Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 65/82
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 912/82
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Das Bereitstellen von Kleinmöbeln für die Sperrmühlabfuhr begründet keinen UV-Schutz, und zwar auch dann nicht, wenn der Hauseigentümer dadurch Wohnraum freimacht, um diesen später im Rahmen des öffentlich geförderten oder steuerbegünstigten Wohnungsbaus zu erweitern.
I. Auf die Berufung des Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 1982 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Kosten in Höhe von 5.174,34 DM zu erstatten, die sie für den bei ihr gegen Krankheit versicherten Beigeladenen wegen einer Kniescheibenfraktur rechts hat aufwenden müssen (§ 1504 der Reichsversicherungsordnung – RVO –).
Der im Jahre 1948 geborene Beigeladene zeigte dem Beklagten am 21. März 1980 förmlich an, daß er am 31. Januar 1980 in seinem damals leerstehenden Wohnhaus in der H. Str. in infolge einer defekten Treppe ins Kellergeschoß gestürzt sei und sich die rechte Kniescheibe gebrochen habe. Am 20. Januar 1981 schriftlich und beim Ordnungsamt der Gemeinde am 10. Februar 1981 mündlich gab der Beigeladene außerdem an, daß er beabsichtigt habe, in dem 1921 errichteten Wohnhaus durch Aufstockung weiteren Wohnraum zu schaffen. Die Arbeiten seien im September 1980 begonnen worden und würden Ende 1982 beendet werden. Am Unfalltag habe er einige ältere kleinere Möbelstücke, die ihm vom letzten Mieter übergeben worden seien, über die Treppe vom Obergeschoß zum Erdgeschoß getragen, um sie für die nächste Speermüllabfuhr bereit zu stellen. Dabei sei es zum Unfall gekommen. Die Klägerin legte dazu den Anerkennungsbescheid gemäß § 82 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WOBauG) vom 1. Oktober 1980 vor, mit dem diese den Ausbau durch den Beigeladenen als steuerbegünstigt anerkannte. Ferner begehrte sie die Erstattung der Kosten, die sie für den Beigeladenen habe aufwenden müssen. Der Beklagte lehnte dies unter dem 16. Juni 1981 ab, da das Bereitstellen von Möbelstücken aus dem Obergeschoß für die Sperrmüllabfuhr in keinem ursächlichen Zusammenhang mit steuerbegünstigten Selbsthilfearbeiten stehe. Die geplanten Aufstockungsarbeiten seien vom Kreisbauamt H. erst im August 1980 genehmigt worden. Das Entrümpeln hätte auch ohne die Umbauten erfolgen müssen, sollte das Obergeschoß genutzt werden.
Der am 24. Juni 1981 erhobenen Zahlungsklage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) durch Urteil vom 6. Juli 1982 stattgegeben, da der Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten gehabt habe. Daß die eigentliche Umbaumaßnahme erst später begonnen und nach dem II. WOBauG als steuerbegünstigt anerkannt worden seien, stehe dem Versicherungsschutz nicht entgegen. Das Bereitstellen von Möbelstücken für die Sperrmüllabfuhr stehe in engem Zusammenhang mit den geplanten Aufstockungsarbeiten. Vor deren Beginn hätten diese zunächst beseitigt werden müssen. Wegen der Einzelheiten wird auf das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses ihm am 19. August 1982 zugestellte Urteil hat der Beklagte schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 30. August 1982 Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren sind zunächst die Auskünfte der Handwerkskammer Rhein-Main (D.) und der Industrie- und Handelskammer D. vom 21. Dezember 1982 und 7. Februar 1983 eingeholt worden. Beide haben darauf hingewiesen, daß in einschlägigen DIN-Vorschriften oder im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe bzw. nach der Verdingsordnung für Bauleistungen das Verbringen von Möbeln aus einem Obergeschoß in das Erdgeschoß nicht als Nebenleistungen bezeichnet ist, dieses aber nach berufsständischer Sicht in den Bereich des Bau- oder Baunebengewerbes gehöre. Wegen der Einzelheiten wird auf die erteilten Auskünfte verwiesen.
Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Entfernung von Kleinmöbeln regelmäßig nicht zu den vom Bauhaupt- und/oder Baunebengewerbe zu erbringenden Leistungen gehöre. Das Freimachen der umzubauenden Räume könne jedenfalls dann nicht zu den versicherten Selbsthilfearbeiten gerechnet werden, wenn noch kein endgültiger Bauplan vorliege. Ein nur möglicher loser Zusammenhang zu versicherten Selbsthilfearbeiten im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO genüge nicht für die Bejahung des Unfallversicherungsschutzes.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich auf die erteilten Auskünfte der Handwerkskammer Rhein-Main und der Industrie- und Handelskammer D. Der Beigeladene beteiligt sich am Verfahren nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die mangels Ausschließungsgründen statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143 ff., 149, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Die Berufung ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage (§ 54 Abs. 5 SGG) ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufrechterhalten werden, da das SG den Beklagten zu Unrecht zur Zahlung des geltend gemachten Erstattungsanspruches in Höhe von 5.174,34 DM verurteilt hat. Der Klägerin steht kein Erstattungsanspruch (§ 1504 Abs. 1 RVO) zu, da der Bruch der rechten Kniescheibe des Beigeladenen am 31. Januar 1980 nicht die Folge eines Arbeitsunfalles (§ 548 Abs. 1 RVO) ist. Er gehörte, als er am Unfalltag Kleinmöbel für die Sperrmüllabfuhr bereitstellte, nicht zum gegen Arbeitsunfall versicherten Personenkreis (§ 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO).
Aufgrund, der glaubhaften Angeben des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren sieht es der Senat als erwiesen, daß dieser bereits im Januar 1980 beabsichtigte, das ihm überlassene Einfamilienhaus aus dem Jahre 1921 durch Aufstockung zu erweitern. Dazu wurde im Mai 1980 Antrag auf Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung im Sinne des II. WOBauG gestellt, dem die Gemeinde unter dem 1. Oktober 1980 stattgab. Mit der Ausführung von Bauarbeiten wurde im September 1980 begonnen. Am Unfalltag befand sich die Erweiterung und Aufstockung des bestehenden Hauses noch im Stadium der Planung. Der Beigeladene brachte einige, vom letzten Mieter zurückgelassene kleinere Möbelstücke vom Obergeschoß ins Erdgeschoß, wo er sie für die nächste Sperrmüllabfuhr bereitstellte. Dabei kam es zu dem Unfall mit dem Bruch der rechten Kniescheibe. Dieser erwiesene Sachverhalt wird von den Beteiligten im übrigen nicht in Zweifel gezogen.
Zwar hat das SG zu Recht entschieden, daß es für die Bejahung des Unfallversicherungsschutzes nicht erforderlich ist, daß zum Zeitpunkt der Selbsthilfearbeiten der Anerkennungsbescheid nach dem II. WOBauG bereits erteilt ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.6.1968 – 2 RU 294/67 in E 28, 134). Auch können Personen bei Ausführung von nicht im Finanzierungs- und Bauplan aufgeführten Arbeiten vor dem eigentlichen Baubeginn (sog. vorausgehende Tätigkeiten) dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterstehen (§ 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO), wenn diese als sachgemäße Ergänzung zu bewerten und so in ursächlichem Zusammenhang mit den dem öffentlich geförderten oder steuerbegünstigten Wohnungsbau zu sehen sind. Das sind in der Regel Arbeitsleistungen, die der Durchführung des Bauvorhabens unmittelbar dienen (vgl. BSG, Urteil vom 27.6.1968 – 2 RU 212/69 in E 28, 122; 29.2.1972 – 2 RU 159/69 in E 34, 82; 30.1.1975 – 2 RU 236/72 – in USK 7503; 8.9.1977 – 2 RU 20/77 – in USK 77 159; 26.3.1980 – 2 RU 13/78 –). Dazu gehören auch alle Arbeiten des Bau- und Baunebengewerbes (vgl. auch Schöppner, Die Gemeindeunfallversicherung, 1963, S. 89; Vollmar, Die Sozialversicherung, 1967, S. 280, 283). Hinzugerechnet werden können auch Vorbereitungs- und Aufräumungsarbeiten, soweit sie üblicherweise von Bauhandwerkern oder deren Hilfskräften ausgeführt werden. Dazu zählen beispielsweise die Herrichtung des Baugeländes (Entfernen einer Hecke, eines Zaunes, eines Baumes), das Aufstellen oder Abbrechen von Gerüsten oder Heranführen von Wasser und Strom, das Abfahren des Bauschuttes, das Wegschaffen von Tapetenresten (Schöppner, a.a.O.). Nichts anderes aber besagen auch die Auskünfte der Handwerkskammer Rhein-Main und der Industrie- und Handelskammer D. wenn sie darauf abheben, daß das Entfernen von Möbeln als versicherte Vorbereitungsarbeiten denn anzusehen ist, wenn es vertraglich vereinbart ist oder bei fehlender Vereinbarung zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich wird. Entgegen der Ansicht des SG und der Klägerin handelte es sich hier aber nicht um solche, dem Versicherungsschutz unterliegende vorausgehende Arbeiten einer Selbsthilfetätigkeit im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO. Der Senat stellt dabei nicht auf den zeitlichen, sondern rechtlich-wesentlichen inneren Zusammenhang ab. Der Transport von zurückgelassenen Kleinmöbeln von einem Geschoß ins andere, um sie dort für die nächste Sperrmüllabfuhr bereitzustellen, ist nicht charakteristisch für die von dem Bauhaupt- oder Baunebengewerbe zu verrichtenden Arbeiten. Es handelt sich vielmehr um das private Aufräumen des zu renovierenden oder auszubauenden Teilbereichs eines Einfamilienhauses, wie es z.B. in allen Haushaltungen erforderlich ist, sollen Schönheitsreparaturen ausgeführt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie hier, dazu keine besonderen Maßnahmen notwendig sind. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn es sich um mit dem Hause, nämlich an Wänden, Decken oder Böden festverbundene Gegenstände (z.B. Einbaumöbel oder ähnliches) gehandelt haben würde (vgl. Schöppner und Vollmar a.a.O.), kann vorliegend wegen des Fehlens einer solchen Fallgestaltung offenbleiben. Das Bereitstellen von Kleinmöbeln für den Sperrmüll, so wie es hier geschehen ist, ist ebenso wie Reinigungsarbeiten in der Wohnung, der Möbeltransport, das Aufstellen von Möbelstücken, das Legen von Teppichen, das Aufräumen eines Dachbodens vor Aufnahme von Dacharbeiten und das Abnehmen oder Wiederaufhängen von Gardinen vor oder nach Malerarbeiten (vgl. Schöppner und Vollmar a.a.O.) der privaten Haushaltung des Beigeladenen zuzurechnen und daher unversichert. Der Beklagte hat den fehlenden rechtlich-wesentlichen Zusammenhang im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Regelung des § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO mit seinem Bemerken im Schreiben vom 16. Juni 1981 dadurch augenfällig gemacht, daß die zurückgelassenen Möbelstücke auch bei einer Nutzung vor dem Umbau mittels Entrümpelungsaktion hätten entfernt werden müssen. Daß der Gesetzgeber solche Tätigkeiten nicht unter den Versicherungsschutz stellen wollte, folgt auch aus § 539 Abs. 1 Nr. 15 Satz 2 RVO, wonach der Selbsthilfe bei dem Bau auch Tätigkeiten bei der Aufschließung und Kultivierung des Geländes, der Herrichtung der Wirtschaftsanlagen und der Herstellung von Gemeinschaftsanlagen gleichgestellt sind. In Betracht kommen z.B. der Bau einer Kläranlage, einer Trafo-Station oder eines Waschhauses, das Anlegen von Versorgungs- und Kanalisationsleitungen, Arbeiten an Brunnen- und Wasserversorgungsanlagen sowie Zufahrtswegen, Dämmen und Einfriedungen (Schöppner und Vollmar, a.a.O.). Erkennbar sollte über die Bautätigkeit am zu errichtenden oder erweiternden Bauobjekt selbst im o.g. Sinne hinaus diese Art von Arbeiten in den Schutzbereich einbezogen werden. Eine solche Erweiterung wäre nicht nötig gewesen, würde die Auffassung des SG und der Klägerin zutreffen, daß die Entrümpelung im Hinblick auf die später beabsichtigte Aufstockung nützlich gewesen sei. So gesehen, wären alle, auch nur ganz lose Maßnahmen, die auf einen Selbsthilfebau zu späterer Zeit Einfluß haben könnten, versicherungsrechtlich geschützt. Dies würde aber den Einstieg in eine vom Gesetzgeber nicht gewollte allgemeine Volksversicherung bedeuten.
Die Kostenentscheidung war im Hinblick auf die Regelung aus § 193 Abs. 4 SGG aufzuheben, wonach unabhängig vom Ausgang des Verfahrens die Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig sind Dies gilt auch für das Berufungsverfahren.
Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 160 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darum, ob der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin Kosten in Höhe von 5.174,34 DM zu erstatten, die sie für den bei ihr gegen Krankheit versicherten Beigeladenen wegen einer Kniescheibenfraktur rechts hat aufwenden müssen (§ 1504 der Reichsversicherungsordnung – RVO –).
Der im Jahre 1948 geborene Beigeladene zeigte dem Beklagten am 21. März 1980 förmlich an, daß er am 31. Januar 1980 in seinem damals leerstehenden Wohnhaus in der H. Str. in infolge einer defekten Treppe ins Kellergeschoß gestürzt sei und sich die rechte Kniescheibe gebrochen habe. Am 20. Januar 1981 schriftlich und beim Ordnungsamt der Gemeinde am 10. Februar 1981 mündlich gab der Beigeladene außerdem an, daß er beabsichtigt habe, in dem 1921 errichteten Wohnhaus durch Aufstockung weiteren Wohnraum zu schaffen. Die Arbeiten seien im September 1980 begonnen worden und würden Ende 1982 beendet werden. Am Unfalltag habe er einige ältere kleinere Möbelstücke, die ihm vom letzten Mieter übergeben worden seien, über die Treppe vom Obergeschoß zum Erdgeschoß getragen, um sie für die nächste Speermüllabfuhr bereit zu stellen. Dabei sei es zum Unfall gekommen. Die Klägerin legte dazu den Anerkennungsbescheid gemäß § 82 des Zweiten Wohnungsbaugesetzes (II. WOBauG) vom 1. Oktober 1980 vor, mit dem diese den Ausbau durch den Beigeladenen als steuerbegünstigt anerkannte. Ferner begehrte sie die Erstattung der Kosten, die sie für den Beigeladenen habe aufwenden müssen. Der Beklagte lehnte dies unter dem 16. Juni 1981 ab, da das Bereitstellen von Möbelstücken aus dem Obergeschoß für die Sperrmüllabfuhr in keinem ursächlichen Zusammenhang mit steuerbegünstigten Selbsthilfearbeiten stehe. Die geplanten Aufstockungsarbeiten seien vom Kreisbauamt H. erst im August 1980 genehmigt worden. Das Entrümpeln hätte auch ohne die Umbauten erfolgen müssen, sollte das Obergeschoß genutzt werden.
Der am 24. Juni 1981 erhobenen Zahlungsklage hat das Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) durch Urteil vom 6. Juli 1982 stattgegeben, da der Beigeladene einen Arbeitsunfall erlitten gehabt habe. Daß die eigentliche Umbaumaßnahme erst später begonnen und nach dem II. WOBauG als steuerbegünstigt anerkannt worden seien, stehe dem Versicherungsschutz nicht entgegen. Das Bereitstellen von Möbelstücken für die Sperrmüllabfuhr stehe in engem Zusammenhang mit den geplanten Aufstockungsarbeiten. Vor deren Beginn hätten diese zunächst beseitigt werden müssen. Wegen der Einzelheiten wird auf das sozialgerichtliche Urteil verwiesen.
Gegen dieses ihm am 19. August 1982 zugestellte Urteil hat der Beklagte schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht (HLSG) am 30. August 1982 Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren sind zunächst die Auskünfte der Handwerkskammer Rhein-Main (D.) und der Industrie- und Handelskammer D. vom 21. Dezember 1982 und 7. Februar 1983 eingeholt worden. Beide haben darauf hingewiesen, daß in einschlägigen DIN-Vorschriften oder im Bundesrahmentarifvertrag für das Baugewerbe bzw. nach der Verdingsordnung für Bauleistungen das Verbringen von Möbeln aus einem Obergeschoß in das Erdgeschoß nicht als Nebenleistungen bezeichnet ist, dieses aber nach berufsständischer Sicht in den Bereich des Bau- oder Baunebengewerbes gehöre. Wegen der Einzelheiten wird auf die erteilten Auskünfte verwiesen.
Der Beklagte vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Entfernung von Kleinmöbeln regelmäßig nicht zu den vom Bauhaupt- und/oder Baunebengewerbe zu erbringenden Leistungen gehöre. Das Freimachen der umzubauenden Räume könne jedenfalls dann nicht zu den versicherten Selbsthilfearbeiten gerechnet werden, wenn noch kein endgültiger Bauplan vorliege. Ein nur möglicher loser Zusammenhang zu versicherten Selbsthilfearbeiten im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO genüge nicht für die Bejahung des Unfallversicherungsschutzes.
Der Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 6. Juli 1982 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und bezieht sich auf die erteilten Auskünfte der Handwerkskammer Rhein-Main und der Industrie- und Handelskammer D. Der Beigeladene beteiligt sich am Verfahren nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die mangels Ausschließungsgründen statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143 ff., 149, 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes – SGG –).
