Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 8 U 2461/91
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 580/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 1994 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Entschädigung eines Verkehrsunfalls.
Der im Jahre 1955 geborene Kläger war seit 1985 als Maschinenführer bei der Firma P.-Werkzeugbau GmbH in R. W. beschäftigt. Am 8. März 1990 trat er nach Arbeitsende gegen 15.45 Uhr die Heimfahrt zu seiner Wohnung in O.-H., R.-K.-Straße , an. Gegen 16.25 Uhr erlitt er auf der B 448 aus Richtung O.-H. kommend in Höhe der Ausfahrt einer Aral-Tankstelle einen Verkehrsunfall, als er mit seinem Ford Ascona auf einen vor ihm fahrenden Pkw auffuhr. Der Kläger zog sich u.a. insbesondere eine Gehirnerschütterung, Thoraxprellung, eine Vorderkantenfraktur des 4. Lendenwirbelkörpers sowie Prellungen und Stauchungen des rechten Handgelenks und der rechten Mittelhand zu.
Laut polizeilichem Vernehmungsprotokoll gab der Kläger unter dem 29. März 1990 an, daß er von der Arbeitsstelle direkt nach Hause gefahren sei und dort angekommen bemerkt habe, daß er sein Portemonnaie vergessen habe. Er sei deshalb sofort die gleiche Strecke zum Betrieb zurückgefahren, wobei sich der Unfall ereignet habe. In einem Bericht des Dr. S. hieß es, daß der Kläger nach seinen Angaben vom 19. März 1990 im Zeitpunkt des Unfalls zum Tanken an eine Tankstelle habe fahren wollen und in einen von der Tankstelle kommenden Pkw hineingefahren sei. Sein Arbeitgeber teilte unter dem 7. September 1990 mit, der Kläger habe an der vorher aufgesuchten Tankstelle bemerkt, daß er seine Geldbörse im Betrieb vergessen habe und sei deshalb zum Betrieb zurückgefahren, um diese zu holen. Vom Anwalt des Klägers wurde mit Schriftsatz vom 17. Januar 1991 vorgetragen, der Kläger habe auf der Heimfahrt festgestellt, daß er seine Brieftasche in der Firma vergessen habe, die B 448 jedoch erst an der Ausfahrt R.-K.-Straße verlassen können. Er sei dabei zwar auch zu seiner Wohnung gefahren, habe diese aber nicht betreten, weil er keinen Schlüssel gehabt habe und seine Ehefrau nicht anwesend gewesen sei. Er sei deshalb weitergefahren und auf der B 448 wieder zurückgefahren. Wenn er seine Brieftasche habe holen wollen, dann in erster Linie deswegen, um einem Verlust dieser Brieftasche durch Diebstahl am Arbeitsplatz zu begegnen. Eine solche Vorsichtsmaßnahme sei durchaus im Zusammenhang mit seiner betrieblichen Einbindung zu verstehen.
Mit Bescheid vom 26. April 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1991 lehnte die Beklagte eine Entschädigung mit der Begründung ab, daß es sich nicht um einen versicherten Wegeunfall gehandelt habe. Der Rückweg zum Betrieb, um die Geldbörse oder Brieftasche zu holen, habe eigenwirtschaftlichen Zwecken gedient. Daß der Kläger einem Diebstahl der Brieftasche im Betrieb habe vorbeugen wollen, ändere daran nichts, da die Brieftasche weder Betriebsgegenstand noch Arbeitsgerät gewesen sei. Auch wenn der Kläger die Geldbörse habe holen wollen, um das anschließende Auftanken seines Fahrzeugs zu ermöglichen, sei der Unfallversicherungsschutz zu verneinen, da das Auftanken des Fahrzeugs gleichfalls dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen sei, selbst wenn das Fahrzeug vom Kläger ausschließlich zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt werde.
Am 30. September 1991 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, daß seine Absicht, dem Diebstahl seiner Brieftasche vorzubeugen, nicht nur seine persönlichen Interessen, sondern auch diejenigen seiner Firma und der Arbeitskollegen berührt habe, weil das Abhandenkommen der Brieftasche – ähnlich wie bei einem Kameradendiebstahl – zu negativen Auswirkungen auf das Betriebsklima hätte führen können. Im übrigen habe er in dem Portemonnaie seine Ausweispapiere aufbewahrt, um sich bei der Fahrt jederzeit ausweisen zu können. Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem SG am 3. November 1992 hat der Kläger u.a. erklärt, daß er die Brieftasche bzw. Geldbörse im Umkleidesaal in seinem unverschlossenen Spind zurückgelassen habe und diese Geld, Paß und Führerschein enthalten habe. Das Zurücklassen der Börse habe er kurz vor der zwischen der Arbeitsstelle und seiner Wohnung – an der Gegenfahrbahn – liegenden Tankstelle bemerkt. In die R.-K.-Straße habe er notgedrungen fahren müssen. Nach Hause sei er aber nicht gegangen, obwohl er die Wohnungsschlüssel dabei gehabt habe, sondern sei direkt zur Firma zurückgekehrt. Denselben Weg hätte er auch zur Tankstelle nehmen müssen, sofern er die Geldbörse nicht vergessen hätte.
Mit Urteil vom 3. Mai 1994 hat das SG die Klage abgewiesen. Die erneute Fahrt zum Betrieb, um die Brieftasche zu holen, habe nicht im Zusammenhang mit betrieblichen Belangen gestanden, da Ausweispapiere und Geld in der Regel weder zur Ausübung der betrieblichen Tätigkeit noch für Fahrten nach und von der Arbeitsstelle mitgenommen oder benötigt würden. Anders könne er sich lediglich bei längeren Dienstreisen verhalten, da in diesem Fall ohne die Mitnahme der entsprechenden Papiere ein störungsfreier Ablauf nicht gewährleistet sei. Auch soweit der Kläger den Verlust der Brieftasche durch Diebstahl habe verhindern wollen, sei dies in erster Linie für ihn persönlich von Bedeutung und Interesse gewesen. Der angegebene Zweck, damit einer Verschlechterung des Betriebsklimas vorbeugen zu wollen, sei allenfalls eine rechtlich unerhebliche Nebenwirkung gewesen.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 13. Juni 1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Juni 1994 Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe bei seiner Beurteilung außer Betracht gelassen, daß die Brieftasche, die er habe holen wollen, um einem möglichen Abhandenkommen vorzubeugen, sich in einem unverschlossenen Spind befunden habe. Aufgrund dieses Umstandes seien konkrete betriebliche Risiken wirksam gewesen, die den geforderten rechtlich wesentlichen Zusammenhang des Holens der Brieftasche mit der versicherten Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 24) begründet hätten. Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat hat der Kläger u.a. erklärt, Hauptgrund für die Rückkehr zum Betrieb sei gewesen, das Geld fürs Tanken zu holen. Er habe nämlich nicht mehr genügend Treibstoff gehabt, um am nächsten Tag die Arbeitsstätte zu erreichen. Seine Ehefrau hätte ihm kein Geld zum Tanken geben können. Außerdem habe er seine Wohnungsschlüssel vergessen gehabt und schließlich seine Papiere (Reisepaß, Führerschein, Fahrzeugpapiere) holen wollen. Da er die Arbeitsstätte mit dem Fahrzeug nicht mehr erreicht hatte, habe er am Unfalltag auch die vergessenen Gegenstände nicht mit dem Pkw abholen wollen, sondern die Absicht gehabt, das Fahrzeug auf dem Parkplatz der Tankstelle an der B 448 zwischen O. und Kreisel abzustellen und von dort zu dem etwa 3 km entfernt gelegenen Betrieb zu laufen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. April 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1991 zu verurteilen, den Unfall vom 8. März 1990 in gesetzlichem Umfang als Arbeitsunfall zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das vom Kläger angesprochene BSG-Urteil betreffe einen völlig anders gelagerten Fall, der im übrigen ebenfalls nicht positiv entschieden worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung des Unfalls vom 8. März 1990, weil es sich hierbei nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Als Arbeitsunfall gilt nach § 549 RVO auch ein Unfall bei einer mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung eines vom Arbeitgeber oder vom Versicherten zur Verfügung gestellten Arbeitsgeräts sowie auf den zu diesen Zwecken unternommenen Wegen. Ferner gilt gemäß § 550 Abs. 1 RVO als Arbeitsunfall ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Sämtliche Voraussetzungen sind nicht erfüllt. § 549 RVO scheidet von vornherein aus, weil Brieftasche, Geld, Reisepaß, Führerschein, Fahrzeugpapiere sowie der Wohnungsschlüssel, die der Kläger seinen Angaben zufolge im Zeitpunkt des Unfalls aus dem Betrieb holen wollte, eindeutig keine Arbeitsgeräte im Sinne dieser Vorschrift darstellen, d.h. nicht zu den Gegenständen gehören, die ihrer Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Tätigkeit im Unternehmen gebraucht werden (BSG SozR 2200 § 549 Nr. 10). Gleiches gilt für den für die Wege von und nach der Arbeitsstätte benutzten privaten Pkw (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 67), den der Kläger möglicherweise mit dem im Betrieb zurückgelassenen Geld auftanken wollte.
Der Versicherungsschutz ist auch nicht nach § 550 Abs. 1 RVO zu bejahen. Der Kläger hatte am 8. März 1990 den nach Beendigung seiner Arbeit von der Arbeitsstätte in R.-W. angetretenen Weg über die B 448 zu seiner Wohnung in O.-H., R.-K.-Straße, mit deren Erreichen bereits beendet und befuhr die B 448 von dort kommend in entgegengesetzter Richtung. Es kann dahinstehen, ob der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls, der sich in Höhe einer Aral-Tankstelle ereignete, tatsächlich die Absicht hatte, nochmals in den Betrieb zurückzukehren, um dort vergessene Gegenstände zu holen, bzw. ob er zu diesem Zweck nach Abstellen des Fahrzeugs auf dem Parkplatz der Tankstelle zu Fuß zu dem ca. 3 km entfernten Betrieb laufen wollte. Denn allein der Umstand, daß das Ziel eines Weges der Ort der Tätigkeit im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO ist, begründet noch keinen Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift. Zwar ist der Versicherungsschutz nach § 550 Abs. 1 RVO nicht auf