L 5 V 1212/71

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
5
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 5 V 1212/71
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Sinn der Vorschrift des § 2 Ziff. 9 DVO zu § 33 BVG ist die Vermeidung ungekürzter Entschädigungsleistungen nach dem BEG und BVG.
Anschluß an BSG vom 23.6.66 Az.: 8 RV 318/63
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Main) vom 11. November 1971 wird zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die 1896 geborene Klägerin bezieht nach dem Umanerkennungsbescheid des Beklagten vom 20. Oktober 1951 Witwenrente nach dem Bundesversorgungsgesetz (BVG).

Am 12. August 1969 beantragte sie die Gewährung von Ausgleichsrente sowie von Schadensausgleich für Witwen. Bei seinen hierauf angestellten Ermittlungen erhielt der Beklagte von dem Regierungspräsidenten in D. unter dem 22. März 1971 die Auskunft, die Klägerin beziehe wegen Körper- und Gesundheitsschadens nach § 32 Bundesentschädigungsgesetz (BEG) eine Altersmindestrente ohne Anrechnung von Versorgungsleistungen nach dem BVG. Mit Bescheid vom 25. März 1971 gewährte der Beklagte gemäß § 40 a BVG i.d.F. des 3. Neuordnungsgesetzes (NOG) i.V.m. der Durchführungsverordnung zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG (DVO) vom 28. Februar 1968 der Klägerin weiterhin nur die Grundrente. Der verstorbene Ehemann der Klägerin wurde im übrigen zwar hinsichtlich des Schadensausgleichs als Buchdrucker in die Leistungsgruppe 1 der Arbeiter eingestuft, doch wurde der Klägerin Ausgleichsrente und Witwenschadensausgleich infolge der Höhe ihres Einkommens, insbesondere aus ihrer Rente nach dem BEG, abgelehnt. Mit ihrem hiergegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, der ihr persönlich zustehende Schadensersatzanspruch nach § 28 BEG wegen verfolgungsbedingter Körperschäden werde um den ihr an sich zustehenden Schadensausgleich verkürzt, was sinngemäß der Regelung des § 843 Bürgerliches Gesetzbuch (BGB) widerspreche. Diesem Widerspruch half der Beklagte mit Bescheid vom 2. August 1971 nicht ab, da nach § 40 a BVG alle Einkünfte der Witwe – also auch die Rente nach § 28 BEG – bei der Berechnung des Schadensausgleichs zu berücksichtigen sei.

Mit ihrer hiergegen erhobenen Klage wandte sich die Klägerin weiterhin gegen die Anrechnung der ihr für den eigenen Körperschaden nach § 28 BEG gewährten Entschädigung auf ihren Witwenschadensausgleich. Mit Urteil vom 11. November 1971 wies das Sozialgericht Frankfurt (Main) die Klage als unbegründet ab, wobei es den Standpunkt des Beklagten bestätigte. Die Vorschrift des § 843 BGB sei vorliegend nicht anwendbar, da sie nur Ansprüche aus unerlaubten Handlungen betreffe.

Gegen dieses mit Einschreiben am 19. November 1971 an sie abgesandte Urteil hat die Klägerin am 10. Dezember 1971 Berufung eingelegt. Mit ihr wendet sie sich weiterhin nur gegen die Ablehnung des Witwenschadensausgleichs durch den Beklagten. Insoweit sei eine gegenseitige Verrechnung von Renten nach dem BEG und dem BVG unbillig, da beide Renten auf ganz verschiedenen Gründen beruhten. Die Rente nach dem BEG sei tatsächlich ein Schadensersatzanspruch, und zwar vorliegend für verlorene Gesundheit. Dieser Schadensersatz sei auch gesetzlich nach § 9 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG nicht anrechenbar, weil er dort nicht aufgezählt sei.

Die Klägerin beantragt sinngemäß,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt (Main) vom 11. November 1971 aufzuheben und den Beklagten unter Aufhebung seines Bescheides vom 25. März 1971 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. August 1971 zur Gewährung von Schadensausgleich für Witwen unter Nichtanrechnung der der Klägerin gewährten Rente nach §§ 32 Abs. 2, 28 BEG zu verurteilen.

Der Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das angefochtene Urteil für zutreffend und hat gemäß § 126 SGG Entscheidung nach Lage der Akten beantragt.

Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Versorgungsakten wird im einzelnen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig; sie ist insbesondere nach § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegt und nach § 143 SGG statthaft. Die Entscheidung konnte nach §§ 110, 126 SGG nach Lage der Akten ergehen.

Die Berufung ist jedoch unbegründet. Der Entscheidung des Sozialgerichts ist wenigstens im Ergebnis beizupflichten. Allerdings macht die Klägerin vorliegend entgegen der Auffassung des Sozialgerichts keinen Anspruch auf Ausgleichsrente geltend, was sich schon aus ihrem Vorbringen seit dem Widerspruchsverfahren deutlich ergibt. Im übrigen wäre die Berufung insoweit auch nach § 148 Nr. 4 SGG ausgeschlossen (vgl. im einzelnen BSG 1, 62).

Die Klägerin hat gegen den Beklagten keinen Anspruch auf Gewährung von Schadensausgleich für Witwen nach § 40 a BVG, weil sich bei der nach § 40 a Abs. 2 BVG durchzuführenden Vergleichsberechnung im Hinblick auf die anrechenbaren Einkünfte der Klägerin kein Schadensausgleich errechnen läßt. Dies ergibt sich nicht zuletzt daraus, daß entgegen der Auffassung der Klägerin auch ihre nach §§ 32 Abs. 2, 28 BEG bezogene Altersmindestrente wegen Körper- und Gesundheitsschadens bei der Berechnung des Schadensausgleichs zu berücksichtigen ist. Gemäß § 12 der aufgrund der in §§ 40 a Abs. 4, 30 Abs. 7 BVG enthaltenen gesetzlichen Ermächtigung erlassenen DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG i.d.F. vom 28. Februar 1968 (BGBl. I, S. 194) gilt für die Ermittlung des Bruttoeinkommens im Sinne von § 40 a Abs. 2 BVG u.a. § 14 DVO zu § 33, BVG i.d.F. vom 9. November 1967 (BGBl. I, S. 1133) entsprechend. Die letztgenannte Vorschrift verweist in ihrem Abs. 1 u.a. auf § 2 derselben DVO. Gemäß Abs. 1 Nr. 9 der zuletzt erwähnten Vorschrift bleiben bei der Berechnung jedoch Leistungen nach dem BEG nur dann unberücksichtigt, wenn bei ihrer Bemessung Leistungen nach dem BVG angerechnet werden. Dies ist aber nach der Auskunft des Regierungspräsidenten in D. vom 22. März 1971 bei der Klägerin nicht der Fall.

Die vorgenannte gesetzliche Regelung ist jedenfalls im Ergebnis klar und eindeutig; sie läßt daher keinen Raum für eine richterliche Auslegung. Sie ist für den Senat rechtsverbindlich, ohne daß er zu prüfen im Stande gewesen wäre, ob möglicherweise eine andere gesetzliche Regelung billiger als die getroffene gewesen wäre. Insoweit kann nur der Gesetzgeber eine Änderung der Rechtslage herbeiführen. Im übrigen ist es Sinn der genannten Regelung, die Gewährung des vollen Witwenschadensausgleichs nach § 40 a BVG neben ungekürzten Entschädigungsleistungen nach dem BEG zu vermeiden (vgl. auch Urteil des BSG vom 23. Juni 1966 in SozR Durchf. VO § 33 BVG, § 2 C a 2). Wie sich ferner aus den obengenannten gesetzlichen Verweisungen eindeutig ergibt, ist hier entgegen der Auffassung der Klägerin § 9 DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG nicht anwendbar. Die Vorschrift gilt nur für Beschädigte, nicht für Hinterbliebene. Im übrigen verweist aber auch die folgende Bestimmung des § 10 der DVO zu § 30 Abs. 3 und 4 BVG auf die Vorschrift des § 2 der DVO zu § 33 BVG, so daß auch in diesem Fall kein anderes Ergebnis zu erwarten wäre.

Auch die jedenfalls primär nur für das bürgerliche Recht geltende Vorschrift des § 843 BGB kann nicht eingreifen, wenn – wie vorliegend – das öffentliche Recht eine ins einzelne gehende und eindeutige Spezialvorschrift enthält. Im übrigen sei aber darauf verwiesen, daß auch der der Altersmindestrente der Klägerin gemäß § 32 BEG zugrundeliegende § 28 BEG wenigstens letzten Endes einen wirtschaftlichen Schaden entschädigen will (vgl. Blessin-Ehrig-Wilden, 3. Aufl. Vorbemerkung zu § 28 BEG). Insoweit besteht ebenso eine Verwandtschaft zu § 40 a BVG wie darin, daß die Leistungen nach beiden Vorschriften aus öffentlichen Steuer- bzw. Haushaltsmitteln gezahlt werden.

Nach alledem war die unbegründete Berufung, wie geschehen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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