Die Berufung ist auch begründet. Das auf die zulässige Klage (§ 54 Abs. 5 SGG) ergangene sozialgerichtliche Urteil konnte nicht aufrechterhalten werden, da das SG den Beklagten zu Unrecht zur Zahlung des geltend gemachten Erstattungsanspruches in Höhe von 5.174,34 DM verurteilt hat. Der Klägerin steht kein Erstattungsanspruch (§ 1504 Abs. 1 RVO) zu, da der Bruch der rechten Kniescheibe des Beigeladenen am 31. Januar 1980 nicht die Folge eines Arbeitsunfalles (§ 548 Abs. 1 RVO) ist. Er gehörte, als er am Unfalltag Kleinmöbel für die Sperrmüllabfuhr bereitstellte, nicht zum gegen Arbeitsunfall versicherten Personenkreis (§ 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO).
Aufgrund, der glaubhaften Angeben des Beigeladenen im Verwaltungsverfahren sieht es der Senat als erwiesen, daß dieser bereits im Januar 1980 beabsichtigte, das ihm überlassene Einfamilienhaus aus dem Jahre 1921 durch Aufstockung zu erweitern. Dazu wurde im Mai 1980 Antrag auf Anerkennung als steuerbegünstigte Wohnung im Sinne des II. WOBauG gestellt, dem die Gemeinde unter dem 1. Oktober 1980 stattgab. Mit der Ausführung von Bauarbeiten wurde im September 1980 begonnen. Am Unfalltag befand sich die Erweiterung und Aufstockung des bestehenden Hauses noch im Stadium der Planung. Der Beigeladene brachte einige, vom letzten Mieter zurückgelassene kleinere Möbelstücke vom Obergeschoß ins Erdgeschoß, wo er sie für die nächste Sperrmüllabfuhr bereitstellte. Dabei kam es zu dem Unfall mit dem Bruch der rechten Kniescheibe. Dieser erwiesene Sachverhalt wird von den Beteiligten im übrigen nicht in Zweifel gezogen.
Zwar hat das SG zu Recht entschieden, daß es für die Bejahung des Unfallversicherungsschutzes nicht erforderlich ist, daß zum Zeitpunkt der Selbsthilfearbeiten der Anerkennungsbescheid nach dem II. WOBauG bereits erteilt ist (vgl. BSG, Urteil vom 27.6.1968 – 2 RU 294/67 in E 28, 134). Auch können Personen bei Ausführung von nicht im Finanzierungs- und Bauplan aufgeführten Arbeiten vor dem eigentlichen Baubeginn (sog. vorausgehende Tätigkeiten) dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung unterstehen (§ 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO), wenn diese als sachgemäße Ergänzung zu bewerten und so in ursächlichem Zusammenhang mit den dem öffentlich geförderten oder steuerbegünstigten Wohnungsbau zu sehen sind. Das sind in der Regel Arbeitsleistungen, die der Durchführung des Bauvorhabens unmittelbar dienen (vgl. BSG, Urteil vom 27.6.1968 – 2 RU 212/69 in E 28, 122; 29.2.1972 – 2 RU 159/69 in E 34, 82; 30.1.1975 – 2 RU 236/72 – in USK 7503; 8.9.1977 – 2 RU 20/77 – in USK 77 159; 26.3.1980 – 2 RU 13/78 –). Dazu gehören auch alle Arbeiten des Bau- und Baunebengewerbes (vgl. auch Schöppner, Die Gemeindeunfallversicherung, 1963, S. 89; Vollmar, Die Sozialversicherung, 1967, S. 280, 283). Hinzugerechnet werden können auch Vorbereitungs- und Aufräumungsarbeiten, soweit sie üblicherweise von Bauhandwerkern oder deren Hilfskräften ausgeführt werden. Dazu zählen beispielsweise die Herrichtung des Baugeländes (Entfernen einer Hecke, eines Zaunes, eines Baumes), das Aufstellen oder Abbrechen von Gerüsten oder Heranführen von Wasser und Strom, das Abfahren des Bauschuttes, das Wegschaffen von Tapetenresten (Schöppner, a.a.O.). Nichts anderes aber besagen auch die Auskünfte der Handwerkskammer Rhein-Main und der Industrie- und Handelskammer D. wenn sie darauf abheben, daß das Entfernen von Möbeln als versicherte Vorbereitungsarbeiten denn anzusehen ist, wenn es vertraglich vereinbart ist oder bei fehlender Vereinbarung zur Ausführung der vertraglichen Leistung erforderlich wird. Entgegen der Ansicht des SG und der