Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8/3 U 21/79
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1486/80
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1980 insoweit aufgehoben, wie die Beklagte verurteilt worden ist, der Klägerin die außergerichtlichen Kosten des Rechtsstreits zu erstatten. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.
II. Die Beklagte hat dem Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, welcher Versicherungsträger für die Entschädigung eines Unfalles zuständig ist.
Die Firma B. GmbH mit Sitz in F. (Firma B.) unterhielt eine Blutspendeabteilung im Gebiet der Stadt F., F.str ... Dort ließ sie sich von betriebsfremden Personen einerseits Vollblut, andererseits Blutplasma durch das Verfahren der Plasmapherese spenden.
Seit dem Jahre 1975 gehörte der im Jahre 1951 geborene Beigeladene zu den Personen, die in regelmäßigen Abständen bereit waren, sich bei der Firma B. Blut zum Zwecke der Plasmapherese entnehmen zu lassen. Für 1.000 ml entnommenes Blut wurden ihm als Anerkennung 35,– DM gezahlt. Nach eigenen Angaben stellte er sich als Plasmapherese-Spender teilweise aus ideellen Motiven, aber auch aus finanziellen Erwägungen zur Verfügung. In den ersten beiden Jahren spendete er acht Mal monatlich jeweils 1.000 ml. Im Oktober 1977 fühlte er sich müde und erschöpft. Es wurde festgestellt, daß seine Transaminasenwerte erhöht waren. Zu Beginn des Monats Dezember 1977 stiegen die Transaminasenwerte erneut an. Am 9. Dezember 1977 wurde bei ihm eine akute Virushepatitis festgestellt, die sich als eine Non A/Non B-Hepatitis erwies. Nach umfangreicher medizinischer Aufklärung kam die Klägerin zu dem Ergebnis, daß der Beigeladene die Krankheit infolge einer Virusinfektion bei einem Plasmapherese-Verfahren in der Firma B. im Herbst 1977 erlitten habe. Mit Bescheid vom 25. Oktober 1979 gewährte die Klägerin dem Beigeladenen als vorläufige Leistung gemäß § 1735 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 28. August 1979 ab eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. wegen eines Zustandes nach Hepatitis mit noch erhöhten Leberwerten als Folge eines Arbeitsunfalls durch Virusinfektion am 13. September 1977. Durch gerichtlichen Vergleich vom 18. Januar 1983 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az. S-8/U 60/80) gewährte die Klägerin dem Beigeladenen für die Zeit vom 28. August 1979 bis zum 31. Dezember 1982 Rente nach einer MdE um 40 v.H. und ab 1. Januar 1983 nach einer MdE um 30 v.H.
Bereits im Jahre 1978 hatte die Klägerin die Beklagte aufgefordert, ihre Zuständigkeit auch im vorliegenden Falle anzuerkennen und die von der Klägerin aufgewandten Leistungen zurückzuerstatten. Die Beklagte lehnte dies jedoch ab.
Am 25. Januar 1979 hat die von dem Geschäftsführer ihrer Bezirksverwaltung F. vertretene Klägerin bei dem Sozialgericht Frankfurtern Main (SG) Klage auf Feststellung erhoben, daß die Beklagte der zuständige Versicherungsträger sei. Das SG hat den Verletzten R. B. zum Verfahren beigeladen und mit Urteil vom 23. September 1980 "festgestellt, daß die Beklagte zuständig ist zur Anerkennung und Entschädigung der vom Beigeladenen im Herbst 1977 erlittenen Hepatitis.” Es hat die Beklagte verurteilt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beigeladenen zu tragen. Die Revision hat es zugelassen. In seinen Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß auch der Plasmapherese-Spender den Begriff des Blutspenders im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO erfülle. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sei es rechtlich unerheblich, ob letztendlich nur das Blutplasma oder aber Vollblut gespendet werde. Darüber hinaus komme es auf die Motive des Spenders nicht an. Ein Ausschluß der Beklagten gemäß § 655 Abs. 3 RVO sei nicht gegeben, weil die Plasmapherese des Beigeladenen nicht Bestandteil des Unternehmens der Firma B. gewesen sei. Schließlich könne auch keine Versicherung gemäß § 539 Abs. 2 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO angenommen werden, weil der Beigeladene nicht arbeitnehmerähnlich tätig geworden sei. Bei der Blutspende handele es sich um eine rein freiwillige, keiner rechtlichen Verpflichtung unterliegenden Tätigkeit ohne Entgelt oder Dienstlohn. Soweit aus Anlaß dessen jeweils 35,– DM ausgezahlt worden seien, handele es sich dabei nur um eine Anerkennung und nicht um Entgelt.
Gegen dieses ihr am 20. November 1980 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Dezember 1980 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Sie rügt zunächst die örtliche Unzuständigkeit des SG, weil der alleinige Sitz der Klägerin H. sei. Zur Sache vertritt sie die Ansicht, daß es sich bei der Plasmapherese nicht um eine Blutspende im Sinne des Gesetzes handele. Wenn der Gesetzgeber auch die Entnahme von Teilen des Blutes unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stellen wolle, müsse er dies ausdrücklich regeln. Im übrigen müßten die Blutspenden nach den jeweiligen Umständen unterschieden werden. Wenn sie für den Spender nicht von wirtschaftlichem Interesse seien, trete in Hessen der Hessische Gemeindeunfallversicherungsverband oder sie selber als Versicherungsträger ein, anderenfalls, und so im vorliegenden Falle, wegen der als Gegenleistung gezahlten Summen entweder die für das Unternehmen zuständige gewerbliche Berufsgenossenschaft, oder es handele sich überhaupt nicht um eine Unfall versicherte Tätigkeit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Unfallakten der Beklagten über R. B. Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Eine Beiladung der Firma B. gemäß § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist nicht notwendig, weil Gegenstand dieses Rechtsstreits nur die Feststellung ist, welcher Versicherungsträger zur Entschädigung des Unfalls des Beigeladenen zuständig ist. Unmittelbar werden damit nur die Rechtsverhältnisse beider Versicherungsträger untereinander und zu dem Beigeladenen berührt. Die Bindung der ordentlichen Gerichte an eine Entscheidung der Sozialgerichte gemäß § 1543 RVO a.F., jetzt § 118 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10), betrifft nur eine mittelbare Wirkung der Entscheidung in diesem Rechtsstreit und vermag nicht die Notwendigkeit einer Beiladung zu begründen.
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG).
Sie ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das SG der Klage stattgegeben.
Zwar hat es irrigerweise seine örtliche Zuständigkeit angenommen (§ 57 Abs. 1 SGG). Gemäß § 1 ihrer Satzung hat die Klägerin ihren Sitz in H. am Ort ihrer Hauptverwaltung, wohingegen ihre Bezirksverwaltung in F. gemäß § 5 ihrer Satzung eine unselbständige und an Weisungen gebundene Verwaltungsstelle ist. In Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Oktober 1981 (2 RU 20/81) ist danach wegen des Sitzes der Klägerin das SG M. das örtlich zuständige SG für die erhobene Klage. Da diese Klage aber mit vermögensrechtlichen Ansprüchen anläßlich des vom Beigeladenen erlittenen Unfalls verbunden ist, muß eine Korrektur dieses erstinstanzlichen Fehlers im Berufungsverfahren unterbleiben. Im Zusammenhang mit anderen von Amts wegen zu prüfenden Prozeßvoraussetzungen kommt der örtlichen Zuständigkeit des SG im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Also verbleibt es bei dem Grundsatz, daß die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts in entsprechender Anwendung der §§ 512 a, 549 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) dann nicht mehr überprüft wird, wenn das SG sie positiv angenommen hat (vgl. BSG, Urteil vom 30.7.1959, 2 RU 174/58, in BSGE 10, 233).
Die Feststellungsklage ist zulässig (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran (§ 55 Abs. 1 letzter Halbsatz SGG), weil nur dadurch eine Rechtskrafterstreckung hinsichtlich der noch in Zukunft zu erbringenden Leistungen erreicht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1979, 2 RU 3/78).
Die Klage ist auch begründet, denn die Beklagte und nicht die Klägerin ist gemäß §§ 539 Abs. 1 Nr. 10, 548 Abs. 1, 655 Abs. 2 Nr. 3, 656 Abs. 4 Satz 1 RVO i.V.m. § 1 Nr. 3 und § 2 der Hessischen Verordnung über die Bestimmung des Hessischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes und der Stadt F. Träger der Unfallversicherung für nach § 539 Abs. 1 Nr. 8 bis 10 versicherte Personen vom 25. Mai 1966 (GVBl. I S. 133) zuständiger Unfallversicherungsträger für den Unfall des Beigeladenen im Herbst 1977 in Form einer weniger als eine Arbeitsschicht andauernden Infektion mit dem Hepatitis-Virus Non A/Non B auf dem Gemeindegebiet der Stadt F.
Hierzu ist festzustellen, daß die Firma B. auf dem Gemeindegebiet der Stadt F. eine Blutspendeabteilung unterhielt, in der sie von Blutspendern Vollblut und von Plasmapherese-Spendern jeweils 1.000 ml Blut abnahm, es bei letzteren dem Plasmapherese-Verfahren unterzog und die nicht benötigten Bestandteile sodann zusammen mit einer Kochsalzlösung dem Spender wieder zuführte. Das Verfahren der Plasmapherese entspricht im Prinzip der Blutentnahme bei Blutspendern für Transfusionen, unterscheidet sich aber von dieser in doppelter Hinsicht. Der bei der Entnahme gewonnene zellige Anteil des Blutes wird dem Spender retransfundiert, so daß die Spende auf das Plasma beschränkt bleibt. Da die Regenerationszeit für Plasmaproteine im Vergleich zu Erythrozyten relativ kurz ist, kann die Plasmapherese beim gleichen Spender in kürzeren Abständen durchgeführt werden. Aus dem gewonnenen Plasma werden prophylaktische und therapeutische Arzneimittel hergestellt. Bei der Firma B. hatte sich im Stadtbereich F. ein Kreis von etwa 190 Personen gebildet, die sich in regelmäßigen Abständen bereit erklärten, die Plasmapherese durchführen zu lassen. Davon erkrankten im Herbst 1977 ungefähr 70 Personen an Hepatitis Non A/Non B, die von der Klägerin im Wege vorläufiger Fürsorge betreut wurden. Bei dem Beigeladenen kann mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß er sich die Virusinfektion zwischen Ende des Monats September und Ende November 1977 in der Blutspendeabteilung der Firma B zuzog. Obwohl sich der Infektionsweg nicht mit Sicherheit feststellen läßt, ist es wahrscheinlich, daß der Hepatitisvirus als eine Komplikation der Plasmapherese in Erscheinung getreten und mit der Rückführung der Blutbestandteile in den Körper des Beigeladenen eingeschleust worden ist. Diese Feststellungen beruhen auf den Ermittlungen der Klägerin und insbesondere auf den von ihr eingeholten fachinternistischen Gutachten aus der Medizinischen Universitätsklinik M ... Während die Firma B. jedem Plasmapherese-Spender für die einzelne Spende 35,– DM zahlte, die kein Entgelt, sondern eine billige Anerkennung sein sollten, zahlte der Blutspendedienst Hessen des Deutschen Roten Kreuzes seinen Dauerspendern 45,– DM für jede einzelne Vollblutspende. Diese Feststellung beruht auf der Auskunft des Blutspendedienstes Hessen des Deutschen Roten Kreuzes vom 21. März 1977 (Bl. 37 der Akte des Sozialgerichts Frankfurt am Main S 3/U – 58/77, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war). Daraus und aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens folgt, daß der Beigeladene einen Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Abs. 1 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO erlitt, als nicht nur der Vorgang der Plasmapheresespende an sich, sondern eine zusätzliche Komplikation in Form einer Virusinfektion anläßlich der Rückführung der Blutbestandteile die Ursache für die später aufgetretene Hepatitis setzte (vgl. hierzu Vollmar, Zum Unfallversicherungsschutz der Blut- und Gewebespender, BG 1969, 267 ff.).
Vor allem ist dem SG darin zuzustimmen, daß auch die Plasmapherese den Tatbestand des Blutspendens im Sinne der genannten Vorschrift erfüllt. Sowohl der Sinn und Zweck des Gesetzes als auch die Ähnlichkeit des Verfahrens rechtfertigen es, den Plasmapherese-Spender mit Blutspendern im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO gleichzusetzen. Der spezielle Zweck der Plasmapherese ist es, eine umfangreichere Rohstoffgewinnung zu ermöglichen. Da das gewonnene Plasma ebenso wie gespendetes Vollblut ausschließlich im öffentlichen Interesse zu Heilzwecken und Katastrophenvorsorge verwendet wird, gibt es keinen triftigen Grund, den Plasmapherese-Spender von dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz auszunehmen.
An der Rechtswirksamkeit dieses Versicherungsschutzes kann die Tatsache nichts ändern, daß die Firma B. jedem Plasmapherese-Spender für die einzelne Spende 35,– DM zahlte und damit auch sein wirtschaftliches Interesse erweckte. Der Begriff "Blutspender” in § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO zielt vor allem nicht auf eine bestimmte Motivation des Spenders ab, sondern auf die objektive Rohstoffgewinnung menschlichen Blutes für dritte Personen. Das ist wegen des mittelbaren oder unmittelbaren Heilzwecks von allgemeinem öffentlichem Interesse. Die Besonderheit dessen liegt in der Eigenschaft des Rohstoffes als lebenswichtiges Teil des menschlichen Körpers. Unsere Rechtsordnung verlangt, daß derartige Spenden unter normalen Umständen für beliebige dritte Personen grundsätzlich nur aufgrund einer Einzelentscheidung des Spenders erfolgen dürfen. Die Blutabnahme wäre eine strafbare Körperverletzung und die Einwilligung in sie sittenwidrig und damit kein Unrechtsausschließungsgrund gemäß § 226 a des Strafgesetzbuches (StGB), wollte sich jemand in einem Gewerbebetrieb in der Form eines Dauerrechtsverhältnisses ständig Blut abnehmen lassen. Die Wahrung der Menschenwürde verlangt es, daß die Einwilligung in eine tatbestandsmäßige Körperverletzung nicht einer Selbstaufgabe gleichkommt, so daß das Handeln des Täters den Einwilligenden zum bloßen Objekt, zu einem austauschbaren Faktor herabwürdigt (vgl. Schönke-Schröder, Kommentar zum StGB, 19. Aufl., 1978, Anm. 5 zu § 226 a). Es wäre sittenwidrig und gemäß § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig, Menschen zur Rohstoffgewinnung wie Zuchtvieh zu halten (vgl. Mayer-Maly in Münchener Kommentar zum BGB 1978, Rdz. 63 zu § 138 BGB "Abwehr von Freiheitsbeschränkungen und Wahrung von Persönlichkeitsrechten”). Da die Blutspende zur Aufrechterhaltung der allgemeinen medizinischen Versorgung und zur Katastrophenvorsorge im höchsten allgemeinen Interesse steht, hat der Gesetzgeber sich entschlossen, den Spendern jedenfalls die Angst vor entschädigungslosen Unfallrisiken beim Blutspenden zu nehmen, indem er die Regelung des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO eingeführt hat. Dabei, wie auch in den Fällen der Nr. 9 dieser Vorschrift, fehlt jedenfalls von dem Grundgedanken her jeder Zusammenhang mit der modernen Arbeitswelt. Es fehlt darüber hinaus jeder versicherungsorganisatorisch ausgeformte Risikoausgleich und eine Beitragserhebung von Beteiligten. Die Unfallversicherungsleistungen sind den Ländern auferlegt (§ 655 Abs. 2 Nr. 3 RVO), die ermächtigt sind, die Last auf die Gemeindeunfallversicherungsverbände und auf Städte über 500.000 Einwohner abzuwälzen. Die Leistungen werden somit aus allgemeinen Steuermitteln abgedeckt. Diese Tatbestände sind nur der Fiktion und der äußeren Hülle nach Unfallversicherung, der Sache nach aber etwas anderes (vgl. Werner Weber, Sozialversicherungsgesetzgebung als Universalregelungskompetenz, in Grundprobleme des Versicherungsrechts, 1972, Festschrift für Hans Möller, 499 ff., 504 f.). Jantz (Prinzipien der Gesetzgebung in der Unfallversicherung in: Festschrift für Lauterbach (1961), Seite 15 ff.,18) meint, daß hier ein Aufopferungsanspruch mit Rechtsformen und Leistungsarten der Sozialversicherung aufgefangen wird (vgl. auch Linthe, BArbBl. 1963, 343). Der Reichsgesetzgeber 1928, 1939 und 1942 sowie der novellierende Bundesgesetzgeber von 1963 sind hier in eigenartiger Weise verfahren. Sie wollten bei den Tatbeständen der Nrn. 9 und 10 einen Aufopferungsanspruch im klassischen Sinne anerkannt und jedenfalls außer Zweifel gestellt wissen. Demgemäß wurde unter Verzicht auf die Organisierung eines eigentlichen "Versicherungsträgers” das politische Gemeinwesen zum Verpflichteten erklärt (vgl. Werner Weber, a.a.O., S. 506).
Daraus folgt zweierlei. Es ist gleichgültig, ob und wieviel Geld der Blutspender aus Anlaß einer Blutspende für dritte Personen erhält. Selbst Entgelt oder eine Aufwandsentschädigung sind nicht geeignet, den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck zu vereiteln. Praktisch wird das durch den Blutspendedienst Hessen des Deutschen Roten Kreuzes vorgeführt, der seinen Dauerspendern sogar 45,– DM zahlte, ohne daß der Tatbestand des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO von irgend jemand in Zweifel gezogen würde. Obwohl dieser Blutspendedienst mit Ausnahme der bilanzmäßigen Gewinnausweisung vollständig als Gewerbebetrieb geführt wird, hat die Rechtsprechung des BSG hier eine den Bereitschaften des Deutschen Roten Kreuzes verwandte Tätigkeit im Sinne von § 653 Abs. 1 Nr. 4 RVO angenommen und beitragsfrei den Bund als Unfallversicherungsträger zuerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 30.10. 1980, 8 a RU 74/78). In sachlicher Konsequenz dessen kann die Blutspende zur medizinischen und Katastrophenvorsorge in anderen Betrieben grundsätzlich auch nicht den gewerblichen Berufsgenossenschaften zugewiesen werden.
Zum zweiten ergeben die aufgezeigten allgemeinen rechtlichen Gesichtspunkte, daß die von der Firma B. praktizierte Form der Blutgewinnung jedenfalls in der Person des Blutspenders nicht als unmittelbarer oder mittelbarer Teil des Arzneimittelunternehmens beurteilt werden kann, sondern nur als eigener, von dem gewerblichen Unternehmen unabhängiger Tatbestand im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO. Anderenfalls und insbesondere unter Annahme einer Dauerverpflichtung für die Zukunft wäre die Einordnung des Blutspenders in das Unternehmen des Blutspendedienstes sittenwidrig. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß die Firma B. einen Kreis von etwa 190 Plasmapherese-Spendern gefunden hatte, die sich regelmäßig immer wieder im Einzelfall bereit erklärten, an ihrem Körper das Plasmapherese-Verfahren durchführen zu lassen. Auch diese im großen Maßstab erzielte Rohstoffgewinnung an menschlichem Blutplasma, dessen Zweckbestimmung im öffentlichen Interesse außer Zweifel steht, läßt sich nur dann mit unserer Rechts- und Sittenordnung vereinbaren, wenn man die Spende jedes einzelnen in jedem Einzelfalle als eine selbständige Tätigkeit aufgrund einer freiwilligen Entscheidung feststellen kann. Danach scheidet eine Versicherung nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO aus. Zugleich kann aus denselben Gründen auch keine Versicherung nach § 539 Abs. 2 RVO angenommen werden. Das selbständige Blutspenden in Form der Plasmapherese gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO läßt sich eben nicht als eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gemäß § 539 Abs. 2 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO werten. Abgesehen davon reicht nach dem Sinn und Zweck des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO allein der objektive Tatbestand des Blutspendens für dritte Personen aus, um jedem Versicherungsaspekt aus § 539 Abs. 2 RVO eine so untergeordnete Bedeutung zuzumessen, daß er als rechtlich unerheblich nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.2.1973, 2 RU 127/70).
Die Zuständigkeit der Beklagten ist entgegen ihrer Meinung auch nicht durch § 655 Abs. 3 RVO ausgeschlossen. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 22. Februar 1973 (2 RU 125/70) entschieden, daß hierunter nicht jede versicherte unternehmensbezogene Tätigkeit für ein der Unfallversicherung unterliegendes Unternehmen fällt. Es trifft zwar zu, daß in alle Fällen des § 655 Abs. 2 RVO das Land als Versicherungsträger nur subsidiär leistungspflichtig ist, wenn nämlich das Unternehmen, in dem sich der Unfall ereignet hat, nicht Bestandteil eines anderen der Unfallversicherung unterliegenden Unternehmens ist. Der Senat schließt sich der Auffassung des BSG (a.a.O.) an, daß mit "Bestandteil” der auch in § 647 RVO verwendete Begriff gemeint ist. Die Zuständigkeit der Beklagten für die Entschädigung des Unfalls, den der Beigeladene im Zusammenhang mit dem Plasmapherese-Verfahren erlitten hat, wäre nach § 655 Abs. 3 RVO nur dann ausgeschlossen, wenn der Beigeladene Unternehmer oder Beschäftigter des Blutspendedienstes der Firma B. gewesen wäre. Das aber war gerade nicht der Fall. Statt dessen ist der Beigeladene, wie ausgeführt, selbständig als Blutspender tätig gewesen. Die dabei erlittene Infektion mit dem Hepatitisvirus hat ihm einen Aufopferungsanspruch begründet, der die Beklagte verpflichtet, gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO i.V.m. § 548 RVO Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Beigeladenen auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten. Im übrigen haben die Beteiligten einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, welcher Versicherungsträger für die Entschädigung eines Unfalles zuständig ist.
Die Firma B. GmbH mit Sitz in F. (Firma B.) unterhielt eine Blutspendeabteilung im Gebiet der Stadt F., F.str ... Dort ließ sie sich von betriebsfremden Personen einerseits Vollblut, andererseits Blutplasma durch das Verfahren der Plasmapherese spenden.
Seit dem Jahre 1975 gehörte der im Jahre 1951 geborene Beigeladene zu den Personen, die in regelmäßigen Abständen bereit waren, sich bei der Firma B. Blut zum Zwecke der Plasmapherese entnehmen zu lassen. Für 1.000 ml entnommenes Blut wurden ihm als Anerkennung 35,– DM gezahlt. Nach eigenen Angaben stellte er sich als Plasmapherese-Spender teilweise aus ideellen Motiven, aber auch aus finanziellen Erwägungen zur Verfügung. In den ersten beiden Jahren spendete er acht Mal monatlich jeweils 1.000 ml. Im Oktober 1977 fühlte er sich müde und erschöpft. Es wurde festgestellt, daß seine Transaminasenwerte erhöht waren. Zu Beginn des Monats Dezember 1977 stiegen die Transaminasenwerte erneut an. Am 9. Dezember 1977 wurde bei ihm eine akute Virushepatitis festgestellt, die sich als eine Non A/Non B-Hepatitis erwies. Nach umfangreicher medizinischer Aufklärung kam die Klägerin zu dem Ergebnis, daß der Beigeladene die Krankheit infolge einer Virusinfektion bei einem Plasmapherese-Verfahren in der Firma B. im Herbst 1977 erlitten habe. Mit Bescheid vom 25. Oktober 1979 gewährte die Klägerin dem Beigeladenen als vorläufige Leistung gemäß § 1735 der Reichsversicherungsordnung (RVO) vom 28. August 1979 ab eine Dauerrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 30 v.H. wegen eines Zustandes nach Hepatitis mit noch erhöhten Leberwerten als Folge eines Arbeitsunfalls durch Virusinfektion am 13. September 1977. Durch gerichtlichen Vergleich vom 18. Januar 1983 vor dem Sozialgericht Frankfurt am Main (Az. S-8/U 60/80) gewährte die Klägerin dem Beigeladenen für die Zeit vom 28. August 1979 bis zum 31. Dezember 1982 Rente nach einer MdE um 40 v.H. und ab 1. Januar 1983 nach einer MdE um 30 v.H.
Bereits im Jahre 1978 hatte die Klägerin die Beklagte aufgefordert, ihre Zuständigkeit auch im vorliegenden Falle anzuerkennen und die von der Klägerin aufgewandten Leistungen zurückzuerstatten. Die Beklagte lehnte dies jedoch ab.
Am 25. Januar 1979 hat die von dem Geschäftsführer ihrer Bezirksverwaltung F. vertretene Klägerin bei dem Sozialgericht Frankfurtern Main (SG) Klage auf Feststellung erhoben, daß die Beklagte der zuständige Versicherungsträger sei. Das SG hat den Verletzten R. B. zum Verfahren beigeladen und mit Urteil vom 23. September 1980 "festgestellt, daß die Beklagte zuständig ist zur Anerkennung und Entschädigung der vom Beigeladenen im Herbst 1977 erlittenen Hepatitis.” Es hat die Beklagte verurteilt, die notwendigen außergerichtlichen Kosten der Klägerin und des Beigeladenen zu tragen. Die Revision hat es zugelassen. In seinen Entscheidungsgründen hat es ausgeführt, daß auch der Plasmapherese-Spender den Begriff des Blutspenders im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO erfülle. Nach dem Sinn und Zweck des Gesetzes sei es rechtlich unerheblich, ob letztendlich nur das Blutplasma oder aber Vollblut gespendet werde. Darüber hinaus komme es auf die Motive des Spenders nicht an. Ein Ausschluß der Beklagten gemäß § 655 Abs. 3 RVO sei nicht gegeben, weil die Plasmapherese des Beigeladenen nicht Bestandteil des Unternehmens der Firma B. gewesen sei. Schließlich könne auch keine Versicherung gemäß § 539 Abs. 2 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO angenommen werden, weil der Beigeladene nicht arbeitnehmerähnlich tätig geworden sei. Bei der Blutspende handele es sich um eine rein freiwillige, keiner rechtlichen Verpflichtung unterliegenden Tätigkeit ohne Entgelt oder Dienstlohn. Soweit aus Anlaß dessen jeweils 35,– DM ausgezahlt worden seien, handele es sich dabei nur um eine Anerkennung und nicht um Entgelt.
Gegen dieses ihr am 20. November 1980 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. Dezember 1980 Berufung beim Hessischen Landessozialgericht eingelegt.
Sie rügt zunächst die örtliche Unzuständigkeit des SG, weil der alleinige Sitz der Klägerin H. sei. Zur Sache vertritt sie die Ansicht, daß es sich bei der Plasmapherese nicht um eine Blutspende im Sinne des Gesetzes handele. Wenn der Gesetzgeber auch die Entnahme von Teilen des Blutes unter den Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stellen wolle, müsse er dies ausdrücklich regeln. Im übrigen müßten die Blutspenden nach den jeweiligen Umständen unterschieden werden. Wenn sie für den Spender nicht von wirtschaftlichem Interesse seien, trete in Hessen der Hessische Gemeindeunfallversicherungsverband oder sie selber als Versicherungsträger ein, anderenfalls, und so im vorliegenden Falle, wegen der als Gegenleistung gezahlten Summen entweder die für das Unternehmen zuständige gewerbliche Berufsgenossenschaft, oder es handele sich überhaupt nicht um eine Unfall versicherte Tätigkeit.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 23. September 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend.
Der Beigeladene stellt keinen Antrag. Wegen der übrigen Einzelheiten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Unfallakten der Beklagten über R. B. Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren.
Entscheidungsgründe:
Eine Beiladung der Firma B. gemäß § 75 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) ist nicht notwendig, weil Gegenstand dieses Rechtsstreits nur die Feststellung ist, welcher Versicherungsträger zur Entschädigung des Unfalls des Beigeladenen zuständig ist. Unmittelbar werden damit nur die Rechtsverhältnisse beider Versicherungsträger untereinander und zu dem Beigeladenen berührt. Die Bindung der ordentlichen Gerichte an eine Entscheidung der Sozialgerichte gemäß § 1543 RVO a.F., jetzt § 118 des 10. Buches des Sozialgesetzbuches (SGB 10), betrifft nur eine mittelbare Wirkung der Entscheidung in diesem Rechtsstreit und vermag nicht die Notwendigkeit einer Beiladung zu begründen.
Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und somit zulässig (§§ 143, 151 Abs. 1 SGG).
Sie ist jedoch unbegründet.
Zu Recht hat das SG der Klage stattgegeben.
Zwar hat es irrigerweise seine örtliche Zuständigkeit angenommen (§ 57 Abs. 1 SGG). Gemäß § 1 ihrer Satzung hat die Klägerin ihren Sitz in H. am Ort ihrer Hauptverwaltung, wohingegen ihre Bezirksverwaltung in F. gemäß § 5 ihrer Satzung eine unselbständige und an Weisungen gebundene Verwaltungsstelle ist. In Übereinstimmung mit dem Urteil des Bundessozialgerichts (BSG) vom 8. Oktober 1981 (2 RU 20/81) ist danach wegen des Sitzes der Klägerin das SG M. das örtlich zuständige SG für die erhobene Klage. Da diese Klage aber mit vermögensrechtlichen Ansprüchen anläßlich des vom Beigeladenen erlittenen Unfalls verbunden ist, muß eine Korrektur dieses erstinstanzlichen Fehlers im Berufungsverfahren unterbleiben. Im Zusammenhang mit anderen von Amts wegen zu prüfenden Prozeßvoraussetzungen kommt der örtlichen Zuständigkeit des SG im vorliegenden Rechtsstreit keine Bedeutung zu. Also verbleibt es bei dem Grundsatz, daß die örtliche Zuständigkeit des erstinstanzlichen Gerichts in entsprechender Anwendung der §§ 512 a, 549 Abs. 2 der Zivilprozeßordnung (ZPO) dann nicht mehr überprüft wird, wenn das SG sie positiv angenommen hat (vgl. BSG, Urteil vom 30.7.1959, 2 RU 174/58, in BSGE 10, 233).
Die Feststellungsklage ist zulässig (§ 55 Abs. 1 Nr. 2 SGG). Die Klägerin hat ein berechtigtes Interesse daran (§ 55 Abs. 1 letzter Halbsatz SGG), weil nur dadurch eine Rechtskrafterstreckung hinsichtlich der noch in Zukunft zu erbringenden Leistungen erreicht werden kann (vgl. BSG, Urteil vom 30. Oktober 1979, 2 RU 3/78).
Die Klage ist auch begründet, denn die Beklagte und nicht die Klägerin ist gemäß §§ 539 Abs. 1 Nr. 10, 548 Abs. 1, 655 Abs. 2 Nr. 3, 656 Abs. 4 Satz 1 RVO i.V.m. § 1 Nr. 3 und § 2 der Hessischen Verordnung über die Bestimmung des Hessischen Gemeindeunfallversicherungsverbandes und der Stadt F. Träger der Unfallversicherung für nach § 539 Abs. 1 Nr. 8 bis 10 versicherte Personen vom 25. Mai 1966 (GVBl. I S. 133) zuständiger Unfallversicherungsträger für den Unfall des Beigeladenen im Herbst 1977 in Form einer weniger als eine Arbeitsschicht andauernden Infektion mit dem Hepatitis-Virus Non A/Non B auf dem Gemeindegebiet der Stadt F.
Hierzu ist festzustellen, daß die Firma B. auf dem Gemeindegebiet der Stadt F. eine Blutspendeabteilung unterhielt, in der sie von Blutspendern Vollblut und von Plasmapherese-Spendern jeweils 1.000 ml Blut abnahm, es bei letzteren dem Plasmapherese-Verfahren unterzog und die nicht benötigten Bestandteile sodann zusammen mit einer Kochsalzlösung dem Spender wieder zuführte. Das Verfahren der Plasmapherese entspricht im Prinzip der Blutentnahme bei Blutspendern für Transfusionen, unterscheidet sich aber von dieser in doppelter Hinsicht. Der bei der Entnahme gewonnene zellige Anteil des Blutes wird dem Spender retransfundiert, so daß die Spende auf das Plasma beschränkt bleibt. Da die Regenerationszeit für Plasmaproteine im Vergleich zu Erythrozyten relativ kurz ist, kann die Plasmapherese beim gleichen Spender in kürzeren Abständen durchgeführt werden. Aus dem gewonnenen Plasma werden prophylaktische und therapeutische Arzneimittel hergestellt. Bei der Firma B. hatte sich im Stadtbereich F. ein Kreis von etwa 190 Personen gebildet, die sich in regelmäßigen Abständen bereit erklärten, die Plasmapherese durchführen zu lassen. Davon erkrankten im Herbst 1977 ungefähr 70 Personen an Hepatitis Non A/Non B, die von der Klägerin im Wege vorläufiger Fürsorge betreut wurden. Bei dem Beigeladenen kann mit Wahrscheinlichkeit davon ausgegangen werden, daß er sich die Virusinfektion zwischen Ende des Monats September und Ende November 1977 in der Blutspendeabteilung der Firma B zuzog. Obwohl sich der Infektionsweg nicht mit Sicherheit feststellen läßt, ist es wahrscheinlich, daß der Hepatitisvirus als eine Komplikation der Plasmapherese in Erscheinung getreten und mit der Rückführung der Blutbestandteile in den Körper des Beigeladenen eingeschleust worden ist. Diese Feststellungen beruhen auf den Ermittlungen der Klägerin und insbesondere auf den von ihr eingeholten fachinternistischen Gutachten aus der Medizinischen Universitätsklinik M ... Während die Firma B. jedem Plasmapherese-Spender für die einzelne Spende 35,– DM zahlte, die kein Entgelt, sondern eine billige Anerkennung sein sollten, zahlte der Blutspendedienst Hessen des Deutschen Roten Kreuzes seinen Dauerspendern 45,– DM für jede einzelne Vollblutspende. Diese Feststellung beruht auf der Auskunft des Blutspendedienstes Hessen des Deutschen Roten Kreuzes vom 21. März 1977 (Bl. 37 der Akte des Sozialgerichts Frankfurt am Main S 3/U – 58/77, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung war). Daraus und aus dem Gesamtergebnis des Verfahrens folgt, daß der Beigeladene einen Arbeitsunfall im Sinne des § 548 Abs. 1 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO erlitt, als nicht nur der Vorgang der Plasmapheresespende an sich, sondern eine zusätzliche Komplikation in Form einer Virusinfektion anläßlich der Rückführung der Blutbestandteile die Ursache für die später aufgetretene Hepatitis setzte (vgl. hierzu Vollmar, Zum Unfallversicherungsschutz der Blut- und Gewebespender, BG 1969, 267 ff.).
Vor allem ist dem SG darin zuzustimmen, daß auch die Plasmapherese den Tatbestand des Blutspendens im Sinne der genannten Vorschrift erfüllt. Sowohl der Sinn und Zweck des Gesetzes als auch die Ähnlichkeit des Verfahrens rechtfertigen es, den Plasmapherese-Spender mit Blutspendern im Sinne des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO gleichzusetzen. Der spezielle Zweck der Plasmapherese ist es, eine umfangreichere Rohstoffgewinnung zu ermöglichen. Da das gewonnene Plasma ebenso wie gespendetes Vollblut ausschließlich im öffentlichen Interesse zu Heilzwecken und Katastrophenvorsorge verwendet wird, gibt es keinen triftigen Grund, den Plasmapherese-Spender von dem gesetzlichen Unfallversicherungsschutz auszunehmen.
An der Rechtswirksamkeit dieses Versicherungsschutzes kann die Tatsache nichts ändern, daß die Firma B. jedem Plasmapherese-Spender für die einzelne Spende 35,– DM zahlte und damit auch sein wirtschaftliches Interesse erweckte. Der Begriff "Blutspender” in § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO zielt vor allem nicht auf eine bestimmte Motivation des Spenders ab, sondern auf die objektive Rohstoffgewinnung menschlichen Blutes für dritte Personen. Das ist wegen des mittelbaren oder unmittelbaren Heilzwecks von allgemeinem öffentlichem Interesse. Die Besonderheit dessen liegt in der Eigenschaft des Rohstoffes als lebenswichtiges Teil des menschlichen Körpers. Unsere Rechtsordnung verlangt, daß derartige Spenden unter normalen Umständen für beliebige dritte Personen grundsätzlich nur aufgrund einer Einzelentscheidung des Spenders erfolgen dürfen. Die Blutabnahme wäre eine strafbare Körperverletzung und die Einwilligung in sie sittenwidrig und damit kein Unrechtsausschließungsgrund gemäß § 226 a des Strafgesetzbuches (StGB), wollte sich jemand in einem Gewerbebetrieb in der Form eines Dauerrechtsverhältnisses ständig Blut abnehmen lassen. Die Wahrung der Menschenwürde verlangt es, daß die Einwilligung in eine tatbestandsmäßige Körperverletzung nicht einer Selbstaufgabe gleichkommt, so daß das Handeln des Täters den Einwilligenden zum bloßen Objekt, zu einem austauschbaren Faktor herabwürdigt (vgl. Schönke-Schröder, Kommentar zum StGB, 19. Aufl., 1978, Anm. 5 zu § 226 a). Es wäre sittenwidrig und gemäß § 138 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) nichtig, Menschen zur Rohstoffgewinnung wie Zuchtvieh zu halten (vgl. Mayer-Maly in Münchener Kommentar zum BGB 1978, Rdz. 63 zu § 138 BGB "Abwehr von Freiheitsbeschränkungen und Wahrung von Persönlichkeitsrechten”). Da die Blutspende zur Aufrechterhaltung der allgemeinen medizinischen Versorgung und zur Katastrophenvorsorge im höchsten allgemeinen Interesse steht, hat der Gesetzgeber sich entschlossen, den Spendern jedenfalls die Angst vor entschädigungslosen Unfallrisiken beim Blutspenden zu nehmen, indem er die Regelung des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO eingeführt hat. Dabei, wie auch in den Fällen der Nr. 9 dieser Vorschrift, fehlt jedenfalls von dem Grundgedanken her jeder Zusammenhang mit der modernen Arbeitswelt. Es fehlt darüber hinaus jeder versicherungsorganisatorisch ausgeformte Risikoausgleich und eine Beitragserhebung von Beteiligten. Die Unfallversicherungsleistungen sind den Ländern auferlegt (§ 655 Abs. 2 Nr. 3 RVO), die ermächtigt sind, die Last auf die Gemeindeunfallversicherungsverbände und auf Städte über 500.000 Einwohner abzuwälzen. Die Leistungen werden somit aus allgemeinen Steuermitteln abgedeckt. Diese Tatbestände sind nur der Fiktion und der äußeren Hülle nach Unfallversicherung, der Sache nach aber etwas anderes (vgl. Werner Weber, Sozialversicherungsgesetzgebung als Universalregelungskompetenz, in Grundprobleme des Versicherungsrechts, 1972, Festschrift für Hans Möller, 499 ff., 504 f.). Jantz (Prinzipien der Gesetzgebung in der Unfallversicherung in: Festschrift für Lauterbach (1961), Seite 15 ff.,18) meint, daß hier ein Aufopferungsanspruch mit Rechtsformen und Leistungsarten der Sozialversicherung aufgefangen wird (vgl. auch Linthe, BArbBl. 1963, 343). Der Reichsgesetzgeber 1928, 1939 und 1942 sowie der novellierende Bundesgesetzgeber von 1963 sind hier in eigenartiger Weise verfahren. Sie wollten bei den Tatbeständen der Nrn. 9 und 10 einen Aufopferungsanspruch im klassischen Sinne anerkannt und jedenfalls außer Zweifel gestellt wissen. Demgemäß wurde unter Verzicht auf die Organisierung eines eigentlichen "Versicherungsträgers” das politische Gemeinwesen zum Verpflichteten erklärt (vgl. Werner Weber, a.a.O., S. 506).
Daraus folgt zweierlei. Es ist gleichgültig, ob und wieviel Geld der Blutspender aus Anlaß einer Blutspende für dritte Personen erhält. Selbst Entgelt oder eine Aufwandsentschädigung sind nicht geeignet, den vom Gesetzgeber verfolgten Zweck zu vereiteln. Praktisch wird das durch den Blutspendedienst Hessen des Deutschen Roten Kreuzes vorgeführt, der seinen Dauerspendern sogar 45,– DM zahlte, ohne daß der Tatbestand des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO von irgend jemand in Zweifel gezogen würde. Obwohl dieser Blutspendedienst mit Ausnahme der bilanzmäßigen Gewinnausweisung vollständig als Gewerbebetrieb geführt wird, hat die Rechtsprechung des BSG hier eine den Bereitschaften des Deutschen Roten Kreuzes verwandte Tätigkeit im Sinne von § 653 Abs. 1 Nr. 4 RVO angenommen und beitragsfrei den Bund als Unfallversicherungsträger zuerkannt (vgl. BSG, Urteil vom 30.10. 1980, 8 a RU 74/78). In sachlicher Konsequenz dessen kann die Blutspende zur medizinischen und Katastrophenvorsorge in anderen Betrieben grundsätzlich auch nicht den gewerblichen Berufsgenossenschaften zugewiesen werden.
Zum zweiten ergeben die aufgezeigten allgemeinen rechtlichen Gesichtspunkte, daß die von der Firma B. praktizierte Form der Blutgewinnung jedenfalls in der Person des Blutspenders nicht als unmittelbarer oder mittelbarer Teil des Arzneimittelunternehmens beurteilt werden kann, sondern nur als eigener, von dem gewerblichen Unternehmen unabhängiger Tatbestand im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO. Anderenfalls und insbesondere unter Annahme einer Dauerverpflichtung für die Zukunft wäre die Einordnung des Blutspenders in das Unternehmen des Blutspendedienstes sittenwidrig. Daran ändert auch nichts die Tatsache, daß die Firma B. einen Kreis von etwa 190 Plasmapherese-Spendern gefunden hatte, die sich regelmäßig immer wieder im Einzelfall bereit erklärten, an ihrem Körper das Plasmapherese-Verfahren durchführen zu lassen. Auch diese im großen Maßstab erzielte Rohstoffgewinnung an menschlichem Blutplasma, dessen Zweckbestimmung im öffentlichen Interesse außer Zweifel steht, läßt sich nur dann mit unserer Rechts- und Sittenordnung vereinbaren, wenn man die Spende jedes einzelnen in jedem Einzelfalle als eine selbständige Tätigkeit aufgrund einer freiwilligen Entscheidung feststellen kann. Danach scheidet eine Versicherung nach § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO aus. Zugleich kann aus denselben Gründen auch keine Versicherung nach § 539 Abs. 2 RVO angenommen werden. Das selbständige Blutspenden in Form der Plasmapherese gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO läßt sich eben nicht als eine arbeitnehmerähnliche Tätigkeit gemäß § 539 Abs. 2 RVO i.V.m. § 539 Abs. 1 Nr. 1 RVO werten. Abgesehen davon reicht nach dem Sinn und Zweck des § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO allein der objektive Tatbestand des Blutspendens für dritte Personen aus, um jedem Versicherungsaspekt aus § 539 Abs. 2 RVO eine so untergeordnete Bedeutung zuzumessen, daß er als rechtlich unerheblich nicht zu berücksichtigen ist (vgl. BSG, Urteil vom 22.2.1973, 2 RU 127/70).
Die Zuständigkeit der Beklagten ist entgegen ihrer Meinung auch nicht durch § 655 Abs. 3 RVO ausgeschlossen. Das BSG hat bereits in seinem Urteil vom 22. Februar 1973 (2 RU 125/70) entschieden, daß hierunter nicht jede versicherte unternehmensbezogene Tätigkeit für ein der Unfallversicherung unterliegendes Unternehmen fällt. Es trifft zwar zu, daß in alle Fällen des § 655 Abs. 2 RVO das Land als Versicherungsträger nur subsidiär leistungspflichtig ist, wenn nämlich das Unternehmen, in dem sich der Unfall ereignet hat, nicht Bestandteil eines anderen der Unfallversicherung unterliegenden Unternehmens ist. Der Senat schließt sich der Auffassung des BSG (a.a.O.) an, daß mit "Bestandteil” der auch in § 647 RVO verwendete Begriff gemeint ist. Die Zuständigkeit der Beklagten für die Entschädigung des Unfalls, den der Beigeladene im Zusammenhang mit dem Plasmapherese-Verfahren erlitten hat, wäre nach § 655 Abs. 3 RVO nur dann ausgeschlossen, wenn der Beigeladene Unternehmer oder Beschäftigter des Blutspendedienstes der Firma B. gewesen wäre. Das aber war gerade nicht der Fall. Statt dessen ist der Beigeladene, wie ausgeführt, selbständig als Blutspender tätig gewesen. Die dabei erlittene Infektion mit dem Hepatitisvirus hat ihm einen Aufopferungsanspruch begründet, der die Beklagte verpflichtet, gemäß § 539 Abs. 1 Nr. 10 RVO i.V.m. § 548 RVO Entschädigungsleistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen.
Die Entscheidung über die Kosten folgt aus § 193 Abs. 1 und Abs. 4 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision aus § 160 Abs. 2 SGG.
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