Land
Berlin-Brandenburg
Sozialgericht
LSG Berlin-Brandenburg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
8
1. Instanz
SG Berlin (BRB)
Aktenzeichen
S 32 RJ 2190/04
Datum
2. Instanz
LSG Berlin-Brandenburg
Aktenzeichen
L 8 R 1191/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2006 wird zurückgewiesen.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Rücknahme einer Zusicherung.
Die 1935 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten seit Februar 1991 Witwenrente (Bewilligungsbescheid vom 19. März 1991). Auf die Anfrage vom 16. August 2000 der seinerzeit in M wohnenden Klägerin, welche Auswirkungen ein beabsichtigter Umzug in den Ostteil Berlins auf die Rente habe (sie beziehe eine nach dem "Fremdlandgesetz" berechnete Altersrente), teilte die Beklagte mit Schreiben vom 26. September 2000 bezgl. der Hinterbliebenenrente mit, ein Verzug nach Berlin, in welchen Stadtteil auch immer, führe – mit Ausnahme eines gegebenenfalls geänderten Beitragssatzes der Krankenkasse – zu keiner Änderung in der Rentenhöhe. Nachdem die Beklagte Kenntnis vom Umzug der Klägerin nach Berlin (Ost) erhalten hatte (die Klägerin ist nach der Auskunft der Meldebehörde seit dem 10. August 2001 in Berlin unter ihrer derzeitigen Anschrift gemeldet), hob sie nach deren Anhörung (: Sie habe ausdrücklich angefragt und sich auf die Auskünfte verlassen) den Bewilligungsbescheid mit Wirkung vom 01. Dezember 2001 teilweise auf, da sich die Witwenrente wegen der als Einkommen anzurechnenden Versichertenrente unter Berücksichtigung des aktuellen Rentenwertes (Ost) verringere (Zahlbetrag bisher 781,28, nunmehr 719,32 DM – Bescheid vom 09. November 2001).
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin, zu dem sie vortrug, das Schreiben der Beklagten vom 26. September 2000 stelle eine Zusicherung dar, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2002 zurück. Sie führte dazu aus, dass dem genannten Schreiben eine verbindliche Zusage nicht entnommen werden könne; es handele sich nicht um eine Zusicherung, sondern lediglich um eine fehlerhafte Auskunft.
Im nachfolgenden Klageverfahren hob das Sozialgericht (SG) Berlin die angefochtenen Bescheide der Beklagten, soweit sie eine Verringerung der Witwenrente in Folge einer erhöhten Anrechnung der Versichertenrente aussprachen, auf (Urteil vom 30. Januar 2004 – S 28 RJ 1852/02 –). Dazu führte das SG aus, dass einer teilweisen Aufhebung wegen Änderung der Verhältnisse das Schreiben der Beklagten vom 26. September 2000 entgegenstehe. Dieses stelle eine (zwar rechtswidrige) Zusicherung dar, die bindend sei und nur entsprechend § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X – zurückgenommen werden könne. Dieses Urteil griff die Beklagte nicht an.
In der Folge gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Äußerung zu der beabsichtigten Zurücknahme der Zusicherung und nahm mit Bescheid vom 15. Juni 2004 die Zusicherung vom 26. September 2000 mit Wirkung vom 01. Juli 2004 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin zwar subjektiv schutzwürdig sei, da sie die Rechtswidrigkeit der Zusicherung nicht habe erkennen können, und ebenso habe sie keine Mitteilungspflichten verletzt. Auch habe sie mit dem Verzug nach Berlin Vermögensdispositionen getroffen, die nicht mehr ohne weiteres rückgängig gemacht werden könnten. Gleichwohl überwiege das öffentliche Interesse an der Beseitigung des fehlerhaften Verwaltungshandelns. Denn nicht erwiesen sei, dass die Zusicherung der alleinige Grund für den Umzug gewesen sei. Ebenso habe die Minderung der Hinterbliebenenrente um etwa 33,00 Euro monatlich vor dem Hintergrund der Gesamteinkünfte keinen wesentlichen Einfluss auf die finanzielle Situation der Klägerin. Im Ergebnis der dieses berücksichtigenden Ermessensabwägung sei die Zusicherung daher für die Zukunft zurückzunehmen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004 im Wesentlichen mit der Begründung des angegriffenen Bescheides zurück. Ergänzend führte sie aus, dass im Rahmen des § 45 SGB X ggf. zu beachtende Fristen nicht versäumt worden seien. Denn die Zusicherung stelle gegenüber einem Verwaltungsakt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein Minus dar, sodass es ausgeschlossen sei, in Fällen der Rücknahmeprüfung einer Zusicherung Dauerwirkung zuzusprechen.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer zum SG Berlin erhobenen Klage gewandt. Sie hält ihr Vertrauen auf den Bestand der Zusicherung weiter für schutzwürdig. So sei die erfolgte Vertrauensbetätigung, das große Behördenverschulden, der lange zeitliche Abstand zwischen der Zusicherung und der Rücknahme zu berücksichtigen. Die Weiterzahlung der erhöhten Rente stelle ferner eine relativ geringe Belastung der Versichertengemeinschaft dar. Im Übrigen sei die Zweijahresfrist für die Rücknahme der Zusicherung abgelaufen.
Mit Urteil vom 25. April 2006 hat das SG der Klage entsprochen und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Rücknahme der Zusicherung sei rechtswidrig, da die Ausschlussfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X bereits abgelaufen gewesen sei. Danach könne ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Unzutreffend gehe die Beklagte davon aus, dass die Zusicherung vom 26. September 2000 keine Dauerwirkung entfalte. Zwar erschöpfe sich die Regelung der Zusicherung üblicherweise in dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes, vorliegend sei jedoch zu differenzieren. Eine auf Erteilung eines Verwaltungsaktes ohne Dauerwirkung gerichtete Zusicherung könne prinzipiell keinen stärkeren Vertrauensschutz genießen als der Verwaltungsakt selbst. Dementsprechend sei eine Zusicherung dann als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu behandeln, wenn sie sich auf einen ebensolchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung beziehe. Hiernach sei die Zusicherung der Beklagten, ein Verzug nach Berlin, in welchen Stadtteil auch immer, führe zu keiner Änderung in der Rentenhöhe, als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung anzusehen. Denn im Zusammenhang mit der Anfrage der Klägerin beziehe sich die Erklärung der Beklagten zweifelsfrei auf den Bescheid, mit dem Witwenrente bewilligt worden sei. Dieser stelle einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Hiernach finde die Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Bekanntgabe der Zusicherung vom 26. September 2000 Anwendung, sodass diese mit dem Erlass des Rücknahmebescheides vom 15. Juni 2004 überschritten werde. Auf das Urteil des SG Berlin vom 30. Januar 2004 komme es insoweit nicht an.
Gegen das ihr am 12. Juli 2006 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 11. August 2006 eingelegten Berufung. Sie ist der Auffassung, bei der am 26. September 2000 gegebenen Zusicherung könne nicht von einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ausgegangen werden, sodass § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X bei der Rücknahme nicht anzuwenden sei. Im Übrigen sei § 45 Abs. 3 SGB X eine Ausnahmevorschrift und damit eng auszulegen. Die Vorschrift solle bereits investiertes Vertrauen schützen. Bei einer bloßen Zusicherung könne noch kein Vertrauen investiert worden seien. Die Rücknahme einer materiell rechtswidrigen Zusicherung sei damit im Wesentlichen nur durch Aspekte eines sachlichen Vertrauensschutzes entsprechend § 45 Abs. 2 SGB X eingeschränkt. Eine in diesem Zusammenhang entscheidende objektive Schutzwürdigkeit sei bei der Klägerin nicht gegeben, wie bereits in den angefochtenen Bescheiden dargelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, das den gebotenen Vertrauensschutz richtig umsetze.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte kann sich im Ergebnis nicht von ihrer mit Schreiben vom 26. September 2000 dargestellten Rechtsauffassung lösen.
Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des SG Berlin vom 30. Januar 2004 (S 28 RJ 1852/02) ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig, dass das Schreiben der Beklagten vom 26. September 2000 als Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X zu werten ist. Diese Zusicherung beruht, worüber sich die Beteiligten zu Recht einig sind, auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung. Denn bei einem Verzug aus dem "alten Bundesgebiet" in das Beitrittsgebiet – hier in den Ostteil Berlins – steht nur ein gegenüber dem bisherigen Freibetrag geringerer Betrag aus dem Einkommen – hier der Altersrente – anrechnungsfrei zu, sodass sich die Witwenrente mit dem Umzug verringert (vgl. zu einem gleichartigen Sachverhalt und der Verfassungsgemäßheit der maßgebenden Regelung in § 228a Abs. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [-SGB VI-]: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2000 – B 8 KN 8/99 R – in SozR 3-2600 § 228a Nr. 1). Demzufolge ist die Zusicherung vom 26. September 2000 rechtswidrig.
Eine rechtswidrige – aber wirksame (vgl. Verbandskommentar, Rdnr. 15 zu § 34 X; Giese/Kramer, SGB I u. X, Rdnr.9.1 zu § 34 X) – Zusicherung kann jedoch wie ein "normaler" Verwaltungsakt nur nach Maßgabe des § 45 SGB X korrigiert werden. Darauf hat bereits das SG in seinem Urteil vom 30. Januar 2004 zutreffend hingewiesen, und daran fehlte es zu jenem Zeitpunkt.
Dieser Hinweis bedeutet allerdings nicht, dass damit festgestellt ist, die Zusicherung in dem Schreiben vom 26. September 2000 sei noch einer Korrektur in dem von der Beklagten gewünschten Sinne zugänglich. Dazu müsste die Zusicherung als solche weiterhin rechtlich existent sein und entsprechende Wirkung entfalten. Daran fehlt es jedoch.
Eine Zusicherung ist regelmäßig auf den Erlass eines bestimmten zugesagten Verwaltungsaktes bzw. das Unterlassen einer bestimmten Regelung gerichtet (Krasney in Kasseler Kommentar, Rdnr. 4 zu § 34 SGB X unter Hinweis auf BSG SozR-5750 Art. 2 § 9a Nr. 13) und erledigt sich regelmäßig mit dem Erlass des zugesagten bzw. des auf die Zusicherung bezogenen Verwaltungsaktes gemäß § 39 Abs. 2 SGB X (Giese/Krahmer, SGB I und X, Rdnr. 8.1 zu § 34 SGB X).
Ein derartiger auf die Zusicherung bezogener Verwaltungsakt ist in dem (im ersten Verfahren von der Klägerin angegriffenen und schließlich geändert bestehen gebliebenen) Änderungsbescheid vom 09. November 2001 zu sehen. Mit diesem Bescheid (in der durch das Urteil vom 30. Januar 2004 erfolgten Korrektur) hat die Beklagte auf die durch den Umzug geänderte Sachlage entsprechend der Zusicherung im Schreiben vom 26. September 2000 mit einer insoweit auch nicht angegriffenen Änderung der Bewilligung nur dahingehend reagiert, dass die Abzüge für die Krankenversicherung an den geänderten Beitragssatz der AOK Berlin angeglichen werden und eine weitergehende Änderung unterbleibt.
Dieser der materiellen Rechtslage nicht entsprechende und der Zusicherung geschuldete Änderungsbescheid verwirklicht die Aussage der Zusicherung, in bestimmter Weise bei der Rentengewährung vorzugehen. Damit erschöpft sich die Wirkung der Zusicherung, deren materielle Rechtswidrigkeit nunmehr in die Rentengewährung Eingang gefunden hat mit der Folge, dass eine Korrektur der Leistungsgewährung nicht mehr die Zusicherung, sondern den Änderungsbescheid vom 09. November 2001 zum Gegenstand hat. Eine eigenständige Bedeutung kommt dem Schreiben vom 26. September 2000 nicht mehr zu, nachdem seine Ankündigung in der weiteren Rentengewährung aufgegangen ist; es hat sich somit i. S. d. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt.
Ob eine Rücknahme des objektiv rechtswidrigen und begünstigenden (Änderungs-) Bescheides vom 09. November 2001 nach Maßgabe des § 45 SGB X möglich ist, hat der Senat nicht zu entscheiden, da dieser Bescheid nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Welche Bedeutung die bisher in die Würdigung nicht einbezogene (zutreffende) Auskunft der ebenfalls angegangenen BfA- mit Hinweis auf Minderung des Freibetrages, aber unter ausdrücklichem Verweis auf die Auskunft des zuständigen Versicherungsträgers – hat, bedarf deshalb keiner Erörterung. Gleiches gilt bezüglich des von der Klägerin geltend gemachten, aus Vermögensdispositionen resultierenden Vertrauensschutzes, der bei einem Renteneinkommen von über 1.100,- EUR und einer Differenz von rund 33,- EUR monatlich zumindest zweifelhaft erscheint (vgl. BSG, SozR 3-2600 § 228a Nr. 1).
Allerdings dürfte der Beklagten aus Fristgründen (§ 45 Abs. 3 S. 1 SGB X) als einzige geringe Korrekturmöglichkeit eine Aussparung gem. § 48 Abs. 3 SGG verbleiben, die die Klägerin im Rahmen eines Vergleichsangebots bereits im Verlaufe des Rechtsstreits angesprochen hat.
Die Berufung kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten der Klägerin im Berufungsverfahren zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Im Streit ist die Rücknahme einer Zusicherung.
Die 1935 geborene Klägerin bezieht von der Beklagten seit Februar 1991 Witwenrente (Bewilligungsbescheid vom 19. März 1991). Auf die Anfrage vom 16. August 2000 der seinerzeit in M wohnenden Klägerin, welche Auswirkungen ein beabsichtigter Umzug in den Ostteil Berlins auf die Rente habe (sie beziehe eine nach dem "Fremdlandgesetz" berechnete Altersrente), teilte die Beklagte mit Schreiben vom 26. September 2000 bezgl. der Hinterbliebenenrente mit, ein Verzug nach Berlin, in welchen Stadtteil auch immer, führe – mit Ausnahme eines gegebenenfalls geänderten Beitragssatzes der Krankenkasse – zu keiner Änderung in der Rentenhöhe. Nachdem die Beklagte Kenntnis vom Umzug der Klägerin nach Berlin (Ost) erhalten hatte (die Klägerin ist nach der Auskunft der Meldebehörde seit dem 10. August 2001 in Berlin unter ihrer derzeitigen Anschrift gemeldet), hob sie nach deren Anhörung (: Sie habe ausdrücklich angefragt und sich auf die Auskünfte verlassen) den Bewilligungsbescheid mit Wirkung vom 01. Dezember 2001 teilweise auf, da sich die Witwenrente wegen der als Einkommen anzurechnenden Versichertenrente unter Berücksichtigung des aktuellen Rentenwertes (Ost) verringere (Zahlbetrag bisher 781,28, nunmehr 719,32 DM – Bescheid vom 09. November 2001).
Den dagegen gerichteten Widerspruch der Klägerin, zu dem sie vortrug, das Schreiben der Beklagten vom 26. September 2000 stelle eine Zusicherung dar, wies die Beklagte durch Widerspruchsbescheid vom 17. Juli 2002 zurück. Sie führte dazu aus, dass dem genannten Schreiben eine verbindliche Zusage nicht entnommen werden könne; es handele sich nicht um eine Zusicherung, sondern lediglich um eine fehlerhafte Auskunft.
Im nachfolgenden Klageverfahren hob das Sozialgericht (SG) Berlin die angefochtenen Bescheide der Beklagten, soweit sie eine Verringerung der Witwenrente in Folge einer erhöhten Anrechnung der Versichertenrente aussprachen, auf (Urteil vom 30. Januar 2004 – S 28 RJ 1852/02 –). Dazu führte das SG aus, dass einer teilweisen Aufhebung wegen Änderung der Verhältnisse das Schreiben der Beklagten vom 26. September 2000 entgegenstehe. Dieses stelle eine (zwar rechtswidrige) Zusicherung dar, die bindend sei und nur entsprechend § 45 des Zehnten Buches Sozialgesetzbuch – SGB X – zurückgenommen werden könne. Dieses Urteil griff die Beklagte nicht an.
In der Folge gab die Beklagte der Klägerin Gelegenheit zur Äußerung zu der beabsichtigten Zurücknahme der Zusicherung und nahm mit Bescheid vom 15. Juni 2004 die Zusicherung vom 26. September 2000 mit Wirkung vom 01. Juli 2004 zurück. Zur Begründung führte sie aus, dass die Klägerin zwar subjektiv schutzwürdig sei, da sie die Rechtswidrigkeit der Zusicherung nicht habe erkennen können, und ebenso habe sie keine Mitteilungspflichten verletzt. Auch habe sie mit dem Verzug nach Berlin Vermögensdispositionen getroffen, die nicht mehr ohne weiteres rückgängig gemacht werden könnten. Gleichwohl überwiege das öffentliche Interesse an der Beseitigung des fehlerhaften Verwaltungshandelns. Denn nicht erwiesen sei, dass die Zusicherung der alleinige Grund für den Umzug gewesen sei. Ebenso habe die Minderung der Hinterbliebenenrente um etwa 33,00 Euro monatlich vor dem Hintergrund der Gesamteinkünfte keinen wesentlichen Einfluss auf die finanzielle Situation der Klägerin. Im Ergebnis der dieses berücksichtigenden Ermessensabwägung sei die Zusicherung daher für die Zukunft zurückzunehmen.
Den Widerspruch der Klägerin wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 28. Oktober 2004 im Wesentlichen mit der Begründung des angegriffenen Bescheides zurück. Ergänzend führte sie aus, dass im Rahmen des § 45 SGB X ggf. zu beachtende Fristen nicht versäumt worden seien. Denn die Zusicherung stelle gegenüber einem Verwaltungsakt in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht ein Minus dar, sodass es ausgeschlossen sei, in Fällen der Rücknahmeprüfung einer Zusicherung Dauerwirkung zuzusprechen.
Hiergegen hat sich die Klägerin mit ihrer zum SG Berlin erhobenen Klage gewandt. Sie hält ihr Vertrauen auf den Bestand der Zusicherung weiter für schutzwürdig. So sei die erfolgte Vertrauensbetätigung, das große Behördenverschulden, der lange zeitliche Abstand zwischen der Zusicherung und der Rücknahme zu berücksichtigen. Die Weiterzahlung der erhöhten Rente stelle ferner eine relativ geringe Belastung der Versichertengemeinschaft dar. Im Übrigen sei die Zweijahresfrist für die Rücknahme der Zusicherung abgelaufen.
Mit Urteil vom 25. April 2006 hat das SG der Klage entsprochen und die angefochtenen Bescheide aufgehoben. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt: Die Rücknahme der Zusicherung sei rechtswidrig, da die Ausschlussfrist des § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X bereits abgelaufen gewesen sei. Danach könne ein rechtswidrig begünstigender Verwaltungsakt mit Dauerwirkung nur bis zum Ablauf von zwei Jahren nach seiner Bekanntgabe zurückgenommen werden. Unzutreffend gehe die Beklagte davon aus, dass die Zusicherung vom 26. September 2000 keine Dauerwirkung entfalte. Zwar erschöpfe sich die Regelung der Zusicherung üblicherweise in dem Erlass des zugesicherten Verwaltungsaktes, vorliegend sei jedoch zu differenzieren. Eine auf Erteilung eines Verwaltungsaktes ohne Dauerwirkung gerichtete Zusicherung könne prinzipiell keinen stärkeren Vertrauensschutz genießen als der Verwaltungsakt selbst. Dementsprechend sei eine Zusicherung dann als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung zu behandeln, wenn sie sich auf einen ebensolchen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung beziehe. Hiernach sei die Zusicherung der Beklagten, ein Verzug nach Berlin, in welchen Stadtteil auch immer, führe zu keiner Änderung in der Rentenhöhe, als Verwaltungsakt mit Dauerwirkung anzusehen. Denn im Zusammenhang mit der Anfrage der Klägerin beziehe sich die Erklärung der Beklagten zweifelsfrei auf den Bescheid, mit dem Witwenrente bewilligt worden sei. Dieser stelle einen Verwaltungsakt mit Dauerwirkung dar. Hiernach finde die Ausschlussfrist von zwei Jahren nach Bekanntgabe der Zusicherung vom 26. September 2000 Anwendung, sodass diese mit dem Erlass des Rücknahmebescheides vom 15. Juni 2004 überschritten werde. Auf das Urteil des SG Berlin vom 30. Januar 2004 komme es insoweit nicht an.