Klägerin handelte es sich hier aber nicht um solche, dem Versicherungsschutz unterliegende vorausgehende Arbeiten einer Selbsthilfetätigkeit im Sinne von § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO. Der Senat stellt dabei nicht auf den zeitlichen, sondern rechtlich-wesentlichen inneren Zusammenhang ab. Der Transport von zurückgelassenen Kleinmöbeln von einem Geschoß ins andere, um sie dort für die nächste Sperrmüllabfuhr bereitzustellen, ist nicht charakteristisch für die von dem Bauhaupt- oder Baunebengewerbe zu verrichtenden Arbeiten. Es handelt sich vielmehr um das private Aufräumen des zu renovierenden oder auszubauenden Teilbereichs eines Einfamilienhauses, wie es z.B. in allen Haushaltungen erforderlich ist, sollen Schönheitsreparaturen ausgeführt werden. Dies gilt jedenfalls dann, wenn, wie hier, dazu keine besonderen Maßnahmen notwendig sind. Ob etwas anderes zu gelten hätte, wenn es sich um mit dem Hause, nämlich an Wänden, Decken oder Böden festverbundene Gegenstände (z.B. Einbaumöbel oder ähnliches) gehandelt haben würde (vgl. Schöppner und Vollmar a.a.O.), kann vorliegend wegen des Fehlens einer solchen Fallgestaltung offenbleiben. Das Bereitstellen von Kleinmöbeln für den Sperrmüll, so wie es hier geschehen ist, ist ebenso wie Reinigungsarbeiten in der Wohnung, der Möbeltransport, das Aufstellen von Möbelstücken, das Legen von Teppichen, das Aufräumen eines Dachbodens vor Aufnahme von Dacharbeiten und das Abnehmen oder Wiederaufhängen von Gardinen vor oder nach Malerarbeiten (vgl. Schöppner und Vollmar a.a.O.) der privaten Haushaltung des Beigeladenen zuzurechnen und daher unversichert. Der Beklagte hat den fehlenden rechtlich-wesentlichen Zusammenhang im Hinblick auf den Sinn und Zweck der Regelung des § 539 Abs. 1 Nr. 15 RVO mit seinem Bemerken im Schreiben vom 16. Juni 1981 dadurch augenfällig gemacht, daß die zurückgelassenen Möbelstücke auch bei einer Nutzung vor dem Umbau mittels Entrümpelungsaktion hätten entfernt werden müssen. Daß der Gesetzgeber solche Tätigkeiten nicht unter den Versicherungsschutz stellen wollte, folgt auch aus § 539 Abs. 1 Nr. 15 Satz 2 RVO, wonach der Selbsthilfe bei dem Bau auch Tätigkeiten bei der Aufschließung und Kultivierung des Geländes, der Herrichtung der Wirtschaftsanlagen und der Herstellung von Gemeinschaftsanlagen gleichgestellt sind. In Betracht kommen z.B. der Bau einer Kläranlage, einer Trafo-Station oder eines Waschhauses, das Anlegen von Versorgungs- und Kanalisationsleitungen, Arbeiten an Brunnen- und Wasserversorgungsanlagen sowie Zufahrtswegen, Dämmen und Einfriedungen (Schöppner und Vollmar, a.a.O.). Erkennbar sollte über die Bautätigkeit am zu errichtenden oder erweiternden Bauobjekt selbst im o.g. Sinne hinaus diese Art von Arbeiten in den Schutzbereich einbezogen werden. Eine solche Erweiterung wäre nicht nötig gewesen, würde die Auffassung des SG und der Klägerin zutreffen, daß die Entrümpelung im Hinblick auf die später beabsichtigte Aufstockung nützlich gewesen sei. So gesehen, wären alle, auch nur ganz lose Maßnahmen, die auf einen Selbsthilfebau zu späterer Zeit Einfluß haben könnten, versicherungsrechtlich geschützt. Dies würde aber den Einstieg in eine vom Gesetzgeber nicht gewollte allgemeine Volksversicherung bedeuten.
Die Kostenentscheidung war im Hinblick auf die Regelung aus § 193 Abs. 4 SGG aufzuheben, wonach unabhängig vom Ausgang des Verfahrens die Aufwendungen der Behörden, der Körperschaften und Anstalten des öffentlichen Rechts nicht erstattungsfähig sind Dies gilt auch für das Berufungsverfahren.
Die Entscheidung über die Zulassung der Revision beruht auf § 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved