Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
S 10 KR 1859/96
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 1 KR 931/99
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
I. Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. Juni 1999 wird zurückgewiesen.
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
I.
Die Beteiligten streiten über Zuzahlungen zu Arzneimitteln und anderen Leistungen sowie die Erstattung bereits erbrachter Zahlungen.
Der 1948 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet seit 1984 an Morbus Parkinson und ist als Behinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt. Infolge seiner Erkrankung benötigt er regelmäßig verschiedene Medikamente, Krankengymnastik und Massagen. Ferner sind stationäre Aufenthalte in Fachkliniken erforderlich.
Am 22. Juli 1996 wandte sich der Kläger an die Beklagte und beantragte die Erstattung von 1995 und 1996 bisher geleisteten Zuzahlungen für Medikamente und sonstige Leistungen sowie zukünftig eine Freistellung von Zuzahlungen. Die gesetzlichen Bestimmungen benachteiligten ihn als chronisch Kranken gegenüber den sonstigen Versicherten. Dies verstoße gegen Verfassungsrecht, da niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden dürfe.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14. August 1996 ab, da der Kläger nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht unzumutbar belastet sei. Unter Beifügung eines Antragsformulars wies sie ferner auf die Möglichkeit der teilweisen Befreiung von Zuzahlungen hin.
Hiergegen legte der Kläger am 26. August 1996 Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, dass gesetzliche Bestimmungen, die zu vermeidbaren rechtlichen, hier finanziellen, Benachteiligungen von Behinderten führten, grundgesetzwidrig seien. Einen Antrag auf Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Härtefalles stellte der Kläger nicht.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1996 zurück. Durch die gesetzlichen Bestimmungen werde auf die finanziellen Belastungen chronisch Kranker und Behinderter in ausreichendem Maße Rücksicht genommen.
Am 4. November 1996 hat der Kläger beim Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Die gesetzlichen Bestimmungen des Krankenversicherungsrechts verstießen seit der Verfassungsänderung im Herbst 1994 gegen das grundgesetzliche Benachteiligungsverbot für Behinderte. Auch die von der Beklagten ständig geforderten Nachweise über Einkommensverhältnisse stellten eine verfassungswidrige Benachteiligung dar. Er wehre sich mit Entschiedenheit dagegen, als "Härtefall” behandelt zu werden. Es ginge ihm nicht um eine "mildtätige Behandlung”, sondern um die Inanspruchnahme eines Grundrechts.
Durch Urteil vom 10. Juni 1999 hat das Sozialgericht Darmstadt die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die angefochtenen Bescheide zu Recht ergangen seien. Die gesetzlichen Bestimmungen sähen für Arzneimittel, Heilmittel und stationäre Behandlungen eine Beteiligung der Versicherten an den Kosten durch Zuzahlungen vor. Eine vollständige oder teilweise Befreiung hiervon sei nur unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Versicherten und seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen nach Maßgabe der hierfür geltenden Voraussetzungen möglich. Dass der Kläger zu diesem Personenkreis gehöre, habe er mangels entsprechender Antragstellung nicht nachgewiesen. Die Bestimmungen über Zuzahlungen seien im Anschluss an die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung, die zitiert wird, auch nicht verfassungswidrig.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 19. Juli 1999 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 30. Juli 1999 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 5. August 1999 – eingelegte Berufung, mit der sich der Kläger unter Wiederholung seines Rechtsstandpunktes gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet. Das Sozialgericht habe sich nicht in ausreichendem Maße mit der Situation eines chronisch Kranken auseinander gesetzt, ebenso wie das Bundessozialgericht, das die Bedeutung der neu eingefügten Grundrechtsnorm nicht erkannt bzw. ihr keinerlei Bedeutung zugemessen habe. Die Verpflichtung chronisch Kranker, sich an den Kosten der Behandlung durch Zuzahlungen zu beteiligen, sei eine "Benachteiligung wegen Behinderung”.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. Juni 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bereits geleistete Zuzahlungen zu erstatten und ihn zukünftig von Zuzahlungen für Arzneimittel und sonstige Leistungen zu befreien.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich zur Begründung auf die Entscheidungsgründe und ihr bisheriges Vorbringen.
Mit Verfügung vom 2. September 1999 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss mit der Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu hingewiesen worden.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
II.
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da er eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich und die Berufung einstimmig für unbegründet gehalten hat (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG).
