L 3 U 1417/80

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3b U 115/79
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1417/80
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 11. September 1980 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt von der Beklagten die Gewährung von Verletztenrente.

Der 1938 geborene Kläger ist landwirtschaftlicher Unternehmer. Mit Schreiben vom 24. Mai 1975 zeigte er der Beklagten an, daß er am 21. Juni 1945 im Alter von sechs. Jahren einen landwirtschaftlichen Unfall mit Verlust des 2. bis 5. Fingers erlitten habe. In dem ihm von der Beklagten übersandten Fragebogen führte er dazu u.a. aus, daß der Unfall sich im landwirtschaftlichen Betrieb seines Onkels J. H. (H.) in H./Kreis H. – zwei Häuser vom elterlichen Besitz entfernt – ereignet habe. Am 21. Juni 1945 sei er beim Heuabladen auf das Gegengewicht des Heuaufzugs geklettert und mit der rechten Hand in die Seilrolle geraten. Zeuge des Unfalls sei sein Onkel H. gewesen; G. H ... aus H. habe erste Hilfe geleistet. Der Unfall sei 1945 der Beklagten gemeldet worden. Die Beklagte habe die Kosten der ärztlichen Behandlung getragen und 5.000,– RM gezahlt. Die Beklagte, die Vorgänge zu dem Unfall bei sich nicht feststellen konnte, versuchte erfolglos, Krankenunterlagen des Kreiskrankenhauses H. beizuziehen, in das der Kläger nach der Erstbehandlung durch Dr. F. eingeliefert wurde. Die Gemeindeverwaltung Sch.-H. berichtete unter dem 6. Oktober 1975, daß H. verstorben sei. Der auf Veranlassung der Beklagten gehörte G. H ... habe angegeben, daß am Unfalltag H. und seine Frau beim Heuabladen geholfen hätten. Ihnen sei nicht bekannt gewesen, daß der Kläger sich am Heuaufzug befunden habe. Dieser sei von H. bedient worden. Der Kläger habe mit anderen Kindern außerhalb der Scheune gespielt. Die Beklagte teilte dem Kläger daraufhin mit Schreiben vom 9. Oktober 1975 formlos mit, daß offensichtlich kein entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall vorgelegen habe. Der Kläger sei vielmehr vom Spiel mit anderen Kindern außerhalb der Scheune unbemerkt und unbeaufsichtigt auf das Gegengewicht des Heuaufzugs geklettert. Die 5.000,– RM seien offenbar von einer Haftpflichtversicherung gezahlt worden.

Mit Schreiben vom 8. Februar 1978 begehrte der Kläger erneut die Gewährung von Verletztenrente. Er machte geltend, daß er am 21. Juni 1945 vor dem Unfall auf dem Hof seines Onkels H. beim Heuabladen in der Scheune den Heuaufzug mit dem Bedienungsseil gefahren habe. Wegen eines Defekts am Greiferzug habe sein Onkel ihn dann fortgeschickt, um am Gegengewicht nachzusehen, ob alles in Ordnung sei. Die Beklagte führte daraufhin am 9. Mai 1978 durch Bedienstete Ermittlungen an Ort und Stelle durch. In einem Aktenvermerk vom 10. Mai 1978 ist festgehalten, daß der Kläger nach Angaben des G. H ... den Aufzug nicht bedient habe, weil dieser zu schwer gewesen sei. Die Tochter des H., M. B., habe erklärt, daß sie den Unfall selbst nicht gesehen habe und es darüber einige Versionen gebe; beim Heuabladen in der Scheune habe ihre Schwester, A. Eu., geholfen. Diese bestätigte dies laut Vernehmungsniederschrift vom 9. Mai 1978 und erklärte ferner, daß der Kläger weder beim Verteilen des Heus oder sonstwie geholfen, noch den Auftrag erhalten habe, im Gegengewichtskasten einen Stein zu ergänzen. Sie habe seinerzeit plötzlich von außerhalb der Scheune den Schrei eines Kindes gehört. Der Kläger, der in den Drahtseilen der Greiferrolle gehangen habe, habe ihr erzählt, daß er mit anderen Kindern "Suchen” gespielt habe; vor dem Suchen habe er mit dem Greifergegengewicht hochfahren wollen.

Durch förmlichen Bescheid vom 22. Mai 1978 teilte die Beklagte dem Kläger mit, daß sein auf Erlaß eines Zugunstenbescheides gerichteter Antrag unzulässig, zumindest aber unbegründet sei, weil auch die erneut eingeleiteten Nachforschungen nicht ergeben hätten, daß er zur Zeit des Unfalls eine dem Unternehmen des H. dienende Tätigkeit verrichtet habe, die dessen tatsächlichem oder mutmaßlichem Willen entsprochen habe. Außerdem falle ein durch Spielerei verursachter Unfall nicht unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung. Hiergegen legte der Kläger am 19. Juni 1978 Widerspruch ein. Während des Widerspruchsverfahrens wurde die Frau des früheren Pfarrers, K. W., gehört, die am Unfalltag in der Küche der Familie H. Kaffee für die Erntehelfer gekocht hatte. Bei ihrer Vernehmung am 19. August 1979 gab sie an, daß sie damals den Kläger in die Wohnung seiner Mutter getragen habe. Dabei habe er ihr erzählt, sein Onkel H. habe ihm gesagt, er solle nach dem Gegengewicht des Greifers sehen; es sei etwas nicht in Ordnung. H. habe ihr bestätigt, daß er dem Kläger diesen Auftrag erteilt, habe. In einer Aktennotiz der Beklagten vom 27. November 1979 heißt es, daß diese Aussage am 20. November 1979 der Tochter des H., A, Eu., vorgehalten worden sei, die jedoch an ihrer Darstellung festgehalten habe. Weitere Nachforschungen der Beklagten wegen Krankenunterlagen aus dem Jahre 1945 erbrachten nur ein Krankenblatt aus späterer Zeit, in dem u.a. festgehalten ist: "1945/46 Abriß der Finger der rechten Hand bis auf den unverletzten Daumen durch einen Heuaufzug”. Durch Widerspruchsbescheid vom 13. Dezember 1979 wies die Beklagte den Widerspruch schließlich aus den Gründen des angefochtenen Bescheides zurück.

Am 28. Dezember 1979 hat der Kläger beim Sozialgericht (SG) Fulda Klage erhoben. Bei seiner Anhörung im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 11. September 1980 hat er u.a. ausgeführt, daß er am Nachmittag des 21. Juni 1945 im Hof des H. zunächst mit seinem Bruder und später mit dem hinzukommenden H. M. etwa eine Stunde gespielt habe. Die Tante habe ihnen gesagt, daß sie Kaffee auf die Heuwiese bringen sollten. Während des Spiels auf dem Hof habe ihn sein Onkel mehrmals gerufen, weil das Gewicht am Heuaufzug öfters hängengeblieben sei. Er habe den Gewichtskasten mehrfach anstoßen müssen, damit dieser sich wieder bewegte. Beim letzten Mal habe er gedacht, daß er sich auf den Kasten setzen könne. Er habe damit hochfahren wollen, weil er geglaubt habe, daß das Gewicht dann nicht mehr hängenbleiben würde. Beim Greifen in die Seile sei er in die drei Umlenkrollen geraten. Das SG hat im Termin vom 11. September 1980 ferner A. Eu., G. H ..., K. W. und H. M. als Zeugen gehört. Durch Urteil vom 11. September 1980 hat es sodann die Beklagte unter Aufhebung der Bescheide vom 22. Mai 1978 und 13. Dezember 1979 verurteilt, den Unfall des Klägers vom 21. Juni 1945 als Arbeitsunfall zu entschädigen. Zur Begründung hat es im wesentlichen ausgeführt: Der Kläger sei zur Zeit des Unfalls gemäß § 537 Nr. 1 und Nr. 10 Reichsversicherungsordnung (RVO) in der Fassung des Sechsten Gesetzes über Änderungen in der Unfallversicherung vom 9. März 1942 (RGBl. I, 107) versichert gewesen. Insbesondere aufgrund der Aussage der Zeugin W., aber auch der Aussagen der Zeugen H ... und M. sei erwiesen, daß der Kläger den Unfall erlitten habe, als er im Auftrag des Betriebsinhabers H. eine Störung am Gewicht des Heuaufzugs habe beseitigen wollen. Der entgegenstehenden Aussage der Zeugin Eu. könne nicht gefolgt werden, da diese im Widerspruch zu ihren früheren Angaben bekundet habe, mit ihrem Vater auf dem Heuwagen und nicht auf dem Heuboden gewesen zu sein. Für die Darstellung des Klägers spreche auch, daß diese seitens der Familie H. gegenüber der Zeugin W. und dem Zeugen H ... nie in Abrede gestellt worden und dem Kläger ein Studium zugesichert worden sei. Bei dem Anstoßen des Gewichts habe es sich auch um eine ernste, dem landwirtschaftlichen Betrieb dienende Arbeitsleistung gehandelt. Zwar habe der Kläger den Unfall nicht hierbei, sondern erst dann erlitten, als er mit dem Gewichtskasten habe hochfahren wollen. Derartige zusätzliche Gefährdungshandlungen seien bei einem Kind im Rahmen unfallversicherungsrechtlich beschützter Tätigkeiten jedoch Bestandteil der Arbeitsleistung.

Gegen das ihr am 7. November 1980 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 5. Dezember 1980 Berufung eingelegt und unter Hinweis auf das Urteil des Landessozialgerichts (LSG) Baden-Württemberg vom 18. März 1982 – L-10/Ub – 2012/81 – geltend gemacht, daß das SG nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme und der ständig variierten Darstellung des Klägers einen Auftrag des H. an den Kläger zu Unrecht als erwiesen angesehen habe. Selbst wenn dem Kläger ein Auftrag erteilt worden sein sollte, könne unter Berücksichtigung der Urteile des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Mai 1980 – 8a RU 38/79 – und 31. Mai 1981 – 2 RU 190/79 – angesichts der verwandtschaftlichen Beziehungen und der nur kurzfristigen Handreichung des Klägers nur von einer nicht unter Unfallversicherungsschutz stehenden Gefälligkeitsleistung ausgegangen werden. Hinzukomme, daß der Kläger erst sechs Jahre alt gewesen sei und das spielerische Moment in all seinen Handlungen naturgemäß vorgeherrscht habe.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 11. September 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat dazu schriftsätzlich sowie bei seiner Anhörung durch den Senat im Termin zur mündlichen Verhandlung u.a. vorgetragen: Die Entscheidungen des BSG seien nicht einschlägig, da seine Arbeitsleistung nicht aus familiären Bindungen heraus erfolgt sei. Es habe sich schließlich nur um seinen Onkel gehandelt und er habe sich auf dessen Hof nur aufgrund der Tatsache befunden, daß dieser in der Nachbarschaft des Hauses seiner Eltern gelegen habe. Auch habe es sich um eine dringliche Arbeit gehandelt, da beim Hängenbleiben des Gegengewichts das gesamte Heuabladen hätte eingestellt werden müssen. Das Gegengewicht habe er auf Bitten seines Onkels etwa 10 bis 12 bzw. 8 bis 10 mal angestoßen, und zwar über einen Zeitraum von einer Stunde bzw. einer dreiviertel Stunde. Er habe immer beim Heuabladen helfen müssen.

Der Senat hat Beweis erhoben durch erneute Vernehmung der A. Eu. K. W. und des H. M. als Zeugen. Außerdem sind der Bruder des Klägers, W. G., und die zweite Tochter des H., M. B., als Zeugen gehört worden. Wegen des Inhalts ihrer Aussagen wird auf die Sitzungsniederschrift vom 2. Februar 1983 verwiesen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Unfallakte der Beklagten, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) und begründet. Das SG hat der Klage zu Unrecht stattgegeben.

Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens steht zunächst fest, daß aufgrund der vom Kläger behaupteten Unfallanzeige im Jahre 1945 keine Entscheidung der Beklagten ergangen ist, in der das angeschuldigte Ereignis vom 21. Juni 1945 als entschädigungspflichtiger Arbeitsunfall anerkannt worden ist. Wie auch die Zeugin Eu. vor dem SG bekundet hat, wurde der der Mutter des Klägers zugeflossene Betrag von 5.000,– RM offensichtlich von einer Haftpflichtversicherung gezahlt. Jedenfalls gibt es keine Beweismittel, aus denen eine dem Kläger begünstigende Bindung der Beklagten in der rechtlichen Beurteilung des Unfalls vom 21. Juni 1945 hergeleitet werden könnte. Ob andererseits die formlose Ablehnung des Begehrens des Klägers auf Entschädigung im Schreiben der Beklagten vom 9. Oktober 1975 trotz der fehlenden Mitwirkung des Rentenausschusses (§§ 1568 ff. RVO) bereits eine bindende – negative – Feststellung über den Anspruch darstellte (vgl. dazu BSGE 12, 273; 27, 244; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl., Bd. II, S. 582 a) und sich das Verfahren aufgrund des wiederholten Antrags des Klägers vom 8. Februar 1978 demgemäß nach § 627 RVO a.F. richtete (vgl. Art. 4 § 2 Abs. 1 Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetz – UVNG – vom 20. April 1963 – BGBl. I, S. 241), kann dahinstehen. Offenbleiben kann ferner, ob diese die Bindungswirkung von Verwaltungsakten einschränkende Bestimmung auch nach dem zwischenzeitlichen Inkrafttreten des Sozialgesetzbuches-Verwaltungsverfahren (SGB 10) vom 8. August 1980 (BGBl. I, S. 1469) am 1. Januar 1981 weiterhin als einschlägig anzusehen wäre oder ob stattdessen § 44 SGB 10 zur Anwendung käme (vgl. dazu BSG SozR 2200 § 627 Nr. 8; Urteil des Senats vom 21. Juli 1982 – L 3/U – 1532/79 – und auch Beschluss des Großen Senats des BSG vom 15. Dezember 1982 – GS 2/80). Denn ein Anspruch des Klägers auf Entschädigung aus der gesetzlichen Unfallversicherung wegen seiner Handverletzung könnte auch im Rahmen eines Erstfeststellungsverfahrens nicht bejaht werden, weil es sich bei dem geltend gemachten Ereignis vom 21. Juni 1945 nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt hat. Damit entfällt in jedem Fall auch die Verpflichtung der Beklagten, einen ggf. bindenden Ablehnungsbescheid aufzuheben und eine hiervon abweichende Leistungsfeststellung zugunsten des Klägers zu treffen.

Der Senat geht aufgrund der Aussagen der gehörten Zeugen und der Angaben des Klägers davon aus, daß der Kläger am 21. Juni 1945 auf dem Hof seines Onkels H. während des Heuabladens tatsächlich zu Schaden kam, als er mit dem Gegengewicht des Heuaufzugs, das sich nach übereinstimmender Darstellung in einem engen Gang außerhalb der Scheune befand, hochfuhr und mit den Fingern in die Umlenkrollen geriet. Auch nach dem zur Zeit des Unfalls geltenden und weiterhin anzuwendenden Recht vor Inkrafttreten des UVNG vom 30. April 1963 (vgl. Art. 3, § 2 Abs. 1 UVNG) ist ein Arbeitsunfall jedoch nur ein Unfall, dem ein Versicherter bei einer der in § 537 – § 540 RVO a.F. versicherten Tätigkeiten erleidet (§ 542 RVO a.F. = § 548 RVO n.F.). Erforderlich ist danach, daß zwischen dem schädigenden Ereignis und einer der bezeichneten versicherten Tätigkeit ein innerer ursächlicher Zusammenhang besteht. Da der Kläger am Unfalltag unstreitig nicht aufgrund eines Arbeits-, Dienst- oder Lehrverhältnisses im Betrieb seines Onkels beschäftigt war (§ 537 Nr. 1 RVO a.F.), hat das SG sich bei der Prüfung der Frage, ob der Kläger "Versicherter” war, zu Recht darauf beschränkt, ob die Voraussetzungen des § 537 Nr. 10 RVO in der Fassung des Sechsten Änderungsgesetzes vom 9. März 1942 (RGBl. I, S. 1177) erfüllt waren. Nach § 537 Nr. 10 RVO a.F. sind auch Personen gegen Arbeitsunfall versichert, die wie ein nach den Nrn. 1–9 Versicherter tätig werden, selbst wenn dies nur vorübergehend geschieht. Für die Anwendung dieser Vorschrift ist ebenso wie für die ihr inhaltlich entsprechende Bestimmung des § 539 Abs. 2 RVO n.F. nach ständiger Rechtsprechung zu verlangen, daß eine ernstliche, dem in Betracht kommenden Unternehmen dienende Tätigkeit verrichtet wird, die dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Unternehmers entspricht und die ihrer Art nach sonst von Personen verrichtet werden könnte, die in einem dem allgemeinen Arbeitsmarkt zuzurechnenden Beschäftigungsverhältnis stehen. Das allein, u.a. der wirtschaftliche Wert einer Arbeit und ihrer Nützlichkeit für das Unternehmen, reicht jedoch nicht aus. Erforderlich ist ferner, daß Art und Umstände, unter denen die Tätigkeit im Einzelfall geleistet wird, sie derjenigen auf Grund eines (abhängigen) Beschäftigungsverhältnis ähnlich erscheinen lassen (vgl. u.a. BSG SozR 2200 § 539 Nr. 43; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 475 m m.w.N.). Insoweit schließen, da § 537 Nr. 10 RVO a.F. (§ 539 Abs. 2 RVO n.F.) eine persönliche und/oder wirtschaftliche Abhängigkeit der für ein anderes Unternehmen tätig gewordenen Person nicht voraussetzt, Freundschafts- und Gefälligkeitsdienste sowie Verwandtschaftliche Bindungen als Beweggründe des Handelns den Versicherungsschutz zwar grundsätzlich nicht aus. Bei Gefälligkeitshandlungen unter Verwandten, die ihr gesamtes Gepräge nach Art, Umfang und Zeitdauer der verrichteten Tätigkeit sowie der Stärke der tatsächlichen verwandtschaftlichen Beziehungen von den familiären Bindungen zwischen den Angehörigen erhalten, fehlt es jedoch an der geforderten Ähnlichkeit mit einer Tätigkeit aufgrund eines Beschäftigungsverhältnisses, Derartige Gefälligkeitsdienste unterliegen deshalb ebensowenig dem Unfallversicherungsschutz wie Verrichtungen aufgrund mitgliedschaftlicher, gesellschaftlicher oder körperschaftlicher Verpflichtungen (BSG SozR 2200 § 539 Nrn. 14, 43, 49, 55, 57, 66). Auch der streitige Unfall des Klägers hat sich den Umständen nach im Zusammenhang mit einer durch verwandtschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen bedingten Gefälligkeitshandlung ereignet. Unter Zugrundelegung der Angaben des Klägers und der Aussagen der Zeugen, insbesondere der des Zwillingsbruders W. G. und der Zeugin B., geht der Senat dabei davon aus, daß der Kläger am Unfalltag nach dem Besuch der Schule von seiner Mutter gemeinsam mit seinem Bruder zum Hof des H. geschickt wurde, um bei der Heuernte zu helfen. Die Brüder führten zunächst die Pferde auf die Heuwiese und liefen dann zurück zum Hof, um für die Helfer auf der Wiese den Kaffee zu holen, der von der Zeugin W. gekocht wurde, aber noch nicht fertig war. In der Zwischenzeit, während der in der Scheune u.a. unter Beteiligung des Onkels H. und der Zeugin Eu. ein Heuwagen abgeladen wurde, muß sich der streitige Unfall ereignet haben. Augenzeugen für den Unfall gibt es nicht. Den nach der Behauptung des Klägers vorausgehenden Auftrag des Onkels, nach dem hängengebliebenen Gegengewicht des Heuaufzugs zu sehen und (oder) diese anzustoßen, will nur die erstmals vom Senat vernommene Zeugin M. B. selbst gehört haben, die u.a. nach der Aussage des W. G. zu dieser Zeit aber gar nicht auf dem Hof, sondern auf der Heuwiese gewesen sein muß. Hierauf kommt es letztlich jedoch nicht entscheidend an. Der Senat unterstellt insoweit zugunsten des Klägers, daß ihm vor dem Unfall der behauptete Auftrag durch H. tatsächlich erteilt wurde. Es kann auch angenommen werden, daß der Unfall sich in Ausführung eines solchen Auftrags oder evtl. bei einer im Falle der Bedienung eines Gegengewichts durch Kinder einzukalkulierenden Gefährdungshandlung ereignet hat. "Wie ein Versicherter” im Sinne des § 537 Nr. 10 i.V.m. Nr. 1 RVO a.F. wurde der Kläger jedenfalls deshalb nicht tätig, weil die tatsächlichen und rechtlichen Umstände, unter denen die ihm ggf. von H. aufgetragene Tätigkeit verrichtet wurde, dieser Tätigkeit nicht den erforderlichen arbeitnehmerähnlichen Charakter verleihen.

Schon der geringe zeitliche Aufwand, der zur Ausführung des Auftrags des H. benötigt wurde, und der Umfang der danach zu leistenden Arbeit sprechen dagegen. Von dem damals 6-jährigen Kläger wurde nach seinen eigenen Angaben keine Reparatur, sondern nur das Anstoßen des Gegengewichts verlangt, was in einigen Minuten zu erledigen war. Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens ist auch nicht erwiesen, daß es sich hierbei um eine Handreichung im Rahmen einer länger andauernden Tätigkeit des Klägers für das Unternehmen des H. im Zusammenhang mit dem Abladen des Heus gehandelt hat. Der Vortrag des Klägers in seinem Antrag vom Februar 1978, daß er am Unfalltag beim Heuabladen den "Heuaufzug mit dem Bedienungsseil gefahren” habe und von seinem Onkel wegen eines Defekts am Greiferzug dann "fortgeschickt” worden sei, findet durch die Aussagen der gehörten Zeugen keine Bestätigung. Dabei mag unter Berücksichtigung der Ausführungen der Zeuginnen Eu. und B. und des Bruders des Klägers, W. G. als richtig zugrundegelegt werden, daß der Kläger trotz seines damals jugendlichen Alters technisch sehr geschickt war und insoweit auch den Seilzug bedienen konnte und vor dem Unfall tatsächlich des öfteren bedient hatte. Daß der Kläger am Unfalltag in dieser Weise tätig wurde, hat jedoch keiner der Zeugen gesehen. Nach den Angaben der Zeugen M. und W. G. spielte der Kläger mit diesen vor dem Unfall tatsächlich auch auf dem Hof und wurde von seinem Onkel von dort mit den Worten gerufen "K., komm mal her”. Das hat der Kläger bereits bei seiner Anhörung durch das SG auch selbst eingeräumt. Seinem weiteren – erstmaligen – Vortrag in diesem Zusammenhang, daß er während des Spielens von etwa einer Stunde nicht nur einmal, sondern mehrmals von H. gerufen worden sei und das Gegengewicht des Heuaufzugs mehrfach habe anstoßen müssen, vermochte der Senat allerdings ebenfalls nicht zu folgen. Denn auch hierfür sowie für die Präzisierung des Klägers im Berufungsverfahren, er habe das Gegengewicht 10 bis 12 mal während einer Stunde bzw. 8 bis 10 mal innerhalb einer dreiviertel Stunde angestoßen, fehlen jegliche überzeugenden Beweise, Entgegen stehen vor allem die Aussagen der Zeugen M. und des W. G., die als Spielkameraden des Klägers nur von einem einmaligen Rufen des Onkels H. zu berichten wußten und ferner bekundeten, auch nur einmal gesehen zu haben, daß der Kläger auf ein Rufen des H. zu diesem hinging; "kurze Zeit” bzw. eine "gewisse Zeit” danach hörten sie den Kläger auch schon schreien. Eine 10 bis 12 oder 8 bis 10-malige Störung beim Spielen dürfte der Erinnerung der Zeugen aber ebensowenig entfallen sein, wie das einmalige Rufen des H. Zumindest ist der vom Kläger behauptete und seinem früheren Vorbringen widersprechende Tatbestand einer gehäuften Auftragstätigkeit für den Onkel damit nicht mit der erforderlichen Sicherheit festzustellen, zumal für seine erst späte Einführung in das Verfahren trotz gleichbleibender Verhältnisse und rechtlicher Problematik ein einsichtiger Grund nicht zu finden ist.

Ein einmaliges Anstoßen des Gegengewichts, von dem danach allein ausgegangen werden kann, ist bei natürlicher Betrachtungsweise im Rahmen guter verwandtschaftlicher und nachbarschaftlicher Beziehungen aber der Art nach typischerweise eine Hilfeleistung, die aus diesen Beziehungen resultiert, und nicht eine dem Erwerbsleben zuzurechnende Verrichtung. Das gilt vornehmlich unter Berücksichtigung der Verhältnisse in der Landwirtschaft. Auch zwischen dem Kläger und seinem Onkel bestand nicht nur im Rechtssinne ein Verwandtschaftsverhältnis (§ 1589 Bürgerliches Gesetzbuch – BGB –), sondern es waren hieraus tatsächliche enge Bindungen und Kontakte erwachsen, die den Entschluß des Klägers, auf die Aufforderung des H. die gewünschte Dienstleistung zu erbringen, als völlig übliche und alltägliche Gefälligkeit erscheinen lassen. Die beiden Familien wohnten nahe beieinander. Wie u.a. die Zeuginnen Eu. und B. dargelegt haben, war der Kläger schon vor dem Unfall regelmäßig oder zumindest sehr häufig auf dem Hof des Onkels und führte dabei aufgrund seiner allgemein bestätigten besonderen Hilfsbereitschaft und seiner technischen Begabung viele kleinere Reparaturen oder sonstige Arbeiten aus. Darin fügt sich die am Unfalltag gemäß dem Auftrag des H. zu erbringende geringfügige Verrichtung bzw. das einmalige Anstoßen des Gegengewichts des Heuaufzugs zwanglos ein. An der fehlenden Arbeitnehmerähnlichkeit dieser Tätigkeit ändert es auch nichts, daß der Kläger vor dem Unfall auf der Heuwiese schon die Pferde geführt hatte und später eigentlich noch den Kaffee auf die Heuwiese hätte bringen sollen. Ob diese Tätigkeiten ihr Gepräge gleichfalls durch die familiären Beziehungen zwischen dem Kläger und seinem Onkel sowie dessen Familie erhielten, ist hierbei unerheblich. Sie standen jedenfalls in keinem zeitlichen und (oder) sachlichen Zusammenhang mit dem Auftrag zum einmaligen Anstoßen des Gegengewichts, den der Kläger erst nach Rückkehr von der Heuwiese und während des etwa einstündigen Spielens auf dem Hof aufgrund einer besonderen Aufforderung seines Onkels kurzerhand übernahm. Das allein sowie die u.a. vom Zeugen W. G. angedeutete allgemeine Bereitschaft des Klägers, derartigen Aufforderungen seines Onkels gerne und unverzüglich nachzukommen, sind für die streitige Verrichtung im Zusammenhang mit dem Unfall charakterisierend (vgl. hierzu auch Urteil des BSG vom 31. März 1981 – 2 RU 91/79 – und BSG SozR 2200 § 539 Nr. 66). Schließlich läßt sich auch allein unter dem Gesichtspunkt einer objektiven Gefährlichkeit der zu bedienenden Einrichtung – Gegengewicht – nicht begründen, daß bei der dem Kläger durch seinen Onkel H. aufgetragenen Tätigkeit die Arbeitsleistung für ein fremdes Unternehmen im Vordergrund gestanden hat, zumal der Kläger den Heuaufzug kannte und technisch besonders geschickt gewesen sein soll. (vgl. dazu auch Urteil des BSG vom 31. März 1981 a.a.O.).

Da der Kläger somit am 21. Juni 1945 bei oder im Rahmen einer Gefälligkeitstätigkeit verunglückt ist, die durch bestehende enge verwandtschaftliche und nachbarschaftliche Beziehungen ihr Gepräge erhielt, war Versicherungsschutz nach § 537 Nr. 10 RVO a.F. nicht gegeben. Die Berufung der Beklagten mußte deshalb Erfolg haben.

Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved