Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
SG Düsseldorf (NRW)
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
11
1. Instanz
SG Düsseldorf (NRW)
Aktenzeichen
S 11 R 220/05
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 18 R 166/07
Datum
-
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Klage wird abgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Vorrangig geht es hierbei um die Anerkennung einer Beitragszeit von Februar 1941 bis Juli 1942.
Die am 00.00.1925 in L1/Polen geborene Klägerin ist jüdischer Abstammung. Sie ist als Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt und erhielt unter anderem Entschädigung für Schaden an Freiheit von Dezember 1939 bis März 1943 (Feststellungsbescheid C vom 29.12.1958). Die Klägerin lebt sei 1951 in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.
Am 04.11.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf das ZRBG die Gewährung einer Regelaltersrente. Sie machte dabei Beschäftigungszeiten von Sommer 1941 bis Frühjahr 1943 im Ghetto Krakau als Arbeiterin in der Wäscherei innerhalb des Ghettos geltend. Sie sei entlohnt worden durch Essen und Nahrungsmittel für zu Hause. Diese Arbeit habe sie freiwillig, durch Vermittlung des Judenrates aufgenommen. Bei der Arbeit und auf dem Arbeitsweg habe keine Bewachung stattgefunden. Die Beklagte zog die Entschädigungsakten der Klägerin sowie des Ehemannes der Klägerin, L2, bei. Die Klägerin hatte in ihrem Entschädigungsverfahren angegeben, sich von 1941 bis 1942 im Ghetto Proschewitz aufgehalten zu haben (Fragebogen vom 09.12.1953). Danach sei sie bis März 1943 im Konzentrationslager Plaszow gewesen. Die Zeugin G hatte in ihrer Erklärung vom 14.09.195 im Entschädigungsverfahren der Klägerin angegeben, dass sie sie aus ihrer gemeinsamen Heimatstadt Proschewitz kennen würde. Sie selber sei bereits im Sommer 1940 in das ZAL Plaszow verbracht worden, während die Klägerin damals noch in Proschewitz verblieben sei. Im Sommer 1942 habe sie die die Klägerin dann in Plaszow wieder getroffen. Auch die Zeugin L3 gab im Entschädigungsverfahren der Klägerin am 14.09.1955 an, dass sie die Klägerin im Sommer 1942 im Konzentrationslager Plaszow kennen gelernt habe. Der Zeuge S1 gab in seiner Erklärung vom 10.10.1955 an, dass Anfang 1941 das Ghetto Proschewitz errichtet worden sei und er Säuberungsarbeiten wie auch auf dem Feld Zwangsarbeiten habe verrichten müssen, während die Klägerin Reinigungsarbeiten verrichtet habe. Zur Arbeit seien sie unter Bewachung geführt worden. Der Zeuge S2 gab am 03.05.1955 an, dass die Klägerin ab Anfang 1941 im Ghetto Proschewitz verschiedene Zwangsarbeiten, insbesondere Säuberungs- und Transportarbeiten, habe verrichten müssen, bis sie im Sommer 1942 von Proschewitz abtransportiert worden sei. Die Klägerin selber hatte im Entschädigungsverfahren unter dem 04.04.1955 vorgetragen, dass sie Anfang 1941 in das Ghetto Proschewitz eingewiesen und dort bis Mitte 1942 festgehalten worden sei. Im Ghetto hatte sie ununterbrochen verschiedene schmutzige Zwangsarbeiten leisten müssen. Im Sommer 1942 sei sie in das Konzentrationslager Plaszow gebracht worden.
Mit Bescheid vom 14.02.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach Maßgabe des ZRBG ab. Sie führte zur Begründung aus, dass sich aus den beigezogenen Vorgängen nach dem Bundesentschädigungsgesetz ein anderer Sachverhalt ergebe zu dem, was die Klägerin nun im Rentenverfahren vorgetragen habe. Dort habe die Klägerin nämlich eine Zeit im Ghetto Proschewitz von Anfang 1941 bis Mitte 1942 geltend gemacht. Sie habe dort ununterbrochen verschiedene schmutzige Arbeiten leisten müssen. Der Zeuge S1 habe im Entschädigungsverfahren der Klägerin ausgeführt, dass die Klägerin und er unter Bewachung zur Arbeit geführt worden seien. Da diese früheren Angaben dem jetzigen Sachvortrag entgegenstünden, werde der Antrag nach dem ZRBG wegen mangelnder Glaubhaftmachung abgelehnt.
