L 3 U 329/94

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 3 U 1012/93
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 329/94
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Februar 1994 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Der Kläger streitet um die Anerkennung eines Ereignisses vom 5. November 1992 als Arbeitsunfall.

Der Kläger war Verkaufsleiter der in Frankfurt am Main und wollte sich am 5. November 1992 in der ab 12.30 Uhr beginnenden Mittagspause zum Mittagessen in ein Café begeben, das im 2. Stock des Hessen-Centers in gelegen ist. Nachdem er das Hessen-Center betreten hatte, rutschte er noch im Durchgangsflur des Erdgeschosses auf einem Salatblatt aus und verdrehte sich den rechten Unterschenkel. Der Durchgangsarzt Dr. diagnostizierte eine Kniescheibenluxation, die er in Narkose reponierte (Bericht vom 6. November 1992). Ab 5. Januar 1993 war der Kläger wieder arbeitsfähig.

Mit Bescheid vom 27. April 1993 lehnte die Beklagte Leistungsansprüche aus der gesetzlichen Unfallversicherung aus Anlaß des Ereignisses ab, da es sich nicht um einen Arbeitsunfall gehandelt habe. Der Aufenthalt im Hessen-Center sei unversichert. Der Kläger habe nur auf seinem Weg zur Einnahme des Essens in der Mittagspause gesetzlichen Unfallversicherungsschutz genossen, der geendet habe mit Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem sich das Lokal befinde. Auf den Widerspruch des Klägers vom 6. Mai 1993 hin zog die Beklagte Übersichtspläne des Hessen-Centers bei und wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 20. Juli 1993 zurück.

Der Kläger erhob am 20. August 1993 vor dem Sozialgericht Darmstadt (SG) Klage, zu deren Begründung er vortrug, die Mittelgänge des Hessen-Centers seien Ladenpassagen oder Einkaufsstraßen vergleichbar, die wie diese Gänge gleichfalls öffentlich zugänglich seien. Da er das Café noch nicht betreten habe, habe er sich zum Unfallzeitpunkt noch auf einem derart der Öffentlichkeit zugänglichen Weg – einem Mittelgang des Centers – befunden und unter Unfallversicherungsschutz gestanden. Das Hessen-Center beinhalte mehrere rechtlich selbständige Einzelgeschäfte, die lediglich unter einem Dach zusammengefaßt seien.

Die Beklagte hielt an ihrer Auffassung fest, das Hessen-Center stelle eine bauliche Einheit dar und der Unfallversicherungsschutz ende bzw. beginne an der Außentür dieses Gebäudes, welches für einen einheitlichen Gefahrenbereich stehe. Da die Mittelgänge teilweise auch von einzelnen Geschäften mitgenutzt würden, sei die Grenzziehung für den gesetzlichen Unfallversicherungsschutz mit Betreten des einzelnen Geschäftes verfehlt.

Mit Urteil vom 22. Februar 1994 hat das SG die entgegenstehenden Bescheide aufgehoben und festgestellt, daß der Kläger am 5. November 1992 im Hessen-Center einen Arbeitsunfall erlitten habe. Die Berufung hat es zugelassen. Die zulässige Feststellungsklage des Klägers hat es für begründet erachtet, da die Rechtssicherheit nicht gefährdet werde, wenn im Falle des Klägers als Grenzpunkt zur Bestimmung gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes an Stelle der Außentür des Hessen-Centers die Gaststättentür bestimmt werde. Das Hessen-Center sei kein "Gebäude” in dem von der Literatur und Rechtsprechung gemeinten Sinn. Es handele sich vielmehr um eine große Ladenpassage, deren Gehwege genauso dem öffentlichen Fußgängerverkehr dienten wie die benachbarten Straßen und Plätze. Das Hessen-Center sei nicht mit einem Warenhaus vergleichbar, in dem sich ein Erfrischungsraum befinde. Die in einem Einkaufscenter angelegten Wege und Nischen zum Verweilen ähnelten mehr öffentlichen Straßen, Plätzen und Wegen als den Gängen in einem Kaufhaus. Wer sich auf einem solchen Verbindungsweg aufhalte, habe auch nicht das Gefühl, in einem privaten Geschäft zu sein. Die Grenzziehung mit Durchschreiten der Restauranttür lasse sich genauso leicht praktizieren, wie das bei der Außentür des Einkaufscenters oder bei einer Gaststätte der Fall sei, die von der öffentlichen Straße aus betreten werde. Denn die im Hessen-Center befindlichen Gaststätten und Cafés hätten eigene Abschlüsse, die eine klare Abgrenzung zu den allgemeinen Verkehrsflächen ermöglichten. Auch wenn dort Freiflächen zur Bewirtung von den Gaststätten benutzt würden, sei nicht anders zu entscheiden. Denn auch diese freien Flächen seien nach dem glaubhaften Vortrag des Klägers durch Balustraden oder ähnliche Einrichtungen von den Verkehrsflächen abgegrenzt. Derart bewirtschaftete Freiflächen vor Cafés und Restaurants seien im übrigen auch in den Straßen der Innenstädte üblich.

Die Beklagte hat gegen das ihr am 17. März 1994 zugestellte Urteil am 8. April 1994 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt und weiterhin die Auffassung vertreten, aus Gründen der Rechtssicherheit solle nur die Außenhaustür des Hessen-Centers als Grenze des Versicherungsschutzes angesehen werden, dessen Wege und Flure von den öffentlichen Straßen abgegrenzt und bereits dem Geschäftsbereich der im Hessen-Center befindlichen Unternehmen zuzurechnen seien. Das Hessen-Center sei ein "Gebäude” in dem von Literatur und Rechtsprechung gemeinten Sinn. Cafes oder Gaststätten innerhalb des Hessen-Centers könnten nicht als eigenständige Gebäude definiert werden. Das Center stelle aus baurechtlicher Sicht ein Geschäftshaus dar, das in der einschlägigen Hessischen Geschäftshausverordnung in seiner Gesamtheit als geschlossene bauliche Einheit gewertet werde, nicht aber die darin enthaltenen einzelnen Verkaufsstätten. Aus der Geschäftshausverordnung ergebe sich, daß die im Hause befindlichen Flure, Gänge und Treppen nicht zu den öffentlichen Verkehrsflächen gehörten. Die ständige Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (BSG) zum Unfallversicherungsschutz in Mehrfamilienhäusern solle wegen der Vergleichbarkeit der Sachverhalte entsprechende Anwendung finden. Auch wenn die Verkehrsflächen noch nicht im Einflußbereich eines bestimmten Unternehmens lägen, wie auch das Treppenhaus eines Mehrfamilienhauses nicht im Einflußbereich eines bestimmten Mieters stehe, so bildeten jedenfalls die Rechte der einzelnen Mieter zusammen mit der baulichen Einheit des Gebäudes eine Sphäre, die die innerhalb des Gebäudes befindlichen Wege und Flure von öffentlichen Straßen abgrenze. Das Hessen-Center werde nur offengehalten, um der Kundschaft das Einkaufen zu ermöglichen. Eine Stunde nach Ladenschluß werde es für die Allgemeinheit verschlossen.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 22. Februar 1994 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die erstinstanzliche Entscheidung für zutreffend, da das Hessen-Center einen Zusammenschluß mehrerer Gewerbetreibender darstelle, die sich lediglich "unter einem Dach” zusammenfänden. Die Mittelgänge des Centers seien mit Gehwegen oder Fußgängerzonen zu vergleichen, während der Vergleich dieses Einkaufzentrums mit einem Mehrfamilienhaus nicht für statthaft erachtet werde. Insbesondere Treppen und Flure in einem Einkaufszentrum seien nicht mit eben solchen in einem Mehrfamilienhaus vergleichbar, da dessen Treppenhaus nicht von Besuchern frequentiert werde. Das Hessen-Center werde wie vergleichbare Einrichtungen von Passanten auch dazu benutzt, um lediglich "zu bummeln” oder sich mit anderen Passanten zu treffen, so daß immer auch ein sozialer Treffpunkt entstehe.

Auf Ersuchen des Senats hat die Beklagte eine Fotoserie mit Übersichtsaufnahmen und Ansichten der Eingänge, auch des vom Kläger benutzten, vorgelegt. Der Kläger hat die Pläne des Hessen-Centers mit dem von ihm zurückgelegten Weg, der Unfallstelle und dem von ihm angesteuerten Cafe ergänzt und wieder zurückgereicht. Die Außentüren des Hessen-Centers, auch die vom Kläger benutzte, sind verschließbare Glasschwingtüren, die nach Schließung des Hessen-Centers durch absenkbare Gitter zusätzlich verschlossen und abgesichert werden.

Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakte und die Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen, die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind.

Entscheidungsgründe:

Auf die vom SG zugelassene und von der Beklagten form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§§ 144 Abs. 2 und 3, 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz –SGG–) war das erstinstanzliche Urteil vom 22. Februar 1994 aufzuheben und die Feststellungsklage (§ 55 Abs. 1 Ziffer 1 SGG) abzuweisen, da der Sturz des Klägers am 5. November 1992 im Hessen-Center nicht als Arbeitsunfall Anerkennung finden kann. Denn der Kläger stand nur bis zum Betreten des Einkaufszentrums unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung.

Arbeitsunfall ist ein Unfall, den ein Versicherter bei einer der in den §§ 539, 540 und 543 bis 545 Reichsversicherungsordnung (RVO) genannten Tätigkeiten erleidet (§ 548 Abs. 1 Satz 1 RVO). Nach § 550 Abs. 1 RVO gilt als Arbeitsunfall auch ein Unfall auf einem mit der versicherten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit. Einen derartigen nach § 550 Abs. 1 RVO geschützten Weg stellt auch der während der Mittagspause zurückgelegte Weg von der Arbeitsstätte zu einem Lokal oder einer Kantine dar, um dort ein Mittagessen einzunehmen. Da beim Kläger keine besonderen betrieblichen Umstände erkennbar geworden sind, die die Nahrungsaufnahme selbst zu einer versicherten Tätigkeit hätten machen können (zu derartigen Fallkonstellationen vgl. Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 481 d–f; Lauterbach-Watermann, Gesetzliche Unfallversicherung, Komm., Anm. 77 zu § 548 RVO), hat der Senat die in Rechtsprechung und Literatur allgemein anerkannten und von ihm gebilligten Grundsätze zum Bestehen gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes bei der Essenseinnahme seiner Entscheidung zugrunde gelegt. Danach sind die Einnahme des Essens und alle damit unmittelbar zusammenhängenden Verrichtungen dem privaten, eigenwirtschaftlichen und somit unversicherten Bereich zuzurechnen, während der Versicherte auf dem Weg zur Essenseinnahme unter gesetzlichem Unfallversicherungsschutz steht bis zum Durchschreiten der Außentür des Gebäudes, in dem die Gaststätte/Kantine liegt, in der er das Essen einzunehmen beabsichtigt (dazu Brackmann, a.a.O., S. 486 k I; Lauterbach-Watermann, a.a.O., Anm. 8 zu § 550 RVO; Urteile des BSG vom 21. Dezember 1977, Az.: 2 RU 40/76 sowie vom 27. August 1991, Az.: 2 RU 47/79).

Bei seiner Entscheidung über die zwischen den Beteiligten letztlich streitige Frage, ob wegen der Besonderheiten eines Einkaufszentrums der Größe des Hessen-Centers ausnahmsweise nicht die Außentür des Gesamtgebäudes, sondern die zur Gaststätte führende Tür bzw. Absperrung als Grenze gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes zugrunde zu legen ist, ist der Senat von folgendem Sachverhalt ausgegangen: Beim Hessen-Center handelt es sich ausweislich der im Verwaltungsverfahren beigezogenen Bauzeichnungen und der von der Beklagten im Berufungsverfahren vorgelegten Photographien um einen einheitlichen Gebäudekomplex, der horizontal drei Untergliederungen aufweist – einen Shopteil mit kleinen Geschäften und Gaststätten pp. in der Mitte sowie je eine große Verkaufsfläche von toom und Kaufhof zu beiden Seiten – und sich vertikal in drei Ebenen aufgliedert: Basement, Erdgeschoß und Obergeschoß. Das Hessen-Center wird von außen durch Glasschwingtüren betreten, die abends nach Geschäftsschluß verschlossen und durch das Absenken zusätzlicher Metallgitter gesichert sind und morgens vor Geschäftsbeginn wieder geöffnet werden.

Angesichts dieser tatsächlichen Umstände und dem in Rechtsprechung und Literatur betonten Erfordernis, die gebotene Abgrenzung des versicherten vom unversicherten Bereich nach objektiven Merkmalen zu treffen, die praktikabel sein und Rechtsbetroffenen wie auch Rechtsanwendern Rechtssicherheit vermitteln sollen, konnte der Senat der erstinstanzlichen Entscheidung im Ergebnis nicht beitreten. Das BSG hatte sich mit derselben Abgrenzungsfrage zu beschäftigen, als es im Rahmen des § 550 Abs. 1 RVO den versicherten Bereich auf Hin- und Rückwegen zur Arbeit beim Verlassen der Wohnung in Mehrfamilienhäusern gegenüber dem unversicherten privaten Bereich abgrenzen mußte und hierbei entscheidend auf die Außentür des Gebäudes abstellt (BSGE 2, 239). Zunächst hatte die Rechtsprechung (BSG, a.a.O.) noch eine individuelle Abgrenzung für den Fall neuerer Entwicklungen im Städtebau (beispielsweise durch Bau von Hochhäusern mit Miet- und Geschäftsetagen) nicht ausgeschlossen. Nach neueren Entscheidungen des BSG (BSGE 37, 36; Urteil des BSG vom 30. November 1982, Az.: 2 RU 33/81) soll eine Abweichung von der zuvor getroffenen Grenzziehung aber nur erlaubt sein, wenn dadurch die Rechtssicherheit nicht gefährdet wird, der entscheidende Bedeutung in dieser Frage beizumessen sei. Das BSG hat sodann in weiteren Entscheidungen (Urteil vom 26. Januar 1988, Az.: 2 RU 1/87 sowie vom 26. April 1973, Az.: 2 RU 213/71) diese Rechtsprechung auch auf die Fälle übertragen, bei denen der Versicherte während der Mittagspause eine Kantine oder eine Gaststätte besucht, und hat bei der Grenzziehung zur Bestimmung von Beginn und Ende des unversicherten Bereiches ebenfalls auf objektive Merkmale abgestellt. Das Durchschreiten der Außentür des Kantinen- bzw. Gaststättengebäudes wurde auch hier als den Versicherungsschutz begrenzendes bzw. wiedereröffnendes Moment angesehen, um eine möglichst einheitliche Rechtsprechung herbeizuführen und der Rechtssicherheit wesentlich zu dienen. Die ursächliche Beziehung zur versicherten Tätigkeit trete gegenüber der mit der Essenseinnahme gegebenen Beziehung zur privaten Sphäre als rechtlich unwesentlich zurück, nachdem die Außentür des Gebäudes durchschritten sei.

Der Kläger hat sich von seiner Arbeitsstelle bei der Firma zunächst in den Gefahrenbereich des öffentlichen Verkehrsraumes begeben, um sein Mittagessen in einem Café des Hessen-Centers einzunehmen, und genoß auf diesem Weg gesetzlichen Unfallversicherungsschutz. Er mußte diese Strecke zurücklegen, weil er am Firmensitz seiner beruflichen Beschäftigung nachzukommen hatte. Er wurde dazu folglich wesentlich auch durch betriebliche Belange veranlaßt, so daß insofern ein innerer Zusammenhang mit der versicherten Tätigkeit anzunehmen ist. Den öffentlichen Verkehrsraum verließ er jedoch in dem Moment, als er die Außentür des Hessen-Centers durchschritt, um in das dort im Obergeschoß gelegene Café zu gelangen. In diesem Augenblick betrat er einen vom öffentlichen Verkehrsraum durch Glasschwingtüren eindeutig abgegrenzten Bereich, der während der Öffnungszeit des Hessen-Centers maßgeblich privatwirtschaftlichen Belangen dient und mehr als 12 Stunden täglich der Öffentlichkeit verschlossen und in dieser Zeit nicht allgemein zugänglich ist. Das Hessen-Center ist entgegen der vom erstinstanzlichen Gericht vertretenen Auffassung keine Ladenpassage. Es ist schon gar nicht öffentlichen Straßen oder Plätzen vergleichbar, die ebenso wie eine Ladenpassage jederzeit und von jedermann betreten werden können und dem öffentlichen Verkehr gewidmet sind. Es mag zwar sein, daß sich in den Durchgangsfluren eines Einkaufszentrums der Größe des Hessen-Centers ein Fußgänger-"verkehr” entwickelt, der dem auf öffentlichen Straßen und Plätzen an Intensität vergleichbar ist. Dennoch spielt sich dieser "Verkehr” in einem auf einen Gebäudekomplex beschränkten und gegenüber dem öffentlichen Verkehrsraum durch Türen baulich eindeutig, abgegrenzten Gefahrenbereich ab. Das Bedürfnis nach einer praktikablen, Rechtssicherheit gewährleistenden, auf objektive Gegebenheit abstellenden Grenzziehung gebietet es nach Überzeugung des Senats nicht, von der ansonsten geübten Grenzziehung abzuweichen. Denn mit Betreten des dem öffentlichen Verkehrsraum erkennbar entzogenen Bereiches gelangte der Kläger in eine Sphäre, die er maßgeblich zu dem Zwecke aufsuchte, dort die Mittagsmahlzeit einzunehmen. Sein weiterer Weg innerhalb des Gebäudes weist einen ebenso intensiven Bezug zum unversicherten privaten Bereich (hier der Essenseinnahme) auf, wie der Weg des von der Arbeit ins "Privatleben” zurückkehrenden Mehrfamilienhausbewohners von der Außentür des Mehrfamilienhauses bis zu seiner Wohnungstür innerhalb des Gebäudes, wobei er in einem Hochhaus auch unter Umständen eine Vielzahl von Stockwerken zurücklegen muß.

Dem Kläger ist zuzugeben, daß er das Hessen-Center durchaus auch unter Fortbestehen gesetzlichen Unfallversicherungsschutzes durchschreiten kann, wenn er diese Strecke beispielsweise auf einem durch betriebliche Belange geprägten Weg benutzt, um an einen anderen Ort zu gelangen. Sucht er das Gebäude indessen auf, um dort sein Mittagessen einzunehmen, erhält sein Weg mit Durchschreiten der Außentür des Einkaufscenters und gleichzeitigem Verlassen des öffentlichen Verkehrsraumes die maßgebliche Prägung durch den verfolgten eigenwirtschaftlichen Zweck der Essenseinnahme. Wenn auch der vom Landessozialgericht Baden-Württemberg (Breithaupt 1972, 295) in gleicher Weise entschiedene Rechtsstreit ein Kaufhaus betraf, welches in seinen Ausmaßen dem Hessen-Center offenbar nicht vergleichbar war, hat der erkennende Senat die dort zitierten, langjähriger Auffassung in Rechtsprechung und Literatur entsprechenden maßgeblichen Entscheidungskriterien auch auf den Fall des Klägers zur Anwendung gebracht. Die differenzierende Aufteilung eines eigenständigen, von der Außenwelt klar abgegrenzten Gebäudekomplexes gefährdet die Rechtssicherheit und eröffnet eine Vielzahl verschiedener Abgrenzungsvarianten unter Aufgabe der mit der langjährigen Rechtsprechung mittlerweile erzielten Rechtssicherheit, ohne daß im Falle des Klägers hierfür zwingende Gründe der Einzelfallgerechtigkeit dies gebieten. Denn das gesamte Kaufhaus stellt einen vom Gefahrenbereich der Straße verschiedenen, nach objektiven Merkmalen eindeutig abgrenzbaren einheitlichen Gefahrenbereich dar, in dem sich der Versicherte zur Befriedigung rein persönlicher Bedürfnisse begeben hat, wobei ihm ein folglich unversicherter Unfall zustieß.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision zugelassen, da er dem Rechtsstreit grundsätzliche Bedeutung (§ 160 Abs. 2 Ziffer 1 SGG) beigemessen hat. Der Fall des Klägers kann sich jederzeit wiederholen und bisher ist höchstrichterlich nicht entschieden, ob die für den Mehrfamilienhausbereich entwickelte Grenzziehung zwischen versicherter und unversicherter Sphäre über den Bereich kleinerer Gaststätten und Kantinen hinaus auch bei Einnahme des Mittagessens in großen Einkaufscentern Anwendung finden soll.
Rechtskraft
Aus
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