täglich nur einen einzigen Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit beschränkt. Bei mehreren Wegen an einem Tag muß jedoch jeder dieser Wege in einem sachlichen, inneren Zusammenhang mit der versicherten Betriebstätigkeit stehen (BSG SozR 2200 § 550 Nrn. 25, 62). Erforderlich ist deshalb stets, daß das Zurücklegen des Weges nach der konkreten finalen Handlungstendenz des Versicherten der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt ist, ihr objektiv tatsächlich auch dient oder die subjektive Vorstellung des Versicherten, dies sei der Fall, nach den objektiven Verhältnissen zumindest berechtigt ist (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 96; BSG, Urteil vom 27. März 1990 – 2 RU 37/89). Die betriebliche Zurechenbarkeit eines wiederholten Weges von und zur Arbeitsstätte mit der versicherten Tätigkeit ist z.B. bejaht worden, wenn von dem Ort der Tätigkeit zur Wohnung zurückgekehrt werden muß, um den vergessenen, für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit erforderlichen Spindschlüssel, eine Brille, die im Betrieb erforderliche oder übliche Arbeitskleidung o.ä. zu holen, oder wenn während der Arbeitspause die Mahlzeit zu Hause eingenommen oder eine längere Zeit zwischen zwei Arbeitsschichten überbrückt werden soll (BSG SozR § 543 RVO a.F. Nr. 11; BSG SozR 2200 § 550 Nrn. 25, 62, 66). Das Holen der vergessenen persönlichen Gegenstände (Brieftasche, Geld, Reisepaß, Führerschein, Fahrzeugpapiere, Wohnungsschlüssel) im Betrieb nach Arbeitsende und Erreichen der Wohnung diente der versicherten Tätigkeit in dieser Weise erkennbar nicht, sondern nur eigenen, persönlichen Belangen des Klägers. Der Kläger benötigte die Gegenstände weder für eine am 8. März 1990 evtl. noch an anderem Ort zu verrichtende Betriebsarbeit noch für seine Arbeit am folgenden Tag, die außerdem an derselben Stelle aufzunehmen war, an dem die Gegenstände zurückgelassen wurden. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß er sich – wie von seinem früheren Prozeßbevollmächtigten vorgetragen wurde – zur Rückkehr in den Betrieb entschloß, um einem evtl. Diebstahl seiner Brieftasche im Interesse des Betriebsklimas und Betriebsfriedens vorzubeugen oder dieses Motiv sein Handeln zumindest in etwa gleicher Weise wie das persönliche Interesse an der Sicherstellung seines Eigentums bestimmte, er also den Weg einschließlich eines längeren Fußweges auch unternommen hätte, wenn der private Zweck entfallen wäre (zur sog. gemischten Tätigkeit s. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob es sich bei dem Entfernen der Brieftasche aus dem unverschlossenen Spind objektiv überhaupt um eine den Interessen des Betriebes wesentlich dienende Maßnahme gehandelt hätte oder der Kläger subjektiv aufgrund objektiver Umstände jedenfalls berechtigterweise davon hätte ausgehen können oder ob ein Handeln aus dieser Vorstellung heraus offensichtlich den Rahmen vernünftigen Verhaltens überschritten hätte. Allein der Umstand, daß der Kläger die Gegenstände nicht an beliebiger Stelle, sondern am Ort seiner versicherten Tätigkeit und dort in einem offenen, wegen eines Defekts nicht verschließbaren Spind vergessen hatte, stellt entgegen seiner Ansicht keine Besonderheit dar, die einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Betriebstätigkeit begründen könnte. Deshalb ging weder die Handlungstendenz des Klägers dahin, eine dem Unternehmen dienende Verrichtung zu erbringen, noch wurde das beabsichtigte, persönlichen Zwecken dienende Vorhaben infolgedessen zumindest maßgeblich durch Maßnahmen bzw. pflichtwidrige Unterlassungen des Arbeitsgebers veranlaßt und geprägt. Auch der wesentliche Auslöser hierfür war und blieb ein in der Sphäre des Klägers liegender Grund, nämlich seine eigene Vergeßlichkeit.
Nach den Angaben des Klägers vor dem Senat im Termin vom 5. April 1995 hatte der zum Unfall führende Weg am 8. März 1990 vielmehr allenfalls den Zweck, den Weg zur Arbeitsstätte im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO am nächsten Tag vorzubereiten, sofern es zutrifft, daß der Kläger in den Besitz des vergessenen Geldes kommen wollte oder mußte, um seinen Pkw für die Fahrt am nächsten Morgen zu betanken und betriebsbereit zu machen, und dies der Hauptgrund für eine Rückkehr zum Betrieb war. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann indes ein Versicherungsschutz nicht anerkannt werden. Dabei ist es u.a. letztlich unerheblich, ob das Auftanken des Fahrzeugs für den nächsten Tag objektiv wirklich notwendig war und der Kläger dazu ggf. wiederum das im Betrieb zurückgelassene Geld unbedingt benötigte und ob er im übrigen den Weg zur Arbeit am 9. März 1990 nicht auch auf andere Weise, z.B. mit der laut Straßenkarte (Bl. 78 f. Verwaltungsakte) vorhandenen S-Bahn, zumutbarerweise hätte zurücklegen können. Denn der zum Unfall führende Weg kann unabhängig davon auch nicht als Teil des Weges zur Arbeitsstätte im Sinne des § 550 Abs. 1 RVO angesehen werden, den der Kläger am nächsten Tag zurückzulegen hatte.
Nach ständiger Rechtsprechung gehört das Auftanken des zur Fahrt nach und von der Arbeitsstätte benutzten Kraftwagens vor oder nach der Arbeit und auch während einer Arbeitspause ebenso wie die Reparatur des Fahrzeugs grundsätzlich zu den unversicherten, dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnenden Verrichtungen, auch wenn das Zurücklegen des Weges im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO der versicherten Tätigkeit gleichgestellt ist (u.a. BSGE 16, 77; BSG SozR 2200 § 550 Nr. 39; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., S. 486 g). Für das Holen des zum Tanken benötigten Geldes kann deshalb nichts anderes gelten. Eine andere Betrachtung ist auch nicht für das Holen von Ausweis, Führerschein und Fahrzeugpapieren denkbar, sofern der Kläger zusätzlich noch geglaubt haben sollte, das Fahrzeug ohne die Papiere am nächsten Tag nicht weiter benutzen zu dürfen. Abgesehen davon, daß die Vorstellung des Klägers sich insoweit allenfalls auf ihn als Pkw-Halter treffende rechtliche Verbote, nicht aber auf Umstände beziehen konnte, die das tatsächliche Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte unmöglich machen konnten, handelte es sich bei dem Holen der vergessenen Gegenstände in jedem Fall nur um eine vorbereitende Verrichtung, die sich hinsichtlich ihrer Beziehung zur versicherten Tätigkeit oder zu einem Weg im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO grundsätzlich nicht von zahlreichen sonstigen Verrichtungen außerhalb der Arbeitszeit unterscheidet, die notwendig sind, damit der Weg von und zur Arbeitsstätte angetreten und/oder die Arbeit durchgeführt werden kann, die aber gleichwohl dem unversicherten Bereich zugerechnet werden, selbst wenn sie zugleich auch der Erfüllung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dienen können und dazu u.U. sogar unentbehrlich sind. Zu diesen unversicherten Vorbereitungshandlungen zählen z.B. das Besorgen einer Fahrkarte (BSGE 7, 225), das Beschaffen der Lohnsteuerkarte (BSGE 11, 154), eines Krankenscheins (BSGE 17, 11), einer Aufenthaltserlaubnis (BSGE 36, 222), das Einrichten eines privaten Girokontos auf Verlangen des Arbeitgebers außerhalb der Arbeitszeit (BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 13, 18), das Ummelden des für die Fahrt zur Arbeit benutzten Fahrzeugs bei der Kfz.-Zulassungsstelle (BSG, Urteil vom 27. Juni 1984 – 9 b RU 46/82) oder das vorsorgliche Einkaufen von Nahrungsmitteln und Getränken zum Verzehr in der Arbeitspause vor oder auf dem Weg zur Arbeit oder das Holen des dazu benötigten, zu Hause vergessenen Geldes (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 24). Zwar hat das BSG im Urteil vom 12. Juni 1990 – 2 RU 57/89 (= SozR 3-2200 § 548 Nr. 3) entschieden, daß sich während einer Dienstreise der Versicherungsschutz auch auf einen Weg erstreckt, den der Versicherte noch vor Beendigung eines versicherten Weges zurücklegt, um die in seinem Pkw zurückgelassenen Papiere – Ausweis, Führerschein, Kraftfahrzeugschein – zu holen. Maßgebend hierfür war indes u.a., daß der Versicherte auf der Dienstreise seinen Ausweis rechtlich wesentlich auch zu dem Zweck mitführt, um die Dienstreise ordnungsgemäß und störungsfrei abzuwickeln, und auch seinen privaten Pkw zur Abwicklung der Dienstreise und damit im betrieblichen Interesse benutzte. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor. Auch für Maßnahmen zur Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines Fahrzeugs wie Reparatur und Tanken ist ein Versicherungsschutz außerhalb von Dienstreisen bzw. Betriebswegen grundsätzlich nur gegeben, wenn sie während des Zurücklegens eines versicherten Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO unvorhergesehen notwendig werden, damit der restliche Weg zurückgelegt werden kann (BSGE 16, 77 und 245; BSG SozR § 542 RVO a.F. Nr. 72; BSG SozR § 543 RVO a.F. Nr. 63; BSG SozR 2200 § 550 Nrn. 39, 67; HLSG, Urteile vom 14. September 1984 – L-3/U-1474/81 und 27. September 1989 – L-3/U-178/87; Brackmann, a.a.O., S. 486 h). Zwar ist ein Versicherungsschutz für die der versicherten Tätigkeit oder dem Weg von und nach der Arbeitsstätte vorangehenden und sie vorbereitenden Handlungen einschließlich des Auftankens eines Kraftfahrzeuges ebenso wie für andere grundsätzlich private Verhaltensweisen nicht völlig auszuschließen. In diesen Fällen bedarf es jedoch der Feststellung besonderer, ungewöhnlicher Umstände, die die Annahme rechtfertigen, daß das eigenwirtschaftliche Tun derart von betrieblichen Umständen beherrscht wurde, daß es der versicherten Tätigkeit bzw. einem versicherten Weg im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO zugerechnet werden muß (BSG SozR § 543 RVO a.F. Nr. 61; BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 68, 82). Solche durch die Arbeitstätigkeit maßgebend geprägten besonderen Umstände wurden z.B. für das nächtliche Nachtanken eines Kraftfahrzeuges nach Arbeitsende zur Vorbereitung des Weges zur Arbeit am nächsten Tag in einem Fall anerkannt, in dem das Nachtanken und seine Modalitäten in erster Linie dadurch bestimmt und veranlaßt wurden, daß der Versicherte im Interesse und auf Veranlassung des Arbeitgebers unerwartet und planwidrig zu einer anderen Schicht bzw. zur Frühschicht eingeteilt wurde (BSG, Urteil vom 24. Januar 1995 – 8 RKnU 1/94). Im vorliegenden Fall wurde das Vorhaben des Klägers, sein Fahrzeug am 8. März 1990 nach Arbeitsende und Erreichen der Wohnung für den nächsten Tag an einer Tankstelle an der B 448 aufzutanken, jedoch ebensowenig durch irgendwelche aus seiner versicherten Tätigkeit resultierenden besonderen Umstände wesentlich bestimmt wie das diese Vorbereitungshandlung wiederum erst vorbereitende Holen des im Betrieb aus Vergeßlichkeit zurückgelassenen Geldes, bei dem sich der Unfall ereignete. Ein Versicherungsschutz hierfür kann deshalb unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
II. Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Streitig ist die Entschädigung eines Verkehrsunfalls.
Der im Jahre 1955 geborene Kläger war seit 1985 als Maschinenführer bei der Firma P.-Werkzeugbau GmbH in R. W. beschäftigt. Am 8. März 1990 trat er nach Arbeitsende gegen 15.45 Uhr die Heimfahrt zu seiner Wohnung in O.-H., R.-K.-Straße , an. Gegen 16.25 Uhr erlitt er auf der B 448 aus Richtung O.-H. kommend in Höhe der Ausfahrt einer Aral-Tankstelle einen Verkehrsunfall, als er mit seinem Ford Ascona auf einen vor ihm fahrenden Pkw auffuhr. Der Kläger zog sich u.a. insbesondere eine Gehirnerschütterung, Thoraxprellung, eine Vorderkantenfraktur des 4. Lendenwirbelkörpers sowie Prellungen und Stauchungen des rechten Handgelenks und der rechten Mittelhand zu.
Laut polizeilichem Vernehmungsprotokoll gab der Kläger unter dem 29. März 1990 an, daß er von der Arbeitsstelle direkt nach Hause gefahren sei und dort angekommen bemerkt habe, daß er sein Portemonnaie vergessen habe. Er sei deshalb sofort die gleiche Strecke zum Betrieb zurückgefahren, wobei sich der Unfall ereignet habe. In einem Bericht des Dr. S. hieß es, daß der Kläger nach seinen Angaben vom 19. März 1990 im Zeitpunkt des Unfalls zum Tanken an eine Tankstelle habe fahren wollen und in einen von der Tankstelle kommenden Pkw hineingefahren sei. Sein Arbeitgeber teilte unter dem 7. September 1990 mit, der Kläger habe an der vorher aufgesuchten Tankstelle bemerkt, daß er seine Geldbörse im Betrieb vergessen habe und sei deshalb zum Betrieb zurückgefahren, um diese zu holen. Vom Anwalt des Klägers wurde mit Schriftsatz vom 17. Januar 1991 vorgetragen, der Kläger habe auf der Heimfahrt festgestellt, daß er seine Brieftasche in der Firma vergessen habe, die B 448 jedoch erst an der Ausfahrt R.-K.-Straße verlassen können. Er sei dabei zwar auch zu seiner Wohnung gefahren, habe diese aber nicht betreten, weil er keinen Schlüssel gehabt habe und seine Ehefrau nicht anwesend gewesen sei. Er sei deshalb weitergefahren und auf der B 448 wieder zurückgefahren. Wenn er seine Brieftasche habe holen wollen, dann in erster Linie deswegen, um einem Verlust dieser Brieftasche durch Diebstahl am Arbeitsplatz zu begegnen. Eine solche Vorsichtsmaßnahme sei durchaus im Zusammenhang mit seiner betrieblichen Einbindung zu verstehen.
Mit Bescheid vom 26. April 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1991 lehnte die Beklagte eine Entschädigung mit der Begründung ab, daß es sich nicht um einen versicherten Wegeunfall gehandelt habe. Der Rückweg zum Betrieb, um die Geldbörse oder Brieftasche zu holen, habe eigenwirtschaftlichen Zwecken gedient. Daß der Kläger einem Diebstahl der Brieftasche im Betrieb habe vorbeugen wollen, ändere daran nichts, da die Brieftasche weder Betriebsgegenstand noch Arbeitsgerät gewesen sei. Auch wenn der Kläger die Geldbörse habe holen wollen, um das anschließende Auftanken seines Fahrzeugs zu ermöglichen, sei der Unfallversicherungsschutz zu verneinen, da das Auftanken des Fahrzeugs gleichfalls dem eigenwirtschaftlichen Bereich zuzurechnen sei, selbst wenn das Fahrzeug vom Kläger ausschließlich zu Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte benutzt werde.
Am 30. September 1991 hat der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt am Main (SG) Klage erhoben und weiterhin geltend gemacht, daß seine Absicht, dem Diebstahl seiner Brieftasche vorzubeugen, nicht nur seine persönlichen Interessen, sondern auch diejenigen seiner Firma und der Arbeitskollegen berührt habe, weil das Abhandenkommen der Brieftasche – ähnlich wie bei einem Kameradendiebstahl – zu negativen Auswirkungen auf das Betriebsklima hätte führen können. Im übrigen habe er in dem Portemonnaie seine Ausweispapiere aufbewahrt, um sich bei der Fahrt jederzeit ausweisen zu können. Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem SG am 3. November 1992 hat der Kläger u.a. erklärt, daß er die Brieftasche bzw. Geldbörse im Umkleidesaal in seinem unverschlossenen Spind zurückgelassen habe und diese Geld, Paß und Führerschein enthalten habe. Das Zurücklassen der Börse habe er kurz vor der zwischen der Arbeitsstelle und seiner Wohnung – an der Gegenfahrbahn – liegenden Tankstelle bemerkt. In die R.-K.-Straße habe er notgedrungen fahren müssen. Nach Hause sei er aber nicht gegangen, obwohl er die Wohnungsschlüssel dabei gehabt habe, sondern sei direkt zur Firma zurückgekehrt. Denselben Weg hätte er auch zur Tankstelle nehmen müssen, sofern er die Geldbörse nicht vergessen hätte.
Mit Urteil vom 3. Mai 1994 hat das SG die Klage abgewiesen. Die erneute Fahrt zum Betrieb, um die Brieftasche zu holen, habe nicht im Zusammenhang mit betrieblichen Belangen gestanden, da Ausweispapiere und Geld in der Regel weder zur Ausübung der betrieblichen Tätigkeit noch für Fahrten nach und von der Arbeitsstelle mitgenommen oder benötigt würden. Anders könne er sich lediglich bei längeren Dienstreisen verhalten, da in diesem Fall ohne die Mitnahme der entsprechenden Papiere ein störungsfreier Ablauf nicht gewährleistet sei. Auch soweit der Kläger den Verlust der Brieftasche durch Diebstahl habe verhindern wollen, sei dies in erster Linie für ihn persönlich von Bedeutung und Interesse gewesen. Der angegebene Zweck, damit einer Verschlechterung des Betriebsklimas vorbeugen zu wollen, sei allenfalls eine rechtlich unerhebliche Nebenwirkung gewesen.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 13. Juni 1994 zugestellte Urteil hat der Kläger am 27. Juni 1994 Berufung eingelegt und geltend gemacht, das SG habe bei seiner Beurteilung außer Betracht gelassen, daß die Brieftasche, die er habe holen wollen, um einem möglichen Abhandenkommen vorzubeugen, sich in einem unverschlossenen Spind befunden habe. Aufgrund dieses Umstandes seien konkrete betriebliche Risiken wirksam gewesen, die den geforderten rechtlich wesentlichen Zusammenhang des Holens der Brieftasche mit der versicherten Tätigkeit im Sinne der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 24) begründet hätten. Bei seiner persönlichen Anhörung vor dem Senat hat der Kläger u.a. erklärt, Hauptgrund für die Rückkehr zum Betrieb sei gewesen, das Geld fürs Tanken zu holen. Er habe nämlich nicht mehr genügend Treibstoff gehabt, um am nächsten Tag die Arbeitsstätte zu erreichen. Seine Ehefrau hätte ihm kein Geld zum Tanken geben können. Außerdem habe er seine Wohnungsschlüssel vergessen gehabt und schließlich seine Papiere (Reisepaß, Führerschein, Fahrzeugpapiere) holen wollen. Da er die Arbeitsstätte mit dem Fahrzeug nicht mehr erreicht hatte, habe er am Unfalltag auch die vergessenen Gegenstände nicht mit dem Pkw abholen wollen, sondern die Absicht gehabt, das Fahrzeug auf dem Parkplatz der Tankstelle an der B 448 zwischen O. und Kreisel abzustellen und von dort zu dem etwa 3 km entfernt gelegenen Betrieb zu laufen.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 3. Mai 1994 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheides vom 26. April 1991 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 2. September 1991 zu verurteilen, den Unfall vom 8. März 1990 in gesetzlichem Umfang als Arbeitsunfall zu entschädigen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend. Das vom Kläger angesprochene BSG-Urteil betreffe einen völlig anders gelagerten Fall, der im übrigen ebenfalls nicht positiv entschieden worden sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Gerichts- und Verwaltungsakte, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Entschädigung des Unfalls vom 8. März 1990, weil es sich hierbei nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt hat.
Nach § 548 Abs. 1 Satz 1 Reichsversicherungsordnung (RVO) ist Arbeitsunfall ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 RVO genannten Tätigkeiten erleidet. Als Arbeitsunfall gilt nach § 549 RVO auch ein Unfall bei einer mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Verwahrung, Beförderung, Instandhaltung und Erneuerung eines vom Arbeitgeber oder vom Versicherten zur Verfügung gestellten Arbeitsgeräts sowie auf den zu diesen Zwecken unternommenen Wegen. Ferner gilt gemäß § 550 Abs. 1 RVO als Arbeitsunfall ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Sämtliche Voraussetzungen sind nicht erfüllt. § 549 RVO scheidet von vornherein aus, weil Brieftasche, Geld, Reisepaß, Führerschein, Fahrzeugpapiere sowie der Wohnungsschlüssel, die der Kläger seinen Angaben zufolge im Zeitpunkt des Unfalls aus dem Betrieb holen wollte, eindeutig keine Arbeitsgeräte im Sinne dieser Vorschrift darstellen, d.h. nicht zu den Gegenständen gehören, die ihrer Zweckbestimmung nach hauptsächlich für die Tätigkeit im Unternehmen gebraucht werden (BSG SozR 2200 § 549 Nr. 10). Gleiches gilt für den für die Wege von und nach der Arbeitsstätte benutzten privaten Pkw (BSG SozR 2200 § 548 Nr. 67), den der Kläger möglicherweise mit dem im Betrieb zurückgelassenen Geld auftanken wollte.
Der Versicherungsschutz ist auch nicht nach § 550 Abs. 1 RVO zu bejahen. Der Kläger hatte am 8. März 1990 den nach Beendigung seiner Arbeit von der Arbeitsstätte in R.-W. angetretenen Weg über die B 448 zu seiner Wohnung in O.-H., R.-K.-Straße, mit deren Erreichen bereits beendet und befuhr die B 448 von dort kommend in entgegengesetzter Richtung. Es kann dahinstehen, ob der Kläger im Zeitpunkt des Unfalls, der sich in Höhe einer Aral-Tankstelle ereignete, tatsächlich die Absicht hatte, nochmals in den Betrieb zurückzukehren, um dort vergessene Gegenstände zu holen, bzw. ob er zu diesem Zweck nach Abstellen des Fahrzeugs auf dem Parkplatz der Tankstelle zu Fuß zu dem ca. 3 km entfernten Betrieb laufen wollte. Denn allein der Umstand, daß das Ziel eines Weges der Ort der Tätigkeit im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO ist, begründet noch keinen Versicherungsschutz nach dieser Vorschrift. Zwar ist der Versicherungsschutz nach § 550 Abs. 1 RVO nicht auf täglich nur einen einzigen Weg nach oder von dem Ort der Tätigkeit beschränkt. Bei mehreren Wegen an einem Tag muß jedoch jeder dieser Wege in einem sachlichen, inneren Zusammenhang mit der versicherten Betriebstätigkeit stehen (BSG SozR 2200 § 550 Nrn. 25, 62). Erforderlich ist deshalb stets, daß das Zurücklegen des Weges nach der konkreten finalen Handlungstendenz des Versicherten der versicherten Tätigkeit zu dienen bestimmt ist, ihr objektiv tatsächlich auch dient oder die subjektive Vorstellung des Versicherten, dies sei der Fall, nach den objektiven Verhältnissen zumindest berechtigt ist (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 96; BSG, Urteil vom 27. März 1990 – 2 RU 37/89). Die betriebliche Zurechenbarkeit eines wiederholten Weges von und zur Arbeitsstätte mit der versicherten Tätigkeit ist z.B. bejaht worden, wenn von dem Ort der Tätigkeit zur Wohnung zurückgekehrt werden muß, um den vergessenen, für die Verrichtung der versicherten Tätigkeit erforderlichen Spindschlüssel, eine Brille, die im Betrieb erforderliche oder übliche Arbeitskleidung o.ä. zu holen, oder wenn während der Arbeitspause die Mahlzeit zu Hause eingenommen oder eine längere Zeit zwischen zwei Arbeitsschichten überbrückt werden soll (BSG SozR § 543 RVO a.F. Nr. 11; BSG SozR 2200 § 550 Nrn. 25, 62, 66). Das Holen der vergessenen persönlichen Gegenstände (Brieftasche, Geld, Reisepaß, Führerschein, Fahrzeugpapiere, Wohnungsschlüssel) im Betrieb nach Arbeitsende und Erreichen der Wohnung diente der versicherten Tätigkeit in dieser Weise erkennbar nicht, sondern nur eigenen, persönlichen Belangen des Klägers. Der Kläger benötigte die Gegenstände weder für eine am 8. März 1990 evtl. noch an anderem Ort zu verrichtende Betriebsarbeit noch für seine Arbeit am folgenden Tag, die außerdem an derselben Stelle aufzunehmen war, an dem die Gegenstände zurückgelassen wurden. Nach dem eigenen Vortrag des Klägers kann auch nicht davon ausgegangen werden, daß er sich – wie von seinem früheren Prozeßbevollmächtigten vorgetragen wurde – zur Rückkehr in den Betrieb entschloß, um einem evtl. Diebstahl seiner Brieftasche im Interesse des Betriebsklimas und Betriebsfriedens vorzubeugen oder dieses Motiv sein Handeln zumindest in etwa gleicher Weise wie das persönliche Interesse an der Sicherstellung seines Eigentums bestimmte, er also den Weg einschließlich eines längeren Fußweges auch unternommen hätte, wenn der private Zweck entfallen wäre (zur sog. gemischten Tätigkeit s. BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 19). Es kann deshalb unentschieden bleiben, ob es sich bei dem Entfernen der Brieftasche aus dem unverschlossenen Spind objektiv überhaupt um eine den Interessen des Betriebes wesentlich dienende Maßnahme gehandelt hätte oder der Kläger subjektiv aufgrund objektiver Umstände jedenfalls berechtigterweise davon hätte ausgehen können oder ob ein Handeln aus dieser Vorstellung heraus offensichtlich den Rahmen vernünftigen Verhaltens überschritten hätte. Allein der Umstand, daß der Kläger die Gegenstände nicht an beliebiger Stelle, sondern am Ort seiner versicherten Tätigkeit und dort in einem offenen, wegen eines Defekts nicht verschließbaren Spind vergessen hatte, stellt entgegen seiner Ansicht keine Besonderheit dar, die einen rechtlich wesentlichen Zusammenhang mit der versicherten Betriebstätigkeit begründen könnte. Deshalb ging weder die Handlungstendenz des Klägers dahin, eine dem Unternehmen dienende Verrichtung zu erbringen, noch wurde das beabsichtigte, persönlichen Zwecken dienende Vorhaben infolgedessen zumindest maßgeblich durch Maßnahmen bzw. pflichtwidrige Unterlassungen des Arbeitsgebers veranlaßt und geprägt. Auch der wesentliche Auslöser hierfür war und blieb ein in der Sphäre des Klägers liegender Grund, nämlich seine eigene Vergeßlichkeit.
Nach den Angaben des Klägers vor dem Senat im Termin vom 5. April 1995 hatte der zum Unfall führende Weg am 8. März 1990 vielmehr allenfalls den Zweck, den Weg zur Arbeitsstätte im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO am nächsten Tag vorzubereiten, sofern es zutrifft, daß der Kläger in den Besitz des vergessenen Geldes kommen wollte oder mußte, um seinen Pkw für die Fahrt am nächsten Morgen zu betanken und betriebsbereit zu machen, und dies der Hauptgrund für eine Rückkehr zum Betrieb war. Auch unter diesem Gesichtspunkt kann indes ein Versicherungsschutz nicht anerkannt werden. Dabei ist es u.a. letztlich unerheblich, ob das Auftanken des Fahrzeugs für den nächsten Tag objektiv wirklich notwendig war und der Kläger dazu ggf. wiederum das im Betrieb zurückgelassene Geld unbedingt benötigte und ob er im übrigen den Weg zur Arbeit am 9. März 1990 nicht auch auf andere Weise, z.B. mit der laut Straßenkarte (Bl. 78 f. Verwaltungsakte) vorhandenen S-Bahn, zumutbarerweise hätte zurücklegen können. Denn der zum Unfall führende Weg kann unabhängig davon auch nicht als Teil des Weges zur Arbeitsstätte im Sinne des § 550 Abs. 1 RVO angesehen werden, den der Kläger am nächsten Tag zurückzulegen hatte.
Nach ständiger Rechtsprechung gehört das Auftanken des zur Fahrt nach und von der Arbeitsstätte benutzten Kraftwagens vor oder nach der Arbeit und auch während einer Arbeitspause ebenso wie die Reparatur des Fahrzeugs grundsätzlich zu den unversicherten, dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnenden Verrichtungen, auch wenn das Zurücklegen des Weges im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO der versicherten Tätigkeit gleichgestellt ist (u.a. BSGE 16, 77; BSG SozR 2200 § 550 Nr. 39; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 11. Aufl., S. 486 g). Für das Holen des zum Tanken benötigten Geldes kann deshalb nichts anderes gelten. Eine andere Betrachtung ist auch nicht für das Holen von Ausweis, Führerschein und Fahrzeugpapieren denkbar, sofern der Kläger zusätzlich noch geglaubt haben sollte, das Fahrzeug ohne die Papiere am nächsten Tag nicht weiter benutzen zu dürfen. Abgesehen davon, daß die Vorstellung des Klägers sich insoweit allenfalls auf ihn als Pkw-Halter treffende rechtliche Verbote, nicht aber auf Umstände beziehen konnte, die das tatsächliche Zurücklegen des Weges zur Arbeitsstätte unmöglich machen konnten, handelte es sich bei dem Holen der vergessenen Gegenstände in jedem Fall nur um eine vorbereitende Verrichtung, die sich hinsichtlich ihrer Beziehung zur versicherten Tätigkeit oder zu einem Weg im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO grundsätzlich nicht von zahlreichen sonstigen Verrichtungen außerhalb der Arbeitszeit unterscheidet, die notwendig sind, damit der Weg von und zur Arbeitsstätte angetreten und/oder die Arbeit durchgeführt werden kann, die aber gleichwohl dem unversicherten Bereich zugerechnet werden, selbst wenn sie zugleich auch der Erfüllung von Pflichten aus dem Arbeitsverhältnis dienen können und dazu u.U. sogar unentbehrlich sind. Zu diesen unversicherten Vorbereitungshandlungen zählen z.B. das Besorgen einer Fahrkarte (BSGE 7, 225), das Beschaffen der Lohnsteuerkarte (BSGE 11, 154), eines Krankenscheins (BSGE 17, 11), einer Aufenthaltserlaubnis (BSGE 36, 222), das Einrichten eines privaten Girokontos auf Verlangen des Arbeitgebers außerhalb der Arbeitszeit (BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 13, 18), das Ummelden des für die Fahrt zur Arbeit benutzten Fahrzeugs bei der Kfz.-Zulassungsstelle (BSG, Urteil vom 27. Juni 1984 – 9 b RU 46/82) oder das vorsorgliche Einkaufen von Nahrungsmitteln und Getränken zum Verzehr in der Arbeitspause vor oder auf dem Weg zur Arbeit oder das Holen des dazu benötigten, zu Hause vergessenen Geldes (BSG SozR 2200 § 550 Nr. 24). Zwar hat das BSG im Urteil vom 12. Juni 1990 – 2 RU 57/89 (= SozR 3-2200 § 548 Nr. 3) entschieden, daß sich während einer Dienstreise der Versicherungsschutz auch auf einen Weg erstreckt, den der Versicherte noch vor Beendigung eines versicherten Weges zurücklegt, um die in seinem Pkw zurückgelassenen Papiere – Ausweis, Führerschein, Kraftfahrzeugschein – zu holen. Maßgebend hierfür war indes u.a., daß der Versicherte auf der Dienstreise seinen Ausweis rechtlich wesentlich auch zu dem Zweck mitführt, um die Dienstreise ordnungsgemäß und störungsfrei abzuwickeln, und auch seinen privaten Pkw zur Abwicklung der Dienstreise und damit im betrieblichen Interesse benutzte. Ein vergleichbarer Sachverhalt liegt hier jedoch nicht vor. Auch für Maßnahmen zur Wiederherstellung der Betriebsfähigkeit eines Fahrzeugs wie Reparatur und Tanken ist ein Versicherungsschutz außerhalb von Dienstreisen bzw. Betriebswegen grundsätzlich nur gegeben, wenn sie während des Zurücklegens eines versicherten Weges nach oder von dem Ort der Tätigkeit im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO unvorhergesehen notwendig werden, damit der restliche Weg zurückgelegt werden kann (BSGE 16, 77 und 245; BSG SozR § 542 RVO a.F. Nr. 72; BSG SozR § 543 RVO a.F. Nr. 63; BSG SozR 2200 § 550 Nrn. 39, 67; HLSG, Urteile vom 14. September 1984 – L-3/U-1474/81 und 27. September 1989 – L-3/U-178/87; Brackmann, a.a.O., S. 486 h). Zwar ist ein Versicherungsschutz für die der versicherten Tätigkeit oder dem Weg von und nach der Arbeitsstätte vorangehenden und sie vorbereitenden Handlungen einschließlich des Auftankens eines Kraftfahrzeuges ebenso wie für andere grundsätzlich private Verhaltensweisen nicht völlig auszuschließen. In diesen Fällen bedarf es jedoch der Feststellung besonderer, ungewöhnlicher Umstände, die die Annahme rechtfertigen, daß das eigenwirtschaftliche Tun derart von betrieblichen Umständen beherrscht wurde, daß es der versicherten Tätigkeit bzw. einem versicherten Weg im Sinne von § 550 Abs. 1 RVO zugerechnet werden muß (BSG SozR § 543 RVO a.F. Nr. 61; BSG SozR 2200 § 548 Nrn. 68, 82). Solche durch die Arbeitstätigkeit maßgebend geprägten besonderen Umstände wurden z.B. für das nächtliche Nachtanken eines Kraftfahrzeuges nach Arbeitsende zur Vorbereitung des Weges zur Arbeit am nächsten Tag in einem Fall anerkannt, in dem das Nachtanken und seine Modalitäten in erster Linie dadurch bestimmt und veranlaßt wurden, daß der Versicherte im Interesse und auf Veranlassung des Arbeitgebers unerwartet und planwidrig zu einer anderen Schicht bzw. zur Frühschicht eingeteilt wurde (BSG, Urteil vom 24. Januar 1995 – 8 RKnU 1/94). Im vorliegenden Fall wurde das Vorhaben des Klägers, sein Fahrzeug am 8. März 1990 nach Arbeitsende und Erreichen der Wohnung für den nächsten Tag an einer Tankstelle an der B 448 aufzutanken, jedoch ebensowenig durch irgendwelche aus seiner versicherten Tätigkeit resultierenden besonderen Umstände wesentlich bestimmt wie das diese Vorbereitungshandlung wiederum erst vorbereitende Holen des im Betrieb aus Vergeßlichkeit zurückgelassenen Geldes, bei dem sich der Unfall ereignete. Ein Versicherungsschutz hierfür kann deshalb unter keinem denkbaren rechtlichen Gesichtspunkt in Betracht kommen.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Nichtzulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 SGG.
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