Die Klägerin erhob dagegen unter dem 17.02.2005 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass sie die Entschädigungsakte eingesehen habe und sich jetzt erinnere, dass sie im Ghetto Proschewitz gewesen sei und nicht im Ghetto Krakau, wie sie fehlerhaft in ihrem ZRBG-Antrag geschrieben habe. Jedenfalls liege Proschewitz sehr nahe bei Krakau. Ihr Gedächtnis sei schon sehr geschwächt und so habe sie den Namen des Ghettos vertauscht. Sie habe ihre Arbeit verrichtet im Ghetto Proschewitz und zwar Säuberungs- und auch Feldarbeiten. Sie sei im Ghetto von Anfang 1941 bis Sommer 1942 gewesen, bis sie dann ins ZAL Plaszow versetzt worden sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin trug darüber hinaus vor, dass die Tätigkeit der Klägerin mit Sachbezügen (zusätzlichem Essen bzw. Lebensmittel, freie Unterkunft, Heizmaterial) entlohnt worden sei. Dem Widerspruch der Klägerin gab die Beklagte nicht statt, sondern wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2005 zurück. Wegen der Gründe wird auf den Inhalt des Bescheides (Blatt 82 bis Blatt 84 der Verwaltungsakte) Bezug genommen.
Die Klägerin hat dagegen am 27.06.2005 Klage erhoben und nun nur noch Beschäftigungszeiten von Februar 1941 bis Juli 1942 im Ghetto Proschewitz geltend gemacht. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass sie zur Entlohnung auch Lebensmittelcoupons und Bargeld erhalten haben könnte. Die Sachbezüge habe sie zur beliebigen Verfügung bekommen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 30.04.2007 ordnungsgemäß vom Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.06.2007 benachrichtigt worden.
Die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht anwesende und nicht vertretene Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.02.2005 in Gestalt des Wi derspruchsbescheides vom 21.06.2005 zu verurteilen, die Tätigkeiten von Februar 1941 bis Juli 1942 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und Regelaltersrente ab 01.07.1997 unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeit als Ersatzzeiten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen in dem Bescheid vom 14.02.2005 und in dem Widerspruchsbescheid vom 21.06.2005. Die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Ghettobeitragszeit lägen im Fall der Klägerin nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Klägerin bei der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder die Klägerin noch ihr Bevollmächtigter am Termin zur mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Der Bevollmächtigte der Klägerin ist in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 110, 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 14.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2005 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld gegenüber der Beklagten nach den §§ 35, 300 Abs. 1 Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) ab dem 01.07.1997. Die für einen Rentenanspruch erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§§ 35 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) ist nicht erfüllt, weil auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten nicht vorliegen. Die von der Klägerin behaupteten Beschäftigungszeiten im Ghetto Proschewitz von Februar 1941 bis Juli 1942 sind nicht als Beitragszeiten zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung dieser Zeiten als sogenannte "Ghettobeitragszeiten" nach den Vorschriften des ZRBG liegen nicht vor.
Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt und werden als "Ghettobeitragszeiten" bei der Anrechnung auf die Wartezeit als Beitragszeiten berücksichtigt. Für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, gilt nach § 1 Abs. 1 das ZRBG, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens handelt es sich bei der von der Klägerin behaupteten Beschäftigung im Ghetto Proschewitz nicht um eine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 ZRBG.
Das für eine (fiktive) Beitragszeit nach dem ZRBG erforderliche Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in einem Ghetto ist nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG), der auch im Rahmen der Vorschriften des ZRBG herangezogen werden kann, und nach dem eine Tatsache dann glaubhaft gemacht worden ist, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. wenn nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände mehr Faktoren für eine Tatsache als gegen diese sprechen.
Nach der insoweit erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände hält die Kammer es zwar für überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum von Februar 1941 bis Juli 1942 im Ghetto Proschewitz aufgehalten hat. Zwar hat die Klägerin zunächst im Rentenverfahren Beschäftigungszeiten im Ghetto Krakau geltend gemacht und erst nach Hinweis der Beklagten im Ablehnungsbescheid vom 14.02.2005, dass die Klägerin im Entschädigungsverfahren angegeben habe, sich in diesem Zeitraum im Ghetto Proschewitz aufgehalten zu haben, sowie nach weiterer Einsichtnahme in die Entschädigungsakten ihren Vortrag dahingehend umgestellt, dass sie Beschäftigungszeiten nun im Ghetto Proschewitz nach dem ZRBG geltend macht. Für einen Aufenthalt im Ghetto Proschewitz sprechen die einheitlichen Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren wie auch die Angaben der Zeugen L3, G, S1 und S2. Diese hatten im Entschädigungsverfahren der Klägerin übereinstimmend einen Aufenthalt von ihr im Ghetto Proschewitz von Anfang 1941 bis jedenfalls Sommer 1942 angegeben. Insoweit ist auch die Kammer davon ausgegangen, wie die Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung vorgetragen hat, dass sie sich zunächst nicht mehr an den Namen des Ghettos zutreffend erinnern konnte.
Ebenso sieht die Kammer es als glaubhaft gemacht an, dass die Klägerin in diesem Zeitraum Arbeiten verrichtet hat. Zweifelhaft ist allerdings, welcher Art diese Tätigkeiten gewesen sind. Insoweit sind bereits die Angaben der Klägerin selbst uneinheitlich. Nach den Angaben im Rentenverfahren bei Rentenantragstellung will sie Tätigkeiten als Arbeiterin in der Wäscherei innerhalb des Ghettos verrichtet haben. Demgegenüber hatte sie zeitnäher im Entschädigungsverfahren angegeben, verschiedentliche schmutzige Zwangsarbeiten leisten zu müssen. Die Zeugen der Klägerin im Entschädigungsverfahren hatten davon gesprochen, dass die Klägerin Reinigungsarbeiten, Säuberungsarbeiten und Transportarbeiten habe verrichten müssen. Von einer Tätigkeit in einer Wäscherei ist im gesamten Entschädigungsverfahren der Klägerin nicht die Rede. Im Widerspruchsverfahren hatte die Klägerin dann auch angegeben, Sauberarbeiten und Feldarbeiten im Ghetto Proschewitz verrichtet zu haben. Von der ursprünglich vorgetragenen Tätigkeit in der Wäscherei innerhalb des Ghettos hat sie in ihrer Erklärung vom 17.03.2005 nichts mehr erwähnt.
Jedenfalls aber hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht, dass es sich bei der von ihr verrichteten Arbeit um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt hat. Auch bei Arbeiten, die unter den allgemeinen Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verrichtet worden sind, ist nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine von den Merkmalen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmte Beschäftigung, die grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt, von nicht versicherungspflichtiger Zwangsarbeit abzugrenzen. Dabei ist das Vorliegen eines (freien) Beschäftigungsverhältnisses danach zu beurteilen, ob die Beschäftigung im Sinne des Arbeitsrechts aufgrund einer zweiseitigen Vereinbarung aufgenommen worden ist und den Austausch wirtschaftlicher Werte (Arbeit gegen Lohn) zum Inhalt gehabt hat. Die Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von Zwangsarbeit genügt dazu nicht. Zwangsarbeit ist in Abgrenzung zur Versicherungspflicht eine Beschäftigung, die von Arbeit unter obrigkeitlichem (hoheitlichem) bzw. gesetzlichen Zwang geprägt ist, wie z. B. bei Strafgefangenen und Kriegsgefangenen oder in Zwangsarbeitslagern. Typisch ist dabei insbesondere die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeiten, ohne dass die Arbeiter selbst hierauf Einfluss haben. Weiter ist charakteristisch für Zwangsarbeit, dass ein Entgelt für die individuell geleistete Arbeit nicht oder nur in geringem Maße an die Arbeiter ausgezahlt wird. Entsprechendes gilt für die Bewachung der Arbeiter während der Arbeit, um zu verhindern, dass diese sich aus dem obrigkeitlichem Gewahrsam entfernen können. Diese Kriterien zeigen, dass eine verrichtete Arbeit sich um so mehr von dem Typus des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses entfernt und dem Typus der Zwangsarbeit annähert, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann. Diese Grundsätze gelten auch für Rentenansprüche, die - wie hier - auf das ZRBG gestützt werden. Mit § 1 Abs. 1 ZRBG, der die Zahlbarmachung einer Rente nur für aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene, gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigungen in einem Ghetto vorsieht, knüpft der Gesetzgeber erkennbar an die von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien zur Abgrenzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu nicht versicherter Zwangsarbeit ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin im Ghetto Proschewitz einer aus einem Willensentschluss zustande gekommenen, entgeltlichen Beschäftigung nachgegangen ist. Die Kammer hat erhebliche Zweifel daran, dass den von ihr dort ausgeübten Arbeiten ein freier Willensentschluss zugrunde gelegen hat. Gegen eine Freiwilligkeit dieser Tätigkeit spricht zum einem, dass der Zeuge S1 im Entschädigungsverfahren der Klägerin angegeben hatte, dass die Klägerin und er zur Arbeit unter Bewachung geführt worden seien. Die Erklärung der Klägerin bei Rentenantragstellung nach dem ZRBG, dass keine Bewachung bei der Arbeit bzw. auf dem Arbeitsweg stattgefunden habe, steht zu der Erklärung im Entschädigungsverfahren im klaren Widerspruch und vermag nicht zu überzeugen. Auch die Erklärung der Klägerin vom 17.03.2005 hat diesbezüglich zu keinem anderen Ergebnis geführt. Dort gab sie ergänzend an, dass sie diese Arbeiten im Entschädigungsverfahren als Zwangsarbeiten beschrieben habe, weil sie sich zwangsweise im Ghetto befunden habe und die Arbeiten als Zwangsarbeit empfunden habe. Auch aus dieser Erklärung lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht entnehmen, dass die Klägerin freiwillig diese Tätigkeiten im Ghetto aufgenommen hat.
Unabhängig von der fehlenden Glaubhaftmachung der Art der verrichteten Tätigkeiten sowie der Freiwilligkeit der behaupteten Arbeit im Ghetto Proschewitz ist ebenfalls zweifelhaft, dass die Klägerin diese gegen Entgelt ausgeübt hat. Insoweit verweist das Gericht nur auf die uneinheitlichen und wechselnden Angaben der Klägerin im Renten- und Klageverfahren zur Entlohnung.
Da somit Beitragszeiten (nach dem ZRBG) nicht anerkannt werden können, können Ersatzzeiten nach § 250 SGB VI ebenfalls keine Berücksichtigung finden, da diese nur "Versicherten" zustehen.
Das Gericht verkennt nicht, dass der Klägerin durch die nationalsozialistische Verfolgung unermessliches Leid zugefügt worden ist. Es gibt jedoch keine gesetzliche Regelung, nach der die Klägerin im Rahmen der deutschen Rentenversicherung für das erlittene Unrecht finanziell entschädigt werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten um die Gewährung einer Regelaltersrente nach dem Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungen in einem Ghetto (ZRBG). Vorrangig geht es hierbei um die Anerkennung einer Beitragszeit von Februar 1941 bis Juli 1942.
Die am 00.00.1925 in L1/Polen geborene Klägerin ist jüdischer Abstammung. Sie ist als Verfolgte im Sinne des Bundesentschädigungsgesetzes (BEG) anerkannt und erhielt unter anderem Entschädigung für Schaden an Freiheit von Dezember 1939 bis März 1943 (Feststellungsbescheid C vom 29.12.1958). Die Klägerin lebt sei 1951 in Israel und besitzt die israelische Staatsangehörigkeit.
Am 04.11.2002 beantragte die Klägerin bei der Beklagten unter Hinweis auf das ZRBG die Gewährung einer Regelaltersrente. Sie machte dabei Beschäftigungszeiten von Sommer 1941 bis Frühjahr 1943 im Ghetto Krakau als Arbeiterin in der Wäscherei innerhalb des Ghettos geltend. Sie sei entlohnt worden durch Essen und Nahrungsmittel für zu Hause. Diese Arbeit habe sie freiwillig, durch Vermittlung des Judenrates aufgenommen. Bei der Arbeit und auf dem Arbeitsweg habe keine Bewachung stattgefunden. Die Beklagte zog die Entschädigungsakten der Klägerin sowie des Ehemannes der Klägerin, L2, bei. Die Klägerin hatte in ihrem Entschädigungsverfahren angegeben, sich von 1941 bis 1942 im Ghetto Proschewitz aufgehalten zu haben (Fragebogen vom 09.12.1953). Danach sei sie bis März 1943 im Konzentrationslager Plaszow gewesen. Die Zeugin G hatte in ihrer Erklärung vom 14.09.195 im Entschädigungsverfahren der Klägerin angegeben, dass sie sie aus ihrer gemeinsamen Heimatstadt Proschewitz kennen würde. Sie selber sei bereits im Sommer 1940 in das ZAL Plaszow verbracht worden, während die Klägerin damals noch in Proschewitz verblieben sei. Im Sommer 1942 habe sie die die Klägerin dann in Plaszow wieder getroffen. Auch die Zeugin L3 gab im Entschädigungsverfahren der Klägerin am 14.09.1955 an, dass sie die Klägerin im Sommer 1942 im Konzentrationslager Plaszow kennen gelernt habe. Der Zeuge S1 gab in seiner Erklärung vom 10.10.1955 an, dass Anfang 1941 das Ghetto Proschewitz errichtet worden sei und er Säuberungsarbeiten wie