Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 5a Ar 224/77
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 747/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Zeit, während der versucht wird, durch die Führung eines Rechtsstreits die Möglichkeit der Ausübung eines Gewerbes zu erstreiten, steht der tatsächlichen Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nach § 134 Abs. 3 AFG i.V. mit § 1 Abs. 3 Alhi-VO nicht gleich.
Tenor: Gießen vom 23. Mai 1978 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird abgelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe – Alhi –.
Der im Jahre 1935 geborene Kläger pachtete am 1. April 1971 von der Brauerei A. H. in W. die Gaststätte "W. Hof” für die Dauer von 10 Jahren. Die Firma H. kündigte das Pachtverhältnis am 19. Oktober 1976 fristlos mit der Begründung, der Kläger befinde sich mit dem Pachtzins im Rückstand. In einer gegen die Firma H. anhängig gemachten Klage vor dem Landgericht Limburg auf Vertragserfüllung und in einem Rechtsstreit der Firma H. gegen den Kläger auf Räumung obsiegte dieser (Urteil vom 19. Januar 1977). In dem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main obsiegte die Firma H. das Gericht gab der Räumung unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Limburg statt. Die dagegen eingelegte Revision des Klägers wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. September 1977 nicht angenommen.
Am 21. September 1977 beantragte der Kläger die Gewährung von Alhi. Seinem Antrag fügte er eine Bescheinigung des Steuerbevollmächtigten H. bei, in der angegeben wird, daß der Gewerbebetrieb des Klägers seit dem 20. Oktober 1976 ruhe. Der Kläger legte weiter eine Bescheinigung des Magistrats der Stadt W. vom 21. September 1977 vor, wonach das angemeldete Gaststättengewerbe bisher nicht abgemeldet worden sei. Aus einer weiteren Bescheinigung vom 11. Oktober 1977 folgt, daß das Gewerbe, nachdem die Gaststätte seit dem 15. September 1977 anderweitig verpachtet worden sei, zum 14. September 1977 von Amts wegen abgemeldet wurde.
Den Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Oktober 1977 ab. Zur Begründung führte sie an, dieser habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung weder Arbeitslosengeld – Alg – bezogen noch mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden. Die selbständige Tätigkeit habe er nur vorübergehend aufgegeben, weshalb § 1 Nr. 3 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung – Alhi-VO – nicht wirksam werden könne. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 1977 zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 14. November 1977 Klage. Er trug vor, entgegen der Ansicht der Beklagten habe seine Tätigkeit als Gastwirt nicht am 20. Oktober 1976 geendet, zumal er auch in dem Urteil des Landgerichts Limburg vom 19. Januar 1977 in dem Rechtsstreit gegen die Brauerei H. obsiegt gehabt habe. Vom 20. Oktober 1976 an habe der Gaststättenbetrieb lediglich geruht, da ihn die Brauerei H. nicht mehr mit Bier und alkoholfreien Getränken beliefert habe. Eine Beendigung des Betriebes der Gaststätte sei erst mit deren zwangsweisen Räumung am 4. Juli 1977 durch den Gerichtsvollzieher erfolgt. Bis dahin habe er sich von morgens bis abends im Lokal in Erwartung von Getränkelieferungen der Brauerei, aufgehalten, weshalb er eine mindestens 10-wöchige Beschäftigung innerhalb des Jahres vor Antragstellung nachweisen könne und deshalb Anspruch auf Alhi habe.
Das Sozialgericht Gießen wies die Klage mit Urteil vom 23. Mai 1978 ab. Zur Begründung führte es an, der Kläger könne für den Zeitraum innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung (21. September 1976 bis 20. September 1977) keine mindestens 10 Wochen lang andauernde Tätigkeit als Selbständiger nachweisen. Zwar habe dieser den Status eines Selbständigen gehabt, der jedoch anspruchsbegründend nicht mit der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gleichgesetzt werden könne. Sinn und Zweck der Alhi-Regelung sei es, nicht diejenigen von dem Leistungsrecht auszuschließen, die auf Grund der Eigenart der von ihnen ausgeübten Tätigkeit gehindert waren, eine Anwartschaftszeit im Sinne der §§ 100, 106 Arbeitsförderungsgesetz – AFG – zu erwerben. Demgegenüber habe der Kläger seit dem 20. Oktober 1976 hinsichtlich seiner Tätigkeit als Gastwirt einen Schwebezustand aufrechterhalten, obwohl er nicht gehindert gewesen sei, eine leistungsrechtlich erhebliche Anwartschaftszeit zu erwerben. Er hätte das Gewerbe abmelden und sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen können. Dies hätte auf den Ausgang der Räumungsklage keinen Einfluß haben können, da er das Gewerbe jederzeit hätte wieder anmelden können. Durch sein fast 1 Jahr dauerndes Warteverhalten habe der Kläger den Anspruch auf Alhi verloren, da der bloße Status eines Selbständigen für die Erfüllung der Anwartschaft nicht ausreiche.
Gegen dieses dem Kläger am 22. Juni 1978 zugestellte Urteil richtet sich seine mit Schriftsatz vom 11. Juli 1978, eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 13. Juli 1978, eingelegte Berufung.
Er trägt vor, ihm wäre es nicht zumutbar gewesen, seinen Gaststättenbetrieb abzumelden, da er damit das Interesse an seiner klageweise geltend gemachten Erfüllung des Pachtverhältnisses durch die Firma H. verloren hätte. Auch im Falle der Abmeldung hätte er Alhi nicht verlangen können; eine solche Abmeldung des Gewerbes hätte nur vorübergehenden Charakter gehabt, da er den Prozeß gegen die Brauerei H. mit der Hoffnung auf Erfolg seinerzeit weitergeführt habe. Es sei unrichtig, daß er seine Tätigkeit als Gastwirt bis zum Urteil des Landgerichts Limburg vom 19. Januar 1978 nicht ausgeübt habe. Zumindest müsse der Sachverhalt bis dahin so angesehen werden, als sei er als Gastwirt weiter tätig gewesen. Die 10-Wochenfrist sei auch deshalb erfüllt, weil er in der Zeit von Anfang November 1976 bis Ende Dezember 1976 krank gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. Mai 1978 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Oktober 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 21. September 1977 Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Kläger habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung keine mindestens 10 Wochen lang andauernde Tätigkeit als Selbständiger ausgeübt. Daß er gehofft habe, nach Obsiegen vor den Zivilgerichten seine Gastwirtschaft weiterzuführen, reiche nicht aus. Maßgebend für die Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Gegebenheiten seien allein die tatsächlichen Verhältnisse.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, Stamm-Nr. XXX, Arbeitsamt L., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts, wie auch die Bescheide der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alhi.
Gemäß § 134 Abs. 1 AFG hat Anspruch auf Alhi – neben dem Vorliegen weiterer Voraussetzungen –, wer Alg bezogen oder mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden hat. Nach § 134 Abs. 3 AFG treten an die Stelle der ganz oder teilweise fehlenden entlohnten Beschäftigung im Sinne des § 134 Abs. 1 AFG Tatbestände, die § 1 der Alhi-VO, hier § 1 Nr. 3 Alhi-VO anführt. Hiernach reicht eine im Geltungsbereich des AFG hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit als Selbständiger aus, wenn sie nicht nur vorübergehend aufgegeben worden ist. Für den maßgeblichen Jahreszeitraum vor der Arbeitslosmeldung (21. September 1976 bis 20. September 1977) kann der Kläger jedoch keine mindestens 10 Wochen andauernde Tätigkeit als Selbständiger im Sinne dieser Verordnung nachweisen. Eine Tätigkeit als Selbständiger kann einer ganz oder teilweise fehlenden entlohnten Beschäftigung nur dann gleichgestellt werden, wenn sie in ihres Umfang im wesentlichen den Mindestvoraussetzungen einer Beschäftigung gleicht, die nach § 134 Abs. 1 Nr. 4 b AFG geeignet ist, den Anspruch auf Alhi zu begründen. Voraussetzung ist danach, daß zumindest eine Beschäftigung ausgeübt wurde, die über der Grenze der Kurzzeitigkeit nach § 102 AFG liegt, nämlich mindestens 20 Stunden wöchentlich umfaßt. Inwieweit der Ersatztatbestand durch den Begriff der hauptberuflichen Selbständigkeit noch weitergehende Anforderungen umfaßt, kann hier dahinstehen. Denn zur Überzeugung des Senats steht fest, daß der Kläger seit dem 20. Oktober 1976 nicht mehr oder nur noch unwesentlich in seinem Gewerbebetrieb tätig war. Wie er mehrfach gegenüber der Beklagten, auch belegt durch Bescheinigungen seines Steuerbevollmächtigten und Erklärungen seines Prozeßbevollmächtigten, erklärte, ruhte der Betrieb. Er gab zwar an, auf Getränkelieferungen der Brauerei H. gewartet zu haben, jedoch selbst nicht behauptet, daß darin eine Tätigkeit zu sehen sei. Denn er trägt selbst vor, sein Verhalten solle bis zur Verkündung des landgerichtlichen Urteils vom 19. Januar 1978 so angesehen werden, als sei er als Gastwirt weiter tätig gewesen; er äußert damit die Auffassung, eine Tätigkeit, die tatsächlich nicht ausgeübt worden sei, solle fingiert werden.
Darauf stellt der Gesetzgeber jedoch ersichtlich nicht ab. Vielmehr knüpfen die hinsichtlich der Beschäftigung im Arbeitslosenhilferecht gestellten Anforderungen an tatsächliche Vorgänge an. So ist unter Beschäftigung jede abhängige Tätigkeit zu verstehen, die ihrer Natur nach gegen Entgelt ausgeübt wird und über der Kurzzeitigkeitsgrenze nach § 102 AFG liegt, wobei es auf die Beitragspflicht der Beschäftigung grundsätzlich nicht ankommt. Wenn der Gesetzgeber innerhalb des maßgeblichen Jahreszeitraumes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit bestimmten Umfanges verlangt, so soll nach Sinn und Zweck der Regelung der Nachweis erbracht werden, daß der Betreffende insoweit eine Beziehung zum Arbeitsleben herstellen kann. Dem steht nicht entgegen, daß als Beitragszeiten im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich auch Zeiten geeignet sind, in denen ein Beschäftigungsverhältnis besteht, jedoch der Arbeitnehmer eine Arbeit tatsächlich nicht ausübt. So ist ein Beschäftigungsverhältnis beispielsweise auch dann anzunehmen, wenn es zu einer tatsächlichen Beschäftigung nicht gekommen ist, der Arbeitgeber aber dem dienstbereiten Arbeitnehmer auf Grund eines rechtsgültigen Arbeitsvertrages Entgelt schuldet oder gewährt (vgl. Urt. v. 18.9.1973 – Az.: 12 RK 15/72 – sowie § 7 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften IV). Bezogen auf die Tätigkeit eines Selbständigen ist vorliegend jedoch eine andere Sachlage gegeben, als sich der Kläger, veranlaßt durch den Rechtsstreit mit der Brauerei H., selbst zu einem Ruhen und damit zu einem zeitweisen Wegfall seiner selbständigen Tätigkeit entschloß. Dabei kann auch keinen Einfluß haben, daß sich der Kläger zur Verfolgung seines zivilrechtlichen Anspruchs genötigt sah, seine Tätigkeit ruhen zu lassen; maßgeblich kann auch insoweit nur sein tatsächliches Verhalten, nämlich das Gewerbe nicht in dem genanntem Mindestumfang auszuüben, sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Höchstrichterlich ist bisher nicht geklärt, ob die Zeit, während der versucht wird, durch die Führung eines Rechtsstreits die Möglichkeit der Ausübung eines Gewerbes zu erstreiten, der tatsächlichen Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nach § 134 Abs. 3 AFG i. V. mit § 1 Abs. 3 Alhi-VO gleichsteht.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird abgelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten über die Gewährung von Arbeitslosenhilfe – Alhi –.
Der im Jahre 1935 geborene Kläger pachtete am 1. April 1971 von der Brauerei A. H. in W. die Gaststätte "W. Hof” für die Dauer von 10 Jahren. Die Firma H. kündigte das Pachtverhältnis am 19. Oktober 1976 fristlos mit der Begründung, der Kläger befinde sich mit dem Pachtzins im Rückstand. In einer gegen die Firma H. anhängig gemachten Klage vor dem Landgericht Limburg auf Vertragserfüllung und in einem Rechtsstreit der Firma H. gegen den Kläger auf Räumung obsiegte dieser (Urteil vom 19. Januar 1977). In dem Berufungsverfahren vor dem Oberlandesgericht Frankfurt am Main obsiegte die Firma H. das Gericht gab der Räumung unter Aufhebung des Urteils des Landgerichts Limburg statt. Die dagegen eingelegte Revision des Klägers wurde vom Bundesgerichtshof mit Beschluss vom 7. September 1977 nicht angenommen.
Am 21. September 1977 beantragte der Kläger die Gewährung von Alhi. Seinem Antrag fügte er eine Bescheinigung des Steuerbevollmächtigten H. bei, in der angegeben wird, daß der Gewerbebetrieb des Klägers seit dem 20. Oktober 1976 ruhe. Der Kläger legte weiter eine Bescheinigung des Magistrats der Stadt W. vom 21. September 1977 vor, wonach das angemeldete Gaststättengewerbe bisher nicht abgemeldet worden sei. Aus einer weiteren Bescheinigung vom 11. Oktober 1977 folgt, daß das Gewerbe, nachdem die Gaststätte seit dem 15. September 1977 anderweitig verpachtet worden sei, zum 14. September 1977 von Amts wegen abgemeldet wurde.
Den Antrag des Klägers lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 3. Oktober 1977 ab. Zur Begründung führte sie an, dieser habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung weder Arbeitslosengeld – Alg – bezogen noch mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden. Die selbständige Tätigkeit habe er nur vorübergehend aufgegeben, weshalb § 1 Nr. 3 der Arbeitslosenhilfe-Verordnung – Alhi-VO – nicht wirksam werden könne. Den Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 3. November 1977 zurück.
Gegen diesen Bescheid erhob der Kläger am 14. November 1977 Klage. Er trug vor, entgegen der Ansicht der Beklagten habe seine Tätigkeit als Gastwirt nicht am 20. Oktober 1976 geendet, zumal er auch in dem Urteil des Landgerichts Limburg vom 19. Januar 1977 in dem Rechtsstreit gegen die Brauerei H. obsiegt gehabt habe. Vom 20. Oktober 1976 an habe der Gaststättenbetrieb lediglich geruht, da ihn die Brauerei H. nicht mehr mit Bier und alkoholfreien Getränken beliefert habe. Eine Beendigung des Betriebes der Gaststätte sei erst mit deren zwangsweisen Räumung am 4. Juli 1977 durch den Gerichtsvollzieher erfolgt. Bis dahin habe er sich von morgens bis abends im Lokal in Erwartung von Getränkelieferungen der Brauerei, aufgehalten, weshalb er eine mindestens 10-wöchige Beschäftigung innerhalb des Jahres vor Antragstellung nachweisen könne und deshalb Anspruch auf Alhi habe.
Das Sozialgericht Gießen wies die Klage mit Urteil vom 23. Mai 1978 ab. Zur Begründung führte es an, der Kläger könne für den Zeitraum innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung (21. September 1976 bis 20. September 1977) keine mindestens 10 Wochen lang andauernde Tätigkeit als Selbständiger nachweisen. Zwar habe dieser den Status eines Selbständigen gehabt, der jedoch anspruchsbegründend nicht mit der Ausübung einer selbständigen Tätigkeit gleichgesetzt werden könne. Sinn und Zweck der Alhi-Regelung sei es, nicht diejenigen von dem Leistungsrecht auszuschließen, die auf Grund der Eigenart der von ihnen ausgeübten Tätigkeit gehindert waren, eine Anwartschaftszeit im Sinne der §§ 100, 106 Arbeitsförderungsgesetz – AFG – zu erwerben. Demgegenüber habe der Kläger seit dem 20. Oktober 1976 hinsichtlich seiner Tätigkeit als Gastwirt einen Schwebezustand aufrechterhalten, obwohl er nicht gehindert gewesen sei, eine leistungsrechtlich erhebliche Anwartschaftszeit zu erwerben. Er hätte das Gewerbe abmelden und sich der Arbeitsvermittlung zur Verfügung stellen können. Dies hätte auf den Ausgang der Räumungsklage keinen Einfluß haben können, da er das Gewerbe jederzeit hätte wieder anmelden können. Durch sein fast 1 Jahr dauerndes Warteverhalten habe der Kläger den Anspruch auf Alhi verloren, da der bloße Status eines Selbständigen für die Erfüllung der Anwartschaft nicht ausreiche.
Gegen dieses dem Kläger am 22. Juni 1978 zugestellte Urteil richtet sich seine mit Schriftsatz vom 11. Juli 1978, eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht am 13. Juli 1978, eingelegte Berufung.
Er trägt vor, ihm wäre es nicht zumutbar gewesen, seinen Gaststättenbetrieb abzumelden, da er damit das Interesse an seiner klageweise geltend gemachten Erfüllung des Pachtverhältnisses durch die Firma H. verloren hätte. Auch im Falle der Abmeldung hätte er Alhi nicht verlangen können; eine solche Abmeldung des Gewerbes hätte nur vorübergehenden Charakter gehabt, da er den Prozeß gegen die Brauerei H. mit der Hoffnung auf Erfolg seinerzeit weitergeführt habe. Es sei unrichtig, daß er seine Tätigkeit als Gastwirt bis zum Urteil des Landgerichts Limburg vom 19. Januar 1978 nicht ausgeübt habe. Zumindest müsse der Sachverhalt bis dahin so angesehen werden, als sei er als Gastwirt weiter tätig gewesen. Die 10-Wochenfrist sei auch deshalb erfüllt, weil er in der Zeit von Anfang November 1976 bis Ende Dezember 1976 krank gewesen sei.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 25. Mai 1978 und den Bescheid der Beklagten vom 3. Oktober 1977 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 3. November 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 21. September 1977 Arbeitslosenhilfe in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie ist der Auffassung, der Kläger habe innerhalb des letzten Jahres vor der Arbeitslosmeldung keine mindestens 10 Wochen lang andauernde Tätigkeit als Selbständiger ausgeübt. Daß er gehofft habe, nach Obsiegen vor den Zivilgerichten seine Gastwirtschaft weiterzuführen, reiche nicht aus. Maßgebend für die Beurteilung sozialversicherungsrechtlicher Gegebenheiten seien allein die tatsächlichen Verhältnisse.
Wegen des weiteren Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der beigezogenen Leistungsakte der Beklagten, Stamm-Nr. XXX, Arbeitsamt L., der Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen ist, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 Sozialgerichtsgesetz – SGG –).
Die Berufung ist jedoch unbegründet. Das Urteil des Sozialgerichts, wie auch die Bescheide der Beklagten sind rechtlich nicht zu beanstanden. Der Kläger hat keinen Anspruch auf Alhi.
Gemäß § 134 Abs. 1 AFG hat Anspruch auf Alhi – neben dem Vorliegen weiterer Voraussetzungen –, wer Alg bezogen oder mindestens 10 Wochen in entlohnter Beschäftigung gestanden hat. Nach § 134 Abs. 3 AFG treten an die Stelle der ganz oder teilweise fehlenden entlohnten Beschäftigung im Sinne des § 134 Abs. 1 AFG Tatbestände, die § 1 der Alhi-VO, hier § 1 Nr. 3 Alhi-VO anführt. Hiernach reicht eine im Geltungsbereich des AFG hauptberuflich ausgeübte Tätigkeit als Selbständiger aus, wenn sie nicht nur vorübergehend aufgegeben worden ist. Für den maßgeblichen Jahreszeitraum vor der Arbeitslosmeldung (21. September 1976 bis 20. September 1977) kann der Kläger jedoch keine mindestens 10 Wochen andauernde Tätigkeit als Selbständiger im Sinne dieser Verordnung nachweisen. Eine Tätigkeit als Selbständiger kann einer ganz oder teilweise fehlenden entlohnten Beschäftigung nur dann gleichgestellt werden, wenn sie in ihres Umfang im wesentlichen den Mindestvoraussetzungen einer Beschäftigung gleicht, die nach § 134 Abs. 1 Nr. 4 b AFG geeignet ist, den Anspruch auf Alhi zu begründen. Voraussetzung ist danach, daß zumindest eine Beschäftigung ausgeübt wurde, die über der Grenze der Kurzzeitigkeit nach § 102 AFG liegt, nämlich mindestens 20 Stunden wöchentlich umfaßt. Inwieweit der Ersatztatbestand durch den Begriff der hauptberuflichen Selbständigkeit noch weitergehende Anforderungen umfaßt, kann hier dahinstehen. Denn zur Überzeugung des Senats steht fest, daß der Kläger seit dem 20. Oktober 1976 nicht mehr oder nur noch unwesentlich in seinem Gewerbebetrieb tätig war. Wie er mehrfach gegenüber der Beklagten, auch belegt durch Bescheinigungen seines Steuerbevollmächtigten und Erklärungen seines Prozeßbevollmächtigten, erklärte, ruhte der Betrieb. Er gab zwar an, auf Getränkelieferungen der Brauerei H. gewartet zu haben, jedoch selbst nicht behauptet, daß darin eine Tätigkeit zu sehen sei. Denn er trägt selbst vor, sein Verhalten solle bis zur Verkündung des landgerichtlichen Urteils vom 19. Januar 1978 so angesehen werden, als sei er als Gastwirt weiter tätig gewesen; er äußert damit die Auffassung, eine Tätigkeit, die tatsächlich nicht ausgeübt worden sei, solle fingiert werden.
Darauf stellt der Gesetzgeber jedoch ersichtlich nicht ab. Vielmehr knüpfen die hinsichtlich der Beschäftigung im Arbeitslosenhilferecht gestellten Anforderungen an tatsächliche Vorgänge an. So ist unter Beschäftigung jede abhängige Tätigkeit zu verstehen, die ihrer Natur nach gegen Entgelt ausgeübt wird und über der Kurzzeitigkeitsgrenze nach § 102 AFG liegt, wobei es auf die Beitragspflicht der Beschäftigung grundsätzlich nicht ankommt. Wenn der Gesetzgeber innerhalb des maßgeblichen Jahreszeitraumes eine Beschäftigung oder selbständige Tätigkeit bestimmten Umfanges verlangt, so soll nach Sinn und Zweck der Regelung der Nachweis erbracht werden, daß der Betreffende insoweit eine Beziehung zum Arbeitsleben herstellen kann. Dem steht nicht entgegen, daß als Beitragszeiten im Sozialversicherungsrecht grundsätzlich auch Zeiten geeignet sind, in denen ein Beschäftigungsverhältnis besteht, jedoch der Arbeitnehmer eine Arbeit tatsächlich nicht ausübt. So ist ein Beschäftigungsverhältnis beispielsweise auch dann anzunehmen, wenn es zu einer tatsächlichen Beschäftigung nicht gekommen ist, der Arbeitgeber aber dem dienstbereiten Arbeitnehmer auf Grund eines rechtsgültigen Arbeitsvertrages Entgelt schuldet oder gewährt (vgl. Urt. v. 18.9.1973 – Az.: 12 RK 15/72 – sowie § 7 Sozialgesetzbuch – Gemeinsame Vorschriften IV). Bezogen auf die Tätigkeit eines Selbständigen ist vorliegend jedoch eine andere Sachlage gegeben, als sich der Kläger, veranlaßt durch den Rechtsstreit mit der Brauerei H., selbst zu einem Ruhen und damit zu einem zeitweisen Wegfall seiner selbständigen Tätigkeit entschloß. Dabei kann auch keinen Einfluß haben, daß sich der Kläger zur Verfolgung seines zivilrechtlichen Anspruchs genötigt sah, seine Tätigkeit ruhen zu lassen; maßgeblich kann auch insoweit nur sein tatsächliches Verhalten, nämlich das Gewerbe nicht in dem genanntem Mindestumfang auszuüben, sein.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision hat der Senat zugelassen, weil er der Rechtssache grundsätzliche Bedeutung beigemessen hat (§ 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG). Höchstrichterlich ist bisher nicht geklärt, ob die Zeit, während der versucht wird, durch die Führung eines Rechtsstreits die Möglichkeit der Ausübung eines Gewerbes zu erstreiten, der tatsächlichen Ausübung einer selbständigen Tätigkeit nach § 134 Abs. 3 AFG i. V. mit § 1 Abs. 3 Alhi-VO gleichsteht.
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