L 3 U 989/83

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 121/82
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 989/83
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Weg in der Mittagspause zur eigenen Wohnung steht unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung, wenn er vom Verletzten angetreten wird, um eine am Arbeitsplatz zerrissene Arbeitshose zu Hause gegen eine Ersatzhose auszutauschen.
I. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. August 1983 sowie der Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 1982 aufgehoben und diese verurteilt, dem Kläger wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 15. September 1975 die gesetzliche Unfallentschädigung zu gewähren.

II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten.

III. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darum, ob die Beklagte verpflichtet ist, dem Kläger die Folgen eines Verkehrsunfalls vom 15. September 1975 als Arbeitsunfall zu entschädigen.

Unter dem 19. September und 2. Oktober 1975 zeigte die Firma F. u. W. in der Beklagten an, daß der bei ihr als Dreher beschäftigte und im Jahre 1952 geborene Kläger während der Mittagspause nach Verlassen des Betriebsgeländes auf der M. Str. gegen 12.10 Uhr mit einem Motorrad verunglückt sei. Dazu teilte Prof. Dr. (St. Vinzenz-Krankenkaus ) im Durchgangsarztbericht vom 15. September 1975 mit, daß der in wohnende Kläger eine schwere Beckenquetschung mit Symphysenruptur, große Quetschplatzwunde über dem Skrotum mit Durchtrennung der Muskulatur um die Symphyse, eine Oberschenkelfraktur rechts, ein offenes Kniegelenk links mit Trümmerfraktur der linken Tibia sowie eine Quetschung des rechten Unterschenkels mit Fersenbein- und einen Wadenbeinbruch erlitten habe. Die Beklagte zog die Akten des Amtsgerichtes (8 Ds 317/75) des gegen den Kläger gerichteten Strafverfahrens bei und hörte den am Unfall beteiligten Arbeitskollegen und Zeugen J. M. (M.) durch ihre Bediensteten. M. erklärte, daß der Kläger ihn zu seiner Wohnung habe fahren wollen, um vergessene Arbeitspapiere für den Arbeitgeber zu holen. Das Mittagessen sei zuvor im Betrieb schon eingenommen gewesen. Das Verwaltungsverfahren endete hierauf ohne förmlichen Abschluß. Im Februar 1982 wandte der Kläger sich an die Beklagte und fragte an, wann ihm ein Bescheid erteilt werde. Es habe sich bei dem Verkehrsunfall um einen Arbeitsunfall gehandelt, da er sich zur Unfallzeit auf dem Wege zu seiner Wohnung befunden habe, um eine während der Arbeit eingerissene Arbeitshose zu ersetzen. Der Zeuge M. sei von ihm bei dieser Gelegenheit lediglich mitgenommen worden, um ihm die Möglichkeit zu geben, vergessene Arbeitspapiere aus seiner Wohnung zu holen. Mit dem angefochtenen Bescheid vom 2. Juli 1982 lehnte die Beklagte die Gewährung der Unfallentschädigung ab, da sich der Kläger nicht auf einem versicherten Wege von der Arbeitsstelle nach Hause befunden habe. Er habe vielmehr den Zeugen M. zu dessen Wohnung fahren wollen, damit dieser vergessene Arbeitspapiere habe holen können. Die jetzt gemachten Angaben, daß der Kläger zu Hause eine zerrissene Arbeitshose habe wechseln wollen, sei eine unbewiesene Zweckbehauptung.

Im Verfahren des ersten Rechtszuges hat das Sozialgericht Darmstadt (SG) zunächst im Wege der Rechtshilfe den Zeugen M. durch das Sozialgericht Dortmund am 14. März 1983 vernehmen lassen. Dieser hat im wesentlichen bekundet, daß er nicht mehr wisse, ob er am Unfalltag davon gewußt habe, daß der Kläger zwecks Auswechselns einer zerrissenen Arbeitshose habe nach Hause fahren wollen. Von der beabsichtigten Heimfahrt habe er am Arbeitsplatz oder beim Mittagessen erfahren. Diese Gelegenheit habe er zum Holen seiner Arbeitspapiere nutzen wollen. Sodann hat das SG mit Urteil vom 23. August 1983 die Klage aus den Gründen des angefochtenen Bescheides abgewiesen. Wegen der Einzelheiten wird auf das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.

