L 4 RA 126/04

Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 19 RA 5509/02
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 4 RA 126/04
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2004 wird zurückgewiesen. Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Klägerin ist die Tochter des 1914 geborenen und 1996 gestorbenen P S (im Folgenden: der Versicherte). Sie begehrt die Anerkennung von Beitrags- bzw. Beschäftigungszeiten des Versicherten im Ghetto L vom 1. September 1940 bis zum 15. März 1944.

Mit Testament vom 22. August 1991 hatte der Versicherte die Klägerin als Alleinerbin eingesetzt. Seine Ehefrau war schon 1991 verstorben.

Der Versicherte war jüdischen Glaubens und stammte aus S in P. Er war Opfer der nationalsozialistischen Verfolgung und erhielt Leistungen nach dem Bundesentschädigungsgesetz wegen "Schadens an Freiheit"; im Entschädigungsverfahren hatte er u. a. angegeben, sich von April 1940 bis März 1944 im G L aufgehalten zu haben.

Seit dem 1. Juli 1983 bezog der Versicherte auf Grundlage nach Artikel 12 DISVA nachentrichteter freiwilliger Beiträge eine Altersrente von der Beklagten.

Im April 1991 hatte der Versicherte bei dem Sozialgericht Berlin Klage erhoben (S 38 An 2349/91), mit der er begehrte, die Zeiträume vom 1. Februar 1935 bis zum 30. September 1935 und vom 1. Mai 1937 bis zum 30. September 1939 als Fremdbeitragszeiten anzuerkennen und ihm zu gestatten, freiwillige Beiträge nachzuentrichten. Die Klage hatte erstinstanzlich keinen Erfolg (Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. Juli 1994). Im Berufungsverfahren (L 8 An 211/94) machte die Klägerin als Tochter und Erbin des inzwischen verstorbenen Versicherten mit Schriftsatz vom 17. September 1997 erstmals geltend, dass der Versicherte auch Beitragszeiten im G L zurückgelegt habe. Am 23. Oktober 1997 schlossen die Beteiligten vor dem Landessozialgericht Berlin einen Vergleich, in dem u. a. die Beklagte folgende Verpflichtung einging:

"Die Beklagte erklärt sich im Hinblick auf die erst im Berufungsverfahren behauptete Beschäftigung des verstorbenen Versicherten im G L von 1940 bis 1944 bereit, über den Antrag des verstorbenen Versicherten auf Neugestaltung der Nachentrichtung nach § 21 Abs. 1 WGSVG im Schriftsatz vom 31. Dezember 1989 erneut zu entscheiden."

Hierauf veranlasste die Beklagte nichts weiter.

Mit Schreiben vom 7. März 2000 bat die Klägerin die Beklagte, dem Verfahren im Hinblick auf den Vergleich vom 23. Oktober 1997 Fortgang zu geben. Hierauf teilte die Beklagte zunächst mit, dass der gesamte Vorgang im April 1999 angesichts des Todes des Versicherten im Januar 1996 vernichtet worden sei. Nach Vorlage von Übersetzungen des Testaments des Versicherten, eines "Beschlusses über die Testamentsrechtsgültigkeit" und eines "Erbschaftsbeschlusses" zur Hinterlassenschaft der Ehefrau des Versicherten nahm die Beklagte eine Sonderrechtsnachfolge der Klägerin im Sinne von § 56 SGB I an Weiter zog die Beklagte die Entschädigungsakten des Versicherten und seiner Ehefrau bei.

Mit Bescheid vom 10. Januar 2001 lehnte die Beklagte es ab, den Zeitraum vom 1. Mai 1940 bis zum 15. März 1944 als Beitrags- bzw. Beschäftigungszeit anzuerkennen. Die notwendigen Tatsachen seien weder nachgewiesen noch glaubhaft gemacht. Hiergegen legte die Klägerin Widerspruch ein und legte schriftliche Zeugenerklärungen der in Israel lebenden, 1920 bzw. 1919 geborenen F M und J G vor. Die Beklagte hegte Zweifel, ob der Versicherte sich überhaupt im G L aufgehalten habe und ermittelte bei dem israelischen Versicherungsträger, dass beide Kinder des Versicherten in der ehemalgen UdSSR geboren seien, die Klägerin 1946 und der Sohn, Z S, 1943.