Die Berufung ist aber sachlich nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt ist zu Recht ergangen, denn ein Anspruch auf Freistellung von Zuzahlungspflichten wegen einer vorliegenden chronischen Erkrankung besteht ebensowenig wie ein hierauf gerichteter Erstattungsanspruch.
Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen eine vollständige oder teilweise Befreiung von Zuzahlungspflichten nach §§ 61, 62 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) möglich ist. Feststellungen insoweit waren zu Gunsten des Klägers aber nicht möglich, da er Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen nicht gemacht und eine Verpflichtung hierzu von seinem Rechtsstandpunkt aus abgelehnt hat.
Soweit der Kläger die Auffassung vertreten hat, dass die Anwendung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen bei chronisch Kranken zu einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot von Behinderten nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) führte, vermochte ihm der Senat in Übereinstimmung mit dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgehenden Sozialgericht nicht zu folgen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Entgegen der Darstellung des Klägers hat sich das Bundessozialgericht in einem Grundsatzurteil vom 9. Juni 1998 (B 1 KR 17/96 R) ausführlich mit der Verfassungswidrigkeit von Zuzahlungspflichten bei chronisch Kranken auseinander gesetzt. Der entschiedene Fall war auch mit dem vorliegenden Fall des Klägers vergleichbar, da auch ein Versicherter betroffen war, dessen Erkrankung mit einer lebenslangen Versorgung von Medikamenten einherging, ohne dass der Versicherte dies beeinflussen konnte. Das Bundessozialgericht, auf dessen Ausführungen der Senat im Einzelnen verweist, hat insbesondere herausgestellt, dass das Fehlen von Ausnahmetatbeständen für lebensnotwendige Arzneimittel bei chronischen Erkrankungen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Zwar könne sich aus Art. 3 Abs. 1 GG auch die Verpflichtung ergeben, ungleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln. Dabei sei aber der Gleichheitssatz nicht schon immer dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen dürfe, nicht vornehme; vielmehr müsse es für die fehlende Differenzierung an einem einleuchtenden Grund fehlen. Einen solchen Fall hat das BSG jedoch verneint und ausgeführt, dass eine einkommensunabhängige Befreiung von der Zuzahlungspflicht verfassungsrechtlich nicht geboten sei. Es hat vielmehr eine Differenzierung zwischen sporadisch Erkrankten, bei denen eine Zuzahlung im Einzelfall zu einer erheblich höheren Belastung führen könnte und chronisch Kranken für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten und deshalb festgestellt, dass unzumutbare finanzielle Belastungen durch häufige Zuzahlungen dem Versicherten unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots nur nach Maßgabe seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und der ihn insgesamt treffenden Zuzahlungsverpflichtungen abgenommen werden könne. Diese Entlastungsvorschriften sähen die gesetzlichen Bestimmungen jedoch vor. Es gäbe im Übrigen vernünftige Gründe gegen Ausnahmen von Zuzahlungspflichten, die auch systemfremd seien, da Beschränkungen des Leistungsumfangs bzw. des Versicherungsrisikos in der gesetzlichen Krankenversicherung typischerweise an die Art der Behandlungsmaßnahme anknüpften und nicht an Art und Schwere der Erkrankung. Auch mit dem neu in das Grundgesetz eingefügten Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG hat sich das Bundessozialgericht auseinander gesetzt und die auch vom Senat geteilte Auffassung vertreten, dass das Verbot der Benachteiligung Behinderter von vornherein nicht berührt ist, denn der Kläger wird nicht anders behandelt als andere Versicherte. Würde die bei Behinderten häufiger als bei anderen Versicherten entstehende Zuzahlungspflicht als Nachteil aufgefasst, wäre dem durch die Befreiung bei unzumutbarer Belastung nach den §§ 61, 62 SGB V Rechnung getragen. Der Gesetzgeber hat diesen im SGB V vorgesehenen Weg der Entlastung von Versicherten mit Dauererkrankungen, der verfassungsgemäß ist, durch die ab 1. Januar 1999 in Kraft getretene Neuregelung des § 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V weiter fortgesetzt und die Situation von chronisch Kranken hiermit deutlich verbessert. Danach entfallen die in Satz 1 genannten Zuzahlungen (Fahrkosten, Arznei-, Verband- und Heilmittel) nach Ablauf des ersten Jahres für die weitere Dauer dieser Behandlung, wenn der Versicherte, der wegen derselben Krankheit in Dauerbehandlung ist und ein Jahr lang Zuzahlungen in Höhe von mindestens einem vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt geleistet hat. Durch diese Neuregelung entfällt insbesondere die Belastung, die mit einem wiederholten Nachweis der Einkommensverhältnisse einhergeht. Da aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG keine verfassungsunmittelbaren Leistungsansprüche abgeleitet werden können, dieses vielmehr ein grundrechtliches Abwehrrecht ist, dessen Aktualisierung dem Gesetzgeber obliegt (Mannz-Dürig/Herzog, GG, Art. 3 Rdnrn. 174, 175 m.w.N.), der vorliegend durch §§ 61, 62 SGB V tätig geworden ist, konnte die Berufung des Klägers insgesamt keinen Erfolg haben und musste zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür im Hinblick auf die zu der streitgegenständlichen Frage bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
II. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
I.
Die Beteiligten streiten über Zuzahlungen zu Arzneimitteln und anderen Leistungen sowie die Erstattung bereits erbrachter Zahlungen.
Der 1948 geborene Kläger ist als Rentner bei der Beklagten krankenversichert. Er leidet seit 1984 an Morbus Parkinson und ist als Behinderter mit einem Grad der Behinderung von 100 anerkannt. Infolge seiner Erkrankung benötigt er regelmäßig verschiedene Medikamente, Krankengymnastik und Massagen. Ferner sind stationäre Aufenthalte in Fachkliniken erforderlich.
Am 22. Juli 1996 wandte sich der Kläger an die Beklagte und beantragte die Erstattung von 1995 und 1996 bisher geleisteten Zuzahlungen für Medikamente und sonstige Leistungen sowie zukünftig eine Freistellung von Zuzahlungen. Die gesetzlichen Bestimmungen benachteiligten ihn als chronisch Kranken gegenüber den sonstigen Versicherten. Dies verstoße gegen Verfassungsrecht, da niemand wegen seiner Behinderung benachteiligt werden dürfe.
Die Beklagte lehnte den Antrag mit Bescheid vom 14. August 1996 ab, da der Kläger nach den gesetzlichen Bestimmungen nicht unzumutbar belastet sei. Unter Beifügung eines Antragsformulars wies sie ferner auf die Möglichkeit der teilweisen Befreiung von Zuzahlungen hin.
Hiergegen legte der Kläger am 26. August 1996 Widerspruch ein und vertrat die Auffassung, dass gesetzliche Bestimmungen, die zu vermeidbaren rechtlichen, hier finanziellen, Benachteiligungen von Behinderten führten, grundgesetzwidrig seien. Einen Antrag auf Prüfung der gesetzlichen Voraussetzungen eines Härtefalles stellte der Kläger nicht.
Die Beklagte wies den Widerspruch mit Widerspruchsbescheid vom 24. Oktober 1996 zurück. Durch die gesetzlichen Bestimmungen werde auf die finanziellen Belastungen chronisch Kranker und Behinderter in ausreichendem Maße Rücksicht genommen.
Am 4. November 1996 hat der Kläger beim Sozialgericht Darmstadt Klage erhoben. Die gesetzlichen Bestimmungen des Krankenversicherungsrechts verstießen seit der Verfassungsänderung im Herbst 1994 gegen das grundgesetzliche Benachteiligungsverbot für Behinderte. Auch die von der Beklagten ständig geforderten Nachweise über Einkommensverhältnisse stellten eine verfassungswidrige Benachteiligung dar. Er wehre sich mit Entschiedenheit dagegen, als "Härtefall” behandelt zu werden. Es ginge ihm nicht um eine "mildtätige Behandlung”, sondern um die Inanspruchnahme eines Grundrechts.
Durch Urteil vom 10. Juni 1999 hat das Sozialgericht Darmstadt die Klage abgewiesen und in den Entscheidungsgründen ausgeführt, dass die angefochtenen Bescheide zu Recht ergangen seien. Die gesetzlichen Bestimmungen sähen für Arzneimittel, Heilmittel und stationäre Behandlungen eine Beteiligung der Versicherten an den Kosten durch Zuzahlungen vor. Eine vollständige oder teilweise Befreiung hiervon sei nur unter Berücksichtigung der finanziellen Verhältnisse des Versicherten und seiner im gemeinsamen Haushalt lebenden Familienangehörigen nach Maßgabe der hierfür geltenden Voraussetzungen möglich. Dass der Kläger zu diesem Personenkreis gehöre, habe er mangels entsprechender Antragstellung nicht nachgewiesen. Die Bestimmungen über Zuzahlungen seien im Anschluss an die hierzu ergangene höchstrichterliche Rechtsprechung, die zitiert wird, auch nicht verfassungswidrig.
Gegen dieses dem Prozessbevollmächtigten gegen Empfangsbekenntnis am 19. Juli 1999 zugestellte Urteil richtet sich die mit Schriftsatz vom 30. Juli 1999 – eingegangen beim Hessischen Landessozialgericht in Darmstadt am 5. August 1999 – eingelegte Berufung, mit der sich der Kläger unter Wiederholung seines Rechtsstandpunktes gegen die getroffene Entscheidung des Sozialgerichts wendet. Das Sozialgericht habe sich nicht in ausreichendem Maße mit der Situation eines chronisch Kranken auseinander gesetzt, ebenso wie das Bundessozialgericht, das die Bedeutung der neu eingefügten Grundrechtsnorm nicht erkannt bzw. ihr keinerlei Bedeutung zugemessen habe. Die Verpflichtung chronisch Kranker, sich an den Kosten der Behandlung durch Zuzahlungen zu beteiligen, sei eine "Benachteiligung wegen Behinderung”.
Der Kläger beantragt (sinngemäß),
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 10. Juni 1999 sowie den Bescheid der Beklagten vom 14. August 1996 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 24. Oktober 1996 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, bereits geleistete Zuzahlungen zu erstatten und ihn zukünftig von Zuzahlungen für Arzneimittel und sonstige Leistungen zu befreien.
Die Beklagte beantragt (sinngemäß),
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und bezieht sich zur Begründung auf die Entscheidungsgründe und ihr bisheriges Vorbringen.
Mit Verfügung vom 2. September 1999 sind die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Zurückweisung der Berufung durch Beschluss mit der Gelegenheit zur Stellungnahme hierzu hingewiesen worden.
Hinsichtlich des Vorbringens der Beteiligten im Übrigen wird auf den weiteren Inhalt der Gerichtsakte und der beigezogenen Verwaltungsakte der Beklagten Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
II.
Der Senat konnte über die Berufung des Klägers nach Anhörung der Beteiligten durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung entscheiden, da er eine mündliche Verhandlung für nicht erforderlich und die Berufung einstimmig für unbegründet gehalten hat (§ 153 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Die Berufung ist zulässig, denn sie ist form- und fristgerecht eingelegt sowie an sich statthaft (§§ 143, 151 SGG).
Die Berufung ist aber sachlich nicht begründet.
Das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt ist zu Recht ergangen, denn ein Anspruch auf Freistellung von Zuzahlungspflichten wegen einer vorliegenden chronischen Erkrankung besteht ebensowenig wie ein hierauf gerichteter Erstattungsanspruch.
Das Sozialgericht hat zutreffend ausgeführt, unter welchen Voraussetzungen eine vollständige oder teilweise Befreiung von Zuzahlungspflichten nach §§ 61, 62 Sozialgesetzbuch – Gesetzliche Krankenversicherung (SGB V) möglich ist. Feststellungen insoweit waren zu Gunsten des Klägers aber nicht möglich, da er Angaben zu seinen finanziellen Verhältnissen nicht gemacht und eine Verpflichtung hierzu von seinem Rechtsstandpunkt aus abgelehnt hat.
Soweit der Kläger die Auffassung vertreten hat, dass die Anwendung der geltenden gesetzlichen Bestimmungen bei chronisch Kranken zu einem Verstoß gegen das Benachteiligungsverbot von Behinderten nach Art. 3 Abs. 3 Satz 2 Grundgesetz (GG) führte, vermochte ihm der Senat in Übereinstimmung mit dem von der höchstrichterlichen Rechtsprechung ausgehenden Sozialgericht nicht zu folgen. Zur Vermeidung von Wiederholungen wird deshalb auf die zutreffenden Ausführungen im Urteil des Sozialgerichts verwiesen (§ 153 Abs. 2 SGG).
