Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 5 Ar 181/77
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 663/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Sinn der Belehrung gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG ist es, dem Arbeitslosen die Folgten vor Augen zu führen, die sich aus der Ablehnung der Arbeit ergeben, damit dieser in die Lage versetzt wird, unter Berücksichtigung aller Umstände selbstverantwortlich eine Entscheidung zu treffen (anschl. an BSG Urteil vom 10. Oktober 1978 – 7 RAr 55/77 –).
2. Die Belehrung muß deshalb nicht nur alle Einzelheiten bezüglich der ihm angebotenen Arbeit vermitteln, sondern auch über die Möglichkeit von Folgen i.S.d. § 119 Abs. 2 und Abs. 3 AFG unterrichten; sie muß in allen Punkten verständlich sein und die Auffassungsgabe des Arbeitslosen berücksichtigen.
3. Erforderlich ist, daß die Belehrung erfolgt, bevor der Arbeitslose Verhandlungen mit dem Arbeitgeber aufnimmt und bevor es zu einer Ablehnung des Arbeitsangebots gegenüber dem Arbeitgeber kommt. Insbesondere macht eine frühere Belehrung über die möglichen Folgen gemäß § 103 AFG anläßlich der ersten Sperrzeit die – erneute – Belehrung vor der zweiten Ablehnung nicht überflüssig.
2. Die Belehrung muß deshalb nicht nur alle Einzelheiten bezüglich der ihm angebotenen Arbeit vermitteln, sondern auch über die Möglichkeit von Folgen i.S.d. § 119 Abs. 2 und Abs. 3 AFG unterrichten; sie muß in allen Punkten verständlich sein und die Auffassungsgabe des Arbeitslosen berücksichtigen.
3. Erforderlich ist, daß die Belehrung erfolgt, bevor der Arbeitslose Verhandlungen mit dem Arbeitgeber aufnimmt und bevor es zu einer Ablehnung des Arbeitsangebots gegenüber dem Arbeitgeber kommt. Insbesondere macht eine frühere Belehrung über die möglichen Folgen gemäß § 103 AFG anläßlich der ersten Sperrzeit die – erneute – Belehrung vor der zweiten Ablehnung nicht überflüssig.
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 1. Juni 1978 wird als unzulässig verworfen, als die Rückforderung von Leistungen in Streit steht.
II. Im übrigen wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Gießen abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 1977 wird insoweit aufgehoben, als er das Erlöschen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld betrifft.
III. Die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld – Alg – wegen "erneutem Eintritt einer Sperrzeit” (§ 119 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz – AFG –) erloschen ist; ferner streiten die Beteiligten über einen Rückforderungsanspruch der Beklagten in Höhe von 84,50 DM.
Der 1957 geborene Kläger war vom 5. August 1974 bis 3. Dezember 1976 als Formengießer bei der Firma "W. Keramik”, B., beschäftigt. Am 23. Dezember 1976 meldete er sich beim Arbeitsamt H. arbeitslos und beantragte Alg, welches ihm ab 23. Dezember 1976 mit einer Anspruchsdauer von 312 Wochentagen bewilligt wurde.
Nachdem der inzwischen im Bezirk des Arbeitsamtes G. wohnhafte Kläger eine vom Arbeitsamt G. angebotene Arbeit als Hilfsarbeiter bei der "F. Y.- und B.&A. R.” nicht angenommen hatte, stellte das Arbeitsamt den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen fest (Bescheid vom 3. Juni 1977). Der Bescheid wurde bindend.
Am 15. Juni 1977 wurde dem Kläger vom Arbeitsamt G. schriftlich erneut eine Arbeit angeboten als Metallhilfsarbeiter bei der "B. Metallwarenfabrik”. Das schriftliche Arbeitsangebot enthielt für den Kläger den folgenden Hinweis:
"Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen mit der beiliegenden Vermittlungskarte angebotene Arbeit nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch Ihr Verhalten verhindern, ergeben sich für Ihren Anspruch auf Leistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld) nachteilige Folgen. Näheres können Sie dem Merkblatt für arbeitslose Arbeitnehmer entnehmen.”
In der Vermittlungskarte war bezüglich der angebotenen Arbeit lediglich die Bezeichnung "Metallhilfsarbeiter” vermerkt. Der Kläger stellte sich am 20. Juni 1977 bei der "B. Metallwarenfabrik” vor. Die Beschäftigung kam nicht zustande. Vom Arbeitgeber wurde am 22. Juni 1977 in der Vermittlungsvorschlagskarte vermerkt, der Kläger sei nicht eingestellt worden, weil er keine Lust habe, im Metallgewerbe zu arbeiten, und ein eigenes Geschäft (Töpferei) eröffne. In der "Niederschrift über Arbeitsablehnung u.s.w.” gab der Kläger am 28. Juni 1977 an, er sei vom Arbeitgeber abgelehnt worden, nachdem er diesem den Kündigungsgrund bei seiner früheren Firma mitgeteilt und ferner gesagt habe, daß er mit Metall nicht so gut umgehen könne. Man habe ihm auch keinen Einblick in die Firma gegeben und nichts über den Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen mitgeteilt. Nur nebenbei habe er bemerkt, daß eventuell die Möglichkeit bestehe, daß er sich selbständig mache. Dies sei aber erst dann geschehen, als keine Möglichkeit mehr für eine Einstellung bestanden habe. Die "B. Metallwarenfabrik” teilte dem Arbeitsamt G. mit Schreiben vom 3. August 1977 mit, der Kläger habe in Anwesenheit der Leiterin des Personalwesens der Firma, Frau B., des Betriebsleiters, Herrn K. und des Betriebsratsvorsitzenden, Herrn T., angegeben, er habe in der W. Keramikfabrik gelernt und dort selbst gekündigt, weil er mit dem Meister auf Grund unterschiedlicher Ansicht nicht mehr habe zusammenarbeiten können. Weiterhin habe der Kläger angegeben, er wolle sich später selbständig machen. Bis es so weit sei, müsse er eine andere Arbeit annehmen, da er sonst keine Arbeitslosenunterstützung bekomme. Für die B. Metallwarenfabrik als zuständiges Unternehmen sei es deshalb sinnlos gewesen, einen Arbeiter einzustellen und anzulernen, bei dem im voraus bekannt sei, daß es für ihn nur eine Übergangslösung darstelle.
Das Arbeitsamt hob die Entscheidung über die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 24. Juni 1977 auf, weil der Anspruch erloschen sei. Die in der Zeit seit 24. Juni 1977 bereits ausgezahlten Alg-Beträge (84,50 DM) wurden zurückgefordert (Bescheid vom 11. Juli 1977 und Widerspruchsbescheid vom 15. August 1977).
Das Sozialgericht – SG – Gießen erhob Beweis durch Vernehmung der Leiterin des Personalwesens der "B. Metallwarenfabrik”, H. B., als Zeugin durch den ersuchten Richter des Amtsgerichts Büdingen. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 1. Juni 1978 wies das Sozialgericht Gießen die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Gegen dieses zwecks Zustellung an den Kläger mittels eingeschriebenen Briefes am 15. Juni 1978 zur Post aufgelieferte Urteil richtet sich die am 23. Juni 1978 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein bisheriges Vorbringen weiter geltend macht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 1. Juni 1978 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 1977 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Anspruch des Klägers auf Alg sei erloschen, wie sich aus den zutreffenden Ausführungen des SG Gießen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergebe.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) war als unzulässig zu verwerfen, als der Rückzahlungsbetrag von 84,50 DM im Streit steht. Die Berufung ist unter anderem nicht zulässig bei Streitigkeiten wegen Rückerstattung von Leistungen, wenn der Beschwerdewert 1.000,– DM nicht übersteigt (§ 149 SGG). Die Berufung ist nicht alleine deshalb zulässig, weil auch des Erlöschen des Anspruchs auf Alg in Streit steht und das Rechtsmittel der Berufung insoweit nicht beschränkt ist. Insoweit handelt es sich – entgegen der Ansicht des SG – um eigene prozessuale Ansprüche, für die die Statthaftigkeit der Berufung jeweils gesondert zu prüfen ist (vgl. BSG, Urteile vom 20. Juni 1978 – 7 RAr 47/77 und vom 27. Januar 1977 – 7 RAr 121/75). Die Berufung ist auch nicht ungeachtet dieser Regelung zulässig, weil ein wesentlicher Mangel des Verfahrens (§ 150 Nr. 2 SGG) nicht gerügt worden ist.
Soweit das Erlöschen des Anspruchs auf Alg in Streit steht, ist die Berufung statthaft (vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 6. März 1975 – 7 RAr 114/74, SozR 1500 § 14 SGG Nr. 3) und sachlich auch begründet. Die deshalb mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Aufhebungsentscheidung läßt sich nicht halten. Die Voraussetzungen das § 119 Abs. 3 AFG liegen nicht vor. Hat ein Arbeitsloser nach der Entstehung des Anspruchs auf Alg bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben und hat er hierüber einen schriftlichen Bescheid erhalten, so erlischt der ihm noch zustehende Anspruch auf Alg, wenn er erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gibt (§ 119 Abs. 3 AFG).
Zwar hatte der Kläger i.S. von § 119 Abs. 3 AFG "nach der Entstehung des Anspruchs” bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben, und er hatte darüber einen schriftlichen Bescheid erhalten. Da dieser Bescheid bindend geworden ist, steht seine Rechtmäßigkeit nicht mehr in Frage. Hinsichtlich des Anlasses für den Eintritt einer weiteren Sperrzeit von vier Wochen liegen jedoch die Voraussetzungen nicht vor. Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG konnte zum Nachteil des Klägers nur dann die zweite Sperrzeit eintreten, wenn er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hatte. Sinn dieser Belehrung ist es, dem Arbeitslosen die Folgen vor Augen zu führen, die sich aus der Ablehnung der Arbeit ergeben. Der Arbeitslose soll in die Lage versetzt werden, unter Berücksichtigung aller Umstände selbstverantwortlich eine Entscheidung zu treffen. Die Belehrung muß daher alle Informationen enthalten, die für diese seine Entscheidung notwendig sind; sie muß dem Arbeitslosen demgemäß nicht nur alle Einzelheiten bezüglich der ihm angebotenen Arbeit vermitteln, derer er für eine sachgerechte Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme bedarf, sondern auch über die Möglichkeit von Folgen im Sinne des § 119 Abs. 2 und Abs. 3 AFG unterrichten. Sie muß in allen Punkten verständlich sein und dabei die Auffassungsgabe des einzelnen berücksichtigen. Erforderlich ist vor allem, daß die Belehrung erfolgt, bevor der Arbeitslose Verhandlungen mit dem Arbeitgeber aufnimmt und bevor es zu einer Ablehnung des Arbeitsangebotes gegenüber dem Arbeitgeber kommt. Nicht ausreichend ist es, wenn der Arbeitslose erst nach Ablehnung des Arbeitsangebotes gegenüber dem Arbeitgeber von dem Bediensteten des Arbeitsamtes die erforderliche Belehrung erhält und diesem gegenüber die Ablehnung lediglich wiederholt oder die Gründe für sein Verhalten darlegt.
In einem solchen Fall ist der Arbeitslose durch sein vorangegangenes Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber bereits festgelegt, ohne daß er dabei die erforderliche Belehrung bereits hatte (vgl. BSG, Urteil vom 10. Oktober 1978 – 7 RAr 55/77).
Die Belehrung, die dem Kläger vom Arbeitsamt mit dem schriftlichen Arbeitsangebot erteilt wurde, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Insbesondere fehlt die Unterrichtung über die Möglichkeit von Folgen im Sinne des § 119 Abs. 3 AFG. Diese Belehrung des Arbeitslosen vor der zweiten Ablehnung eines Arbeitsangebotes ist nicht etwa deshalb überflüssig, weil ihm bereits bei dem ersten Arbeitsangebot eine Belehrung erteilt worden ist. Angesichts der schwerwiegenden Folgen des Entzugs der Lohnersatzleistungen muß sichergestellt sein, daß der Arbeitslose über die Folgen seines Verhaltens in jeder Beziehung ausreichend unterrichtet ist. Es ist nicht auszuschließen, daß derjenige, dem vor dem Eintritt einer Sperrzeit eine Information über die Folgen einer zweiten Sperrzeit erteilt worden ist, auf diesen Punkt kein besonderes Gewicht legt, weil er sich in der betreffenden Situation noch nicht befindet und daß er sich daher bei der zweiten Ablehnung einer Arbeit über diese Folgen nicht (mehr) im klaren ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. Oktober 1978 m. Hinweis auf BSG SozR 4100 § 152 AFG Nr. 3). Deshalb ist es im vorliegenden Fall auch nicht ausreichend, daß der Kläger in dem früheren Bescheid vom 6. Juni 1977 über die Möglichkeit von Folgen im Sinne des § 119 Abs. 3 AFG unterrichtet worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegen.
II. Im übrigen wird auf die Berufung des Klägers das Urteil des Sozialgerichts Gießen abgeändert. Der Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 1977 wird insoweit aufgehoben, als er das Erlöschen des Anspruchs des Klägers auf Arbeitslosengeld betrifft.
III. Die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Kosten hat die Beklagte zu erstatten.
IV. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob der Anspruch des Klägers auf Arbeitslosengeld – Alg – wegen "erneutem Eintritt einer Sperrzeit” (§ 119 Abs. 3 Arbeitsförderungsgesetz – AFG –) erloschen ist; ferner streiten die Beteiligten über einen Rückforderungsanspruch der Beklagten in Höhe von 84,50 DM.
Der 1957 geborene Kläger war vom 5. August 1974 bis 3. Dezember 1976 als Formengießer bei der Firma "W. Keramik”, B., beschäftigt. Am 23. Dezember 1976 meldete er sich beim Arbeitsamt H. arbeitslos und beantragte Alg, welches ihm ab 23. Dezember 1976 mit einer Anspruchsdauer von 312 Wochentagen bewilligt wurde.
Nachdem der inzwischen im Bezirk des Arbeitsamtes G. wohnhafte Kläger eine vom Arbeitsamt G. angebotene Arbeit als Hilfsarbeiter bei der "F. Y.- und B.&A. R.” nicht angenommen hatte, stellte das Arbeitsamt den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen fest (Bescheid vom 3. Juni 1977). Der Bescheid wurde bindend.
Am 15. Juni 1977 wurde dem Kläger vom Arbeitsamt G. schriftlich erneut eine Arbeit angeboten als Metallhilfsarbeiter bei der "B. Metallwarenfabrik”. Das schriftliche Arbeitsangebot enthielt für den Kläger den folgenden Hinweis:
"Wenn Sie ohne wichtigen Grund die Ihnen mit der beiliegenden Vermittlungskarte angebotene Arbeit nicht annehmen oder nicht antreten oder das Zustandekommen des Beschäftigungsverhältnisses durch Ihr Verhalten verhindern, ergeben sich für Ihren Anspruch auf Leistungen (Arbeitslosengeld, Arbeitslosenhilfe, Unterhaltsgeld) nachteilige Folgen. Näheres können Sie dem Merkblatt für arbeitslose Arbeitnehmer entnehmen.”
In der Vermittlungskarte war bezüglich der angebotenen Arbeit lediglich die Bezeichnung "Metallhilfsarbeiter” vermerkt. Der Kläger stellte sich am 20. Juni 1977 bei der "B. Metallwarenfabrik” vor. Die Beschäftigung kam nicht zustande. Vom Arbeitgeber wurde am 22. Juni 1977 in der Vermittlungsvorschlagskarte vermerkt, der Kläger sei nicht eingestellt worden, weil er keine Lust habe, im Metallgewerbe zu arbeiten, und ein eigenes Geschäft (Töpferei) eröffne. In der "Niederschrift über Arbeitsablehnung u.s.w.” gab der Kläger am 28. Juni 1977 an, er sei vom Arbeitgeber abgelehnt worden, nachdem er diesem den Kündigungsgrund bei seiner früheren Firma mitgeteilt und ferner gesagt habe, daß er mit Metall nicht so gut umgehen könne. Man habe ihm auch keinen Einblick in die Firma gegeben und nichts über den Lohn und sonstige Arbeitsbedingungen mitgeteilt. Nur nebenbei habe er bemerkt, daß eventuell die Möglichkeit bestehe, daß er sich selbständig mache. Dies sei aber erst dann geschehen, als keine Möglichkeit mehr für eine Einstellung bestanden habe. Die "B. Metallwarenfabrik” teilte dem Arbeitsamt G. mit Schreiben vom 3. August 1977 mit, der Kläger habe in Anwesenheit der Leiterin des Personalwesens der Firma, Frau B., des Betriebsleiters, Herrn K. und des Betriebsratsvorsitzenden, Herrn T., angegeben, er habe in der W. Keramikfabrik gelernt und dort selbst gekündigt, weil er mit dem Meister auf Grund unterschiedlicher Ansicht nicht mehr habe zusammenarbeiten können. Weiterhin habe der Kläger angegeben, er wolle sich später selbständig machen. Bis es so weit sei, müsse er eine andere Arbeit annehmen, da er sonst keine Arbeitslosenunterstützung bekomme. Für die B. Metallwarenfabrik als zuständiges Unternehmen sei es deshalb sinnlos gewesen, einen Arbeiter einzustellen und anzulernen, bei dem im voraus bekannt sei, daß es für ihn nur eine Übergangslösung darstelle.
Das Arbeitsamt hob die Entscheidung über die Bewilligung von Alg mit Wirkung ab 24. Juni 1977 auf, weil der Anspruch erloschen sei. Die in der Zeit seit 24. Juni 1977 bereits ausgezahlten Alg-Beträge (84,50 DM) wurden zurückgefordert (Bescheid vom 11. Juli 1977 und Widerspruchsbescheid vom 15. August 1977).
Das Sozialgericht – SG – Gießen erhob Beweis durch Vernehmung der Leiterin des Personalwesens der "B. Metallwarenfabrik”, H. B., als Zeugin durch den ersuchten Richter des Amtsgerichts Büdingen. Auf das Ergebnis der Beweisaufnahme wird Bezug genommen.
Mit Urteil vom 1. Juni 1978 wies das Sozialgericht Gießen die Klage ab. Auf die Entscheidungsgründe des Urteils wird Bezug genommen.
Gegen dieses zwecks Zustellung an den Kläger mittels eingeschriebenen Briefes am 15. Juni 1978 zur Post aufgelieferte Urteil richtet sich die am 23. Juni 1978 beim Hessischen Landessozialgericht eingegangene Berufung des Klägers, mit der er sein bisheriges Vorbringen weiter geltend macht.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 1. Juni 1978 und den Bescheid der Beklagten vom 11. Juli 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 15. August 1977 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Anspruch des Klägers auf Alg sei erloschen, wie sich aus den zutreffenden Ausführungen des SG Gießen in den Entscheidungsgründen des angefochtenen Urteils ergebe.
Ergänzend wird auf den Inhalt der Gerichtsakte und der Leistungsakte der Beklagten, der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung (§ 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –) war als unzulässig zu verwerfen, als der Rückzahlungsbetrag von 84,50 DM im Streit steht. Die Berufung ist unter anderem nicht zulässig bei Streitigkeiten wegen Rückerstattung von Leistungen, wenn der Beschwerdewert 1.000,– DM nicht übersteigt (§ 149 SGG). Die Berufung ist nicht alleine deshalb zulässig, weil auch des Erlöschen des Anspruchs auf Alg in Streit steht und das Rechtsmittel der Berufung insoweit nicht beschränkt ist. Insoweit handelt es sich – entgegen der Ansicht des SG – um eigene prozessuale Ansprüche, für die die Statthaftigkeit der Berufung jeweils gesondert zu prüfen ist (vgl. BSG, Urteile vom 20. Juni 1978 – 7 RAr 47/77 und vom 27. Januar 1977 – 7 RAr 121/75). Die Berufung ist auch nicht ungeachtet dieser Regelung zulässig, weil ein wesentlicher Mangel des Verfahrens (§ 150 Nr. 2 SGG) nicht gerügt worden ist.
Soweit das Erlöschen des Anspruchs auf Alg in Streit steht, ist die Berufung statthaft (vgl. Bundessozialgericht – BSG –, Urteil vom 6. März 1975 – 7 RAr 114/74, SozR 1500 § 14 SGG Nr. 3) und sachlich auch begründet. Die deshalb mit dem angefochtenen Bescheid getroffene Aufhebungsentscheidung läßt sich nicht halten. Die Voraussetzungen das § 119 Abs. 3 AFG liegen nicht vor. Hat ein Arbeitsloser nach der Entstehung des Anspruchs auf Alg bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben und hat er hierüber einen schriftlichen Bescheid erhalten, so erlischt der ihm noch zustehende Anspruch auf Alg, wenn er erneut Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gibt (§ 119 Abs. 3 AFG).
Zwar hatte der Kläger i.S. von § 119 Abs. 3 AFG "nach der Entstehung des Anspruchs” bereits einmal Anlaß für den Eintritt einer Sperrzeit von vier Wochen gegeben, und er hatte darüber einen schriftlichen Bescheid erhalten. Da dieser Bescheid bindend geworden ist, steht seine Rechtmäßigkeit nicht mehr in Frage. Hinsichtlich des Anlasses für den Eintritt einer weiteren Sperrzeit von vier Wochen liegen jedoch die Voraussetzungen nicht vor. Gemäß § 119 Abs. 1 Nr. 2 AFG konnte zum Nachteil des Klägers nur dann die zweite Sperrzeit eintreten, wenn er trotz Belehrung über die Rechtsfolgen eine vom Arbeitsamt angebotene Arbeit nicht angenommen oder nicht angetreten hatte. Sinn dieser Belehrung ist es, dem Arbeitslosen die Folgen vor Augen zu führen, die sich aus der Ablehnung der Arbeit ergeben. Der Arbeitslose soll in die Lage versetzt werden, unter Berücksichtigung aller Umstände selbstverantwortlich eine Entscheidung zu treffen. Die Belehrung muß daher alle Informationen enthalten, die für diese seine Entscheidung notwendig sind; sie muß dem Arbeitslosen demgemäß nicht nur alle Einzelheiten bezüglich der ihm angebotenen Arbeit vermitteln, derer er für eine sachgerechte Entscheidung über Annahme oder Nichtannahme bedarf, sondern auch über die Möglichkeit von Folgen im Sinne des § 119 Abs. 2 und Abs. 3 AFG unterrichten. Sie muß in allen Punkten verständlich sein und dabei die Auffassungsgabe des einzelnen berücksichtigen. Erforderlich ist vor allem, daß die Belehrung erfolgt, bevor der Arbeitslose Verhandlungen mit dem Arbeitgeber aufnimmt und bevor es zu einer Ablehnung des Arbeitsangebotes gegenüber dem Arbeitgeber kommt. Nicht ausreichend ist es, wenn der Arbeitslose erst nach Ablehnung des Arbeitsangebotes gegenüber dem Arbeitgeber von dem Bediensteten des Arbeitsamtes die erforderliche Belehrung erhält und diesem gegenüber die Ablehnung lediglich wiederholt oder die Gründe für sein Verhalten darlegt.
In einem solchen Fall ist der Arbeitslose durch sein vorangegangenes Verhalten gegenüber dem Arbeitgeber bereits festgelegt, ohne daß er dabei die erforderliche Belehrung bereits hatte (vgl. BSG, Urteil vom 10. Oktober 1978 – 7 RAr 55/77).
Die Belehrung, die dem Kläger vom Arbeitsamt mit dem schriftlichen Arbeitsangebot erteilt wurde, erfüllt diese Voraussetzungen nicht. Insbesondere fehlt die Unterrichtung über die Möglichkeit von Folgen im Sinne des § 119 Abs. 3 AFG. Diese Belehrung des Arbeitslosen vor der zweiten Ablehnung eines Arbeitsangebotes ist nicht etwa deshalb überflüssig, weil ihm bereits bei dem ersten Arbeitsangebot eine Belehrung erteilt worden ist. Angesichts der schwerwiegenden Folgen des Entzugs der Lohnersatzleistungen muß sichergestellt sein, daß der Arbeitslose über die Folgen seines Verhaltens in jeder Beziehung ausreichend unterrichtet ist. Es ist nicht auszuschließen, daß derjenige, dem vor dem Eintritt einer Sperrzeit eine Information über die Folgen einer zweiten Sperrzeit erteilt worden ist, auf diesen Punkt kein besonderes Gewicht legt, weil er sich in der betreffenden Situation noch nicht befindet und daß er sich daher bei der zweiten Ablehnung einer Arbeit über diese Folgen nicht (mehr) im klaren ist (vgl. BSG, Urteil vom 10. Oktober 1978 m. Hinweis auf BSG SozR 4100 § 152 AFG Nr. 3). Deshalb ist es im vorliegenden Fall auch nicht ausreichend, daß der Kläger in dem früheren Bescheid vom 6. Juni 1977 über die Möglichkeit von Folgen im Sinne des § 119 Abs. 3 AFG unterrichtet worden ist.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision ist nicht zuzulassen, weil keine der in § 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG genannten Gründe vorliegen.
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