Gegen dieses ihm am 31. August 1983 zugestellte Urteil hat der Kläger schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 9. September 1983 Berufung eingelegt.

Es sind im Berufungsverfahren die Auskünfte der Firma vom 12. März 1984 und des Prof. Dr. K. vom 13. März 1984 eingeholt worden. Danach war die Verschmutzung bei der Arbeit des Klägers im Betrieb der Firma vergleichsweise gering. Sie fiel an durch Kühlwasserspritzer, Schmieröle, Späne und ähnliche Dinge. Zur Verrichtung der Arbeit sei Arbeitskleidung notwendig, aber nicht ein besonderer Arbeitsanzug. Eine einheitliche Arbeitskleidung sei im Betrieb weder vorgeschrieben noch sonst üblich. Ältere Arbeitnehmer trügen in der Regel den klassischen "Blaumann”, während jüngere Jeans bevorzugten. Ohne Arbeitskleidung hätte der Kläger seine Arbeit nicht verrichten können, da Öl und Kühlwasserflecken nur sehr schwer zu entfernen seien. Prof. Dr. K. hat mitgeteilt, daß nach den noch vorhandenen Unterlagen lediglich gesagt werden könne, daß die Unfallfolgen wenigstens vorübergehend eine Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von über 20 v.H. hervorgerufen haben. Außerdem sind der Kläger persönlich und als Zeugen G. L. (L.), J. E. (E.) und W. F. H. (H.) gehört worden. Während der Kläger sein Vorbringen wiederholt, bekundeten die Zeugen E. und H., daß sie bei ihm eine zerrissene Hose, die er bei der Arbeit trug, gesehen hatten. Wegen der Einzelheiten wird auf die Sitzungsniederschrift vom 6. Juni 1984 und ihre Anlagen verwiesen.

Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 23. August 1983 sowie den Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 1982 aufzuheben und diese zu verurteilen, ihm wegen der Folgen des Verkehrsunfalls vom 15. September 1975 die gesetzliche Unfallentschädigung zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht außerdem geltend, daß in der Rechtsprechung der Sozialgerichtsbarkeit das Holen eines Arbeitsanzuges nicht als versichert angesehen werde.

Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten sowie die Akten des Versorgungsamtes D. (Az.: xxxxx), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren, verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die mangels Ausschließungsgründen statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143, 144, 145, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).

Sie ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufrechterhalten werden, da das SG diese zu Unrecht abgewiesen hat. Der Bescheid der Beklagten vom 2. Juli 1982 ist rechtswidrig. Der Kläger hat wegen der Folgen des Verkehrsunfalls vom 15. September 1975 Anspruch auf Gewährung der gesetzlichen Unfallentschädigung, da er sich bei der Unfallfahrt auf einem versicherten Weg von der Arbeitsstelle zu seiner Wohnung befand (§ 550 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung – RVO –).

Nach dem Gang des Verwaltungsverfahrens, den Ermittlungen des Sozialgerichts und dem Ergebnis der Beweisaufnahme im Berufungsverfahren legt der Senat folgenden, erwiesenen Sachverhalt seiner rechtlichen Beurteilung zugrunde: Der bei der Firma als Dreher beschäftigte Kläger wohnte am Unfalltag in und hatte mit dem Motorrad von dort aus über die Bundesstraße 515 auf dem direkten Weg den Unfallbetrieb aufgesucht. Die Bundesstraße 515 wird zunächst als , sodann in als Hauptstraße und im Ortsteil als bezeichnet. Die Wohnung des Zeugen M. befand sich seinerzeit in. Es handelt sich um eine Parallelstraße zur Hauptstraße. Sie liegt zwischen der damaligen Wohnung des Klägers und dem Unfallbetrieb. Ferner ergibt sich aufgrund der Angaben der Firma und des Zeugen M. im Verwaltungs- und Streitverfahren sowie den beigezogenen Strafakten des Amtsgerichtes , daß der Kläger nach Beginn der Mittagspause ab 12.00 Uhr und nach Einnahme des Mittagessens gegen 12.10 Uhr mit seinem Motorrad den Betrieb in der verlassen hatte und nach rechts in die in Richtung und eingebogen war. Bei diesem Manöver kam es zu dem Verkehrsunfall mit schweren Verletzungen des Klägers, wie sie im Durchgangsarztbericht des Prof. Dr. K. beschrieben sind. Der Zeuge M. befand sich auf dem Soziussitz, nach den glaubhaften Angaben des Klägers sowie der Zeugen E. und H. war die Unfallfahrt in der Mittagspause nach Einnahme des Essens von dem Kläger angetreten worden, um aus seiner Wohnung die zweite, noch unbeschädigte grüne Arbeitshose zu holen, da die erste bei der Arbeit zerrissen und nicht mehr brauchbar war. Gelegentlich der Rückfahrt sollten noch die Arbeitspapiere des Zeugen M. aus dessen Wohnung geholt werden. Entgegen der Auffassung der Beklagten handelt es sich bei diesem Vorbringen des Klägers nicht um eine nachträgliche, unbewiesene Zweckbehauptung. Ihr ist zwar zuzugeben, daß in aller Regel die Erstangaben des Verletzen oder von sonst Beteiligten in zeitlicher Nähe zum Unfallgeschehen eher geeignet sind, den tatsächlichen Sachverhalt zutreffend wiederzugeben (vgl. BSG, Urteil vom 14. März 1958 – 2 RU 126/56 –; Beschluss vom 22. Mai 1959 – 5 RKn 51/58 –; HLSG, Urteil vom 29. Juni 1977 – J 3/U – 375/77 –). Die besonderen Umstände des hiesigen Falles lassen aber den Senat nicht daran zweifeln, daß die späten Angaben des Klägers zum Grund der Unfallfahrt richtig sind. Er selbst konnte nach dem Unfall nicht befragt werden und hatte zunächst kein Erinnerungsvermögen, wie die von der Beklagten beigezogenen Arztberichte des Dr. H. und des Prof. Dr. K. vom 15. und 25. September sowie vom 1. Oktober 1975 ergaben. Der Zeuge L. hat bestätigt, daß bei dem Kläger, der im übrigen von der Beklagten niemals selbst, gehört worden ist, erst ab Dezember 1975 das Erinnerungsvermögen allmählich zurückkehrte. Die Angaben des Zeugen M., daß er von dem Kläger während der Mittagspause zu seiner Wohnung gefahren werden sollte, um vergessene Arbeitspapiere zu holen, stehen nicht im Widerspruch zum Vorbringen des Klägers. Es ist nach seinen glaubhaften Einlassungen und den Bekundungen der Zeugen H. und E. erwiesen, daß der Kläger in erster Linie wegen der zerrissenen Arbeitslose seine zweite aus seiner Wohnung holen wollte und nur gelegentlich der Rückfahrt bei der Wohnung des Zeugen M. angehalten werden sollte. Damit aber stellte sich die Fahrt des Klägers vom Unfallbetrieb zur Wohnung als ein Weg zwischen der Arbeitsstätte und seiner Wohnung dar, so daß er gemäß § 550 Abs. 1 RVO unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung gestanden hat.

Die Beklagte verneint den Versicherungsschutz allerdings auch deswegen, weil das Abholen eines Arbeitsanzuges grundsätzlich dem privaten und somit unversicherten Bereich zuzurechnen sei. Damit kann sie jedoch keinen Erfolg haben. Zunächst ist es nach des Rechtsprechung des Bundessozialgerichts, der sich der Senat angeschlossen hat (vgl. HLSG, Urteil vom 6. Juni 1984 – L-3/U – 83/84), anerkannt, daß der Versicherungsschutz nach § 550 Abs. 1 RVO nicht auf täglich nur einen einzigen Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit beschränkt ist, sofern jeder dieser mehrfachen Wege an einem Tag mit der versicherten Tätigkeit in einem ursächlichen Zusammenhang steht. Dies ist z.B. dann der Fall, wenn während der Arbeitspause die Mahlzeit zu Hause eingenommen oder eine längere Zeit zwischen zwei Arbeitsschichten überbrückt werden soll oder von dem Ort der Tätigkeit zurückgekehrt und der Weg dorthin erneut zurückgelegt werden muß, um den für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit erforderlichen Spindschlüssel, eine Brille, eine Zahnprothese oder eine Kochjacke zu holen (vgl. BSG, Urteil vom 29. Februar 1984 – 2 RU 73/82 – m.w.N.). So liegt hier aber der Fall, auch wenn die Beklagte meint, den Versicherungsschutz im Hinblick auf eine Entscheidung des Bundessozialgerichts vom 16. April 1957 (2 RU 196/55 in Breithaupt 1957, 902) verneinen zu können. In dieser Entscheidung hat das BSG zwar ausgeführt, daß ein auf dem Wege zur Beschaffung von Arbeitskleidung erlittener Arbeitsunfall nur in Ausnahmefällen im Interesse des Betriebs liege und Unfallversicherungsschutz genieße. Die Arbeitskleidung gehöre wie die sonstige Kleidung zu den privaten Besitz- und Gebrauchsgegenständen und sei kein Arbeitsgerät (§ 549 RVO). Das Tragen einer solchen Kleidung diene nicht wesentlich dem Betrieb, sondern der Schonung der Alltagskleidung des Beschäftigten. Unter normalen Verhältnissen wäre auch das Tragen und dementsprechend die Beschaffung eines Arbeitskittels, wie er für die Tätigkeit eines Maschinenarbeiters in Betracht käme, nicht als eine Angelegenheit des Betriebes, sondern des privaten Lebens des Versicherten anzusehen. Von dieser Rechtsprechung ist aber, worauf Wolber in Die Sozialisierung 1973, S. 6 f., hingewiesen hat und was die Beklagte verkennt, das BSG abgewichen. Es hat in seinem Urteil vom 3. Januar 1969 (2 RU 201/67 in Breithaupt 1969, S. 835) das Beschaffen von weißen Arbeitskitteln, die in einem Einzelhandelsgeschäft von der Verkäuferin getragen werden, als eine versicherte Tätigkeit angesehen und auf die Üblichkeit des Tragens von weißen Kitteln in einem Lebensmittelgeschäft abgestellt. Wolber geht einen Schritt weiter und nimmt den versicherten Weg im Sinne von § 548 RVO an, wenn es sich um das Beschaffen von typischer Berufskleidung handelt, z.B. Monteuranzügen o.ä. Insoweit hat das Landessozialgericht Baden-Württemberg in seinem Urteil vom 18. Mai 1956 (II Ua 3328/54) den Versicherungsschutz nach § 543 RVO a.F. (= § 550 Abs. 1 RVO) dann als gegeben angesehen, wenn das Tragen der Arbeitskleidung auch dazu dient, Unfälle zu verhüten. Im entschiedenen Fall hatte der Versicherte seinen Schlüssel zum Spind, in dem sich der Arbeitsanzug befand, vergessen und war nochmals nach Hause gefahren, um diesen zu holen. Bei dieser Fahrt war er verunglückt. Dieses Urteil ist von dem BSG am 29. Januar 1959 (2 RU 198/56 in Breithaupt 1959, 620) bestätigt worden. In ihm findet sich allerdings wieder die Sentenz, daß das Tragen allgemeiner Arbeitskleidung in der Regel nicht wesentlich dem Betrieb diene, sondern der Schonung der Alltagskleidung des Beschäftigten, so daß auch ihre Verwahrung nicht ohne weiteres mit der Betriebstätigkeit des Beschäftigten zusammenhängt. Es führt dann allerdings weiter aus: War es aber gleichwohl in dem Unternehmen allgemein üblich, am Arbeitsplatz in Arbeitskleidung zu erscheinen, so sei erklärlich, daß der Kläger diesem Umstand auch am Unfalltag habe Rechnung tragen und sich deshalb nach vorheriger Beschaffung des vergessenen Spindschlüssels auf der Arbeitsstätte noch habe umkleiden wollen. Unter diesem Gesichtspunkt ist der Versicherungsschutz im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO bejaht worden. Ferner hat das BSG in weiteren Entscheidungen das Besorgen einer Strickjacke (Urteil vom 28. Oktober 1966 – 2 RU 234/63 – unveröffentlicht) und einer Weste (Urteil vom 30. Juni 1961 – 2 RU 204/58 – in SozR Nr. 39 zu § 542 RVO a.F.) als versichert angesehen, weil die Strickjacke und auch die Weste wegen der Witterungsverhältnisse bei Ausübung der Tätigkeit notwendig waren. Das Bayrische Landessozialgericht hat mit Urteil vom 12. Mai 1966 (L-2/U – 258/65 in Breithaupt 1966, 906) es als versichert angesehen, daß ein Landwirt in seiner Schlafkammer eine völlig verschmutzte Arbeitshose gegen eine saubere eintauschen wollte, um danach die Arbeiten fortzusetzen. Auch Brackmann bejaht den Versicherungsschutz beim Wechseln der bei der Arbeit verwendeten Arbeitskleidung, wenn hierfür betriebliche Gründe maßgebend sind (vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, Band II, S. 481, 481 a).