Entgegen der Darstellung des Klägers hat sich das Bundessozialgericht in einem Grundsatzurteil vom 9. Juni 1998 (B 1 KR 17/96 R) ausführlich mit der Verfassungswidrigkeit von Zuzahlungspflichten bei chronisch Kranken auseinander gesetzt. Der entschiedene Fall war auch mit dem vorliegenden Fall des Klägers vergleichbar, da auch ein Versicherter betroffen war, dessen Erkrankung mit einer lebenslangen Versorgung von Medikamenten einherging, ohne dass der Versicherte dies beeinflussen konnte. Das Bundessozialgericht, auf dessen Ausführungen der Senat im Einzelnen verweist, hat insbesondere herausgestellt, dass das Fehlen von Ausnahmetatbeständen für lebensnotwendige Arzneimittel bei chronischen Erkrankungen nicht gegen den allgemeinen Gleichheitssatz des Art. 3 Abs. 1 GG verstößt. Zwar könne sich aus Art. 3 Abs. 1 GG auch die Verpflichtung ergeben, ungleiche Sachverhalte ungleich zu behandeln. Dabei sei aber der Gleichheitssatz nicht schon immer dann verletzt, wenn der Gesetzgeber Differenzierungen, die er vornehmen dürfe, nicht vornehme; vielmehr müsse es für die fehlende Differenzierung an einem einleuchtenden Grund fehlen. Einen solchen Fall hat das BSG jedoch verneint und ausgeführt, dass eine einkommensunabhängige Befreiung von der Zuzahlungspflicht verfassungsrechtlich nicht geboten sei. Es hat vielmehr eine Differenzierung zwischen sporadisch Erkrankten, bei denen eine Zuzahlung im Einzelfall zu einer erheblich höheren Belastung führen könnte und chronisch Kranken für verfassungsrechtlich bedenklich gehalten und deshalb festgestellt, dass unzumutbare finanzielle Belastungen durch häufige Zuzahlungen dem Versicherten unter Beachtung des verfassungsrechtlichen Gleichbehandlungsgebots nur nach Maßgabe seiner wirtschaftlichen Verhältnisse und der ihn insgesamt treffenden Zuzahlungsverpflichtungen abgenommen werden könne. Diese Entlastungsvorschriften sähen die gesetzlichen Bestimmungen jedoch vor. Es gäbe im Übrigen vernünftige Gründe gegen Ausnahmen von Zuzahlungspflichten, die auch systemfremd seien, da Beschränkungen des Leistungsumfangs bzw. des Versicherungsrisikos in der gesetzlichen Krankenversicherung typischerweise an die Art der Behandlungsmaßnahme anknüpften und nicht an Art und Schwere der Erkrankung. Auch mit dem neu in das Grundgesetz eingefügten Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG hat sich das Bundessozialgericht auseinander gesetzt und die auch vom Senat geteilte Auffassung vertreten, dass das Verbot der Benachteiligung Behinderter von vornherein nicht berührt ist, denn der Kläger wird nicht anders behandelt als andere Versicherte. Würde die bei Behinderten häufiger als bei anderen Versicherten entstehende Zuzahlungspflicht als Nachteil aufgefasst, wäre dem durch die Befreiung bei unzumutbarer Belastung nach den §§ 61, 62 SGB V Rechnung getragen. Der Gesetzgeber hat diesen im SGB V vorgesehenen Weg der Entlastung von Versicherten mit Dauererkrankungen, der verfassungsgemäß ist, durch die ab 1. Januar 1999 in Kraft getretene Neuregelung des § 62 Abs. 1 Satz 2 SGB V weiter fortgesetzt und die Situation von chronisch Kranken hiermit deutlich verbessert. Danach entfallen die in Satz 1 genannten Zuzahlungen (Fahrkosten, Arznei-, Verband- und Heilmittel) nach Ablauf des ersten Jahres für die weitere Dauer dieser Behandlung, wenn der Versicherte, der wegen derselben Krankheit in Dauerbehandlung ist und ein Jahr lang Zuzahlungen in Höhe von mindestens einem vom Hundert der jährlichen Bruttoeinnahmen zum Lebensunterhalt geleistet hat. Durch diese Neuregelung entfällt insbesondere die Belastung, die mit einem wiederholten Nachweis der Einkommensverhältnisse einhergeht. Da aus dem Diskriminierungsverbot des Art. 3 Abs. 3 Satz 2 GG keine verfassungsunmittelbaren Leistungsansprüche abgeleitet werden können, dieses vielmehr ein grundrechtliches Abwehrrecht ist, dessen Aktualisierung dem Gesetzgeber obliegt (Mannz-Dürig/Herzog, GG, Art. 3 Rdnrn. 174, 175 m.w.N.), der vorliegend durch §§ 61, 62 SGB V tätig geworden ist, konnte die Berufung des Klägers insgesamt keinen Erfolg haben und musste zurückgewiesen werden.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Revision war nicht zuzulassen, da die gesetzlichen Voraussetzungen hierfür im Hinblick auf die zu der streitgegenständlichen Frage bereits vorliegende höchstrichterliche Rechtsprechung nicht vorliegen (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1, 2 SGG).
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved