Land
Hessen
Sozialgericht
SG Marburg (HES)
Sachgebiet
Vertragsarztangelegenheiten
Abteilung
12
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 12 KA 59/07
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
-
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Gläubiger der Forderung einer BGB-Gesellschaft wird jeweils die BGB-Gesellschaft selbst, unabhängig vom Bestand ihrer Mitglieder. Dies gilt auch für Honoraransprüche einer vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft gegenüber der Beklagten als Kassenärztlicher Vereinigung. Eine „Sperrwirkung des Zulassungsrechts“ gilt nur insofern, als es für den jeweiligen Bestand der Gemeinschaftspraxis ausschließlich auf den aktuellen Zulassungsstatus, nicht die diesem zugrunde liegenden vertraglichen Absprachen zwischen den Gesellschaftern ankommt.
1. Die Beklagte wird verpflichtet, an die Klägerin die Honorarnachzahlung aufgrund der beiden Teilabhilfebescheide vom 10.04.2006 in Höhe von insgesamt 78.035,40 Euro auszuzahlen.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten und die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 78.035,40 Euro.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Praxissitz in A-Stadt, A-Straße. Sie besteht aus den Gesellschaftern
1. Dr. med. C
2. Dr. med. D
3. Dr. med. E
4. Dr. med. F
5. Dr. med. N
6. Dipl. Chemiker G.
Gegründet wurde sie durch Gesellschaftsvertrag vom 07.09.1998 von dem Gesellschafter Dr. med. C und den zwischenzeitlich ausgeschiedenen Gesellschaftern Dr. med. H und Dr. med. I. Zeitweise gehörten ihr ferner die Ärzte J, K und L an.
Die Klägerin hat am 22.06.2006 die Klage über das SG Frankfurt a. M., das mit Beschluss vom 12.07.2006 die Klage an das erkennende Gericht verwies, erhoben.
Sie trägt vor, seit Gründung der Gesellschaft im Jahre 1998 bestehe sie ungekündigt als Gesellschaft bürgerlichen Rechts fort, auch wenn es zwischenzeitlich zur Aufnahme und zum Ausscheiden von Gesellschaftern gekommen sei. Sie habe bisher regelmäßig ihre Honorarbescheide erhalten. U. a. gegen die streitgegenständlichen Honorarbescheide für die Quartale I u. II/99 und IV/01 habe sie Widerspruch erhoben. Mit Schreiben vom 10.04.2006 habe die Beklagte für die Quartale I u. II/99 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 35.924,37 Euro und mit weiterem Schreiben vom 10.04.2006 für das Quartal IV/01 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 42.111,03 Euro angekündigt, insgesamt also in Höhe von 78.035,40 Euro. In den Schreiben werde sie jedoch aufgefordert, eine gemeinsame Erklärung mit den früheren, zwischenzeitlich ausgeschiedenen Gesellschaftern abzugeben, auf welche Bankverbindung die einbehaltenen Beträge ausgezahlt werden sollten. Aus diesem Grund seien die Widersprüche noch nicht beschieden und sei die Zahlung noch nicht erfolgt. Der Honoraranspruch stehe der Gesellschaft und nicht den einzelnen Gesellschaftern zu. Nach der neueren BGH-Rechtsprechung stehe fest, dass nicht der einzelne Gesellschafter Inhaber von (Gesellschafts-)Ansprüchen sei, sondern die Gesellschaft. Hiervon gehe auch das Bundessozialgericht aus. Gläubiger aller Honoraransprüche sei die Gesellschaft. Die Voraussetzungen für eine Hinterlegung lägen nicht vor. Hierüber sei ein vorprozessualer Schriftwechsel ohne Ergebnis erfolgt, weshalb sie gerichtlicher Hilfe bedürften. Es bedürfe auch einer Klarstellung der Rechtslage.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, an sie die Honorarnachzahlung aufgrund der beiden Teilabhilfebescheide vom 10.04.2006 in Höhe von insgesamt 78.035,40 Euro an sie auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, streitig sei allein die Umsetzung der Teilabhilfebescheide vom 10.04.2006. Der Auszahlungsanspruch stehe allein der Gemeinschaftspraxis in ihrer die Nachzahlungszeiträume betreffenden personellen Zusammensetzung zu. Im Übrigen habe sie keine Kenntnis von der Aktivlegitimation der Klägerin. Gesellschaftsverträge würden nur in Ausnahmefällen vom Zulassungsausschuss angefordert werden. Sie verweise ferner auf ihre Schreiben vom 11.05. und 22.06.2006. Darin führt sie aus, ihr lägen die Gesellschaftsverträge nicht vor, weshalb sie nicht beurteilen könne, ob die Gesellschaft fortbestehe. Maßgeblich komme es aber auf den statusbegründenden Akt der Genehmigung der Gemeinschaftspraxis an, nicht auf die zivilrechtlichen Verhältnisse. Der öffentlich-rechtliche Statusakt der Gemeinschaftspraxisgenehmigung bewirke eine Sperrwirkung. Mit Ausscheiden eines Gesellschafters werde der bisher praktizierten Ausübungsform vertragsärztlicher Tätigkeit die reale Grundlage entzogen. Honorartechnisch zeige sich dies in der Vergabe einer neuen Abrechnungsnummer. Eine andere Vorgehensweise sei auch nicht mit dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung vereinbar. Aus diesem folge, dass nur gegenüber dem Arzt, der die Leistung erbracht habe, eine Vergütung erfolgen könne. Auf eine rein gesellschaftsrechtliche Sichtweise komme es nicht an. Das Bundessozialgericht habe sich mit dieser spezifischen Fallgestaltung noch nicht befasst.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin die Honorarnachzahlung aufgrund der beiden Teilabhilfebescheide vom 10.04.2006 in Höhe von insgesamt 78.035,40 Euro auszuzahlen.