Der hiesige Sachverhalt ist den Fallgestaltungen dieser Entscheidungen vergleichbar. Aufgrund der Auskunft der Firma vom 12. März 1984 und der Angaben des Zeugen H. steht fest, daß zum Schlitze gegen Verschmutzung von Arbeitnehmern andere Kleidung und nicht die Alltagskleidung getragen wurde. Ältere Arbeitnehmer bedienten sich des sogenannten Blaumanns, während jüngere Jeans bevorzugten. Der Kläger hatte zwei grüne Hosen zur Verfügung, die er wöchentlich wechselte. Für das Auswechseln der Arbeitshose am Unfalltag waren auch betriebliche Gründe maßgebend. Die Weiterarbeit mit der zerrissenen Hose war dem Kläger, wie er glaubhaft versichert hat, nicht zuzumuten. Neben dem berechtigten Schamgefühl bestand eine erhöhte Unfallgefahr. Der Kläger fürchtete Verletzungen durch Späne. Darüber hinaus bestand die Gefahr der Verschmutzung, wie die Firma Lohmann mitgeteilt hat, Hinzu kommt, daß die Arbeitskollegen ihn mit dieser zerrissenen Hose auslachten und hänselten, wie die Zeugen E., und H. bekundeten. Hierdurch war die Gefahr der Störung des Betriebsfriedens gegeben. Daß hieran ein Unternehmer kein Interesse hat, ist offenkundig und bedarf keiner näheren Begründung. Der Senat konnte sich auf den Erlaß eines Grundurteils beschränken, da von der Beklagten Mindestleistungen zu erbringen sein werden (§ 130 SGG; BSG, Urteile vom 1. Dezember 1960 – 5 RKn 69/59 – in SozR Nr. 3 zu § 130 SGG; 28. Februar 1961 – 2 RU 155/60 – in SozR Nr. 4 zu § 130 SGG; 31. Januar 1969 – 2 RU 201/67 – in Breithaupt 1969, 835). Der Kläger hat schwere Verletzungen erlitten, die nach den Feststellungen im Schwerbehindertenverfahren einen erheblichen Grad der MdE um wenigstens 20 v.H. bedingen. Es handelt sich dabei nicht nur um eine vorübergehende Schädigung, wie Prof. Dr. K. ausgeführt hat. Im einzelnen ist auf die Akten des Versorgungsamtes D. zu verweisen.

Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
Saved