Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3/3b U 145/80
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1262/81
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die einseitige Linsenlosigkeit ist mit einem Grad der MdE um 20 v.H. zu bewerten. Blendungserscheinungen, Kopfschmerzen und das Nichtvertragen einer Haftschale rechtfertigen nicht die Erhöhung der MdE. Diese Beschwerden sind regelmäßig Begleiterscheinungen der Linsenlosigkeit und gestatten nicht die Gleichstellung mit einem einseitig Erblindeten.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. September 1981 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger gewährte Verletztenrente nach einem höheren Satz der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) neu festzustellen, da die MdE-Einschätzung von Anfang an zu Ungunsten des Klägers zu niedrig bemessen sei (§ 627 der Reichsversicherungsordnung – RVO –).
Der bei der Firma H.-Bau als Maurer-Polier tätige Kläger erlitt bei einem Arbeitsunfall am 15. September 1971 eine durchbohrende Verletzung des linken Auges, die eine komplizierte Linsenlosigkeit, eine Nachstarbildung und Blendungserscheinungen des linken Auges sowie glaubhafte Beschwerden und ein gewisses Schonungsbedürfnis zur Folge hatte. Die Beklagte gewährte dem Kläger gemäß dem Bescheid vom 25. Januar 1972 zunächst die vorläufige Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. In einem weiteren Rentengutachten vom 28. Mai 1973 schätzte der Augenfacharzt Dr. T. (D.) die unfallbedingte MdE auf 20 v.H.; es liege eine komplizierte Linsenlosigkeit mit geringer Auswärtsschielstellung und subjektiver Beeinträchtigung durch das Tragen der Haftschale vor. Zum Beschwerdebild hatte der Kläger u.a. angegeben, daß er die Haftschale schlecht vertrage und sie nach 3–4 Stunden des Tragens Beschwerden in Form von Augenrötungen, Brennen und Schmerzen verursache, so daß er gezwungen sei, die Haftschale abzulegen. Er sei auf diese Weise praktisch nur in der Lage, etwa die halbe Arbeitszeit mit der Haftschale zu arbeiten, während er in der übrigen Zeit als praktisch Einäugiger tätig sei. Das räumliche Sehen sei deutlich beeinträchtigt. Es bestehe das Gefühl der Unsicherheit. Gestützt auf dieses Gutachten stellte die Beklagte mit dem Bescheid vom 5. Juni 1973 erstmalig die Dauerrente nach einem Grad der MdE um 20 v.H. fest. Als Unfallfolgen erkannte sie an:
Komplizierte Linsenlosigkeit, Nachstarbildung und Blendungserscheinungen des linken Auges, beginnende Auswärtsschielstellung und mäßige Gesichtsfeldeinschränkung des linken Auges, glaubhafte Beschwerden des linken Auges infolge Tragens einer Haftschale.
Der Bescheid erwuchs in Bestandskraft.
Nachdem die Beklagte es später wegen des Fehlens einer wesentlichen Verschlimmerung (§ 622 RVO) abgelehnt hatte, die Verletztenrente zu erhöhen (vgl. den bestandskräftigen Bescheid vom 4. Dezember 1979), erklärte sie sich bereit, den MdE-Satz im Wege der Neufeststellung nach § 627 RVO zu überprüfen. Eine solche Neufeststellung lehnte sie sodann mit Bescheid vom 25. März 1980 ab, da eine Gleichstellung mit einem einseitig Erblindeten aufgrund der erhobenen Befunde nicht in Betracht komme. Auch ohne Kontaktlinse trage das verletzte Auge zu einer erheblichen Gesichtsfeldausweitung bei; im Notfall könne es als Reserveauge dienen. In dem sich anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte die gutachtliche Stellungnahme des Augenfacharztes Dr. O. (D.) vom 16. Juni 1980 ein, in dem die unfallbedingte MdE bei kompliziertem Linsenverlust auch unter Berücksichtigung der Unverträglichkeit einer Kontaktlinse mit 20 v.H. geschätzt wird. Hierauf wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juli 1980 den Widerspruch zurück.
Gegen den am 30. Juli 1980 an ihn abgesandten Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1980 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Gießen (SG) am 28. August 1980 Klage erhoben und geltend gemacht: Er sei einem einseitig Erblindeten gleichzustellen, da die Linsenlosigkeit nicht unkompliziert sei. Das Gesichtsfeld sei stark eingeschränkt, die Kontaktlinse werde nicht vertragen. Blendungen führten zu Kopfschmerzen über dem linken Auge und er sei bei der Arbeit stark beeinträchtigt. Das SG hat zum Verdienst des Klägers die Auskunft seines Arbeitgebers vom 2. März 1981 und zur MdE-Bewertung das Gutachten von Prof. Dr. S. und Dr. K. (Universitäts-Augenklinik M.) vom 18. Mai 1981 eingeholt. Während der Arbeitgeber des Klägers angab, daß wegen der Unfallfolgen kein Minderverdienst vorliege, schätzten die Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. K. die unfallbedingte MdE nach wie vor auf 20 v.H. ein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Arbeitgeberauskunft und das Gutachten verwiesen.
Sodann hat das SG die Beklagte antragsgemäß durch Urteil vom 17. September 1981 verurteilt, dem Kläger die vorläufige Verletztenrente ab dem 24. Dezember 1971 nach einer MdE um 25 v.H. zu gewähren. In dem Urteil, in dem es die Berufung zugelassen hat, hat es zur Begründung ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt haltbar und daher offenkundig unrichtig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) werde die einseitige Linsenlosigkeit mit einem MdE-Satz um 20 v.H. und bei zusätzlichen Komplikationen um 25 v.H. bewertet. Solche besonderen Umstände lägen hier darin, daß der Kläger keine Kontaktschalen vertrage, Kopfschmerzen über dem linken Auge bekomme und unter Blendungserscheinungen leide. In seinem Beruf als Maurerpolier im Hochbau sei er zudem erheblich beeinträchtigt. Rechtlich unerheblich sei dagegen, ob es sich bei dem linsenlosen Auge um ein sogenanntes Reserveauge handele.
Gegen dieses ihr am 5. Oktober 1981 zugestellte Urteil hat die Beklagte bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 22. Oktober 1981 Berufung eingelegt.
Es ist im Berufungsverfahren der Sachverhalt weiter aufgeklärt worden durch Einholung einer erläuternden Stellungnahme des Dr. T. zu seinem Gutachten vom 28. Mai 1973. Darin führt der Gutachter aus, daß er bei seiner MdE-Schätzung 1973 einen MdE-Satz von 20 v.H. als allgemeinen Erfahrungssatz für die komplikationslose Linsenlosigkeit zugrunde gelegt und dabei die sonstigen Beschwerden des Klägers berücksichtigt habe. Diese seien nicht so schwerwiegend, daß eine erhöhte MdE zu bilden gewesen wäre. Es handele sich um die üblichen Begleiterscheinungen bei der Linsenlosigkeit.
Die Beklagte sieht sich durch die erläuternde Stellungnahme des Dr. T. in ihrer Auffassung bestätigt und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. September 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf das seiner Ansicht nach zutreffende sozialgerichtliche Urteil; er sei praktisch berufsunfähig und müsse bei einem etwaigen Arbeitsplatzverlust damit rechnen, nicht mehr in das Erwerbsleben eingegliedert werden zu können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die durch das SG zugelassene Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143, 145 Nr. 4, 150 Nr. 1, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetztes – SGG –).
Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufrechterhalten bleiben, da das SG dieser zu Unrecht stattgegeben hat. Der angefochtene Bescheid vom 25. März 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1980 (§ 95 SGG) ist nicht rechtswidrig. Mit ihm hat es die Beklagte rechtsfehlerfrei abgelehnt, die gemäß den Bescheiden vom 25. Januar 1972 und 5. Juni 1973 bestandskräftig (§ 77 SGG) festgestellten vorläufige Verletztenrente und Dauerrente (§ 1585 Abs. 2 RVO) nach einem Grad der MdE um 20 v.H. zugunsten des Klägers nach einem solchen um 25 v.H. neu festzustellen (§ 627 RVO).
Zutreffend hat allerdings das SG hier die noch bis zum 31. Dezember 1980 geltende Vorschrift des § 627 RVO und nicht bereits § 44 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) angewandt. § 44 SGB 10 ist am 1. Januar 1982 in Kraft getreten (Art. II § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 – Verwaltungsverfahren – vom 18. August 1980 in BGBl. I S. 1469, ber. S. 2218). Da das Verwaltungsverfahren mit der Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1980 vor Inkrafttreten des SGB 10 endete, liegt auch keine der Ausnahmevorschriften nach Art. II § 40 Abs. 2 SGB 10 – Verwaltungsverfahren – vom 18. August 1980 vor, die zur Anwendung von § 44 SGB 10 führen könnten. Nach § 627 RVO hat der Versicherungsträger eine Leistung neu festzustellen, wenn er sich durch eine erneute Prüfung davon überzeugt, daß die Leistung zu Unrecht ganz oder teilweise abgelehnt, entzogen oder eingestellt worden ist. Wie insoweit das SG zutreffend ausgeführt hat, ist der Begriff des Überzeugtseins in § 627 RVO nicht in subjektivem Sinne zu verstehen, weil sonst die dem Versicherungsträger auferlegte Pflicht zur Neufeststellung einer Leistung nahezu wertlos wäre. Vielmehr sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in der Lage, aus von ihnen nachprüfbaren objektiven Merkmalen die Folgerung zu ziehen, ob der Versicherungsträger als überzeugt zu gelten hat. Dabei muß allerdings eine gewisse Evidenz (Offensichtlichkeit) der Unrichtigkeit der Leistungsablehnung erkennbar sein, d.h., die Unrichtigkeit muß so offensichtlich sein, daß der Versicherungsträger diese bei erneuter Prüfung hätte erkennen müssen. Das ist dann der Fall, wenn unter keinem sachlichen und/oder rechtlichen Gesichtspunkt seine Auffassung gehalten werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1963 – 2 RU 234/59 – in E 19, 38; 26. Oktober 1978 – 8 RU 74/77 – und HLSG, Urteil vom 12. November 1980 – L 3/U – 1187/79 – mit jeweils weit. Nachw.; Lauterbach-Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. Anm. 2 zu § 627 RVO). Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Wie das BSG nämlich ferner entschieden hat, ist eine MdE von 10 v.H. die untere Grenze dessen, was medizinisch und wirtschaftlich meßbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 2. März 1971 – 2 RU 39/70 – in E 32, 245; 21. März 1974 – 8/2 RU 55/72 – in E 37, 177 m.w.N.). Das bedeutet aber, daß eine Schätzung der MdE durch den Versicherungsträger so lange als rechtmäßig anzusehen ist, als eine spätere Schätzung durch das Gericht nicht um mehr als 5 v.H. von der früheren abweicht. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, daß im Verwaltungsverfahren die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt worden sind, ferner alle für die Schätzung wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt sind und die Schätzung selbst nicht auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, dann ist auch eine nur um 5 v.H. von der Schätzung des Versicherungsträgers abweichende Bewertung der MdE durch das Gericht zulässig. Das gilt auch, wenn der Versicherungsträger oder der von ihm gehörte ärztliche Sachverständige einen allgemeinen Erfahrungssatz für die Bewertung bestimmter Verletzungsfolgen nicht beachtet (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1975 – 2 RU 35/75 – in SozR 2200 Nr. 5 zu § 581 RVO; 7. Dezember 1975 – 8 RU 14/76 – in E 43, 53 mit jeweils weit.Nachw., HLSG, Urteil vom 16. Februar 1977 – L 3/U – 309/76 und 177/77 – sowie 28. Juni 1978 – L3/U-1165/73 – in SozSich 1979, 93).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze brauchte die Beklagte hier nicht als davon überzeugt zu gelten, daß die MdE-Schätzung von Anfang an zu Ungunsten des Klägers um 5 v.H. zu niedrig, nämlich nur mit 20 v.H. vorgenommen worden ist. Hieran ändert nichts, daß, worauf das SG hingewiesen hat, nach der Rechtsprechung des BSG die einseitige unkomplizierte Linsenlosigkeit im allgemeinen mit einem MdE-Satz um 20 v.H. bewertet wird (vgl. BSG, Urteil vom 20. Mai 1976 – 8 RU 34/75 – in SozR 2200 § 622 RVO Nr. 8 mit weit. Nachw.; Gramberg-Danielsen/Hülsmeyer, Augenarzt und Gesetzliche Unfallversicherung Beiheft 79 zu den Klinischen Monatsblättern für Augenheilkunde, 1979 S. 60). Hierbei sind außerdem Umstände, wie z.B. das Vorliegen eines sogenannten Reserveauges rechtlich unbeachtlich (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 1956 – 2 RU 121/56 sowie Gramberg-Danielsen/Hülsmeyer a.a.O. S. 62). Wie indessen die Ermittlungen im Berufungsverfahren ergeben haben, hat der Augenarzt Dr. T. bei der Bildung der MdE als allgemeinen Erfahrungssatz für die einseitige Linsenlosigkeit einen MdE-Satz um 20 v.H. zugrunde gelegt. Dies ist seiner erläuternden Stellungnahme vom 8. Februar 1982 zu entnehmen. Danach sind auch die sonstigen Beschwerden des Klägers berücksichtigt worden, wie z.B. Kopfschmerzen, Blendungserscheinungen und das Nichtvertragen einer Haftschale. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Schätzungsgrundlagen unrichtig ermittelt worden sind und Dr. T. sich von falschen oder unsachlichen Erwägungen hat leiten lassen. Seine Beurteilung enthält eine hinreichende Würdigung aller Umstände, die entgegen der Auffassung des SG nicht solcher Art sind, daß der Kläger einem einseitig Erblindeten gleichsteht (vgl. dazu Rundschreiben des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften VB 80/80 vom 17. April 1980 mit weit. Nachw. und unter Hinweis auf die Empfehlungen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Der Augenarzt 1979 S. 466 ff.).
Das SG hat insoweit darauf abgehoben, daß bei dem Kläger eine Blendungswirkung bestehe und über dem linken Auge Kopfschmerzen entstünden sowie eine Haftschale nicht vertragen werde. Diese Umstände lagen schon bei der Feststellung der vorläufigen Verletztenrente und der Dauerrente 1972 bzw. 1973 vor und sind von Dr. T. bei der MdE-Schätzung in den Rentengutachten vom 28. Dezember 1971 und 28. Mai 1973 gewürdigt worden. Danach handelt es sich bei den von dem Kläger geklagten Beschwerden um solche, wie sie bei der Linsenlosigkeit im allgemeinen auftreten. Sie sind nicht so schwer, daß sie zu einer Erhöhung der MdE führen müßten.
Diese Beurteilung des Dr. T. hält sich im Rahmen der oben dargelegten Bewertungsgrundsätze, wie auch den Gutachten und Stellungnahmen des Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. K. sowie der Dres. O. (D.) und Ob. (D.) vom 16. Juni 1980 bzw. 23. Januar 1979 zu entnehmen ist. Soweit in einem früheren Gutachten die Dres. Ka. und We. (Augenklinik des St. J.-Hospitals D.) vom 28. September 1977 ausgeführt haben, daß der Kläger ohne Kontaktlinse hochgradig sehschwach und folglich einäugig sei, steht diese Schlußfolgerung im Widerspruch zum selbsterhobenen Befund. Sie läßt eine eingehende Würdigung nach den oben dargelegten Grundsätzen vermissen.
Sowohl der Hinweis des Klägers auf seine praktische Berufsunfähigkeit als auch der des SG, daß dieser als Maurerpolier im Hochbau besonders beeinträchtigt sei, gehen fehl. Der Kläger übt ohne Einkommenseinbuße seinen bisherigen Beruf aus, wie die Auskunft seines Arbeitgebers vom 2. März 1981 zeigt. Das SG hat insoweit eine konkrete Schadensbemessung vorgenommen, obwohl im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der Schaden abstrakt, d.h. nach den Verhältnissen des allgemeinen Arbeitsmarktes berechnet wird (vgl. statt vieler: Lauterbach-Watermann, a.a.O., Anm. 9 zu § 537 RVO und Anm. 5 zu § 581 RVO mit jeweils weit. Nachw.).
Es kam aber auch nicht eine Höherbewertung der MdE nach § 581 Abs. 2 RVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die der Verletzte dadurch erleidet, daß er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Erkenntnisse und Erfahrungen infolge des Unfalles nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfange nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Wie oben bereits ausgeführt, arbeitet der Kläger in seinem Beruf ohne Einkommenseinbuße weiter, so daß schon deswegen eine Höherbewertung nach § 581 Abs. 2 RVO ausscheidet. Ob diese Vorschrift bei einem zukünftigen Ausscheiden des Klägers aus seinem Beruf Anwendung finden könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Entschädigungsfähig ist nur der tatsächlich eingetretene und nicht auch schon ein etwaiger zukünftiger Schaden (vgl. HLSG, Urteil vom 28. November 1973 – L-3/U – 517/73).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, die dem Kläger gewährte Verletztenrente nach einem höheren Satz der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) neu festzustellen, da die MdE-Einschätzung von Anfang an zu Ungunsten des Klägers zu niedrig bemessen sei (§ 627 der Reichsversicherungsordnung – RVO –).
Der bei der Firma H.-Bau als Maurer-Polier tätige Kläger erlitt bei einem Arbeitsunfall am 15. September 1971 eine durchbohrende Verletzung des linken Auges, die eine komplizierte Linsenlosigkeit, eine Nachstarbildung und Blendungserscheinungen des linken Auges sowie glaubhafte Beschwerden und ein gewisses Schonungsbedürfnis zur Folge hatte. Die Beklagte gewährte dem Kläger gemäß dem Bescheid vom 25. Januar 1972 zunächst die vorläufige Verletztenrente nach einer MdE um 20 v.H. In einem weiteren Rentengutachten vom 28. Mai 1973 schätzte der Augenfacharzt Dr. T. (D.) die unfallbedingte MdE auf 20 v.H.; es liege eine komplizierte Linsenlosigkeit mit geringer Auswärtsschielstellung und subjektiver Beeinträchtigung durch das Tragen der Haftschale vor. Zum Beschwerdebild hatte der Kläger u.a. angegeben, daß er die Haftschale schlecht vertrage und sie nach 3–4 Stunden des Tragens Beschwerden in Form von Augenrötungen, Brennen und Schmerzen verursache, so daß er gezwungen sei, die Haftschale abzulegen. Er sei auf diese Weise praktisch nur in der Lage, etwa die halbe Arbeitszeit mit der Haftschale zu arbeiten, während er in der übrigen Zeit als praktisch Einäugiger tätig sei. Das räumliche Sehen sei deutlich beeinträchtigt. Es bestehe das Gefühl der Unsicherheit. Gestützt auf dieses Gutachten stellte die Beklagte mit dem Bescheid vom 5. Juni 1973 erstmalig die Dauerrente nach einem Grad der MdE um 20 v.H. fest. Als Unfallfolgen erkannte sie an:
Komplizierte Linsenlosigkeit, Nachstarbildung und Blendungserscheinungen des linken Auges, beginnende Auswärtsschielstellung und mäßige Gesichtsfeldeinschränkung des linken Auges, glaubhafte Beschwerden des linken Auges infolge Tragens einer Haftschale.
Der Bescheid erwuchs in Bestandskraft.
Nachdem die Beklagte es später wegen des Fehlens einer wesentlichen Verschlimmerung (§ 622 RVO) abgelehnt hatte, die Verletztenrente zu erhöhen (vgl. den bestandskräftigen Bescheid vom 4. Dezember 1979), erklärte sie sich bereit, den MdE-Satz im Wege der Neufeststellung nach § 627 RVO zu überprüfen. Eine solche Neufeststellung lehnte sie sodann mit Bescheid vom 25. März 1980 ab, da eine Gleichstellung mit einem einseitig Erblindeten aufgrund der erhobenen Befunde nicht in Betracht komme. Auch ohne Kontaktlinse trage das verletzte Auge zu einer erheblichen Gesichtsfeldausweitung bei; im Notfall könne es als Reserveauge dienen. In dem sich anschließenden Widerspruchsverfahren holte die Beklagte die gutachtliche Stellungnahme des Augenfacharztes Dr. O. (D.) vom 16. Juni 1980 ein, in dem die unfallbedingte MdE bei kompliziertem Linsenverlust auch unter Berücksichtigung der Unverträglichkeit einer Kontaktlinse mit 20 v.H. geschätzt wird. Hierauf wies die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juli 1980 den Widerspruch zurück.
Gegen den am 30. Juli 1980 an ihn abgesandten Widerspruchsbescheid vom 29. Juli 1980 hat der Kläger bei dem Sozialgericht Gießen (SG) am 28. August 1980 Klage erhoben und geltend gemacht: Er sei einem einseitig Erblindeten gleichzustellen, da die Linsenlosigkeit nicht unkompliziert sei. Das Gesichtsfeld sei stark eingeschränkt, die Kontaktlinse werde nicht vertragen. Blendungen führten zu Kopfschmerzen über dem linken Auge und er sei bei der Arbeit stark beeinträchtigt. Das SG hat zum Verdienst des Klägers die Auskunft seines Arbeitgebers vom 2. März 1981 und zur MdE-Bewertung das Gutachten von Prof. Dr. S. und Dr. K. (Universitäts-Augenklinik M.) vom 18. Mai 1981 eingeholt. Während der Arbeitgeber des Klägers angab, daß wegen der Unfallfolgen kein Minderverdienst vorliege, schätzten die Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. K. die unfallbedingte MdE nach wie vor auf 20 v.H. ein. Wegen der Einzelheiten wird auf die Arbeitgeberauskunft und das Gutachten verwiesen.
Sodann hat das SG die Beklagte antragsgemäß durch Urteil vom 17. September 1981 verurteilt, dem Kläger die vorläufige Verletztenrente ab dem 24. Dezember 1971 nach einer MdE um 25 v.H. zu gewähren. In dem Urteil, in dem es die Berufung zugelassen hat, hat es zur Begründung ausgeführt: Der angefochtene Bescheid sei unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt haltbar und daher offenkundig unrichtig. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) werde die einseitige Linsenlosigkeit mit einem MdE-Satz um 20 v.H. und bei zusätzlichen Komplikationen um 25 v.H. bewertet. Solche besonderen Umstände lägen hier darin, daß der Kläger keine Kontaktschalen vertrage, Kopfschmerzen über dem linken Auge bekomme und unter Blendungserscheinungen leide. In seinem Beruf als Maurerpolier im Hochbau sei er zudem erheblich beeinträchtigt. Rechtlich unerheblich sei dagegen, ob es sich bei dem linsenlosen Auge um ein sogenanntes Reserveauge handele.
Gegen dieses ihr am 5. Oktober 1981 zugestellte Urteil hat die Beklagte bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 22. Oktober 1981 Berufung eingelegt.
Es ist im Berufungsverfahren der Sachverhalt weiter aufgeklärt worden durch Einholung einer erläuternden Stellungnahme des Dr. T. zu seinem Gutachten vom 28. Mai 1973. Darin führt der Gutachter aus, daß er bei seiner MdE-Schätzung 1973 einen MdE-Satz von 20 v.H. als allgemeinen Erfahrungssatz für die komplikationslose Linsenlosigkeit zugrunde gelegt und dabei die sonstigen Beschwerden des Klägers berücksichtigt habe. Diese seien nicht so schwerwiegend, daß eine erhöhte MdE zu bilden gewesen wäre. Es handele sich um die üblichen Begleiterscheinungen bei der Linsenlosigkeit.
Die Beklagte sieht sich durch die erläuternde Stellungnahme des Dr. T. in ihrer Auffassung bestätigt und beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 17. September 1981 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er beruft sich auf das seiner Ansicht nach zutreffende sozialgerichtliche Urteil; er sei praktisch berufsunfähig und müsse bei einem etwaigen Arbeitsplatzverlust damit rechnen, nicht mehr in das Erwerbsleben eingegliedert werden zu können.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf den Inhalt der Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die durch das SG zugelassene Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143, 145 Nr. 4, 150 Nr. 1, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetztes – SGG –).
Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufrechterhalten bleiben, da das SG dieser zu Unrecht stattgegeben hat. Der angefochtene Bescheid vom 25. März 1980 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1980 (§ 95 SGG) ist nicht rechtswidrig. Mit ihm hat es die Beklagte rechtsfehlerfrei abgelehnt, die gemäß den Bescheiden vom 25. Januar 1972 und 5. Juni 1973 bestandskräftig (§ 77 SGG) festgestellten vorläufige Verletztenrente und Dauerrente (§ 1585 Abs. 2 RVO) nach einem Grad der MdE um 20 v.H. zugunsten des Klägers nach einem solchen um 25 v.H. neu festzustellen (§ 627 RVO).
Zutreffend hat allerdings das SG hier die noch bis zum 31. Dezember 1980 geltende Vorschrift des § 627 RVO und nicht bereits § 44 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10) angewandt. § 44 SGB 10 ist am 1. Januar 1982 in Kraft getreten (Art. II § 40 Abs. 1 Satz 1 SGB 10 – Verwaltungsverfahren – vom 18. August 1980 in BGBl. I S. 1469, ber. S. 2218). Da das Verwaltungsverfahren mit der Erteilung des Widerspruchsbescheides vom 29. Juli 1980 vor Inkrafttreten des SGB 10 endete, liegt auch keine der Ausnahmevorschriften nach Art. II § 40 Abs. 2 SGB 10 – Verwaltungsverfahren – vom 18. August 1980 vor, die zur Anwendung von § 44 SGB 10 führen könnten. Nach § 627 RVO hat der Versicherungsträger eine Leistung neu festzustellen, wenn er sich durch eine erneute Prüfung davon überzeugt, daß die Leistung zu Unrecht ganz oder teilweise abgelehnt, entzogen oder eingestellt worden ist. Wie insoweit das SG zutreffend ausgeführt hat, ist der Begriff des Überzeugtseins in § 627 RVO nicht in subjektivem Sinne zu verstehen, weil sonst die dem Versicherungsträger auferlegte Pflicht zur Neufeststellung einer Leistung nahezu wertlos wäre. Vielmehr sind die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit in der Lage, aus von ihnen nachprüfbaren objektiven Merkmalen die Folgerung zu ziehen, ob der Versicherungsträger als überzeugt zu gelten hat. Dabei muß allerdings eine gewisse Evidenz (Offensichtlichkeit) der Unrichtigkeit der Leistungsablehnung erkennbar sein, d.h., die Unrichtigkeit muß so offensichtlich sein, daß der Versicherungsträger diese bei erneuter Prüfung hätte erkennen müssen. Das ist dann der Fall, wenn unter keinem sachlichen und/oder rechtlichen Gesichtspunkt seine Auffassung gehalten werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 29. März 1963 – 2 RU 234/59 – in E 19, 38; 26. Oktober 1978 – 8 RU 74/77 – und HLSG, Urteil vom 12. November 1980 – L 3/U – 1187/79 – mit jeweils weit. Nachw.; Lauterbach-Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, 3. Aufl. Anm. 2 zu § 627 RVO). Das ist hier offensichtlich nicht der Fall. Wie das BSG nämlich ferner entschieden hat, ist eine MdE von 10 v.H. die untere Grenze dessen, was medizinisch und wirtschaftlich meßbar ist (vgl. BSG, Urteil vom 2. März 1971 – 2 RU 39/70 – in E 32, 245; 21. März 1974 – 8/2 RU 55/72 – in E 37, 177 m.w.N.). Das bedeutet aber, daß eine Schätzung der MdE durch den Versicherungsträger so lange als rechtmäßig anzusehen ist, als eine spätere Schätzung durch das Gericht nicht um mehr als 5 v.H. von der früheren abweicht. Dies gilt allerdings nur unter der Voraussetzung, daß im Verwaltungsverfahren die Schätzungsgrundlagen richtig ermittelt worden sind, ferner alle für die Schätzung wesentlichen Umstände hinreichend gewürdigt sind und die Schätzung selbst nicht auf falschen oder unsachlichen Erwägungen beruht. Ist eine dieser Voraussetzungen nicht erfüllt, dann ist auch eine nur um 5 v.H. von der Schätzung des Versicherungsträgers abweichende Bewertung der MdE durch das Gericht zulässig. Das gilt auch, wenn der Versicherungsträger oder der von ihm gehörte ärztliche Sachverständige einen allgemeinen Erfahrungssatz für die Bewertung bestimmter Verletzungsfolgen nicht beachtet (vgl. BSG, Urteil vom 17. Dezember 1975 – 2 RU 35/75 – in SozR 2200 Nr. 5 zu § 581 RVO; 7. Dezember 1975 – 8 RU 14/76 – in E 43, 53 mit jeweils weit.Nachw., HLSG, Urteil vom 16. Februar 1977 – L 3/U – 309/76 und 177/77 – sowie 28. Juni 1978 – L3/U-1165/73 – in SozSich 1979, 93).
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze brauchte die Beklagte hier nicht als davon überzeugt zu gelten, daß die MdE-Schätzung von Anfang an zu Ungunsten des Klägers um 5 v.H. zu niedrig, nämlich nur mit 20 v.H. vorgenommen worden ist. Hieran ändert nichts, daß, worauf das SG hingewiesen hat, nach der Rechtsprechung des BSG die einseitige unkomplizierte Linsenlosigkeit im allgemeinen mit einem MdE-Satz um 20 v.H. bewertet wird (vgl. BSG, Urteil vom 20. Mai 1976 – 8 RU 34/75 – in SozR 2200 § 622 RVO Nr. 8 mit weit. Nachw.; Gramberg-Danielsen/Hülsmeyer, Augenarzt und Gesetzliche Unfallversicherung Beiheft 79 zu den Klinischen Monatsblättern für Augenheilkunde, 1979 S. 60). Hierbei sind außerdem Umstände, wie z.B. das Vorliegen eines sogenannten Reserveauges rechtlich unbeachtlich (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 1956 – 2 RU 121/56 sowie Gramberg-Danielsen/Hülsmeyer a.a.O. S. 62). Wie indessen die Ermittlungen im Berufungsverfahren ergeben haben, hat der Augenarzt Dr. T. bei der Bildung der MdE als allgemeinen Erfahrungssatz für die einseitige Linsenlosigkeit einen MdE-Satz um 20 v.H. zugrunde gelegt. Dies ist seiner erläuternden Stellungnahme vom 8. Februar 1982 zu entnehmen. Danach sind auch die sonstigen Beschwerden des Klägers berücksichtigt worden, wie z.B. Kopfschmerzen, Blendungserscheinungen und das Nichtvertragen einer Haftschale. Es kann daher auch nicht davon ausgegangen werden, daß die Schätzungsgrundlagen unrichtig ermittelt worden sind und Dr. T. sich von falschen oder unsachlichen Erwägungen hat leiten lassen. Seine Beurteilung enthält eine hinreichende Würdigung aller Umstände, die entgegen der Auffassung des SG nicht solcher Art sind, daß der Kläger einem einseitig Erblindeten gleichsteht (vgl. dazu Rundschreiben des Hauptverbandes der Gewerblichen Berufsgenossenschaften VB 80/80 vom 17. April 1980 mit weit. Nachw. und unter Hinweis auf die Empfehlungen der Deutschen Ophthalmologischen Gesellschaft in Der Augenarzt 1979 S. 466 ff.).
Das SG hat insoweit darauf abgehoben, daß bei dem Kläger eine Blendungswirkung bestehe und über dem linken Auge Kopfschmerzen entstünden sowie eine Haftschale nicht vertragen werde. Diese Umstände lagen schon bei der Feststellung der vorläufigen Verletztenrente und der Dauerrente 1972 bzw. 1973 vor und sind von Dr. T. bei der MdE-Schätzung in den Rentengutachten vom 28. Dezember 1971 und 28. Mai 1973 gewürdigt worden. Danach handelt es sich bei den von dem Kläger geklagten Beschwerden um solche, wie sie bei der Linsenlosigkeit im allgemeinen auftreten. Sie sind nicht so schwer, daß sie zu einer Erhöhung der MdE führen müßten.
Diese Beurteilung des Dr. T. hält sich im Rahmen der oben dargelegten Bewertungsgrundsätze, wie auch den Gutachten und Stellungnahmen des Sachverständigen Prof. Dr. S. und Dr. K. sowie der Dres. O. (D.) und Ob. (D.) vom 16. Juni 1980 bzw. 23. Januar 1979 zu entnehmen ist. Soweit in einem früheren Gutachten die Dres. Ka. und We. (Augenklinik des St. J.-Hospitals D.) vom 28. September 1977 ausgeführt haben, daß der Kläger ohne Kontaktlinse hochgradig sehschwach und folglich einäugig sei, steht diese Schlußfolgerung im Widerspruch zum selbsterhobenen Befund. Sie läßt eine eingehende Würdigung nach den oben dargelegten Grundsätzen vermissen.
Sowohl der Hinweis des Klägers auf seine praktische Berufsunfähigkeit als auch der des SG, daß dieser als Maurerpolier im Hochbau besonders beeinträchtigt sei, gehen fehl. Der Kläger übt ohne Einkommenseinbuße seinen bisherigen Beruf aus, wie die Auskunft seines Arbeitgebers vom 2. März 1981 zeigt. Das SG hat insoweit eine konkrete Schadensbemessung vorgenommen, obwohl im Recht der gesetzlichen Unfallversicherung der Schaden abstrakt, d.h. nach den Verhältnissen des allgemeinen Arbeitsmarktes berechnet wird (vgl. statt vieler: Lauterbach-Watermann, a.a.O., Anm. 9 zu § 537 RVO und Anm. 5 zu § 581 RVO mit jeweils weit. Nachw.).
Es kam aber auch nicht eine Höherbewertung der MdE nach § 581 Abs. 2 RVO in Betracht. Nach dieser Vorschrift sind bei der Bemessung der MdE Nachteile zu berücksichtigen, die der Verletzte dadurch erleidet, daß er bestimmte, von ihm erworbene besondere berufliche Erkenntnisse und Erfahrungen infolge des Unfalles nicht mehr oder nur noch in vermindertem Umfange nutzen kann, soweit sie nicht durch sonstige Fähigkeiten, deren Nutzung ihm zugemutet werden kann, ausgeglichen werden. Wie oben bereits ausgeführt, arbeitet der Kläger in seinem Beruf ohne Einkommenseinbuße weiter, so daß schon deswegen eine Höherbewertung nach § 581 Abs. 2 RVO ausscheidet. Ob diese Vorschrift bei einem zukünftigen Ausscheiden des Klägers aus seinem Beruf Anwendung finden könnte, braucht der Senat nicht zu entscheiden. Entschädigungsfähig ist nur der tatsächlich eingetretene und nicht auch schon ein etwaiger zukünftiger Schaden (vgl. HLSG, Urteil vom 28. November 1973 – L-3/U – 517/73).
Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
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