Mit Bescheid vom 19. Juli 2002 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit im Wesentlichen folgender Begründung zurück: Für den Zeitraum 1. Mai 1940 bis 15. März 1944 sei eine Beitragsentrichtung zur gesetzlichen Rentenversicherung nicht nachgewiesen. Sie sei auch nicht glaubhaft gemacht. Es sei nämlich nicht wahrscheinlich, dass der Versicherte sich im G L aufgehalten habe. Nachweislich seien seine Kinder nämlich in der ehemaligen UdSSR geboren worden. Dann könne der Kläger sich aber nicht in L aufgehalten haben. Die Zeugenerklärungen seien nicht geeignet, eine andere Beurteilung herbeizuführen, weil sie offensichtlich vorformuliert worden seien.

Mit der am 23. August 2002 erhobenen Klage verfolgt die Klägerin ihr Begehren weiter, den Zeitraum vom 1. September 1940 bis zum 15. März 1944 als Beitragszeiten anerkennen und die Altersrente des Versicherten bis zum Sterbemonat neu berechnen zu lassen. Schon im Entschädigungsverfahren hätten die dortigen, inzwischen verstorbenen Zeugen A G und P Z erklärt, dass sie sich zusammen mit dem Versicherten im G L aufgehalten hätten. Aus verschiedenen geschichtswissenschaftlichen Veröffentlichungen sei bekannt, dass ein Aufenthalt im G, noch dazu über die gesamte Zeit, ohne eine Beschäftigung nicht möglich gewesen sei. Die Zahl der G sei mit der arbeitsfähigen und in Arbeit stehenden Bevölkerung gleichzusetzen gewesen, weil die nicht arbeitsfähige Bevölkerung in verschiedenen Deportationswellen abtransportiert und getötet worden sei. Dementsprechend hätten auch die Zeugen F M und J G im vorliegenden Verwaltungsverfahren erklärt, dass der Versicherte während seines gesamten G in verschiedenen Ressorts gearbeitet habe, dass die Arbeit vom Arbeitsamt des G vermittelt worden sei und dass er für seine Beschäftigung auch ein Entgelt erhalten habe. Allerdings seien auch diese beiden Zeugen inzwischen verstorben.

Mit Urteil vom 12. November 2004 hat das Sozialgericht Berlin die Klage abgewiesen und zur Begründung im Wesentlichen ausgeführt: Die Klägerin habe keinen Anspruch auf Feststellung von Beitragszeiten für den verstorbenen Versicherten für den Zeitraum von September 1940 bis Dezember 1944, weil die Ausübung einer versicherungspflichtigen Beschäftigung in diesem Zeitraum nicht glaubhaft gemacht sei. Ein Anspruch auf Neuberechnung des Altersruhegeldes des Versicherten bestehe daher nicht. In diesem Zusammenhang sei das Gesetz zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungszeiten in einem Ghetto (ZRBG) nicht anwendbar, weil es erst am 1. Juli 1997 in Kraft getreten und der Rentenanspruch des Versicherten aufgrund des Todes mit Ablauf des Monats Januar 1996 weggefallen sei. Maßgeblich seien daher die Vorschriften der RVO (§§ 1250 Abs. 1 a und b, 1226 Abs. 1 Nr. 1), des AVG (§§ 1, 27), des FRG (§§ 15 und 17 Abs. 1 b i.V.m. Abs. 4) sowie des WGSVG (§ 14 Abs. 2). Zwar sei die Annahme einer versicherungspflichtigen Beschäftigung bei einem Aufenthalt in einem G grundsätzlich möglich; der zwangsweise Aufenthalt schließe dies nicht aus. Jedoch erfordere dies die Glaubhaftmachung einer Tätigkeit gegen Entgelt. Die Tätigkeit müsse aus eigenem Willensentschluss zustande gekommen und als Äquivalent müsse ein Arbeitsentgelt erzielt worden sein, das einen bestimmten Mindestumfang erreiche, damit Versicherungspflicht entstehe. Für eine solche Beschäftigung sei im Falle des Versicherten nichts ersichtlich. Für eine Glaubhaftmachung stünden allein die schriftlichen Erklärungen der Zeugen F M und J G zur Verfügung. Beide Zeugen gäben in wenigen Sätzen an, der Versicherte habe in verschiedenen Ressorts im G gearbeitet. Er habe dafür täglich eine Suppe erhalten, und Entgelt sei in G-Mark ausgezahlt worden. Die Arbeiten seien vom G-Arbeitsamt vermittelt und vom Entgelt seien verschiedene Abzüge vorgenommen worden. Diese Erklärungen überzeugten die Kammer jedoch nicht so weit, dass sie eine versicherungspflichtige Beschäftigung für überwiegend wahrscheinlich halten könne. Die Erklärungen der Zeugen enthielten über diese Angaben hinaus keinerlei Aussagen. Es bleibe offen, welche Tätigkeiten in welchem konkreten Ressort ausgeübt worden seien und in welchem Umfang, wie genau die Vermittlung erfolgt sei und in welcher Höhe Entgelte in G-Mark ausgezahlt worden seien. Die beiden Zeugenaussagen stimmten in ihrem Wortlaut weitgehend überein und erweckten den Eindruck, vorformuliert und zielgerichtet zu sein. Es würden lediglich die vermeintlich entscheidenden Kriterien in einem Satz dargelegt – Vermittlung durch das G-Arbeitsamt, Entgelte in G-Mark und Vornahme von Abzügen -, ohne dass Angaben zu dem weiteren Randgeschehen gemacht worden seien. Dadurch verlören die schriftlichen Zeugenerklärungen an Glaubhaftigkeit. Soweit der Versicherte eine Arbeitertätigkeit ausgeübt haben sollte, wäre eine Versicherungspflicht zumindest für die Zeit ab 1. Januar 1942 nur eingetreten, wenn Entgelte mindestens in Höhe von einem Drittel des Ortslohnes erzielt worden seien. Hierfür gebe es in den Zeugenerklärungen keine Anhaltspunkte. Anderweitige Beweismittel lägen nicht vor; auch eine Vernehmung der beiden genannten Zeugen sei nicht mehr möglich gewesen. Die Klägerin könne dagegen nicht einwenden, die Bevölkerung des G sei mit der arbeitenden Bevölkerung gleichzusetzen. Denn neben Beschäftigungsverhältnissen im genannten Sinne hätten auch Arbeiten verrichtet werden können, die diese Kriterien gerade nicht erfüllten, weil z.B. eine Zwangsarbeit ausgeführt oder kein Entgelt geleistet worden sei, das zur Begründung von Versicherungspflicht geführt hätte. Mit seiner Rechtsprechung zu Beschäftigungsverhältnissen in G habe das BSG keineswegs die Fiktion einer Beitragszeit bei Aufenthalt in einem G geschaffen. Zweifel seien unabhängig davon auch deshalb vorhanden, weil der im Jahre 1943 geborene Sohn des Versicherten jedenfalls nach den Angaben im Entschädigungsverfahren entweder in S/P oder aber in der UdSSR geboren sei. In keiner der zur Verfügung stehenden Unterlagen sei eine Geburt in L erwähnt. Zwar möge dieser Umstand erklärbar sein; die Klägerin habe sich hierzu aber weder geäußert noch Unterlagen eingereicht, sodass trotz der Zeugenaussagen Zweifel darüber verblieben, dass der Versicherte sich tatsächlich im G L aufgehalten habe.

Gegen das ihrer Bevollmächtigten am 2. Dezember 2004 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 14. Dezember 2004 Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie im Wesentlichen vor: Dass die Kinder des Versicherten nicht im G L zur Welt gekommen seien, sei unerheblich, weil der Versicherte keine Frau gewesen sei. Es sei zu keinem Zeitpunkt behauptet worden, dass die Ehefrau des Versicherten sich auch im G L aufgehalten habe. Es sei durchaus glaubhaft gemacht, dass der Versicherte sich im G L aufgehalten habe. Auch die beiden schriftlichen Zeugenerklärungen habe das Sozialgericht unzutreffend gewürdigt. Weshalb eine Zeugenerklärung, die vorformuliert sei und mit einer anderen Erklärung wortgleich übereinstimme, untauglich für die Glaubhaftmachung der behaupteten Sachverhalte sein solle, bleibe unklar. Zur Höhe des vom Versicherten erzielten Entgeltes sei eine Angabe nicht zwingend erforderlich. Das Sozialgericht Berlin überziehe hier den Rahmen des Beweismaßstabes erheblich. Wenn sich aus den Zeugenerklärungen ergebe, dass von den erhaltenen Entgelten Abzüge vorgenommen worden seien, so lasse sich daraus zwanglos schließen, dass Versicherungspflicht bestanden habe. Auch sei nicht ersichtlich, warum der Versicherte, der entgeltlich beschäftigt gewesen sei, anders behandelt worden sein sollte als andere Beschäftigte. Wenn zwei Zeugen bestätigen, dass eine Vermittlung durch das Arbeitsamt erfolgt sei und der verstorbene Kläger entgeltlich beschäftigt gewesen sei, so sprächen mehr Gründe für als gegen die geltend gemachte Tätigkeit, die Glaubhaftmachung sei damit gelungen.

Die Klägerin beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 12. November 2004 sowie den Bescheid der Beklagten vom 10. Januar 2001 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 19. Juli 2002 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, die aus der Versicherung des verstorbenen P S unter Berücksichtigung zusätzlicher Beitragszeiten nach Maßgabe des § 17 Abs. 1 b FRG vom 1. September 1940 bis 31. Dezember 1941 sowie des § 286 SGB VI vom 1. Januar 1942 bis zum 15. März 1944 und unter Anrechnung von Ersatzzeiten nach Maßgabe des § 250 Abs. 1 Nr. 6 SGB VI zustehende Altersrente neu festzustellen und die Beträge an die Klägerin auszuzahlen,

hilfsweise die Renten- und Entschädigungsakten der Zeugen F M und J G beizuziehen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das mit der Berufung angegriffene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend. Die Zweifel am Bestehen eines Beschäftigungsverhältnisses des Versicherten im G L seien nicht durch überzeugende Beweismittel ausgeräumt worden.

Wegen des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird im Übrigen auf den Inhalt der Gerichtsakte, der Akte des Verfahrens S 38 An 2349/91 bzw. L 8 An 211/94, der Rentenakte der Beklagten sowie der Entschädigungsakten des Versicherten und seiner Ehefrau S S Bezug genommen, der, soweit wesentlich, Gegen-stand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung und der Entscheidungsfindung war.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin ist zulässig, hat aber keinen Erfolg. Das Sozialgericht beurteilt die Sach- und Rechtslage im Ergebnis zutreffend.

1. Die Klägerin darf ihr Begehren im eigenen Namen geltend machen. Es muss allerdings offen bleiben, ob – wie von der Beklagten im Verwaltungsverfahren angenommen – eine Sonderrechtsnachfolge im Sinne von § 56 Abs. 1 SGB I besteht, denn es erscheint nach Lage der Akten zumindest zweifelhaft, ob die Klägerin mit dem Versicherten bei dessen Tode in einem gemeinsamen Haushalt lebte. Aus den im Verwaltungsverfahren eingereichten Unterlagen – insbesondere aus dem "Beschluss über die Testamentsrechtsgültigkeit" des Bezirksgerichts Tel-Aviv vom 1. Oktober 1996 – ergibt sich nämlich, dass der Versicherte bei seinem Tode unter der Adresse B wohnte, während die Klägerin schon seinerzeit in der B lebte. Soweit jedoch – wie hier – fällige Ansprüche auf Geldleistungen nicht einem Sonderrechtsnachfolger zustehen, werden sie nach den Vorschriften des Bürgerlichen Gesetzbuchs (BGB) vererbt, § 58 SGB I. Um "fällige Ansprüche auf Geldleistungen" handelt es sich bei dem Begehren der Klägerin, die wirtschaftlich eine Höherbewertung der Rente des Versicherten und eine Rentennachzahlung verfolgt; "Fälligkeit" im gesetzlichen Sinne liegt auch vor, denn Ansprüche auf Sozialleistungen werden mit ihrem Entstehen fällig, § 41 SGB I. Als testamentarisch bestimmte Alleinerbin des Versicherten und damit als im Wege der Gesamtrechtsnachfolge nach §§ 1922 ff. BGB Berechtigte darf die Klägerin damit den geltend gemachten Anspruch verfolgen.

Der mit Klage und Berufung verfolgte Anspruch ist auch nicht nach § 59 SGB I erloschen. Nach dieser Vorschrift erlöschen Ansprüche auf Geldleistungen nur, wenn sie im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten weder festgestellt sind noch ein Verwaltungsverfahren über sie anhängig ist. Zwar sind die Gbeitragszeiten für die Jahre 1940 bis 1944 erstmals nach dem Tode des Versicherten (6. Januar 1996) mit Schriftsatz vom 17. September 1997 von der Klägerin geltend gemacht worden, nachdem bis dahin nur Fremdbeitragszeiten der Jahre 1935 bis 1939 Gegenstand des Klage- und Berufungsverfahrens S 38 AN 2349/92 bzw. L 8 An 211/94 gewesen waren. Letztlich war damit aber der Wert der dem Versicherten seit 1983 gewährten Altersrente Gegenstand des Verwaltungs- und des Gerichtsverfahrens. Im Hinblick auf den Wert der Rente war also – wie § 59 Satz 2 SGB I es verlangt – ein Verwaltungsverfahren im Zeitpunkt des Todes des Berechtigten anhängig. Das Begehren, auch Gbeitragszeiten anzuerkennen, begründete kein neues, eigenständiges Verwaltungsverfahren im Sinne von § 59 SGB I, sondern wurde nur Gegenstand des bereits anhängigen Verfahrens, das dann auch vom 8. Senat des Landessozialgerichts Berlin am 23. Oktober 1997 durch einheitlichen Prozessvergleich beendet wurde. 2. Rechtlich beanstandungsfrei hat das Sozialgericht entschieden, dass die Klägerin keinen Anspruch hat auf Feststellung einer Gbeitragszeit für den verstorbenen Versicherten. Eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Klägers im streitigen Zeitraum 1. September 1940 bis 15. März 1944 ist nicht glaubhaft gemacht. Sowohl die Darstellung der rechtlichen Zusammenhänge als auch die Beweiswürdigung im Urteil des Sozialgerichts sind zutreffend, so dass zur Vermeidung von Wiederholungen hierauf Bezug genommen werden kann (§ 153 Abs. 2 SGG). Vertiefend und in Würdigung des Berufungsvorbringens bleibt jedoch auszuführen:

Zu Recht hat das Sozialgericht die Regelungen des Gesetzes zur Zahlbarmachung von Renten aus Beschäftigungszeiten in einem Ghetto (ZRBG) außer Betracht gelassen, denn nach Artikel 3 Abs. 2 des Gesetzes vom 20. Juni 2002 (BGBl. I S. 2074) tritt das ZRBG "mit Wirkung vom 1. Juli 1997" in Kraft, so dass es für den im Januar 1996 verstorbenen Versicherten ohne Auswirkungen bleiben muss.

Dass der Versicherte sich in der Zeit von September 1940 bis März 1944 im G L aufgehalten hat, sieht der Senat noch als glaubhaft an, denn die diesbezügliche Behauptung der Klägerin wird bestätigt durch die Angaben des Versicherten und der seinerzeitigen Zeugen G und Z im Entschädigungsverfahren. Zwar sind die Umstände der Geburt der Kinder des Versicherten in der UdSSR unaufgeklärt geblieben; die Klägerin hat nicht einmal den Versuch unternommen, hier Licht ins Dunkel zu bringen, obgleich sich dies aufgedrängt hätte. Gleichzeitig liegt auf der Hand, dass der Geburtsort der Kinder des Versicherten nichts über dessen Aufenthalt zum Zeitpunkt der Geburt aussagt. Im Entschädigungsverfahren der Mutter der Klägerin hatte sich 1971 herausgestellt, dass diese sich tatsächlich während des Krieges und damit auch bei Geburt des Sohnes in der UdSSR aufgehalten hatte; die Angaben, sich bis August 1943 in einem G in P aufgehalten zu haben, hatten sich als falsch erwiesen, ebenso wie diesbezügliche Zeugenaussagen. Gleichwohl zieht der Senat keine Rückschlüsse aus dem manipulierten Entschädigungsverfahren der Mutter der Klägerin, denn es gibt keinen durchgreifenden Anhaltspunkt für die Unrichtigkeit der vom Versicherten schon 1950 gemachten Angaben, er habe sich im G L befunden.

Nicht einmal ansatzweise glaubhaft gemacht ist demgegenüber eine versicherungspflichtige Beschäftigung des Versicherten im G L. Für den vorliegenden Fall ist kennzeichnend, dass der Versicherte – soweit aktenkundig – selbst nie behauptet hat, im G L beschäftigt gewesen zu sein, weder im Entschädigungsverfahren noch gegenüber der Beklagten. Abgesehen davon, dass es an jeglichen Bekundungen des Versicherten zu einer Beschäftigung in den Jahren 1940 bis 1944 fehlt, hat auch die Klägerin nichts dahin Gehendes vom Hörensagen berichtet. Der Schriftsatz, mit dem die Klägerin im September 1997 erstmals im Verfahren vor dem 8. Senat des Landessozialgerichts G beitragszeiten geltend machte, blieb außerordentlich unspezifisch, es fehlte an jeglicher Angabe zu Art und Dauer der Beschäftigung. Erstmals im August 2001, also vier Jahre nach der erstmaligen Erwähnung von G zeiten, legte die Klägerin zwei Zeugenerklärungen vor. Diese bieten den einzigen Hinweis, der auf eine "Beschäftigung" schließen lassen könnte, sind aber, wie vom Sozialgericht zutreffend betont, als Mittel der Glaubhaftmachung in keiner Weise überzeugend. Schon die Tatsache, dass die Zeugenerklärungen von F M und J G in wesentlichen Passagen wortgleich sind, entkräftet ihren Beweiswert, denn dies deutet auf Fremdsteuerung hin. Auch erschöpfen die Aussagen sich in knappen Sätzen zu den Punkten "Beschäftigung", "Entgelt" und "Vermittlung". Sie wirken dadurch zielgerichtet und farblos. Weitere Sachaufklärung durch Befragung der Zeugen war nicht möglich. Für eine versicherungspflichtige Beschäftigung des verstorbenen Versicherten im G L spricht danach denkbar wenig. Angesichts dieser Beweislage ist die Berufung zurückzuweisen.

Dem auf eine Beiziehung der Renten- und Entschädigungsakten der Zeugen F M und J G gerichteten Hilfsantrag musste der Senat nicht nachgehen, denn es ist nicht ersichtlich, welche Rückschlüsse sich aus diesen Vorgängen auf die den Versicherten betreffenden anspruchsbegründenden Tatsachen ergeben sollten.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG. Gründe für die Zulassung der Revision nach § 160 Abs. 2 Nr. 1 oder 2 SGG liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved