L 20 B 71/07 SO

Land
Nordrhein-Westfalen
Sozialgericht
LSG Nordrhein-Westfalen
Sachgebiet
Sozialhilfe
Abteilung
20
1. Instanz
SG Gelsenkirchen (NRW)
Aktenzeichen
S 8 SO 144/06
Datum
2. Instanz
LSG Nordrhein-Westfalen
Aktenzeichen
L 20 B 71/07 SO
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Auf die Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Sozialgerichts Gelsenkirchen vom 06.06.2007 geändert. Der Klägerin wird für das Verfahren vor dem Sozialgericht Gelsenkirchen Prozesskostenhilfe bewilligt und Rechtsanwältin Q, J Straße 0, D, zur ihrer Vertretung beigeordnet.

Gründe:

Zu Unrecht ist das Sozialgericht vom Fehlen einer hinreichenden Erfolgsaussicht der Rechtsverfolgung im Sinne von § 73a Sozialgerichtsgesetz (SGG) i.V.m. § 114 Zivilprozessordnung (ZPO) ausgegangen.

Das Sozialgericht geht davon aus, dass die unter Einstufung in die Pflegestufe III im Seniorenheim lebende, unter Betreuung stehende Klägerin etwaige zivilrechtliche Ansprüche gegen Verwandte hätte durchsetzen müssen, um dem Grundsatz des Nachrangs der Sozialhilfe zur Geltung zu verschaffen.

Es bedarf jedoch im Sinne einer klärungsbedürftigen Rechtsfrage, die bereits die Gewährung von Prozesskostenhilfe begründet (vgl. Meyer-Ladewig/Keller/Leitherer, SGG, 8. Aufl. 2005, § 73a Rn. 7b), der Klärung durch das Sozialgericht, ob es dem früheren Betreuer der Klägerin, Herrn Rechtsanwalt D, überhaupt möglich gewesen ist, insbesondere gegen den Sohn und weiter vormaligen Betreuer der Klägerin, Herrn E M, einen möglicherweise aufgrund strafrechtlicher Handlung von diesem aus dem Vermögen der Klägerin herausgenommenen Betrag von 10.000,00 EUR zurück zu erlangen. Offenbar handelt es sich bei diesem Betrag um einen auf einem Festgeldkonto Nr. 000 angelegten Betrag; dieses Konto hat Herr E M ausweislich einer von Rechtsanwalt D der Beklagten vorgelegten Bescheinigung der Volksbank vom 01.09.2004 bereits am 24.03.2003 aufgelöst. Rechtsanwalt D hat im Übrigen mit einem Schriftsatz vom 20.12.2004 gegenüber dem Verwaltungsgericht Gelsenkirchen bereits deutlich gemacht, dass weiteres nennenswertes Vermögen durch Sparguthaben bei der Klägerin entgegen der Vermutung der Beklagten nicht vorhanden sein dürfte (was das Sozialgericht allerdings näher wird prüfen müssen).

Gegen Herrn E1 M wurde bereits am 11.01.2005 Haftbefehl durch das Amtsgericht Recklinghausen erlassen, weil er zur Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung nicht erschienen war. Die Beklagte gewährt allerdings erst ab dem 02.01.2006 Leistungen, dem Tag, an dem Rechtsanwalt D für die Klägerin eine Stufenklage gegen Herrn I-E M erhoben hatte, um zivilrechtliche Ansprüche der Klägerin zu klären.

Erscheint es jedoch insgesamt wahrscheinlich, dass Herr E1 M bereits am 24.03.2003 durch Auflösung des Festgeldkontos Maßnahmen unternommen hat, sich Vermögen der Klägerin anzueignen, und wurde im Januar 2005 durch Haftbefehl versucht, