angefochtenen Verwaltungsakt erlassen hat, demjenigen, der Widerspruch erhoben hat, die zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung notwendigen Aufwendungen zu erstatten, soweit der Widerspruch erfolgreich ist. Gemäß § 63 Abs. 2 SGB X sind die Gebühren und Auslagen eines Rechtsanwalts im Vorverfahren erstattungsfähig, wenn die Zuziehung eines Bevollmächtigten notwendig war. Der Kläger verkennt, dass der Anwendungsbereich der Vorschrift auf das Vor- oder Widerspruchsverfahren beschränkt ist. Aufwendungen und Kosten, die in einem dem Vorverfahren vorausgegangenen Verwaltungsverfahren entstanden sind, sind hingegen nicht zu erstatten, soweit nicht - hier nicht ersichtliche - spezielle Regelungen dies vorsehen. Dies gilt selbst dann, wenn einem Antrag des Betroffenen ganz oder teilweise entsprochen wird (BSGE 55, 92, 93). Es ist deshalb zu unterscheiden zwischen den Gebühren, welche der Rechtsanwalt gegenüber seinem Mandanten geltend machen kann und den Gebühren, die ein Rechtsträger im Sinne des § 63 Abs. 1 Satz 1 SGB X zu erstatten hat. Der Umfang der notwendigen Aufwendungen für die Prozessbevollmächtigten des Klägers richtet sich nach dem RVG i. V. m. dem VV nach dem Stand vom 01.07.2004, da der Auftrag zur Vertretung des Klägers nach dem 30.06.2004 erteilt worden ist.

Nach § 3 Abs. 2 i. V. m. Abs. 1 Satz 1 RVG entstehen in sozialgerichtlichen Verfahren (auch) außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens Betragsrahmengebühren, sofern das Gerichtskostengesetz (GKG) keine Anwendung findet. § 3 RVG gilt auch für ein isoliertes Vorverfahren wie es hier durchgeführt worden ist. Da es sich bei dem Kläger als behindertem Menschen um einen kostenprivilegierten Beteiligten im Sinne des § 183 Satz 1 SGG handelt, findet das GKG keine Anwendung.

Nach der Nr. 2500 VV RVG (seit der Umnummerierung durch den am 01.07.2006 in Kraft getretenen Artikel 5 Abs. 1 Ziff. 4b des Kostenrechtsmodernisierungsgesetzes vom 05.05.2004 - BGBl. I S. 718) beträgt die Geschäftsgebühr in sozialrechtlichen Angelegenheiten, in denen im gerichtlichen Verfahren Betragsrahmengebühren entstehen, 40 bis 520 Euro. Nach der Nr. 2501 VV (seit 01.07.2006 Nr. 2401 VV) beträgt die Gebühr 2500 für den Fall, dass eine Tätigkeit im Verwaltungsverfahren vorausgegangen ist, für das weitere, der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende Verwaltungsverfahren 40 bis 260 Euro. Eine Gebühr von mehr als 120 Euro kann nur gefordert werden, wenn die Tätigkeit umfangreich oder schwierig war.

Die Aufspaltung in die zwei Gebührentatbestände VV 2500 und 2501 geht zurück auf die Regelung in § 17 Nr. 1 RVG, wonach das Verwaltungsverfahren einerseits und das einem gerichtlichen Verfahren vorausgehende und der Nachprüfung des Verwaltungsakts dienende weitere Verwaltungsverfahren (Vorverfahren bzw. Widerspruchsverfahren) verschiedene Angelegenheiten sind. Durch die Einführung des Schwellenwertes von 120 Euro wird berücksichtigt, dass die Tätigkeit im Verwaltungsverfahren die Tätigkeit im weiteren Verwaltungsverfahren (Nachprüfungsverfahren) erleichtert.

Da sich nach den obigen Darlegungen nur die Nr. 2501 VV RVG, nicht dagegen die Nr. 2500 VV RVG auf die Tätigkeit im Widerspruchsverfahren bezieht, dessen Kosten nach § 63 Abs. 2 SGB X allein erstattungsfähig sind, hat der Beklagte bei der Festsetzung der Vorverfahrenskosten zu Recht nur den Schwellenwert der Gebühr Nr. 2501 VV RVG und zusätzlich eine Einigungsgebühr nach der Nr. 1005 VV RVG in Ansatz gebracht. Da die Rechtslage eindeutig ist, war die Berufung nicht nach § 144 Abs. 2 Nr. 1 SGG zuzulassen.

Die Kostenentscheidung beruht auf einer entsprechenden Anwendung des § 193 SGG.

Dieser Beschluss ist nicht anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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