L 1 Ar 539/72

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 Ar 539/72
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Die Ausbildung zum Chemotechniker, die an einer staatlich anerkannten privaten Fachschule für Chemotechniker durchgeführt wird, ist eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung im Sinne von § 41 Abs. 1 AFG.
Verlangt der Maßnahmeträger als Zugangsvoraussetzung eine erfolgreich abgeschlossene Lehre als Chemielaborant und entspricht diese Voraussetzung der von dem zuständigen Kultusminister erlassenen Ordnung der staatlichen Prüfung für Chemotechniker, so ist eine solche Maßnahme von der Beklagten zu fördern, wenn der Maßnahmeteilnehmer eine abgeschlossene Berufsausbildung nachweist (§ 7 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative A FuU 1969). Die Beklagte kann bei Vorliegen der Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 erste Alternative A FuU 1969 die Förderung nicht von einer zusätzlichen einjährigen Berufspraxis abhängig machen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. April 1972 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte verpflichtet ist, die Weiterbildung des Klägers zum staatlich, geprüften Chemotechniker an der Chemieschule F. GmbH, W. zu fördern.

Der im Jahre 1952 geborene Kläger erlernte nach dem Volksschulbesuch in der Zeit vom 1. Dezember 1966 bis zum 19. Mai 1970 den Beruf das Chemielaboranten. Vom 20. Mai 1970 bis zum 31. März 1971 war er als Chemielaborant abhängig beschäftigt.

Am 7. Januar 1971 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Förderung seiner Teilnahme an Maßnahmen der beruflichen Fortbildung-Umschulung. Er beabsichtigte, in der Zeit von März 1971 bis März 1975 an einem viersemestrigen Tageslehrgang an der Chemieschule F. GmbH, W. einer staatlich anerkannten privaten Fachschule zur Ausbildung von Chemotechnikern mit dem Ziel teilzunehmen, die Prüfung als "staatlich geprüfter Chemotechniker” abzulegen. An Förderungsleistungen machte er bei der Beklagten die Bewilligung von Unterhaltsgeld sowie die Übernahme der Teilnahme- und Prüfungsgebühren, Kosten der Lernmittel, für Arbeitskleidung sowie für die Kranken- und Unfallversicherung, Fahrkosten und Kosten einer auswärtigen Unterkunft und Verpflegung geltend.

Durch Bescheid vom 28. Juli 1971 lehnte die Beklagte dem Antrag des Klägers mit der Begründung ab, dieser habe die persönlichen Voraussetzungen einer Förderung nicht erfüllt, weil er eine den Zugangsvoraussetzungen entsprechende mindestens einjährige Berufspraxis nach Abschluß der Lehrausbildung nicht habe nachweisen können. Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 24. August 1971).

Mit seiner Klage begehrt der Kläger, die Beklagte zu verurteilen, ihm die beantragten Förderungsleistungen gemäß §§ 44, 45 AFG für die besuchte Maßnahme zu gewähren. Er ist der Ansicht, die von der Beklagten als Förderungsvoraussetzung verlangte einjährige Berufspraxis entbehre der rechtlichen Grundlage. Außerdem habe die Beklagte ihm gegenüber ihre Sorgfaltspflicht verletzt, als sie ihn vor Antragstellung weder mündlich noch schriftlich auf diese Förderungsvoraussetzung hingewiesen habe.

Durch Urteil vom 18. April 1972 gab das Sozialgericht Darmstadt der Klage statt und ließ die Berufung zu. In den Entscheidungsgründen führte es aus, der Kläger erfülle die Voraussetzung der Förderung einer beruflichen Fortbildung nach § 41 AFG. Zu den persönlichen Voraussetzungen werde in § 7 Abs. 1 der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 18. Dezember 1969 (A FuU) das Vorliegen einer für das Erreichen des Fortbildungssieles notwendigem abgeschlossenen Berufsausbildung, einer angemessenen Berufserfahrung oder beides alternativ verlangt. Wenn die Beklagte demgegenüber neben der abgeschlossenen Berufsausbildung noch eine einjährige Berufspraxis verlange, so fehle es dafür an einer gesetzlichen Grundlage.

Gegen das ihr am 18. Mai 1972 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 7. Juni 1972 schriftlich beim Hessischen Landessozialgericht Berufung eingelegt. Zur Begründung trägt sie vor, die Ausbildung zum Chemotechniker stelle für sich allein keine Fortbildungsmaßnahme im Sinne von § 21 FuU dar, sondern sei eine Berufsausbildung, die sich in Form des Besuches einer anerkannten Fachschule vollziehe. Eine solche Maßnahme könne gemäß § 2 Abs. 1 Satz 2 in Verbindung mit Abs. 6 Satz 1 A FuU grundsätzlich nicht gefördert werden, es sei denn, der Bildungsgang stelle im Einzelfalle eine berufliche Fortbildung dar (§ 2 Abs. 3 A FuU Bei der Prüfung der Frage, wann im Einzelfalle bei einem Chemielaboranten mit entsprechendem Lehrabschluß die im Anschluß hieran angestrebte weitere reguläre Ausbildung zum Chemotechniker ausnahmsweise Fortbildung sein könne, gehe die Beklagte davon aus, daß zwischen den beiden Ausbildungen wenigstens ein Jahr praktische Tätigkeit liegen müsse. Würde nämlich die Ausbildung zum Chemotechniker im unmittelbaren Anschluß an die Chemielaborantenlehre beginnen dann könne man nicht mehr von Fortbildung, sondern bestenfalls von zwei hintereinander absolviertem völlig getrennt voneinander zu sehenden Ausbildungen bzw. einer Fortsetzung der Berufsausbildung mit Berufswechsel sprechen, da eine Fortbildung an bereits vorhandene und in der Regel auch hinreichend im praktischen Berufsleben angewandte Kenntnisse und Fertigkeiten anknüpfe, den Ausführungen des Sozialgerichts in § 7 Abs. 1 A FuU müsse widersprochen werden; denn die Beklagte schaffe keine zusätzlichen Förderungsvoraussetzungen, wenn sie bei einer ausnahmsweisen Förderung einer Ausbildung im Rahmen der beruflichen Fortbildung eine einjährige Berufspraxis verlange. Die Beklagte, die bei der Auslegung des unbestimmten Rechtsbegriffs "angemessene Berufserfahrung” einem Beurteilungsspielraum habe, lege diesen Begriff durchaus sachgerecht aus, wenn sie für eine Förderung verlange, daß zwischen dem Abschluß der ersten und dem Beginn der zweiten Ausbildung wenigstens ein Jahr beruflicher Tätigkeit liege.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 18. April 1972 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Er sieht in der von ihm besuchten Bildungsmaßnahme eine berufliche Fortbildung und bezieht sich im übrigen auf das erstinstanzliche Urteil, das er für zutreffend hält.

Der Kläger hat am 30. März 1973 die Abschlußprüfung als staatlich anerkannter Chemotechniker bestanden.

Ergänzend wird auf die Gerichtsakten und die Leistungsakten der Beklagten, deren Inhalt Gegenstand der mündlichen Verhandlung war, Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die zugelassene und in rechter Form und Frist eingelegte Berufung ist in der Sache unbegründet.

Die von dem Kläger besuchte Bildungsveranstaltung ist eine Maßnahme der beruflichen Fortbildung im Sinne von § 41 Abs. 1 AFG. Nach dieser Vorschrift fördert die Bundesanstalt die Teilnahme an Maßnahmen, die das Ziel haben, berufliche Kenntnisse und Fertigkeiten festzustellen, zu erhalten, zu erweitern oder der technischen Entwicklung anzupassen oder einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen, und eine abgeschlossene Berufsausbildung oder eine angemessene Berufserfahrung voraussetzen (berufliche Fortbildung).

Die Weiterbildung des Klägers an der Chemieschule F. hatte das Ziel, dem Kläger die für die Tätigkeit als Chemotechniker erforderlichen Kenntnisse und Fähigkeiten zu vermitteln und ihm die Möglichkeit zu geben, die staatliche Prüfung für Chemotechniker abzulegen (vgl. § 1 der Ordnung der staatlichen Prüfung für Chemotechniker, Erlaß des Hess. Kultusministers vom 8. September 1969 – E III 1 –261/O – 54, abgedruckt in: Amtsblatt des Hessischem Kultusministers 1969, Seiten 1090 ff). Die Maßnahme diente sowohl dazu, die beruflichen Kenntnisse und Fertigkeiten des Klägers zu erweitern, als auch dazu, ihm einen beruflichen Aufstieg zu ermöglichen. Nach der Definition des "Chemotechniker-Berufs”, wie sie der Fachausschuß für den Chemotechniker-Beruf in der Übereinkunft von L. vom 5. März 1960 festgelegt hat, soll der Chemotechniker im breiteren und vertieften Umfang über Kenntnisse und Wertigkeiten, als sie im Berufsbild "Chemielaborant” festgelegt sind, verfügen (Bildungsplan für Chemotechniker, Erlaß des Hess. Kultusministers vom 8. September 1969, Az.: E III 1 – 216/5 – 13, abgedruckt in: Amtsblatt des Hessischen Kultusministers a.a.O. Seiten 1105 ff). Der Chemotechniker stellt in der chemischen Industrie und vergleichbaren Industriezweigen den durch eine besondere Ausbildung und Schulung qualifizierten Mitarbeiter dar, der zwischen dem akademisch gebildeten Chemiker und dem Chemielaboranten im Laboratorium steht (Bildungsplan für Chemotechniker a.a.O. S. 1105).

Die Teilnahme an der Maßnahme setzt eine abgeschlossene Berufsausbildung voraus. Da nach § 1 Abs. 1 der Ordnung der staatlichen Prüfung für Chemotechniker die staatliche Prüfung für Chemotechniker die Ausbildung an der Chemotechnischen Fachschule abschließt, entsprechen die Zugangsvoraussetzungen für den Besuch der Schule dem Voraussetzungen, wie sie im § 3 Abs. 1 der Prüfungsordnung für die Zulassung zur Prüfung verlangt werden. Das ergibt sich aus der Auskunft des Maßnahmeträgers vom 16. Mai 1973. An dem zweijährigen Lehrgang mit Vollzeitunterricht (§ 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe b der Prüfungsordnung) konnte der Kläger gemäß § 3 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a zweite Alternative der Prüfungsordnung deshalb teilnehmen, weil er zuvor eine Lehre als Chemielaborant erfolgreich abgeschlossen hatte. Damit sind die begrifflichen Voraussetzungen der beruflichen Fortbildung, wie sie der Gesetzgeber in § 41 Abs. 1 AFG aufgestellt hat, erfüllt. Aus der alternativen Aufzählung der Voraussetzungen "abgeschlossene Berufsausbildung” bzw. "angemessene Berufserfahrung” ergibt sich, daß berufliche Fortbildung nicht notwendigerweise nur an eine bereits bestehende Erfahrung durch Ausübung das Berufes anknüpft, sondern das Vorliegen einer abgeschlossenen Berufsausbildung als ausreichend ansieht. Die von dem Kläger besuchte Maßnahme ist auch auf einen beruflichen Aufstieg gerichtet, wie bereits ausgeführt worden ist, und erfüllt damit die Voraussetzungen von § 43 Abs. 1 Nr. 1 AFG.

Das Nähere über Voraussetzungen, Art und Umfang der Förderung bestimmt sich, da der Kläger vor dem Inkrafttreten der Anordnung des Verwaltungsrates der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Fortbildung und Umschulung vom 9. September 1971 in die Maßnahme eingetreten ist, ausschließlich nach der früheren Anordnung vom 18. Dezember 1969 (§ 24 A FuU 1971). Zwar heißt es in § 24 Abs. 2 A FuU 1971, daß nur die bewilligten und die nach bisherigem Recht zugesagten Leistungen über den 1. Januar 1972 hinaus weiter gewährt werden. Der Kläger kann jedoch nicht dadurch schlechter gestellt werden, daß sein Leistungsantrag vor dem 1. Januar 1972 zu Unrecht abgelehnt worden ist. Er muß vielmehr so behandelt werden, als ob ihm die Beklagte im Zeitpunkt der ablehnenden Entscheidung Leistungen für die Maßnahme bewilligt hätte. Die Entscheidung der Beklagten ist am 28. Juli 1971 erfolgt und damit vor dem Inkrafttreten der neuen Anordnung ergangen.

Entgegen der Ansicht der Beklagten sind die Voraussetzungen des § 2 Abs. 1 Satz 1 A FuU erfüllt. Die von dem Kläger besuchte Bildungsmaßnahme ist insbesondere auf eines der in § 43 Abs. 1 AFG genannten Ziele, nämlich auf einen beruflichen Aufstieg (§ 43 Abs. 1 Nr. 1 AFG), gerichtet. Sie zählt auch nicht zu den Bildungsmaßnahmen, die zum Bereich der Berufsausbildung oder der beruflichen Umschulung gehören. Berufsausbildung im Sinne des Absatzes 1 Satz 2 ist die Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf (§ 2 Abs. 5 Satz 1 AFG). Der Beruf "Chemotechniker” ist jedoch kein anerkannter Ausbildungsberuf (vgl. § 2 der Anordnung des Verwaltungsrats der Bundesanstalt für Arbeit über die individuelle Förderung der beruflichen Ausbildung), sondern die Fortbildung in dem Ausbildungsberuf "Chemielaborant.” Der Kläger erstrebt auch nicht eine andere berufliche Tätigkeit im Sinne des § 47 Abs. 1 Satz 1 AFG da der Chemotechnikerberuf gegenüber der beruflichen Tätigkeit als Chemielaborant nicht eine Berufstätigkeit mit neuem Inhalt ist, sondern die Erweiterung des Berufsbildes des Chemielaboranten. Die Tatsache, daß die Fortbildungsmaßnahme an einer Fachschule durchgeführt wird, steht einer Förderung nicht entgegen, da nach § 2 Abs. 6 Satz 2 A FuU die Teilnahme an Fortbildungsmaßnahmen nach § 41 Abs. 1 AFG auch dann zu fördern ist, wenn sie an Fachschulen durchgeführt werden.

Die Beklagte geht daher zu Unrecht davon aus, es handele sich lediglich um eine Einzelfallförderung nach § 2 Az.: 3 A FuU. Die Voraussetzungen dieser Vorschrift liegen schon deshalb nicht vor, weil die Bildungsmaßnahme auf die in § 43 Abs. 1 AFG beispielhaft genanntem Ziele ausgerichtet ist.

Die Maßnahme erfüllt die Förderungsvoraussetzungen institutioneller Art, wie sie in den §§ 34 AFG, 5, 6 A FuU aufgestellt sind, insbesondere entspricht sie dem Zeitraum, der notwendig ist, um das Ziel der Fortbildung zu erreichen.

In der Person des Klägers liegen die persönlichen Förderungsvoraussetzungen vor (§§ 36, 42 AFG, 7 Abs. 1 A FuU). Nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 A FuU sind erforderlich: entweder eine für das Erreichen des Fortbildungszieles notwendige abgeschlossene Berufsausbildung oder angemessene Berufserfahrung oder beides. Der Kläger hat eine abgeschlossene Berufsausbildung als Chemielaborant. Diese Berufsausbildung ist für das Erreichen des Fortbildungszieles, nämlich der Ablegung der staatlichen Prüfung für Chemotechniker, notwendig; denn sie ist nach § 5 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a der Prüfungsordnung Zulassungsvoraussetzung für die Prüfung. Da der Kläger bereits die erste Alternative des § 7 Abs. 1 Nr. 1 AFG erfüllt, die daneben nicht zusätzlich eine angemessene Berufserfahrung verlangt, brauchte nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob die Beklagte dem unbestimmtem Rechtsbegriff "angesessene Berufserfahrung” sachgerecht ausgelegt hat, wenn sie dafür eine mindestens einjährige Berufspraxis verlangt. Welche der drei Alternativen des § 7 Abs. 1 Nr. 1 A FuU erfüllt sein müssen, damit eine Maßnahme gefördert werden kann, bestimmt sich jeweils nach dem Fortbildungsziel und den einschlägigen Vorschriften, die den Bildungsgang nach Inhalt und Voraussetzungen regeln. So fällt es beispielsweise in den Zuständigkeitsbereich der Länderkultusminister, die Fachschulausbildung im Bereich der Chemotechnikerberufe zu regeln. Wird etwa für eine Fortbildungsmaßnahme neben einer abgeschlossenen Berufsausbildung eine angemessene Berufserfahrung verlangt, so kann eine Förderung durch die Beklagte nur dann erfolgen, wenn in der Person des Förderungswilligen die Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 Nr. 1, 3. Alternative erfüllt sind. Da im Falle des Klägers die Fortbildung zum Chemotechniker nach der Entscheidung des zuständigen Hessischen Kultusministers eine erfolgreich abgeschlossene Lehre als Chemielaborant verlangt, ohne daß zusätzlich eine Berufspraxis hinzukommen müßte, hat die Beklagte die Maßnahme bereits nach § 7 Abs. 1 Nr. 1 A FuU erste Alternative zu fördern und kann nicht weitere Leistungsvoraussetzungen, die sich nicht aus der A FuU ergeben, zusätzlich aufstellen. Wie sich außerdem aus der Legaldefinition der beruflichen Fortbildung in § 41 Abs. 1 AFG ergibt, setzt berufliche Fortbildung nicht begriffsnotwendig voraus, daß neben einer abgeschlossenen Berufsausbildung eine angemessene Berufserfahrung vorliegt; denn in § 41 Abs. 1 2. Halbsatz AFG sind beide Begriffe alternativ und nicht kumulativ gebraucht.

Eine Verwaltungspraxis der Beklagten dahingehend, auch in solchen Fällen, in denen eine Maßnahme lediglich eine abgeschlossene Berufsausbildung voraussetzt, zusätzlich eine einjährige Berufstätigkeit zu verlangen, bedurfte zumindest einer Änderung des § 7 Abs. 1 Nr. 1 A FuU, wie es durch die Anordnung der Beklagten vom 9. September 1971 mit Wirkung vom 1. Januar 1972 auch geschehen ist.

Die weiteren Voraussetzungen des § 7 Abs. 1 A FuU sind gleichfalls erfüllt. Der Kläger hat eine die Beitragspflicht zur Arbeitslosenversicherung begründende Beschäftigung als Chemielaborant ausgeübt. Die Eignung des Klägers (§ 36 AFG) sowie die Erfolgsaussichten (§ 42 2. Halbsatz AFG) sind von der Beklagten in der Stellungnahme ihres Förderungsberaters vom 13. April 1971 ebenso wie die arbeitsmarktpolitische Zweckmäßigkeit (§§ 36 AFG, 8 A FuU) zutreffend als gegeben angesehen worden.

Eine gesetzliche Verpflichtung anderer öffentlich-rechtliche Stellen zur Leistungsgewährung (§ 37 Satz 1 AFG) besteht nicht, weil Ausbildungsförderung nicht geleistet wird, wenn ein Anspruch auf Förderung nach den §§ 41–45 AFG besteht (§ 2 Abs. 5 Ausbildungsförderungsgesetz, § 2 Abs. 6 Bundesausbildungsförderungsgesetz).

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nach § 162 Abs. 1 Nr. 1 SGG zuzulassen, da die Auslegung der §§ 41 AFG, 2, 7 A FuU Rechtsfragen von grundsätzlicher Bedeutung sind.
Rechtskraft
Aus
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