auch auf dem Feld Zwangsarbeiten habe verrichten müssen, während die Klägerin Reinigungsarbeiten verrichtet habe. Zur Arbeit seien sie unter Bewachung geführt worden. Der Zeuge S2 gab am 03.05.1955 an, dass die Klägerin ab Anfang 1941 im Ghetto Proschewitz verschiedene Zwangsarbeiten, insbesondere Säuberungs- und Transportarbeiten, habe verrichten müssen, bis sie im Sommer 1942 von Proschewitz abtransportiert worden sei. Die Klägerin selber hatte im Entschädigungsverfahren unter dem 04.04.1955 vorgetragen, dass sie Anfang 1941 in das Ghetto Proschewitz eingewiesen und dort bis Mitte 1942 festgehalten worden sei. Im Ghetto hatte sie ununterbrochen verschiedene schmutzige Zwangsarbeiten leisten müssen. Im Sommer 1942 sei sie in das Konzentrationslager Plaszow gebracht worden.
Mit Bescheid vom 14.02.2005 lehnte die Beklagte den Antrag auf Bewilligung einer Regelaltersrente unter Berücksichtigung von Beitragszeiten nach Maßgabe des ZRBG ab. Sie führte zur Begründung aus, dass sich aus den beigezogenen Vorgängen nach dem Bundesentschädigungsgesetz ein anderer Sachverhalt ergebe zu dem, was die Klägerin nun im Rentenverfahren vorgetragen habe. Dort habe die Klägerin nämlich eine Zeit im Ghetto Proschewitz von Anfang 1941 bis Mitte 1942 geltend gemacht. Sie habe dort ununterbrochen verschiedene schmutzige Arbeiten leisten müssen. Der Zeuge S1 habe im Entschädigungsverfahren der Klägerin ausgeführt, dass die Klägerin und er unter Bewachung zur Arbeit geführt worden seien. Da diese früheren Angaben dem jetzigen Sachvortrag entgegenstünden, werde der Antrag nach dem ZRBG wegen mangelnder Glaubhaftmachung abgelehnt.
Die Klägerin erhob dagegen unter dem 17.02.2005 Widerspruch und trug zur Begründung vor, dass sie die Entschädigungsakte eingesehen habe und sich jetzt erinnere, dass sie im Ghetto Proschewitz gewesen sei und nicht im Ghetto Krakau, wie sie fehlerhaft in ihrem ZRBG-Antrag geschrieben habe. Jedenfalls liege Proschewitz sehr nahe bei Krakau. Ihr Gedächtnis sei schon sehr geschwächt und so habe sie den Namen des Ghettos vertauscht. Sie habe ihre Arbeit verrichtet im Ghetto Proschewitz und zwar Säuberungs- und auch Feldarbeiten. Sie sei im Ghetto von Anfang 1941 bis Sommer 1942 gewesen, bis sie dann ins ZAL Plaszow versetzt worden sei. Der Bevollmächtigte der Klägerin trug darüber hinaus vor, dass die Tätigkeit der Klägerin mit Sachbezügen (zusätzlichem Essen bzw. Lebensmittel, freie Unterkunft, Heizmaterial) entlohnt worden sei. Dem Widerspruch der Klägerin gab die Beklagte nicht statt, sondern wies ihn mit Widerspruchsbescheid vom 21.06.2005 zurück. Wegen der Gründe wird auf den Inhalt des Bescheides (Blatt 82 bis Blatt 84 der Verwaltungsakte) Bezug genommen.
Die Klägerin hat dagegen am 27.06.2005 Klage erhoben und nun nur noch Beschäftigungszeiten von Februar 1941 bis Juli 1942 im Ghetto Proschewitz geltend gemacht. Ergänzend hat sie vorgetragen, dass sie zur Entlohnung auch Lebensmittelcoupons und Bargeld erhalten haben könnte. Die Sachbezüge habe sie zur beliebigen Verfügung bekommen.
Der Bevollmächtigte der Klägerin ist ausweislich des Empfangsbekenntnisses vom 30.04.2007 ordnungsgemäß vom Termin zur mündlichen Verhandlung am 18.06.2007 benachrichtigt worden.
Die im Termin zur mündlichen Verhandlung nicht anwesende und nicht vertretene Klägerin beantragt schriftsätzlich sinngemäß,
die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 14.02.2005 in Gestalt des Wi derspruchsbescheides vom 21.06.2005 zu verurteilen, die Tätigkeiten von Februar 1941 bis Juli 1942 als glaubhaft gemachte Beitragszeiten nach dem ZRBG anzuerkennen und Regelaltersrente ab 01.07.1997 unter Berücksichtigung der weiteren Verfolgungszeit als Ersatzzeiten zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Klage abzuweisen.
Sie verweist auf die Ausführungen in dem Bescheid vom 14.02.2005 und in dem Widerspruchsbescheid vom 21.06.2005. Die Voraussetzungen für die Anrechnung einer Ghettobeitragszeit lägen im Fall der Klägerin nicht vor.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf den Inhalt der Gerichts- und der Verwaltungsakte der Klägerin bei der Beklagten verwiesen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.
Entscheidungsgründe:
Die Kammer konnte verhandeln und entscheiden, obwohl weder die Klägerin noch ihr Bevollmächtigter am Termin zur mündlichen Verhandlung teilgenommen haben. Der Bevollmächtigte der Klägerin ist in der ihm ordnungsgemäß zugestellten Terminsmitteilung auf diese verfahrensrechtliche Möglichkeit hingewiesen worden (§§ 110, 126 des Sozialgerichtsgesetzes - SGG -).
Die Klage ist zulässig, jedoch unbegründet.
Die Klägerin ist durch den angefochtenen Bescheid der Beklagten vom 14.02.2005 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 21.06.2005 nicht im Sinne von § 54 Abs. 2 Satz 1 SGG beschwert. Denn diese Bescheide sind rechtmäßig.
Die Klägerin hat keinen Anspruch auf Gewährung von Altersruhegeld gegenüber der Beklagten nach den §§ 35, 300 Abs. 1 Sozialgesetzbuches Sechstes Buch (SGB VI) ab dem 01.07.1997. Die für einen Rentenanspruch erforderliche Wartezeit von 60 Kalendermonaten (§§ 35 Nr. 2, 50 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB VI) ist nicht erfüllt, weil auf die Wartezeit anrechenbare Versicherungszeiten nicht vorliegen. Die von der Klägerin behaupteten Beschäftigungszeiten im Ghetto Proschewitz von Februar 1941 bis Juli 1942 sind nicht als Beitragszeiten zu berücksichtigen. Die Voraussetzungen für die Berücksichtigung dieser Zeiten als sogenannte "Ghettobeitragszeiten" nach den Vorschriften des ZRBG liegen nicht vor.
Nach § 2 Abs. 1 ZRBG gelten für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto Beiträge als gezahlt und werden als "Ghettobeitragszeiten" bei der Anrechnung auf die Wartezeit als Beitragszeiten berücksichtigt. Für Zeiten der Beschäftigung von Verfolgten in einem Ghetto, die sich dort zwangsweise aufgehalten haben, gilt nach § 1 Abs. 1 das ZRBG, wenn die Beschäftigung aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen ist, gegen Entgelt ausgeübt wurde (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1) und das Ghetto sich in einem Gebiet befand, das vom deutschen Reich besetzt oder diesem eingegliedert war (§ 1 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2).
Nach dem Gesamtergebnis des Verfahrens handelt es sich bei der von der Klägerin behaupteten Beschäftigung im Ghetto Proschewitz nicht um eine Beschäftigung in einem Ghetto im Sinne von §§ 1 Abs. 1, 2 Abs. 1 ZRBG.
Das für eine (fiktive) Beitragszeit nach dem ZRBG erforderliche Vorliegen eines Beschäftigungsverhältnisses in einem Ghetto ist nicht nachgewiesen bzw. glaubhaft gemacht im Sinne des § 3 Abs. 1 Satz 2 des Gesetzes zur Regelung der Wiedergutmachung nationalsozialistischen Unrechts in der Sozialversicherung (WGSVG), der auch im Rahmen der Vorschriften des ZRBG herangezogen werden kann, und nach dem eine Tatsache dann glaubhaft gemacht worden ist, wenn ihr Vorliegen nach dem Ergebnis der Ermittlungen, die sich auf sämtliche erreichbare Beweismittel erstrecken sollen, überwiegend wahrscheinlich ist, d. h. wenn nach einer Gesamtwürdigung aller Umstände mehr Faktoren für eine Tatsache als gegen diese sprechen.
Nach der insoweit erforderlichen Gesamtwürdigung aller Umstände hält die Kammer es zwar für überwiegend wahrscheinlich, dass sich die Klägerin in dem streitgegenständlichen Zeitraum von Februar 1941 bis Juli 1942 im Ghetto Proschewitz aufgehalten hat. Zwar hat die Klägerin zunächst im Rentenverfahren Beschäftigungszeiten im Ghetto Krakau geltend gemacht und erst nach Hinweis der Beklagten im Ablehnungsbescheid vom 14.02.2005, dass die Klägerin im Entschädigungsverfahren angegeben habe, sich in diesem Zeitraum im Ghetto Proschewitz aufgehalten zu haben, sowie nach weiterer Einsichtnahme in die Entschädigungsakten ihren Vortrag dahingehend umgestellt, dass sie Beschäftigungszeiten nun im Ghetto Proschewitz nach dem ZRBG geltend macht. Für einen Aufenthalt im Ghetto Proschewitz sprechen die einheitlichen Angaben der Klägerin im Entschädigungsverfahren wie auch die Angaben der Zeugen L3, G, S1 und S2. Diese hatten im Entschädigungsverfahren der Klägerin übereinstimmend einen Aufenthalt von ihr im Ghetto Proschewitz von Anfang 1941 bis jedenfalls Sommer 1942 angegeben. Insoweit ist auch die Kammer davon ausgegangen, wie die Klägerin in ihrer Widerspruchsbegründung vorgetragen hat, dass sie sich zunächst nicht mehr an den Namen des Ghettos zutreffend erinnern konnte.
Ebenso sieht die Kammer es als glaubhaft gemacht an, dass die Klägerin in diesem Zeitraum Arbeiten verrichtet hat. Zweifelhaft ist allerdings, welcher Art diese Tätigkeiten gewesen sind. Insoweit sind bereits die Angaben der Klägerin selbst uneinheitlich. Nach den Angaben im Rentenverfahren bei Rentenantragstellung will sie Tätigkeiten als Arbeiterin in der Wäscherei innerhalb des Ghettos verrichtet haben. Demgegenüber hatte sie zeitnäher im Entschädigungsverfahren angegeben, verschiedentliche schmutzige Zwangsarbeiten leisten zu müssen. Die Zeugen der Klägerin im Entschädigungsverfahren hatten davon gesprochen, dass die Klägerin Reinigungsarbeiten, Säuberungsarbeiten und Transportarbeiten habe verrichten müssen. Von einer Tätigkeit in einer Wäscherei ist im gesamten Entschädigungsverfahren der Klägerin nicht die Rede. Im Widerspruchsverfahren hatte die Klägerin dann auch angegeben, Sauberarbeiten und Feldarbeiten im Ghetto Proschewitz verrichtet zu haben. Von der ursprünglich vorgetragenen Tätigkeit in der Wäscherei innerhalb des Ghettos hat sie in ihrer Erklärung vom 17.03.2005 nichts mehr erwähnt.