Gegen das ihr am 12. Juli 2006 zugestellte Urteil wendet sich die Beklagte mit ihrer am 11. August 2006 eingelegten Berufung. Sie ist der Auffassung, bei der am 26. September 2000 gegebenen Zusicherung könne nicht von einem Verwaltungsakt mit Dauerwirkung ausgegangen werden, sodass § 45 Abs. 3 Satz 1 SGB X bei der Rücknahme nicht anzuwenden sei. Im Übrigen sei § 45 Abs. 3 SGB X eine Ausnahmevorschrift und damit eng auszulegen. Die Vorschrift solle bereits investiertes Vertrauen schützen. Bei einer bloßen Zusicherung könne noch kein Vertrauen investiert worden seien. Die Rücknahme einer materiell rechtswidrigen Zusicherung sei damit im Wesentlichen nur durch Aspekte eines sachlichen Vertrauensschutzes entsprechend § 45 Abs. 2 SGB X eingeschränkt. Eine in diesem Zusammenhang entscheidende objektive Schutzwürdigkeit sei bei der Klägerin nicht gegeben, wie bereits in den angefochtenen Bescheiden dargelegt.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Berlin vom 25. April 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend, das den gebotenen Vertrauensschutz richtig umsetze.
Wegen der weiteren Einzelheiten wird zur Ergänzung des Tatbestandes auf die Gerichtsakte sowie die von der Beklagten vorgelegte Verwaltungsakte (Versicherungsnummer ), die Gegenstand der mündlichen Verhandlung gewesen sind, Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die zulässige Berufung ist unbegründet. Die Beklagte kann sich im Ergebnis nicht von ihrer mit Schreiben vom 26. September 2000 dargestellten Rechtsauffassung lösen.
Aufgrund des rechtskräftigen Urteils des SG Berlin vom 30. Januar 2004 (S 28 RJ 1852/02) ist zwischen den Beteiligten nicht mehr streitig, dass das Schreiben der Beklagten vom 26. September 2000 als Zusicherung im Sinne des § 34 SGB X zu werten ist. Diese Zusicherung beruht, worüber sich die Beteiligten zu Recht einig sind, auf einer unzutreffenden Rechtsauffassung. Denn bei einem Verzug aus dem "alten Bundesgebiet" in das Beitrittsgebiet – hier in den Ostteil Berlins – steht nur ein gegenüber dem bisherigen Freibetrag geringerer Betrag aus dem Einkommen – hier der Altersrente – anrechnungsfrei zu, sodass sich die Witwenrente mit dem Umzug verringert (vgl. zu einem gleichartigen Sachverhalt und der Verfassungsgemäßheit der maßgebenden Regelung in § 228a Abs. 3 des Sechsten Buches Sozialgesetzbuch [-SGB VI-]: BSG, Urteil vom 19. Oktober 2000 – B 8 KN 8/99 R – in SozR 3-2600 § 228a Nr. 1). Demzufolge ist die Zusicherung vom 26. September 2000 rechtswidrig.
Eine rechtswidrige – aber wirksame (vgl. Verbandskommentar, Rdnr. 15 zu § 34 X; Giese/Kramer, SGB I u. X, Rdnr.9.1 zu § 34 X) – Zusicherung kann jedoch wie ein "normaler" Verwaltungsakt nur nach Maßgabe des § 45 SGB X korrigiert werden. Darauf hat bereits das SG in seinem Urteil vom 30. Januar 2004 zutreffend hingewiesen, und daran fehlte es zu jenem Zeitpunkt.
