Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
7
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 71 KA 105/01
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 7 KA 252/03
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 wird zurückgewiesen. Die Kläger haben der Beklagten auch deren außergerichtliche Kosten für das Berufungsverfahren zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in einem Überprüfungsverfahren über die Gewährung höheren Honorars für das Quartal II/1999.
Die Klägerin zu 1) ist Ärztin für Allgemeinmedizin. Der Kläger zu 2) ist Alleinerbe und Rechtsnachfolger des während des Rechtsstreites verstorbenen Dr. C Sch, im Folgenden Verstorbener genannt. Die Klägerin zu 1) und der Verstorbene betrieben im hier streitbefangenen Zeitraum eine Gemeinschaftspraxis als fachärztliche Internisten, die schwerpunktmäßig auch Patientinnen und Patienten mit HIV/Aids betreuten.
Mit Datum vom 11. August 1997 sandte die Beklagte u. a. zwei im Wortlaut gleiche Schreiben, die einerseits an den Verstorbenen sowie dessen damalige Partnerin einer Gemeinschaftspraxis und andererseits an die Klägerin zu 1) und ihren damaligen Partner einer anderen Gemeinschaftspraxis gerichtet waren. Darin teilte die Beklagte mit, ihr Vorstand habe die Vergabekriterien für die Anträge zur Erweiterung von Praxisbudgets festgesetzt. Sie erhielten für die Behandlungsfälle, bei denen die EBM-Nummer 9053 abgerechnet werde, ein verdoppeltes Praxisbudget.
Diese Schreiben enthielten den folgenden fett gedruckten Hinweis:
Sollten Sie mit der Entscheidung des Vorstandes nicht einverstandne sein, können Sie nach Erhalt der Abrechnungsunterlagen für das III. Quartal 1997 Widerspruch einlegen. Dieses Schreiben beinhaltet nur eine Vorabinformation.
Entsprechend diesem Schreiben wurden der Klägerin zu 1) und dem Verstorbenen für ihre damalige Gemeinschaftspraxis sowie für deren Vorgängerpraxen in der Zeit bis zum II. Quartal 1999 verdoppelte Praxisbudgets für die vorgenannten Bereiche gewährt.
Am 28. Mai 1998 beschloss der Vorstand der Beklagten, dass mit Wirkung vom III. Quartal 1998 an das Praxisbudget für den hier streitbefangenen Schwerpunktbereich nicht mehr verdoppelt, sondern nur noch um 50 % erhöht werden solle. Eine entsprechende schriftliche Mitteilung wurde den Beteiligten nicht gegeben. In den Honorarbescheiden beginnend ab dem Quartal III/1998 wurde dieser Beschluss aber umgesetzt. Am 24. Mai 2000 beschloss der Vorstand der Beklagten, rückwirkend ab dem Quartal III/1998 in all denjenigen Fällen, in denen Honorarbescheide noch nicht erteilt oder noch nicht bestandskräftig waren, rückwirkend wiederum eine Verdoppelung des Praxisbudgets vorzunehmen. Hiervon waren allerdings die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits für das Quartal II/1999 nicht betroffen, weil sie gegen den Honorarbescheid für dieses Quartal keinen Widerspruch eingelegt hatten.
Am 7. August 2000 beantragten die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger bei der Beklagten die Überprüfung des Honorarbescheides für das Quartal II/1999 und die Verdoppelung des Praxisbudgets auch für dieses Quartal. Mit Bescheid vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab: Zwar sei der ursprüngliche Honorarbescheid rechtswidrig gewesen, es entspreche jedoch der Pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens, ihn in diesem und gleichgelegten Fall nicht rückwirkend aufzuheben. Hierbei sei ausschlaggebend, dass die Beklagte keine Rückstellungen gebildet habe; eine rückwirkende Vergütung aus den laufenden Einnahmen der Beklagten würde sich nachteilig auch für die jenigen Ärztinnen und Ärzte auswirken, die in dem hier betroffenen Quartal selbst noch keine Vergütungen erhalten hätten.
Die hiergegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht Berlin durch Urteil vom 25. Juni 2003 abgewiesen: Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Sozialgesetzbuch / 10. Buch (SGB X) lägen nicht vor. So habe die Beklagte damals berechtigterweise eine Erhöhung des Praxisbudgets lediglich um 50 % vornehmen dürfen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass diese geringere Erhöhung als die vorangegangene Verdoppelung erst in Honorarbescheiden erfolgt sei. Vertrauenstatbestände seien ebenfalls nicht gegeben, denn es seien jeweils entsprechende Veröffentlichungen in dem Mitteilungsblatt der Beklagten erfolgt. Die Einschätzung des Vorstandes der Beklagten, die Verringerung der Erweiterung des Praxisbudgets von 100 % auf 50 % sei rechtswidrig gewesen, werde von der Kammer nicht geteilt und sei für diese nicht bindend.
Gegen dieses ihnen am 11. August 2003 zugestellte Urteil haben die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger am 11. September 2003 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie machen geltend, die Verringerung des Erhöhungsprozentsatzes sei schon wegen des Inhaltes der beiden Schreiben vom 11. August 1997 rechtswidrig gewesen, weil diese Schreiben als zusichernde Bescheide zu bewerten seien. Auch sei die Ermessensausübung der Beklagten fehlerhaft, weil die Beklagte verpflichtet gewesen sei, Rückstellung zu bilden und es sich im Übrigen um vergleichsweise geringe Nachvergütungsbeträge handele.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Honorarbescheid für das Quartal II/1999 abzuändern und für dieses Quartal ein höheres Honorar unter Verdoppelung des Praxisbudgets für die Gebührennummer 9053 zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag nach § 44 SGB X unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Hinsichtlich der weitren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Niederschrift zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit dem Berichterstatter vom 14. Juli 2006 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, ein Anspruch auf Erteilung eines für sie günstigen Überprüfungsbescheides mit dem Ziel der Gewährung höheren vertragsärztlichen Honorars für das Quartal II/1999 steht ihnen nicht zu.
1) Maßgebend für den geltend gemachten Überprüfungsanspruch ist § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X). Diese Vorschrift ist auf Bescheide über vertragsärztliches Honorar anzuwenden, weil vertragsärztliches Honorar keine Sozialleistung im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X ist und auch sonst keine vertragsärztlichen Sonderregelungen die Vorschrift des § 44 SGB X verdrängen (Bundessozialgericht – BSG - , Urteil vom 18. März 1998, B 6 KA 16/97 R, SozR 3-1300 § 44 Nr. 23).
2) Die erste Voraussetzung des § 44 Abs. 2 SGB X – das Vorliegen eines bestandskräftigen (Honorar-)Bescheides – ist erfüllt, denn der Honorarbescheid für das streitbefangene Quartal ist nicht fristgemäß angefochten worden. Zu Recht hat die Beklagte diesen Bescheid den Klägern bzw. deren Rechtsvorgängern selbst bekanntgegeben, die keinen Widerspruch eingelegt haben. Einer Bekanntgabe an die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger bedurfte es nicht, denn diese vertraten damals die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger noch nicht und hatten auch keine von diesem herrührende Verfahrensvollmacht vorgelegt. Die Widerspruchseinlegung durch die Bevollmächtigten für einen größeren Kreis betroffener Ärztinnen und Ärzte bzw. deren Interessenvereinigung wirkte gleichfalls nicht für die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger.
3) Jedoch fehlt es an den weiteren Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB X, denn der Honorarbescheid für das Quartal II/1999 ist nicht zum Nachteil der Kläger rechtswidrig:
a) So liegt insbesondere keine Rechtswidrigkeit darin begründet, dass die Beklagte bei der Gewährung des Honorars ein bereits durch Verwaltungsakt bewilligtes, um 100 % erhöhtes Praxisbudget unbeachtet gelassen hat. Zwar berufen sich die Kläger insoweit auf die beiden Schreiben vom 11. August 1997, doch sind diese nicht als Bewilligungsbescheide hinsichtlich der begehrten Erhöhung des Praxisbudgets zu verstehen.
Die Schreiben sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Zur Überzeugung des Senats sind sie nicht so zu verstehen, dass sie eine Regelung in Gestalt einer Bewilligung der Budgeterhöhung aussprechen wollten. Ihnen fehlt insoweit ein Regelungscharakter nach § 31 SGB X, weil sie keine unmittelbare Rechtsfolge nach außen herbeiführen sollten. Der Hinweis der Beklagten, die Schreiben seien nicht gesondert anfechtbar, stellt sich nicht als fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung dar, sondern bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Beklagte selbst keine – einer Bestandskraft fähige – Regelung treffen, sondern lediglich eine informatorische Mitteilung geben wollte. Vor diesem Hintergrund konnten und dürften die Empfänger dieser Schreiben aus der insoweit maßgeblichen Sicht eines objektiven Bescheidempfänger nicht davon ausgehen, dass die Beklagte ihnen gegenüber hinsichtlich des Praxisbudgets bereits eine verbindliche Rechtsfolge hat setzen wollen.
An dieser Auslegung der Schreiben ändert sich auch nichts dadurch, dass dieses Vorgehen der Beklagten möglicherweise nicht der Zielsetzung des EBM entsprach, denn danach wäre es geboten gewesen, gesonderte Regelungen über die Höhe der Budgets zu treffen, die als Verwaltungsakte selbst dann eine eigenständige Bedeutung besitzen, wenn die jeweiligen Honorarbescheide in Bestandskraft erwachsen sind (BSG, Urteil vom 22. März 2006, B 6 KA 80/04 R, SozR 4-2500 § 87 Nr. 12). Denn maßgebend ist nicht, was die Beklagte möglicherweise hätte tun sollen, sondern wie sie tatsächlich gehandelt hat; in ihrem tatsächlichen Handeln hat sie klar zu erkennen gegeben, dass sie keine Regelung und damit keinen Verwaltungsakt erlassen wollte.
Im Übrigen konnte den Schreiben vom 11. August 1997 auch nicht entnommen werden, dass sie den damals in der Zukunft liegenden Zeitraum unbegrenzt betreffen sollten; vielmehr waren sie so zu verstehen, dass sie sich ausschließlich auf das Quarta III/1997 beziehen sollten. Schon aus diesem Grunde kann ihnen für das hier streitbefangene Quartal II/1999 keine Bedeutung mehr zukommen. Vor allem waren die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits bzw. deren Rechtsvorgänger auch nicht die Adressaten der vorgenannten Schreiben, denn diese waren an die damaligen Inhaber zweier verschiedener Gemeinschaftspraxen gerichtet, die im Quartal II/1999 bereits nicht mehr bestanden.
b) Der bestandskräftige Honorarbescheid verletzte auch nicht das Gebot des Vertrauensschutzes, denn die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger haben nicht im Vertrauen auf den Fortbestand einer für sie günstigen Praxis der Budgeterweiterung Leistungen im Quartal II/1999 erbracht. Vielmehr war ihnen – wie das Sozialgericht bereits im Einzelnen ausgeführt hat – bereits zum Ende des Vorquartals aus zahlreichen Veröffentlichungen der Beklagten bekannt, dass diese ihre Praxis der Erweiterung der betroffenen Budgets um 100 % mit Wirkung für die Zukunft ändern wollte.
c) Gleichfalls können die Kläger auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit anderen betroffenen Praxen bzw. aus dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung gemäß Art. 3 GG eine für sie nachteilige Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides geltend machen. Denn dieses liefe auf eine – unzulässige – Gleichbehandlung im Unrecht heraus. Bereits die lediglich 50-prozentige Erhöhung des Praxisbudgets der Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger war – wenn auch zu deren Gunsten – rechtswidrig, weil die Kläger die antragsabhängige Budgeterweiterung erhalten hatten, ohne einen Antrag gestellt zu haben. Keinesfalls hätten sie vor diesem Hintergrund verlangen können, eine noch größere Erweiterung ihres Praxisbudgets zu erhalten.
4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten in einem Überprüfungsverfahren über die Gewährung höheren Honorars für das Quartal II/1999.
Die Klägerin zu 1) ist Ärztin für Allgemeinmedizin. Der Kläger zu 2) ist Alleinerbe und Rechtsnachfolger des während des Rechtsstreites verstorbenen Dr. C Sch, im Folgenden Verstorbener genannt. Die Klägerin zu 1) und der Verstorbene betrieben im hier streitbefangenen Zeitraum eine Gemeinschaftspraxis als fachärztliche Internisten, die schwerpunktmäßig auch Patientinnen und Patienten mit HIV/Aids betreuten.
Mit Datum vom 11. August 1997 sandte die Beklagte u. a. zwei im Wortlaut gleiche Schreiben, die einerseits an den Verstorbenen sowie dessen damalige Partnerin einer Gemeinschaftspraxis und andererseits an die Klägerin zu 1) und ihren damaligen Partner einer anderen Gemeinschaftspraxis gerichtet waren. Darin teilte die Beklagte mit, ihr Vorstand habe die Vergabekriterien für die Anträge zur Erweiterung von Praxisbudgets festgesetzt. Sie erhielten für die Behandlungsfälle, bei denen die EBM-Nummer 9053 abgerechnet werde, ein verdoppeltes Praxisbudget.
Diese Schreiben enthielten den folgenden fett gedruckten Hinweis:
Sollten Sie mit der Entscheidung des Vorstandes nicht einverstandne sein, können Sie nach Erhalt der Abrechnungsunterlagen für das III. Quartal 1997 Widerspruch einlegen. Dieses Schreiben beinhaltet nur eine Vorabinformation.
Entsprechend diesem Schreiben wurden der Klägerin zu 1) und dem Verstorbenen für ihre damalige Gemeinschaftspraxis sowie für deren Vorgängerpraxen in der Zeit bis zum II. Quartal 1999 verdoppelte Praxisbudgets für die vorgenannten Bereiche gewährt.
Am 28. Mai 1998 beschloss der Vorstand der Beklagten, dass mit Wirkung vom III. Quartal 1998 an das Praxisbudget für den hier streitbefangenen Schwerpunktbereich nicht mehr verdoppelt, sondern nur noch um 50 % erhöht werden solle. Eine entsprechende schriftliche Mitteilung wurde den Beteiligten nicht gegeben. In den Honorarbescheiden beginnend ab dem Quartal III/1998 wurde dieser Beschluss aber umgesetzt. Am 24. Mai 2000 beschloss der Vorstand der Beklagten, rückwirkend ab dem Quartal III/1998 in all denjenigen Fällen, in denen Honorarbescheide noch nicht erteilt oder noch nicht bestandskräftig waren, rückwirkend wiederum eine Verdoppelung des Praxisbudgets vorzunehmen. Hiervon waren allerdings die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits für das Quartal II/1999 nicht betroffen, weil sie gegen den Honorarbescheid für dieses Quartal keinen Widerspruch eingelegt hatten.
Am 7. August 2000 beantragten die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger bei der Beklagten die Überprüfung des Honorarbescheides für das Quartal II/1999 und die Verdoppelung des Praxisbudgets auch für dieses Quartal. Mit Bescheid vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 lehnte die Beklagte diesen Antrag ab: Zwar sei der ursprüngliche Honorarbescheid rechtswidrig gewesen, es entspreche jedoch der Pflichtgemäßen Ausübung des Ermessens, ihn in diesem und gleichgelegten Fall nicht rückwirkend aufzuheben. Hierbei sei ausschlaggebend, dass die Beklagte keine Rückstellungen gebildet habe; eine rückwirkende Vergütung aus den laufenden Einnahmen der Beklagten würde sich nachteilig auch für die jenigen Ärztinnen und Ärzte auswirken, die in dem hier betroffenen Quartal selbst noch keine Vergütungen erhalten hätten.
Die hiergegen erhobenen Klage hat das Sozialgericht Berlin durch Urteil vom 25. Juni 2003 abgewiesen: Bereits die tatbestandlichen Voraussetzungen des § 44 Sozialgesetzbuch / 10. Buch (SGB X) lägen nicht vor. So habe die Beklagte damals berechtigterweise eine Erhöhung des Praxisbudgets lediglich um 50 % vornehmen dürfen. Es sei auch nicht zu beanstanden, dass diese geringere Erhöhung als die vorangegangene Verdoppelung erst in Honorarbescheiden erfolgt sei. Vertrauenstatbestände seien ebenfalls nicht gegeben, denn es seien jeweils entsprechende Veröffentlichungen in dem Mitteilungsblatt der Beklagten erfolgt. Die Einschätzung des Vorstandes der Beklagten, die Verringerung der Erweiterung des Praxisbudgets von 100 % auf 50 % sei rechtswidrig gewesen, werde von der Kammer nicht geteilt und sei für diese nicht bindend.
Gegen dieses ihnen am 11. August 2003 zugestellte Urteil haben die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger am 11. September 2003 Berufung zum Landessozialgericht eingelegt. Sie machen geltend, die Verringerung des Erhöhungsprozentsatzes sei schon wegen des Inhaltes der beiden Schreiben vom 11. August 1997 rechtswidrig gewesen, weil diese Schreiben als zusichernde Bescheide zu bewerten seien. Auch sei die Ermessensausübung der Beklagten fehlerhaft, weil die Beklagte verpflichtet gewesen sei, Rückstellung zu bilden und es sich im Übrigen um vergleichsweise geringe Nachvergütungsbeträge handele.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, den Honorarbescheid für das Quartal II/1999 abzuändern und für dieses Quartal ein höheres Honorar unter Verdoppelung des Praxisbudgets für die Gebührennummer 9053 zu gewähren,
hilfsweise,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juni 2003 sowie den Bescheid der Beklagten vom 15. November 2000 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. Januar 2001 aufzuheben und die Beklagte zu verpflichten, über den Antrag nach § 44 SGB X unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts neu zu entscheiden.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält die angefochtene Entscheidung für zutreffend. Hinsichtlich der weitren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird Bezug genommen auf die zwischen den Beteiligten gewechselten Schriftsätze, die Niederschrift zum Termin zur Erörterung des Sachverhalts mit dem Berichterstatter vom 14. Juli 2006 sowie die Verwaltungsakten der Beklagten, welche im Termin zur mündlichen Verhandlung vorgelegen haben und Gegenstand der Entscheidung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung der Kläger ist zulässig, insbesondere statthaft gemäß § 143 Sozialgerichtsgesetz (SGG), jedoch nicht begründet. Zu Recht hat das Sozialgericht die Klage abgewiesen. Die angefochtenen Bescheide sind rechtmäßig und verletzen die Kläger nicht in ihren Rechten, ein Anspruch auf Erteilung eines für sie günstigen Überprüfungsbescheides mit dem Ziel der Gewährung höheren vertragsärztlichen Honorars für das Quartal II/1999 steht ihnen nicht zu.
1) Maßgebend für den geltend gemachten Überprüfungsanspruch ist § 44 Abs. 2 Sozialgesetzbuch/Zehntes Buch (SGB X). Diese Vorschrift ist auf Bescheide über vertragsärztliches Honorar anzuwenden, weil vertragsärztliches Honorar keine Sozialleistung im Sinne des § 44 Abs. 1 SGB X ist und auch sonst keine vertragsärztlichen Sonderregelungen die Vorschrift des § 44 SGB X verdrängen (Bundessozialgericht – BSG - , Urteil vom 18. März 1998, B 6 KA 16/97 R, SozR 3-1300 § 44 Nr. 23).
2) Die erste Voraussetzung des § 44 Abs. 2 SGB X – das Vorliegen eines bestandskräftigen (Honorar-)Bescheides – ist erfüllt, denn der Honorarbescheid für das streitbefangene Quartal ist nicht fristgemäß angefochten worden. Zu Recht hat die Beklagte diesen Bescheid den Klägern bzw. deren Rechtsvorgängern selbst bekanntgegeben, die keinen Widerspruch eingelegt haben. Einer Bekanntgabe an die jetzigen Prozessbevollmächtigten der Kläger bedurfte es nicht, denn diese vertraten damals die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger noch nicht und hatten auch keine von diesem herrührende Verfahrensvollmacht vorgelegt. Die Widerspruchseinlegung durch die Bevollmächtigten für einen größeren Kreis betroffener Ärztinnen und Ärzte bzw. deren Interessenvereinigung wirkte gleichfalls nicht für die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger.
3) Jedoch fehlt es an den weiteren Voraussetzungen des § 44 Abs. 2 SGB X, denn der Honorarbescheid für das Quartal II/1999 ist nicht zum Nachteil der Kläger rechtswidrig:
a) So liegt insbesondere keine Rechtswidrigkeit darin begründet, dass die Beklagte bei der Gewährung des Honorars ein bereits durch Verwaltungsakt bewilligtes, um 100 % erhöhtes Praxisbudget unbeachtet gelassen hat. Zwar berufen sich die Kläger insoweit auf die beiden Schreiben vom 11. August 1997, doch sind diese nicht als Bewilligungsbescheide hinsichtlich der begehrten Erhöhung des Praxisbudgets zu verstehen.
Die Schreiben sind nach ihrem objektiven Erklärungswert auszulegen. Zur Überzeugung des Senats sind sie nicht so zu verstehen, dass sie eine Regelung in Gestalt einer Bewilligung der Budgeterhöhung aussprechen wollten. Ihnen fehlt insoweit ein Regelungscharakter nach § 31 SGB X, weil sie keine unmittelbare Rechtsfolge nach außen herbeiführen sollten. Der Hinweis der Beklagten, die Schreiben seien nicht gesondert anfechtbar, stellt sich nicht als fehlerhafte Rechtsbehelfsbelehrung dar, sondern bringt unmissverständlich zum Ausdruck, dass die Beklagte selbst keine – einer Bestandskraft fähige – Regelung treffen, sondern lediglich eine informatorische Mitteilung geben wollte. Vor diesem Hintergrund konnten und dürften die Empfänger dieser Schreiben aus der insoweit maßgeblichen Sicht eines objektiven Bescheidempfänger nicht davon ausgehen, dass die Beklagte ihnen gegenüber hinsichtlich des Praxisbudgets bereits eine verbindliche Rechtsfolge hat setzen wollen.
An dieser Auslegung der Schreiben ändert sich auch nichts dadurch, dass dieses Vorgehen der Beklagten möglicherweise nicht der Zielsetzung des EBM entsprach, denn danach wäre es geboten gewesen, gesonderte Regelungen über die Höhe der Budgets zu treffen, die als Verwaltungsakte selbst dann eine eigenständige Bedeutung besitzen, wenn die jeweiligen Honorarbescheide in Bestandskraft erwachsen sind (BSG, Urteil vom 22. März 2006, B 6 KA 80/04 R, SozR 4-2500 § 87 Nr. 12). Denn maßgebend ist nicht, was die Beklagte möglicherweise hätte tun sollen, sondern wie sie tatsächlich gehandelt hat; in ihrem tatsächlichen Handeln hat sie klar zu erkennen gegeben, dass sie keine Regelung und damit keinen Verwaltungsakt erlassen wollte.
Im Übrigen konnte den Schreiben vom 11. August 1997 auch nicht entnommen werden, dass sie den damals in der Zukunft liegenden Zeitraum unbegrenzt betreffen sollten; vielmehr waren sie so zu verstehen, dass sie sich ausschließlich auf das Quarta III/1997 beziehen sollten. Schon aus diesem Grunde kann ihnen für das hier streitbefangene Quartal II/1999 keine Bedeutung mehr zukommen. Vor allem waren die Kläger des vorliegenden Rechtsstreits bzw. deren Rechtsvorgänger auch nicht die Adressaten der vorgenannten Schreiben, denn diese waren an die damaligen Inhaber zweier verschiedener Gemeinschaftspraxen gerichtet, die im Quartal II/1999 bereits nicht mehr bestanden.
b) Der bestandskräftige Honorarbescheid verletzte auch nicht das Gebot des Vertrauensschutzes, denn die Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger haben nicht im Vertrauen auf den Fortbestand einer für sie günstigen Praxis der Budgeterweiterung Leistungen im Quartal II/1999 erbracht. Vielmehr war ihnen – wie das Sozialgericht bereits im Einzelnen ausgeführt hat – bereits zum Ende des Vorquartals aus zahlreichen Veröffentlichungen der Beklagten bekannt, dass diese ihre Praxis der Erweiterung der betroffenen Budgets um 100 % mit Wirkung für die Zukunft ändern wollte.
c) Gleichfalls können die Kläger auch nicht aus dem Gesichtspunkt der Gleichbehandlung mit anderen betroffenen Praxen bzw. aus dem Gesichtspunkt der Selbstbindung der Verwaltung gemäß Art. 3 GG eine für sie nachteilige Rechtswidrigkeit des Honorarbescheides geltend machen. Denn dieses liefe auf eine – unzulässige – Gleichbehandlung im Unrecht heraus. Bereits die lediglich 50-prozentige Erhöhung des Praxisbudgets der Kläger bzw. deren Rechtsvorgänger war – wenn auch zu deren Gunsten – rechtswidrig, weil die Kläger die antragsabhängige Budgeterweiterung erhalten hatten, ohne einen Antrag gestellt zu haben. Keinesfalls hätten sie vor diesem Hintergrund verlangen können, eine noch größere Erweiterung ihres Praxisbudgets zu erhalten.
4) Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG in der bis zum 1. Januar 2002 geltenden Fassung und entspricht dem Ausgang des Verfahrens in der Sache selbst.
Die Revision war nicht zuzulassen, weil Zulassungsgründe nach § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
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