L 1 Kr 1139/93

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Marburg (HES)
Aktenzeichen
S 6 Kr 423/92
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Kr 1139/93
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 11 Abs. 4 SGB V befreit die gesetzliche Krankenversicherung von dem Risiko des Arbeitsunfalls und der Berufskrankheit.
Es verstößt nicht gegen das Grundgesetz, daß § 11 Abs. 4 SGB V auch für freiwillig Versicherte bei Gesundheitsschäden infolge von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten einen Leistungsanspruch gegen die gesetzliche Krankenversicherung hinsichtlich des sog. Krankengeldspitzbetrages ausschließt.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 3. August 1993 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

III. Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten, ob dem Kläger bei Arbeitsunfähigkeit infolge eines Arbeitsunfalls Anspruch auf den sogenannten Krankengeldspitzbetrag zusteht.

Der 1928 geborene Kläger ist als Selbständiger bei der Beklagten seit dem 1. April 1960 freiwillig versichertes Mitglied. Seit dem 1. Januar 1980 ist er in die höchste Beitragsklasse 611 eingestuft mit einem Anspruch auf Krankengeld in Höhe von 130,00 DM täglich ab dem 22. Krankheitstag.

Bei der Beigeladenen ist der Kläger als Unternehmer ebenfalls freiwillig versichert mit einem Anspruch auf Verletztengeld in Höhe von 80,00 DM täglich, entsprechend dem Jahresarbeitsverdienst von 36.000,00 DM seit 1. Januar 1990.

Infolge eines am 27. August 1991 erlittenen Arbeitsunfalls war der Kläger bis 24. Oktober 1991 arbeitsunfähig. Im Auftrag der Beigeladenen zahlte die Beklagte an den Kläger ab dem 22. Tag der Arbeitsunfähigkeit bis einschließlich 23. Oktober 1991 als vorläufige Leistung Krankengeld in Höhe des Verletztengeldes aus. Dem Kläger teilte die Beklagte mit Schreiben vom 27. November 1991 mit, ihm werde ab dem 17. September 1991 ein Vorschuß auf das zu erwartende Verletztengeld in Höhe von 80,00 DM täglich gezahlt.

Mit Schreiben vom 9. März 1992 machte der Kläger geltend, er habe einen Krankengeldanspruch in Höhe von 136,00 DM pro Tag. Es stehe deshalb noch ein Differenzbetrag in Höhe von 56,00 DM täglich aus.

Die Beklagte lehnte diesen Antrag mit Bescheid vom 16. März 1992 ab. Seit dem 1. Januar 1991 bestehe im Falle eines Arbeitsunfalles oder bei Berufskrankheit kein Anspruch auf Leistungen der gesetzlichen Krankenversicherung. Deshalb entfalle ab diesem Zeitpunkt auch die Zahlung eines Krankengeldspitzbetrages.

In seinem Widerspruch vom 18. März 1992 äußerte der Kläger die Auffassung, der durch seine Beitragsleistungen freiwillig aufgebaute Versicherungsschutz dürfe nicht durch eine Leistungsminderung seitens der Beklagten geschmälert werden. Am 10. Juni 1992 wies die Beklagte den Widerspruch des Klägers zurück.

Der Kläger hat am 10. Juli 1992 bei dem Sozialgericht Marburg Klage erhoben und geltend gemacht, sein Anspruch auf Krankengeld als freiwillig versichertes Mitglied ergebe sich aus der Kassensatzung. Es handele sich um vertragliche Ansprüche und nicht um gesetzliche Ansprüche aus der Sozialpflichtversicherung. Deshalb sei die gesetzliche Regelung, wonach in Fällen eines Arbeitsunfalls kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenkasse bestehe, in seinem Falle nicht anwendbar. Diese Vorschrift wolle einen Doppelbezug von Sozialleistungen verhindern. Im Falle eines freiwillig Versicherten habe diese Vorschrift jedoch zur Folge, daß aufgrund einer geringen Versicherung bei der Berufsgenossenschaft die durch freiwillige Beitragszahlungen bei der Beklagten erworbenen Ansprüche in erheblichem Umfang gekürzt würden. Eine derartige Leistungsminderung verstoße gegen das Sozialstaats- und Rechtsstaatsprinzip. Denn wenn kein freiwilliger Unfallversicherungsschutz bestehe, bestehe ein Anspruch auf das volle Krankengeld. Ihm müsse deshalb der Krankengeldspitzbetrag in Höhe von 50,00 DM täglich gezahlt werden. Die Beklagte hat vorgetragen, auch bei freiwillig Versicherten richte sich die Leistungsverpflichtung nach den gesetzlichen Bestimmungen. In den Satzungsregelungen würden diese lediglich konkretisiert. Der Kläger habe deshalb nur einen Anspruch auf Leistungen aus seiner Unfallversicherung.

Das Sozialgericht Marburg hat durch Urteil vom 3. August 1993 die Beklagte unter Aufhebung der angefochtenen Bescheide verurteilt, an den Kläger für die Zeit von 17. September 1991 bis 23. Oktober 1991 den sogenannten Krankengeldspitzbetrag in Höhe von 50,00 DM täglich zu zahlen. Die Gesetzesauslegung der Beklagten, wonach jeglicher Anspruch auf Krankengeld durch § 11 Abs. 4 SGB V ausgeschlossen sei, verstoße gegen höherrangiges Recht. Insoweit habe bereits das Bundesverfassungsgericht entschieden, daß es nicht zu rechtfertigen sei, daß ein sowohl in der Krankenversicherung als auch der Unfallversicherung freiwillig Versicherter nur das niedrigere Verletztengeld erhalte, während der lediglich freiwillig Krankenversicherte die höhere Leistung, das Krankengeld, erhalte. Dies gelte, solange die Krankenversicherung gegenüber dem Versicherten Leistungen auch bei durch Arbeitsunfälle verursachten Krankheitsfällen zu erbringen habe. Der § 11 Abs. 4 SGB V schließe jedoch eine Leistungspflicht der Krankenversicherung nicht in jedem Falle aus. Denn die Vorschrift des § 11 Abs. 4 SGB V könne nicht dahin verstanden werden, daß ein Selbständiger, der zwar freiwillig krankenversichert aber nicht freiwillig unfallversichert sei, für den Fall einer durch Arbeitsunfall verursachten Krankheit überhaupt keinen Leistungsanspruch gegenüber der Krankenversicherung habe. Dies sei weder mit Art. 14 Grundgesetz noch dem Sozialstaatsgebot vereinbar. Solange ein Versicherter nicht verpflichtet sei, neben der Krankenversicherung auch eine Unfallversicherung abzuschließen, könne ihm nicht die Leistung aus der gesetzlichen Krankenversicherung versagt werden, wenn ein anderer Versicherungsträger nicht gleichzeitig Leistungen zu erbringen habe. Der freiwillig Versicherte habe aufgrund seiner Beitragszahlungen eine Anwartschaft auf die nach Gesetz und Satzung vorgesehenen Leistungen erworben, soweit diese nicht vergleichbar von einem anderen Leistungsträger erbracht werden müßten. Wenn demnach ein freiwillig Krankenversicherter trotz § 11 Abs. 4 SGB V einen Leistungsanspruch gegenüber der Krankenversicherung behalte, wenn nicht zugleich eine Unfallversicherung bestehe, habe der Mehrfachversicherte auch einen Anspruch auf den sogenannten Krankengeldspitzbetrag. Eine andere Regelung sei eine verfassungsrechtlich nicht zu rechtfertigende Ungleichbehandlung. Hierfür spreche auch § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V. Dort sei unter den Leistungen, die das Krankengeld insoweit zum Ruhen brächten, auch das Verletztengeld genannt, obwohl dieses nach § 11 Abs. 4 SGB V ohnehin bereits ausgeschlossen sein solle. Daraus könne geschlossen werden, daß der Gesetzgeber den Leistungsausschluß des § 11 Abs. 4 SGB V nur für den pflichtversicherten Personenkreis vorgesehen habe. Die Problematik der nur gering oder gar nicht in der Unfallversicherung versicherten Selbständigen habe der Gesetzgeber möglicherweise nicht gesehen. Soweit es sich um eine planwidrige Gesetzeslücke handele, die geeignet sei, Grundrechte des Versicherten zu verletzten, sei die Lücke im Wege der verfassungskonformen Auslegung zu schließen.

Die Beklagte hat gegen dieses ihr am 29. Oktober 1993 durch Empfangsbekenntnis zugestellte Urteil am 26. November 1993 beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Sie ist der Auffassung, seit Inkrafttreten des § 11 Abs. 4 SGB V und Außerkrafttreten des § 565 RVO habe die Krankenversicherung keine Leistungen für durch Arbeitsunfälle verursachte Krankheitsfälle zu erbringen. Es sei als ein redaktionelles Versehen des Gesetzgebers anzusehen, daß nicht mit Inkrafttreten des § 11 Abs. 4 SGB V in § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V das Wort "Verletztengeld” gestrichen worden sei.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Marburg vom 3. August 1993 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er verweist auf die seiner Ansicht nach zutreffenden Entscheidungsgründe des angefochtenen Urteils und auf sein bisheriges Vorbringen.

Die Beigeladene stellt keinen Antrag.

Hinsichtlich des Sach- und Streitstandes im übrigen wird auf die Kassenakte und die Gerichtsakte, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).

Die Berufung ist auch sachlich begründet. Das angefochtene Urteil war aufzuheben und die Klage abzuweisen. Der Kläger hat keinen Anspruch auf den sogenannten Krankengeldspitzbetrag für die Zeit vom 17. September 1991 bis 23. Oktober 1991. Denn für die Dauer der infolge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit bestehenden Arbeitsunfähigkeit besteht gegenüber der gesetzlichen Krankenversicherung kein Anspruch auf Krankengeld, auch nicht in Höhe des Krankengeldspitzbetrages.

Auch die Leistungsansprüche des Klägers – als freiwillig versichertes Mitglied – richten sich nach den gesetzlichen Regelungen. Die Krankenkasse kann auch an freiwillige Mitglieder nur Leistungen im gesetzlich vorgesehenen Umfang erbringen (vgl. BSG, Urteile vom 11. August 1992 – 1 RK 23/91 –, 4. November 1992 – 1 RK 5/92 –, 28. September 1993 – 1 RK 34/92). Dem geltend gemachten Anspruch des Klägers steht § 11 Abs. 4 SGB V entgegen, wonach auf Leistungen der Krankenversicherung kein Anspruch besteht, wenn sie als Folge eines Arbeitsunfalls oder einer Berufskrankheit im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung zu erbringen sind.

Diese Regelung wurde bereits mit dem Gesundheitsreformgesetz vom 20. Dezember 1988 (BGBl. I, 2477) in das SGB V aufgenommen. Sie trat jedoch erst mit Wirkung vom 1. Januar 1991 in Kraft (Art. 79 Abs. 4 Gesundheitsreformgesetz –GRG–), damit sich die Unfallversicherungsträger auf die neue Rechtslage einstellen konnten (BT-Drucksache 11/2237 S. 163 und 274).

Der Gesetzgeber wollte durch die Einführung dieser Vorschrift und die gleichzeitige Streichung des § 565 RVO sowie der damit im Zusammenhang stehenden §§ 1504 und 1508 RVO eine klare Abgrenzung der beiden Versicherungszweige Kranken- und Unfallversicherung vornehmen. Bei Gesundheitsschäden infolge von Arbeitsunfällen oder Berufskrankheiten sollte die gesetzliche Krankenversicherung nicht mehr aufgrund eigenen Rechts tätig werden und ausschließlich die gesetzliche Unfallversicherung leistungspflichtig sein (vgl. BT-Drucksache 11/2237, S. 163, 241, 243). Die Entlastung der Krankenversicherung von dieser Fremdaufgabe sollte wegen der damit verbundenen finanziellen Einsparungen zur Konsolidierung der Krankenversicherung beitragen (vgl. BT-Drucksache 11/2237, S. 275 f und Protokolle der 36. Sitzung des Ausschusses für Arbeit und Sozialordnung vom 16. Juni 1988, S. 8). Die gesetzliche Krankenversicherung sollte demzufolge nach dem Willen des Gesetzgebers ab dem 1. Januar 1991 völlig von dem Risiko des Arbeitsunfalls und der Berufskrankheit entlastet werden. Deshalb besteht nach § 11 Abs. 4 SGB V auch dann kein Anspruch auf Leistungen aus der gesetzlichen Krankenversicherung, wenn gegenüber dem Unfallversicherungsträger kein gleichartiger oder gleichwertiger Leistungsanspruch geltend gemacht werden kann, weil die gesetzliche Unfallversicherung entsprechende Leistungen nicht vorsieht, so zum Beispiel häusliche Krankenpflege und Leistungen bei Schwerpflegebedürftigkeit (vgl. Krauskopf, SGB V, 3. Aufl. (Stand: November 1993), § 11 Rdnr. 7; Dalichau/Grüner, SGB V, Stand: 1. November 1993, § 11 II, 1).

Gleiches muß auch für freiwillig Krankenversicherte gelten, unabhängig davon, ob oder inwieweit aufgrund einer gleichzeitig bestehenden freiwilligen Unfallversicherung ein Leistungsanspruch gegenüber der gesetzlichen Unfallversicherung gegeben ist. Insoweit liegt keine planwidrige Gesetzeslücke vor. Denn der Gesetzgeber hatte auch im Hinblick auf die Regelung des § 11 Abs. 4 SGB V die Problematik der freiwillig Versicherten vor Augen und wollte durch den generellen Ausschluß von Leistungsansprüchen gegen zwei Sozialversicherungsträger auch die vom Bundesverfassungsgericht (Beschluss vom 9. November 1988 – 1 BvL 22/84, 71/86, 9/87 – in: SozR 2200 § 183 Nr. 54) im Zusammenhang mit der Ruhensvorschrift des § 183 Abs. 6 RVO a.F. gerügte Ungleichbehandlung vermeiden (so ausdrücklich in BT-Drucksache 11/5530, S. 123). Da mangels eines gegenüber der Krankenversicherung bestehenden Leistungsanspruchs bei Arbeitsunfällen oder Berufskrankheit auch der nur Krankenversicherte gegenüber dem Doppelversicherten keine höhere Leistung erhalten kann, kann eine verfassungswidrige Benachteiligung des Doppelversicherten erst gar nicht in Betracht kommen.

Dieser Leistungsausschluß in § 11 Abs. 4 SGB V auch gegenüber den nur freiwillig Krankenversicherten verstößt nach Auffassung des Senats auch nicht gegen höherrangiges Verfassungsrecht.

Aus Art. 14 Abs. 1 Grundgesetz läßt sich kein Anspruch des Versicherten auf Fortbestand des ursprünglichen Versicherungsschutzes, d.h. auch Absicherung des Risikos Arbeitsunfall und Berufskrankheit, herleiten. Sozialversicherungsrechtliche Positionen genießen dann den Schutz der Eigentumsgarantie, wenn der ein subjektiv-öffentliches Recht begründende Sachverhalt dem einzelnen eine Rechtsposition verschafft, die derjenigen des Eigentümers entspricht (BVerfGE 40, 65, 82 f). Dies ist der Fall bei Rechtspositionen des Versicherten, die bei Erfüllung weiterer Voraussetzungen zum Vollrecht erstarken können, so zum Beispiel bei durch Beitragszahlungen erworbenen Rentenanwartschaften, die nach Ablauf der Wartezeit und Eintritt des Versicherungsfalls einen Anspruch auf Rente begründen (vgl. BVerfGE 53, 257, 289 ff). Aber auch bei diesen Rechtspositionen kommt dem Gesetzgeber grundsätzlich eine Gestaltungsfreiheit zu. Insbesondere kann er bestehende Anwartschaften und Ansprüche kürzen, wenn die Erhaltung der Funktions- und Leistungsfähigkeit des Sozialversicherungssystems dies erfordert. Dies stellt einen verfassungslegitimen Eingriffsgrund dar. Einer besonderen – nicht nur das Gemeinwohl betreffenden – verfassungsrechtlichen Rechtfertigung bedarf allerdings der Eingriff in den leistungsbedingten Kernbereich (vgl. BVerfGE a.a.O., 293 ff).

Anders als in der gesetzlichen Rentenversicherung erwirbt der Versicherte in der Krankenversicherung durch seine Beiträge weder eine Anwartschaft in bezug auf zukünftige Leistungen noch ist mit der Mitgliedschaft und Beitragszahlung ein fortwährendes Leistungsrecht verknüpft. Der Versicherungsschutz ist vielmehr von vornherein vom Fortbestand des Versicherungsverhältnisses abhängig. Ein Eigentumsschutz im Sinne einer Fortbestandsgarantie für den Versicherungsschutz oder eine Garantie für das Fortbestehen gegenwärtiger Versicherungsbedingungen kommt deshalb nicht in Betracht (vgl. Papier in Maunz-Dürig, Kommentar zum Grundgesetz, Art. 14 Rdnr. 149). Im übrigen würde, wenn insoweit eine eigentumsähnliche Rechtsposition zu bejahen wäre, die mit der Einführung des § 11 Abs. 4 SGB V verbundene Einschränkung des Versicherungsschutzes keinen unzulässigen Eingriff darstellen. Denn die Herausnahme des Risikos Arbeitsunfall und Berufskrankheit aus dem Krankenversicherungsschutz würde keinen Eingriff in den Kernbereich der Leistung der Krankenversicherung darstellen. Die Einschränkung des Versicherungsschutzes wäre aufgrund der mit Einführung des § 11 Abs. 4 SGB V verbundener Zielsetzung des Gesetzgebers, Reduzierung der Ausgaben der gesetzlichen Krankenversicherung zur Beitragskonsolidierung und Erhaltung der Leistungsfähigkeit, gerechtfertigt (vgl. BSG, Urteile vom 11. August 1992 – 1 RK 23/91 –, 4. November 1992 – 5 RK 5/92 –, 28. September 1993 – 1 RK 34/92).

Angesichts dieser Zielsetzung verstößt § 11 Abs. 4 SGB V auch nicht gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze des Übermaßverbotes, des Vertrauensschutzes und gegen das Gebot einer ausgewogenen Abwägung. Soweit es die pflichtversicherten Mitglieder der Krankenversicherung betrifft, wird das Risiko Arbeitsunfall und Berufskrankheit durch die gleichzeitige Mitgliedschaft in der gesetzlichen Unfallversicherung abgesichert. Freiwillige Mitglieder, bei denen das Risiko Arbeitsunfall und Berufskrankheit besteht, sind, soweit sie als Arbeitnehmer beschäftigt sind, auch in der gesetzlichen Unfallversicherung versichert. Selbständige, d.h. Unternehmer, haben – soweit sie nicht schon kraft Gesetzes oder Satzung versichert sind – die Möglichkeit, der gesetzlichen Unfallversicherung gemäß § 545 RVO freiwillig beizutreten. Da der Selbständige, nicht in der gesetzlichen Unfallversicherung pflichtversicherte Unternehmer somit auch die Möglichkeit hat, sich hinsichtlich des Risikos Arbeitsunfall und Berufskrankheit abzusichern, vermag der Senat in der Regelung des § 11 Abs. 4 SGB V auch keinen Verstoß gegen das Sozialstaatsprinzip zu erkennen (vgl. auch o.g. Urteile des BSG).

Die Regelung des § 11 Abs. 4 SGB V steht auch nicht im Widerspruch zu § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V, wonach der Anspruch auf Krankengeld ruht, soweit und solange Versicherte Verletztengeld beziehen. Denn die Regelung des § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V findet in Fällen des § 11 Abs. 4 SGB V keine Anwendung, weil ein nach § 11 Abs. 4 SGB V nicht entstandener Anspruch auch nicht nach § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V ruhen kann. Von § 49 Abs. 1 Nr. 3 SGB V können nach Inkrafttreten des § 11 Abs. 4 SGB V denkbar nur die Fälle erfaßt werden, in denen für einen Zeitraum sowohl wegen der Folgen eines Arbeitsunfalls als auch wegen unfallunabhängiger Erkrankungen Arbeitsunfähigkeit besteht.

Da demzufolge dem Kläger wegen der in § 11 Abs. 4 SGB V enthaltener Regelung kein Anspruch auf den sogenannten Krankengeldspitzbetrag zugebilligt werden kann, war auf die Berufung der Beklagten das Urteil des Sozialgerichts Marburg aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.

Der Senat hat wegen grundsätzlicher Bedeutung der Rechtssache die Revision zugelassen (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG).
Rechtskraft
Aus
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