Dieser Hinweis bedeutet allerdings nicht, dass damit festgestellt ist, die Zusicherung in dem Schreiben vom 26. September 2000 sei noch einer Korrektur in dem von der Beklagten gewünschten Sinne zugänglich. Dazu müsste die Zusicherung als solche weiterhin rechtlich existent sein und entsprechende Wirkung entfalten. Daran fehlt es jedoch.
Eine Zusicherung ist regelmäßig auf den Erlass eines bestimmten zugesagten Verwaltungsaktes bzw. das Unterlassen einer bestimmten Regelung gerichtet (Krasney in Kasseler Kommentar, Rdnr. 4 zu § 34 SGB X unter Hinweis auf BSG SozR-5750 Art. 2 § 9a Nr. 13) und erledigt sich regelmäßig mit dem Erlass des zugesagten bzw. des auf die Zusicherung bezogenen Verwaltungsaktes gemäß § 39 Abs. 2 SGB X (Giese/Krahmer, SGB I und X, Rdnr. 8.1 zu § 34 SGB X).
Ein derartiger auf die Zusicherung bezogener Verwaltungsakt ist in dem (im ersten Verfahren von der Klägerin angegriffenen und schließlich geändert bestehen gebliebenen) Änderungsbescheid vom 09. November 2001 zu sehen. Mit diesem Bescheid (in der durch das Urteil vom 30. Januar 2004 erfolgten Korrektur) hat die Beklagte auf die durch den Umzug geänderte Sachlage entsprechend der Zusicherung im Schreiben vom 26. September 2000 mit einer insoweit auch nicht angegriffenen Änderung der Bewilligung nur dahingehend reagiert, dass die Abzüge für die Krankenversicherung an den geänderten Beitragssatz der AOK Berlin angeglichen werden und eine weitergehende Änderung unterbleibt.
Dieser der materiellen Rechtslage nicht entsprechende und der Zusicherung geschuldete Änderungsbescheid verwirklicht die Aussage der Zusicherung, in bestimmter Weise bei der Rentengewährung vorzugehen. Damit erschöpft sich die Wirkung der Zusicherung, deren materielle Rechtswidrigkeit nunmehr in die Rentengewährung Eingang gefunden hat mit der Folge, dass eine Korrektur der Leistungsgewährung nicht mehr die Zusicherung, sondern den Änderungsbescheid vom 09. November 2001 zum Gegenstand hat. Eine eigenständige Bedeutung kommt dem Schreiben vom 26. September 2000 nicht mehr zu, nachdem seine Ankündigung in der weiteren Rentengewährung aufgegangen ist; es hat sich somit i. S. d. § 39 Abs. 2 SGB X erledigt.
Ob eine Rücknahme des objektiv rechtswidrigen und begünstigenden (Änderungs-) Bescheides vom 09. November 2001 nach Maßgabe des § 45 SGB X möglich ist, hat der Senat nicht zu entscheiden, da dieser Bescheid nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Welche Bedeutung die bisher in die Würdigung nicht einbezogene (zutreffende) Auskunft der ebenfalls angegangenen BfA- mit Hinweis auf Minderung des Freibetrages, aber unter ausdrücklichem Verweis auf die Auskunft des zuständigen Versicherungsträgers – hat, bedarf deshalb keiner Erörterung. Gleiches gilt bezüglich des von der Klägerin geltend gemachten, aus Vermögensdispositionen resultierenden Vertrauensschutzes, der bei einem Renteneinkommen von über 1.100,- EUR und einer Differenz von rund 33,- EUR monatlich zumindest zweifelhaft erscheint (vgl. BSG, SozR 3-2600 § 228a Nr. 1).
Allerdings dürfte der Beklagten aus Fristgründen (§ 45 Abs. 3 S. 1 SGB X) als einzige geringe Korrekturmöglichkeit eine Aussparung gem. § 48 Abs. 3 SGG verbleiben, die die Klägerin im Rahmen eines Vergleichsangebots bereits im Verlaufe des Rechtsstreits angesprochen hat.
Die Berufung kann nach alledem keinen Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 Sozialgerichtsgesetz (SGG). Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
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