Aufgrund der beiden Teilabhilfebescheide vom 10.04.2006 besteht ein Nachzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 78.035,40 Euro, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Streitig zwischen ihnen ist die Frage, wer Gläubiger dieser Forderung und an wen deshalb die Zahlung auszukehren ist, da die Zusammensetzung der klagenden Gemeinschaftspraxis nicht identisch ist mit der Zusammensetzung der Gemeinschaftspraxis in den Quartalen I und II/99 sowie IV/01, auf die sich die Nachzahlung bezieht.
In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2001 entschieden, dass der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Rechtsfähigkeit zukommt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten als Außen-GbR begründet (vgl. BGH, Urteil v. 29.01.2001, Aktenzeichen: II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056, zitiert nach juris Rdnr. 5 ff.). Ein für die Praxis bedeutsamer Vorzug der nach außen bestehenden Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht nach dem BGH darin, dass danach ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat. Bei strikter Anwendung der traditionellen Auffassung müssten Dauerschuldverhältnisse mit der "Gesellschaft" bei jedem Wechsel im Mitgliederbestand von den Vertragsparteien neu geschlossen bzw. bestätigt werden. Wenn die Gesellschaft im Außenverhältnis nur ein Schuldverhältnis darstellt, können zwei aus verschiedenen Mitgliedern bestehende Schuldverhältnisse nicht identisch sein. Das Erfordernis von Neuabschlüssen von Dauerschuldverhältnissen bei einem Gesellschafterwechsel ist aber ohne innere Rechtfertigung und würde die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft im Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigen. Die traditionelle Auffassung vermöge im Übrigen keine befriedigende Erklärung dafür zu liefern, warum auch ein neu in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen für Altschulden haften sollte (BGH, ebd., Rdnr. 9). In Fortführung seiner Rechtsprechung zur Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft geht der BGH ferner davon aus, dass der eintretende Neugesellschafter in die Haftung für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft eintritt. Die persönliche Haftung aller Gesellschafter entspricht in ihrem jeweiligen personellen Bestand dem Wesen der Personengesellschaft und ihren Haftungsverhältnissen, weil die Gesellschaft kein eigenes, zu Gunsten ihrer Gläubiger gebundenes garantiertes Haftkapital besitzt. Ihr Gesellschaftsvermögen steht dem Zugriff der Gesellschafter jederzeit uneingeschränkt und sanktionslos offen. Bei dieser Sachlage ist die persönliche Haftung ihrer Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht nur die alleinige Grundlage für die Wertschätzung und Kreditwürdigkeit der Gesellschaft; sie ist vielmehr das notwendige Gegenstück zum Fehlen jeglicher Kapitalerhaltungsregeln. Dabei kann die Rechtsordnung konsequenterweise nicht bei einer Haftung nur der Altgesellschafter Halt machen. Denn mit dem Erwerb seiner Gesellschafterstellung erlangt auch ein neu eintretender Gesellschafter dieselben Zugriffsmöglichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen wie die Altgesellschafter, was angesichts der Komplementarität von Entnahmefreiheit und persönlicher Haftung sinnvollerweise nur durch Einbeziehung der Neugesellschafter in dasselbe Haftungsregime, dem auch die Altgesellschafter unterliegen, kompensiert werden kann. Zudem erwirbt der neu Eintretende mit seinem Eintritt in die Gesellschaft auch Anteil an dem Vermögen, der Marktstellung sowie den Kunden- bzw. Mandantenbeziehungen, die die Gesellschaft durch ihre bisherige wirtschaftliche Tätigkeit begründet hat. Es ist deshalb nicht unangemessen, wenn er im Gegenzug auch in die Verbindlichkeiten eintritt, die die Gesellschaft im Zuge ihrer auf Erwerb und Vermehrung dieser Vermögenswerte gerichteten wirtschaftlichen Tätigkeit begründet hat. Nicht selten wird die Altverbindlichkeit, für die der neu eingetretene Gesellschafter mithaften soll, exakt einem Aktivum der Gesellschaft als Gegenleistung (aus der Sicht der Gesellschaft Gegenverpflichtung) zuzuordnen sein, an dem der Eintretende für sich eine Mitberechtigung reklamiert (vgl. BGH, Urteil v. 07.04.2003, Aktenzeichen: II ZR 56/02, BGHZ 154, 370 = NJW 2003, 1803, zitiert nach juris Rdnr. 11 f.).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, der die Kammer folgt, wird Gläubiger der Forderung einer BGB-Gesellschaft jeweils die BGB-Gesellschaft selbst, unabhängig vom Bestand ihrer Mitglieder. Dies gilt auch für Honoraransprüche einer vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft gegenüber der Beklagten als Kassenärztliche Vereinigung.
Honoraransprüche sind vermögensrechtliche Ansprüche. Es sind keine zwingenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften ersichtlich, die ein Abweichen von der genannten BGH-Rechtsprechung gebieten würden.
Die von der Beklagten angeführte "Sperrwirkung des Zulassungsrechts" gilt nur insofern, als es für den jeweiligen Bestand der Gemeinschaftspraxis ausschließlich auf den aktuellen Zulassungsstatus, nicht die diesem zugrunde liegenden vertraglichen Absprachen zwischen den Gesellschaftern ankommt. Insofern kommt es auch nicht auf eine Kenntnis der Gesellschaftsverträge an, wenn sich aus dem Zulassungsstatus ergibt, dass die Gemeinschaftspraxis, wenn auch in veränderter Zusammensetzung fortbesteht. Erst bei Ausscheiden aller Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis bzw. bei Übrigbleiben eines Vertragsarztes ist die Gemeinschaftspraxis zulassungsrechtlich beendet. Solange zwei oder mehr Mitglieder in ihr verbleiben, wird sie fortgeführt, unabhängig vom Wechsel ihrer Mitglieder. Hat die Beklagte Zweifel am Fortbestand der Gemeinschaftspraxis, so kann sie Einsicht in die Zulassungsunterlagen nehmen. Anhand der Zulassungen kann im Regelfall nachverfolgt werden, ob eine Gemeinschaftspraxis aufgelöst wird oder nicht. Im Falle einer Auflösung haben die Beteiligten dies gegenüber dem Zulassungsausschuss zu erklären, der eine entsprechende Feststellung zu treffen hat. Insoweit übt der Zulassungsausschuss eine Notarfunktion aus. Wird eine Gemeinschaftspraxis fortgeführt, so kann man dies daran erkennen, dass ein Rest der Gemeinschaftspraxis bestehen bleibt. Insofern kann anhand der Zulassungen nachverfolgt werden, ob eine Gemeinschaftspraxis fortbesteht oder aufgelöst wird. Im Rechtsverkehr mit der Beklagten kommt es ausschließlich auf den Zulassungsstatus an. Insofern ist der Beklagten zuzugeben, dass hier eine öffentlich-rechtliche Überlagerung stattfindet, allerdings nicht mit den von der Beklagten genannten Folgerungen. Auf Grund des Zulassungsverfahrens und des Zulassungsregisters tritt insofern verbindlich die Gemeinschaftspraxis im Außenverkehr auf und muss sich daran festhalten lassen, wie sie zugelassen ist.
Den ausscheidenden Mitgliedern obliegt es mit den verbleibenden Mitgliedern im Rahmen der Auseinandersetzung über das Gesellschaftsvermögen zu regeln, wie die noch ausstehenden Honoraransprüche, die bereits erarbeitet wurden, aber noch nicht festgesetzt sind, verrechnet werden (§ 738 BGB). Dies ist im Übrigen keine Besonderheit des Vertragsarztrechts, sondern gilt für alle BGB-Gesellschaften bzgl. künftiger bzw. noch nicht fälliger Forderungen. Im Außenverhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung tritt aber nur die Gemeinschaftspraxis in ihrer aktuellen Zusammensetzung auf. Entsprechend wird sie mit Leistung an diese auch von ihrer Leistungspflicht vollständig befreit. Gegenüber den ausscheidenden Mitgliedern ist sie im Grunde genommen nie leistungspflichtig geworden, als nicht diese, sondern eben die Gemeinschaftspraxis an der Honorarverteilung nach § 85 Abs. 4 SGB V teilnimmt. Ändert sich deren Zusammensetzung, so nimmt sie eben in der geänderten Zusammensetzung an der Honorarverteilung teil.
Mit Ausscheiden eines Gesellschafters wird der bisherig praktizierten Ausübungsform vertragsärztlicher Tätigkeit nicht die die reale Grundlage entzogen. Dies wird sinnbildlich, wenn die Gemeinschaftspraxis die bereits zuvor behandelten Patienten auch weiterhin behandelt. Die Vergabe einer neuen Abrechnungsnummer hat allenfalls eine honorartechnische, verwaltungsinterne Bedeutung. Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung ist lediglich eine Voraussetzung für die Abrechenbarkeit einer Leistung. Folgerungen für den Vergütungsanspruch ergeben sich, soweit die vertragsärztliche Leistung durch ein Mitglied der Gemeinschaftspraxis erbracht wurde, nicht. Auch die Beklagte geht davon aus, dass trotz des Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung die Vergütung nicht dem einzelnen Arzt, sondern der Gemeinschaftspraxis zuzufließen hat. Im Übrigen besteht nach § 85 Abs. 4 SGB V kein Anspruch auf Vergütung einer einzelnen Leistung, sondern nur auf Teilnahme an der Honorarverteilung.
Soweit sich das Bundessozialgericht mit dieser spezifischen Fallgestaltung noch nicht befasst hat, hat es aber in verschiedenen Entscheidungen zu erkennen gegeben, dass es ebf. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt (vgl. z. B. BSG, Urteil v. 21.05.2003 – B 6 KA 33/02 R – MedR 2004, 172, juris Rdnr. 17). Soweit das BSG betont hat, auch der Schutz des neuen Praxispartners spreche dafür, Einzel- und Gemeinschaftspraxis im Zeitablauf nicht als Einheit zu sehen, da bei einer einheitlichen Betrachtung sich nämlich möglicherweise die Folgerung ergäbe, dass der erst später eingetretene Praxispartner für eventuelle Regresse wegen früherer unzulässiger Verordnungen und für etwaige Honorarrückforderungen z. B. wegen nachträglicher sachlich-rechnerischer Richtigstellungen mitzuhaften hätte und werde hiervor der hinzutretende Partner bewahrt, wenn der Wechsel des Praxisstatus als Zäsur anerkannt werde (vgl. BSG, Urteil v. 21.05.2003 – B 6 KA 33/02 R – MedR 2004, 172, juris Rdnr. 24), so betraf diese Entscheidung allein den Fall des Hinzutretens eines weiteren Vertrags(zahn)arztes in die Praxis eines bereits praktizierenden Vertrags(zahn)arztes, also der Neugründung einer Gemeinschaftspraxis. In der Entscheidung zur Genehmigung überörtlicher Gemeinschaftspraxen führt das BSG aus, die Gemeinschaftspraxis ist berechtigt, ihre Leistungen unter einer einzigen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen KÄV abzurechnen, und tritt dieser entsprechend wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber. Rechtlich gesehen ist eine Gemeinschaftspraxis eine Praxis (vgl. BSG, Urteil v. 16.07.2003 – B 6 KA 49/02 R – SozR 4-5520 § 33 Nr. 1 = BSGE 91, 164 = GesR 2004, 47 = MedR 2004, 114 = NJW 2004, 1820, juris Rdnr. 31). Die BGB-Gesellschaft und nicht ihre einzelnen Mitglieder sind Gläubiger der Honorarforderung im Verhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung. Der Honoraranspruch aus den ärztlichen Leistungen ihrer Mitglieder steht nur der BGB-Gesellschaft selbst zu, denn diese ist nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs selbst Träger aller Rechte und Pflichten im Rechtsverkehr. Umgekehrt richten sich Ansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung im Zusammenhang mit Honorarberichtigungen oder Honorarrückforderungen gegen die Gemeinschaftspraxis selbst und nicht gegen nur einzelne ihr angehörenden Ärzte. Das gilt auch für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung sowie für Regresse wegen unwirtschaftlicher oder unzulässiger Verordnungen von Arznei- bzw. Heil- und Hilfsmitteln. Nicht die Behandlungs- und Verordnungsweise des einzelnen Arztes, sondern der Gemeinschaftspraxis als Ganzes ist Gegenstand der Prüfung durch die Prüfgremien (vgl. BSG, Urteil v. 16.07.2003 – B 6 KA 49/02 R – aaO., juris Rdnr. 34). In einer weiteren Entscheidung hat es für den Regressanspruch, der sich aus unzulässigen Verordnungen eines Mitglieds einer Gemeinschaftspraxis ergibt, die Haftung auch der weiteren Mitglieder der Gemeinschaftspraxis bejaht. Nach dem BSG ist es aus Rechtsgründen ausgeschlossen, einer Gemeinschaftspraxis alle Vorteile der gemeinsamen Patientenbehandlung zu Gute kommen zu lassen, im Falle eines unwirtschaftlichen oder rechtswidrigen Behandlungs- bzw. Verordnungsverhaltens den Status der Gemeinschaftspraxis aber außer Betracht zu lassen. Die wirtschaftlichen Folgen von Falschabrechnungen bzw. rechtswidrigen Verordnungen treffen notwendig die Gemeinschaftspraxis. Auf die vertretungs- und gesellschaftsrechtlichen Fragen kommt es nicht an. Solange ein Vertragsarzt seine Tätigkeit im Status einer Gemeinschaftspraxis ausübt, sind seine Behandlungen, Abrechnungen und Verordnungen im Rechtssinne solche der Gemeinschaftspraxis. Lösen diese Abrechnungen oder Verordnungen Rückzahlungs- und Regressansprüche der Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung aus, hat dafür die Gemeinschaftspraxis und damit jedes ihrer Mitglieder in gesamtschuldnerischer Haftung einzustehen. Diese Einstandspflicht kann durch vertragliche Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern der Gemeinschaftspraxis nicht im Außenverhältnis zu den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (vgl. BSG, Urteil v. 20.2004 B 6 KA 41/03 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 6 = GesR 2005, 252 = MedR 2005, 421, juris Rdnr. 37 f.).
Im Übrigen ist das Vorgehen der Beklagten selbst widersprüchlich zu ihren rechtlichen Darlegungen. Den Teilabhilfebescheid vom 10.04.2006 bzgl. der Quartale I und II/99 hat sie an die "Gemeinschaftspraxis Dr. med. M, A-Straße, A-Stadt" gerichtet, den Teilabhilfebescheid vom 10.04.2006 bzgl. des Quartals IV/01 an die "Gemeinschaftspraxis Dr. M, Dr. D, Dr. F, G, A-Straße, A-Stadt". Konsequenterweise hätte sie nach Veränderung und insoweit Auflösung der ursprünglichen Gemeinschaftspraxis die Bescheide jedem einzelnen Mitglied zusenden müssen.
Im Hinblick auf die nach Ansicht der Kammer eindeutigen Rechtslage kommt es auf entsprechende Einverständniserklärungen der ausgeschiedenen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis nicht an, die im Übrigen von der Klägerin inzwischen vorgelegt wurden, worauf aber die Beklagte – aus der Kammer nicht nachvollziehbaren Gründen – bisher nicht reagiert hat.
Nach allem war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
2. Die Beklagte hat die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin zu erstatten und die Gerichtskosten zu tragen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um einen Zahlungsanspruch der Klägerin in Höhe von 78.035,40 Euro.
Die Klägerin ist eine Gemeinschaftspraxis in der Form einer Gesellschaft bürgerlichen Rechts mit Praxissitz in A-Stadt, A-Straße. Sie besteht aus den Gesellschaftern
1. Dr. med. C
2. Dr. med. D
3. Dr. med. E
4. Dr. med. F
5. Dr. med. N
6. Dipl. Chemiker G.
Gegründet wurde sie durch Gesellschaftsvertrag vom 07.09.1998 von dem Gesellschafter Dr. med. C und den zwischenzeitlich ausgeschiedenen Gesellschaftern Dr. med. H und Dr. med. I. Zeitweise gehörten ihr ferner die Ärzte J, K und L an.
Die Klägerin hat am 22.06.2006 die Klage über das SG Frankfurt a. M., das mit Beschluss vom 12.07.2006 die Klage an das erkennende Gericht verwies, erhoben.
Sie trägt vor, seit Gründung der Gesellschaft im Jahre 1998 bestehe sie ungekündigt als Gesellschaft bürgerlichen Rechts fort, auch wenn es zwischenzeitlich zur Aufnahme und zum Ausscheiden von Gesellschaftern gekommen sei. Sie habe bisher regelmäßig ihre Honorarbescheide erhalten. U. a. gegen die streitgegenständlichen Honorarbescheide für die Quartale I u. II/99 und IV/01 habe sie Widerspruch erhoben. Mit Schreiben vom 10.04.2006 habe die Beklagte für die Quartale I u. II/99 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 35.924,37 Euro und mit weiterem Schreiben vom 10.04.2006 für das Quartal IV/01 einen Nachzahlungsbetrag in Höhe von 42.111,03 Euro angekündigt, insgesamt also in Höhe von 78.035,40 Euro. In den Schreiben werde sie jedoch aufgefordert, eine gemeinsame Erklärung mit den früheren, zwischenzeitlich ausgeschiedenen Gesellschaftern abzugeben, auf welche Bankverbindung die einbehaltenen Beträge ausgezahlt werden sollten. Aus diesem Grund seien die Widersprüche noch nicht beschieden und sei die Zahlung noch nicht erfolgt. Der Honoraranspruch stehe der Gesellschaft und nicht den einzelnen Gesellschaftern zu. Nach der neueren BGH-Rechtsprechung stehe fest, dass nicht der einzelne Gesellschafter Inhaber von (Gesellschafts-)Ansprüchen sei, sondern die Gesellschaft. Hiervon gehe auch das Bundessozialgericht aus. Gläubiger aller Honoraransprüche sei die Gesellschaft. Die Voraussetzungen für eine Hinterlegung lägen nicht vor. Hierüber sei ein vorprozessualer Schriftwechsel ohne Ergebnis erfolgt, weshalb sie gerichtlicher Hilfe bedürften. Es bedürfe auch einer Klarstellung der Rechtslage.
Die Klägerin beantragt,
die Beklagte zu verpflichten, an sie die Honorarnachzahlung aufgrund der beiden Teilabhilfebescheide vom 10.04.2006 in Höhe von insgesamt 78.035,40 Euro an sie auszuzahlen.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie trägt vor, streitig sei allein die Umsetzung der Teilabhilfebescheide vom 10.04.2006. Der Auszahlungsanspruch stehe allein der Gemeinschaftspraxis in ihrer die Nachzahlungszeiträume betreffenden personellen Zusammensetzung zu. Im Übrigen habe sie keine Kenntnis von der Aktivlegitimation der Klägerin. Gesellschaftsverträge würden nur in Ausnahmefällen vom Zulassungsausschuss angefordert werden. Sie verweise ferner auf ihre Schreiben vom 11.05. und 22.06.2006. Darin führt sie aus, ihr lägen die Gesellschaftsverträge nicht vor, weshalb sie nicht beurteilen könne, ob die Gesellschaft fortbestehe. Maßgeblich komme es aber auf den statusbegründenden Akt der Genehmigung der Gemeinschaftspraxis an, nicht auf die zivilrechtlichen Verhältnisse. Der öffentlich-rechtliche Statusakt der Gemeinschaftspraxisgenehmigung bewirke eine Sperrwirkung. Mit Ausscheiden eines Gesellschafters werde der bisher praktizierten Ausübungsform vertragsärztlicher Tätigkeit die reale Grundlage entzogen. Honorartechnisch zeige sich dies in der Vergabe einer neuen Abrechnungsnummer. Eine andere Vorgehensweise sei auch nicht mit dem Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung vereinbar. Aus diesem folge, dass nur gegenüber dem Arzt, der die Leistung erbracht habe, eine Vergütung erfolgen könne. Auf eine rein gesellschaftsrechtliche Sichtweise komme es nicht an. Das Bundessozialgericht habe sich mit dieser spezifischen Fallgestaltung noch nicht befasst.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den übrigen Inhalt der Gerichts- und der beigezogenen Verwaltungsakten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer hat in der Besetzung mit zwei ehrenamtlichen Richtern aus den Kreisen der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten verhandelt und entschieden, weil es sich um eine Angelegenheit der Vertragsärzte und Vertragspsychotherapeuten handelt (§ 12 Abs. 3 Satz 2 Sozialgerichtsgesetz – SGG -).
Die zulässige Klage ist auch begründet. Die Beklagte ist verpflichtet, an die Klägerin die Honorarnachzahlung aufgrund der beiden Teilabhilfebescheide vom 10.04.2006 in Höhe von insgesamt 78.035,40 Euro auszuzahlen.
Aufgrund der beiden Teilabhilfebescheide vom 10.04.2006 besteht ein Nachzahlungsanspruch in Höhe von insgesamt 78.035,40 Euro, was zwischen den Beteiligten unstreitig ist. Streitig zwischen ihnen ist die Frage, wer Gläubiger dieser Forderung und an wen deshalb die Zahlung auszukehren ist, da die Zusammensetzung der klagenden Gemeinschaftspraxis nicht identisch ist mit der Zusammensetzung der Gemeinschaftspraxis in den Quartalen I und II/99 sowie IV/01, auf die sich die Nachzahlung bezieht.
In einem Grundsatzurteil hat der Bundesgerichtshof (BGH) im Jahr 2001 entschieden, dass der Gesellschaft bürgerlichen Rechts (GbR) Rechtsfähigkeit zukommt, soweit sie durch Teilnahme am Rechtsverkehr eigene Rechte und Pflichten als Außen-GbR begründet (vgl. BGH, Urteil v. 29.01.2001, Aktenzeichen: II ZR 331/00, BGHZ 146, 341 = NJW 2001, 1056, zitiert nach juris Rdnr. 5 ff.). Ein für die Praxis bedeutsamer Vorzug der nach außen bestehenden Rechtssubjektivität der Gesellschaft bürgerlichen Rechts besteht nach dem BGH darin, dass danach ein Wechsel im Mitgliederbestand keinen Einfluss auf den Fortbestand der mit der Gesellschaft bestehenden Rechtsverhältnisse hat. Bei strikter Anwendung der traditionellen Auffassung müssten Dauerschuldverhältnisse mit der "Gesellschaft" bei jedem Wechsel im Mitgliederbestand von den Vertragsparteien neu geschlossen bzw. bestätigt werden. Wenn die Gesellschaft im Außenverhältnis nur ein Schuldverhältnis darstellt, können zwei aus verschiedenen Mitgliedern bestehende Schuldverhältnisse nicht identisch sein. Das Erfordernis von Neuabschlüssen von Dauerschuldverhältnissen bei einem Gesellschafterwechsel ist aber ohne innere Rechtfertigung und würde die Handlungsfähigkeit der Gesellschaft im Rechtsverkehr erheblich beeinträchtigen. Die traditionelle Auffassung vermöge im Übrigen keine befriedigende Erklärung dafür zu liefern, warum auch ein neu in die Gesellschaft eintretender Gesellschafter mit dem Gesellschaftsvermögen für Altschulden haften sollte (BGH, ebd., Rdnr. 9). In Fortführung seiner Rechtsprechung zur Anerkennung der Teilrechtsfähigkeit der BGB-Gesellschaft geht der BGH ferner davon aus, dass der eintretende Neugesellschafter in die Haftung für Altverbindlichkeiten der Gesellschaft eintritt. Die persönliche Haftung aller Gesellschafter entspricht in ihrem jeweiligen personellen Bestand dem Wesen der Personengesellschaft und ihren Haftungsverhältnissen, weil die Gesellschaft kein eigenes, zu Gunsten ihrer Gläubiger gebundenes garantiertes Haftkapital besitzt. Ihr Gesellschaftsvermögen steht dem Zugriff der Gesellschafter jederzeit uneingeschränkt und sanktionslos offen. Bei dieser Sachlage ist die persönliche Haftung ihrer Gesellschafter für die Gesellschaftsverbindlichkeiten nicht nur die alleinige Grundlage für die Wertschätzung und Kreditwürdigkeit der Gesellschaft; sie ist vielmehr das notwendige Gegenstück zum Fehlen jeglicher Kapitalerhaltungsregeln. Dabei kann die Rechtsordnung konsequenterweise nicht bei einer Haftung nur der Altgesellschafter Halt machen. Denn mit dem Erwerb seiner Gesellschafterstellung erlangt auch ein neu eintretender Gesellschafter dieselben Zugriffsmöglichkeiten auf das Gesellschaftsvermögen wie die Altgesellschafter, was angesichts der Komplementarität von Entnahmefreiheit und persönlicher Haftung sinnvollerweise nur durch Einbeziehung der Neugesellschafter in dasselbe Haftungsregime, dem auch die Altgesellschafter unterliegen, kompensiert werden kann. Zudem erwirbt der neu Eintretende mit seinem Eintritt in die Gesellschaft auch Anteil an dem Vermögen, der Marktstellung sowie den Kunden- bzw. Mandantenbeziehungen, die die Gesellschaft durch ihre bisherige wirtschaftliche Tätigkeit begründet hat. Es ist deshalb nicht unangemessen, wenn er im Gegenzug auch in die Verbindlichkeiten eintritt, die die Gesellschaft im Zuge ihrer auf Erwerb und Vermehrung dieser Vermögenswerte gerichteten wirtschaftlichen Tätigkeit begründet hat. Nicht selten wird die Altverbindlichkeit, für die der neu eingetretene Gesellschafter mithaften soll, exakt einem Aktivum der Gesellschaft als Gegenleistung (aus der Sicht der Gesellschaft Gegenverpflichtung) zuzuordnen sein, an dem der Eintretende für sich eine Mitberechtigung reklamiert (vgl. BGH, Urteil v. 07.04.2003, Aktenzeichen: II ZR 56/02, BGHZ 154, 370 = NJW 2003, 1803, zitiert nach juris Rdnr. 11 f.).
Unter Zugrundelegung dieser Rechtsprechung, der die Kammer folgt, wird Gläubiger der Forderung einer BGB-Gesellschaft jeweils die BGB-Gesellschaft selbst, unabhängig vom Bestand ihrer Mitglieder. Dies gilt auch für Honoraransprüche einer vertragsärztlichen Gemeinschaftspraxis in der Rechtsform einer BGB-Gesellschaft gegenüber der Beklagten als Kassenärztliche Vereinigung.
Honoraransprüche sind vermögensrechtliche Ansprüche. Es sind keine zwingenden öffentlich-rechtlichen Vorschriften ersichtlich, die ein Abweichen von der genannten BGH-Rechtsprechung gebieten würden.
Die von der Beklagten angeführte "Sperrwirkung des Zulassungsrechts" gilt nur insofern, als es für den jeweiligen Bestand der Gemeinschaftspraxis ausschließlich auf den aktuellen Zulassungsstatus, nicht die diesem zugrunde liegenden vertraglichen Absprachen zwischen den Gesellschaftern ankommt. Insofern kommt es auch nicht auf eine Kenntnis der Gesellschaftsverträge an, wenn sich aus dem Zulassungsstatus ergibt, dass die Gemeinschaftspraxis, wenn auch in veränderter Zusammensetzung fortbesteht. Erst bei Ausscheiden aller Mitglieder einer Gemeinschaftspraxis bzw. bei Übrigbleiben eines Vertragsarztes ist die Gemeinschaftspraxis zulassungsrechtlich beendet. Solange zwei oder mehr Mitglieder in ihr verbleiben, wird sie fortgeführt, unabhängig vom Wechsel ihrer Mitglieder. Hat die Beklagte Zweifel am Fortbestand der Gemeinschaftspraxis, so kann sie Einsicht in die Zulassungsunterlagen nehmen. Anhand der Zulassungen kann im Regelfall nachverfolgt werden, ob eine Gemeinschaftspraxis aufgelöst wird oder nicht. Im Falle einer Auflösung haben die Beteiligten dies gegenüber dem Zulassungsausschuss zu erklären, der eine entsprechende Feststellung zu treffen hat. Insoweit übt der Zulassungsausschuss eine Notarfunktion aus. Wird eine Gemeinschaftspraxis fortgeführt, so kann man dies daran erkennen, dass ein Rest der Gemeinschaftspraxis bestehen bleibt. Insofern kann anhand der Zulassungen nachverfolgt werden, ob eine Gemeinschaftspraxis fortbesteht oder aufgelöst wird. Im Rechtsverkehr mit der Beklagten kommt es ausschließlich auf den Zulassungsstatus an. Insofern ist der Beklagten zuzugeben, dass hier eine öffentlich-rechtliche Überlagerung stattfindet, allerdings nicht mit den von der Beklagten genannten Folgerungen. Auf Grund des Zulassungsverfahrens und des Zulassungsregisters tritt insofern verbindlich die Gemeinschaftspraxis im Außenverkehr auf und muss sich daran festhalten lassen, wie sie zugelassen ist.
Den ausscheidenden Mitgliedern obliegt es mit den verbleibenden Mitgliedern im Rahmen der Auseinandersetzung über das Gesellschaftsvermögen zu regeln, wie die noch ausstehenden Honoraransprüche, die bereits erarbeitet wurden, aber noch nicht festgesetzt sind, verrechnet werden (§ 738 BGB). Dies ist im Übrigen keine Besonderheit des Vertragsarztrechts, sondern gilt für alle BGB-Gesellschaften bzgl. künftiger bzw. noch nicht fälliger Forderungen. Im Außenverhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung tritt aber nur die Gemeinschaftspraxis in ihrer aktuellen Zusammensetzung auf. Entsprechend wird sie mit Leistung an diese auch von ihrer Leistungspflicht vollständig befreit. Gegenüber den ausscheidenden Mitgliedern ist sie im Grunde genommen nie leistungspflichtig geworden, als nicht diese, sondern eben die Gemeinschaftspraxis an der Honorarverteilung nach § 85 Abs. 4 SGB V teilnimmt. Ändert sich deren Zusammensetzung, so nimmt sie eben in der geänderten Zusammensetzung an der Honorarverteilung teil.
Mit Ausscheiden eines Gesellschafters wird der bisherig praktizierten Ausübungsform vertragsärztlicher Tätigkeit nicht die die reale Grundlage entzogen. Dies wird sinnbildlich, wenn die Gemeinschaftspraxis die bereits zuvor behandelten Patienten auch weiterhin behandelt. Die Vergabe einer neuen Abrechnungsnummer hat allenfalls eine honorartechnische, verwaltungsinterne Bedeutung. Der Grundsatz der persönlichen Leistungserbringung ist lediglich eine Voraussetzung für die Abrechenbarkeit einer Leistung. Folgerungen für den Vergütungsanspruch ergeben sich, soweit die vertragsärztliche Leistung durch ein Mitglied der Gemeinschaftspraxis erbracht wurde, nicht. Auch die Beklagte geht davon aus, dass trotz des Grundsatzes der persönlichen Leistungserbringung die Vergütung nicht dem einzelnen Arzt, sondern der Gemeinschaftspraxis zuzufließen hat. Im Übrigen besteht nach § 85 Abs. 4 SGB V kein Anspruch auf Vergütung einer einzelnen Leistung, sondern nur auf Teilnahme an der Honorarverteilung.
Soweit sich das Bundessozialgericht mit dieser spezifischen Fallgestaltung noch nicht befasst hat, hat es aber in verschiedenen Entscheidungen zu erkennen gegeben, dass es ebf. der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs folgt (vgl. z. B. BSG, Urteil v. 21.05.2003 – B 6 KA 33/02 R – MedR 2004, 172, juris Rdnr. 17). Soweit das BSG betont hat, auch der Schutz des neuen Praxispartners spreche dafür, Einzel- und Gemeinschaftspraxis im Zeitablauf nicht als Einheit zu sehen, da bei einer einheitlichen Betrachtung sich nämlich möglicherweise die Folgerung ergäbe, dass der erst später eingetretene Praxispartner für eventuelle Regresse wegen früherer unzulässiger Verordnungen und für etwaige Honorarrückforderungen z. B. wegen nachträglicher sachlich-rechnerischer Richtigstellungen mitzuhaften hätte und werde hiervor der hinzutretende Partner bewahrt, wenn der Wechsel des Praxisstatus als Zäsur anerkannt werde (vgl. BSG, Urteil v. 21.05.2003 – B 6 KA 33/02 R – MedR 2004, 172, juris Rdnr. 24), so betraf diese Entscheidung allein den Fall des Hinzutretens eines weiteren Vertrags(zahn)arztes in die Praxis eines bereits praktizierenden Vertrags(zahn)arztes, also der Neugründung einer Gemeinschaftspraxis. In der Entscheidung zur Genehmigung überörtlicher Gemeinschaftspraxen führt das BSG aus, die Gemeinschaftspraxis ist berechtigt, ihre Leistungen unter einer einzigen Abrechnungsnummer gegenüber der zuständigen KÄV abzurechnen, und tritt dieser entsprechend wie ein Einzelarzt als einheitliche Rechtspersönlichkeit gegenüber. Rechtlich gesehen ist eine Gemeinschaftspraxis eine Praxis (vgl. BSG, Urteil v. 16.07.2003 – B 6 KA 49/02 R – SozR 4-5520 § 33 Nr. 1 = BSGE 91, 164 = GesR 2004, 47 = MedR 2004, 114 = NJW 2004, 1820, juris Rdnr. 31). Die BGB-Gesellschaft und nicht ihre einzelnen Mitglieder sind Gläubiger der Honorarforderung im Verhältnis zur Kassenärztlichen Vereinigung. Der Honoraranspruch aus den ärztlichen Leistungen ihrer Mitglieder steht nur der BGB-Gesellschaft selbst zu, denn diese ist nach der neuen Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs selbst Träger aller Rechte und Pflichten im Rechtsverkehr. Umgekehrt richten sich Ansprüche der Kassenärztlichen Vereinigung im Zusammenhang mit Honorarberichtigungen oder Honorarrückforderungen gegen die Gemeinschaftspraxis selbst und nicht gegen nur einzelne ihr angehörenden Ärzte. Das gilt auch für Maßnahmen der Wirtschaftlichkeitsprüfung sowie für Regresse wegen unwirtschaftlicher oder unzulässiger Verordnungen von Arznei- bzw. Heil- und Hilfsmitteln. Nicht die Behandlungs- und Verordnungsweise des einzelnen Arztes, sondern der Gemeinschaftspraxis als Ganzes ist Gegenstand der Prüfung durch die Prüfgremien (vgl. BSG, Urteil v. 16.07.2003 – B 6 KA 49/02 R – aaO., juris Rdnr. 34). In einer weiteren Entscheidung hat es für den Regressanspruch, der sich aus unzulässigen Verordnungen eines Mitglieds einer Gemeinschaftspraxis ergibt, die Haftung auch der weiteren Mitglieder der Gemeinschaftspraxis bejaht. Nach dem BSG ist es aus Rechtsgründen ausgeschlossen, einer Gemeinschaftspraxis alle Vorteile der gemeinsamen Patientenbehandlung zu Gute kommen zu lassen, im Falle eines unwirtschaftlichen oder rechtswidrigen Behandlungs- bzw. Verordnungsverhaltens den Status der Gemeinschaftspraxis aber außer Betracht zu lassen. Die wirtschaftlichen Folgen von Falschabrechnungen bzw. rechtswidrigen Verordnungen treffen notwendig die Gemeinschaftspraxis. Auf die vertretungs- und gesellschaftsrechtlichen Fragen kommt es nicht an. Solange ein Vertragsarzt seine Tätigkeit im Status einer Gemeinschaftspraxis ausübt, sind seine Behandlungen, Abrechnungen und Verordnungen im Rechtssinne solche der Gemeinschaftspraxis. Lösen diese Abrechnungen oder Verordnungen Rückzahlungs- und Regressansprüche der Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung aus, hat dafür die Gemeinschaftspraxis und damit jedes ihrer Mitglieder in gesamtschuldnerischer Haftung einzustehen. Diese Einstandspflicht kann durch vertragliche Vereinbarung zwischen den Gesellschaftern der Gemeinschaftspraxis nicht im Außenverhältnis zu den Institutionen der vertragsärztlichen Versorgung ausgeschlossen oder eingeschränkt werden (vgl. BSG, Urteil v. 20.2004 B 6 KA 41/03 R – SozR 4-2500 § 106 Nr. 6 = GesR 2005, 252 = MedR 2005, 421, juris Rdnr. 37 f.).
Im Übrigen ist das Vorgehen der Beklagten selbst widersprüchlich zu ihren rechtlichen Darlegungen. Den Teilabhilfebescheid vom 10.04.2006 bzgl. der Quartale I und II/99 hat sie an die "Gemeinschaftspraxis Dr. med. M, A-Straße, A-Stadt" gerichtet, den Teilabhilfebescheid vom 10.04.2006 bzgl. des Quartals IV/01 an die "Gemeinschaftspraxis Dr. M, Dr. D, Dr. F, G, A-Straße, A-Stadt". Konsequenterweise hätte sie nach Veränderung und insoweit Auflösung der ursprünglichen Gemeinschaftspraxis die Bescheide jedem einzelnen Mitglied zusenden müssen.
Im Hinblick auf die nach Ansicht der Kammer eindeutigen Rechtslage kommt es auf entsprechende Einverständniserklärungen der ausgeschiedenen Mitglieder der Gemeinschaftspraxis nicht an, die im Übrigen von der Klägerin inzwischen vorgelegt wurden, worauf aber die Beklagte – aus der Kammer nicht nachvollziehbaren Gründen – bisher nicht reagiert hat.
Nach allem war der Klage daher stattzugeben.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 197a SGG i. V. m. § 154 Abs. 1 Verwaltungsgerichtsordnung. Der unterliegende Teil trägt die Kosten des Verfahrens.
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