Jedenfalls aber hat die Klägerin nicht glaubhaft gemacht, dass es sich bei der von ihr verrichteten Arbeit um ein versicherungspflichtiges Beschäftigungsverhältnis gehandelt hat. Auch bei Arbeiten, die unter den allgemeinen Bedingungen der nationalsozialistischen Gewaltherrschaft verrichtet worden sind, ist nach der Rechtssprechung des Bundessozialgerichts (BSG) eine von den Merkmalen der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit bestimmte Beschäftigung, die grundsätzlich der Versicherungspflicht unterliegt, von nicht versicherungspflichtiger Zwangsarbeit abzugrenzen. Dabei ist das Vorliegen eines (freien) Beschäftigungsverhältnisses danach zu beurteilen, ob die Beschäftigung im Sinne des Arbeitsrechts aufgrund einer zweiseitigen Vereinbarung aufgenommen worden ist und den Austausch wirtschaftlicher Werte (Arbeit gegen Lohn) zum Inhalt gehabt hat. Die Ausübung einer Beschäftigung im Sinne von Zwangsarbeit genügt dazu nicht. Zwangsarbeit ist in Abgrenzung zur Versicherungspflicht eine Beschäftigung, die von Arbeit unter obrigkeitlichem (hoheitlichem) bzw. gesetzlichen Zwang geprägt ist, wie z. B. bei Strafgefangenen und Kriegsgefangenen oder in Zwangsarbeitslagern. Typisch ist dabei insbesondere die obrigkeitliche Zuweisung von Arbeiten, ohne dass die Arbeiter selbst hierauf Einfluss haben. Weiter ist charakteristisch für Zwangsarbeit, dass ein Entgelt für die individuell geleistete Arbeit nicht oder nur in geringem Maße an die Arbeiter ausgezahlt wird. Entsprechendes gilt für die Bewachung der Arbeiter während der Arbeit, um zu verhindern, dass diese sich aus dem obrigkeitlichem Gewahrsam entfernen können. Diese Kriterien zeigen, dass eine verrichtete Arbeit sich um so mehr von dem Typus des Arbeits- bzw. Beschäftigungsverhältnisses entfernt und dem Typus der Zwangsarbeit annähert, als sie durch hoheitliche Eingriffe überlagert wird, denen sich der Betroffene nicht entziehen kann. Diese Grundsätze gelten auch für Rentenansprüche, die - wie hier - auf das ZRBG gestützt werden. Mit § 1 Abs. 1 ZRBG, der die Zahlbarmachung einer Rente nur für aus eigenem Willensentschluss zustande gekommene, gegen Entgelt ausgeübte Beschäftigungen in einem Ghetto vorsieht, knüpft der Gesetzgeber erkennbar an die von der Rechtsprechung des BSG aufgestellten Kriterien der Freiwilligkeit und Entgeltlichkeit für eine versicherungspflichtige Beschäftigung in einem Ghetto an.
Unter Berücksichtigung dieser Kriterien zur Abgrenzung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung zu nicht versicherter Zwangsarbeit ist es nicht überwiegend wahrscheinlich, dass die Klägerin im Ghetto Proschewitz einer aus einem Willensentschluss zustande gekommenen, entgeltlichen Beschäftigung nachgegangen ist. Die Kammer hat erhebliche Zweifel daran, dass den von ihr dort ausgeübten Arbeiten ein freier Willensentschluss zugrunde gelegen hat. Gegen eine Freiwilligkeit dieser Tätigkeit spricht zum einem, dass der Zeuge S1 im Entschädigungsverfahren der Klägerin angegeben hatte, dass die Klägerin und er zur Arbeit unter Bewachung geführt worden seien. Die Erklärung der Klägerin bei Rentenantragstellung nach dem ZRBG, dass keine Bewachung bei der Arbeit bzw. auf dem Arbeitsweg stattgefunden habe, steht zu der Erklärung im Entschädigungsverfahren im klaren Widerspruch und vermag nicht zu überzeugen. Auch die Erklärung der Klägerin vom 17.03.2005 hat diesbezüglich zu keinem anderen Ergebnis geführt. Dort gab sie ergänzend an, dass sie diese Arbeiten im Entschädigungsverfahren als Zwangsarbeiten beschrieben habe, weil sie sich zwangsweise im Ghetto befunden habe und die Arbeiten als Zwangsarbeit empfunden habe. Auch aus dieser Erklärung lässt sich nach Auffassung des Gerichts nicht entnehmen, dass die Klägerin freiwillig diese Tätigkeiten im Ghetto aufgenommen hat.
Unabhängig von der fehlenden Glaubhaftmachung der Art der verrichteten Tätigkeiten sowie der Freiwilligkeit der behaupteten Arbeit im Ghetto Proschewitz ist ebenfalls zweifelhaft, dass die Klägerin diese gegen Entgelt ausgeübt hat. Insoweit verweist das Gericht nur auf die uneinheitlichen und wechselnden Angaben der Klägerin im Renten- und Klageverfahren zur Entlohnung.
Da somit Beitragszeiten (nach dem ZRBG) nicht anerkannt werden können, können Ersatzzeiten nach § 250 SGB VI ebenfalls keine Berücksichtigung finden, da diese nur "Versicherten" zustehen.
Das Gericht verkennt nicht, dass der Klägerin durch die nationalsozialistische Verfolgung unermessliches Leid zugefügt worden ist. Es gibt jedoch keine gesetzliche Regelung, nach der die Klägerin im Rahmen der deutschen Rentenversicherung für das erlittene Unrecht finanziell entschädigt werden könnte.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 183, 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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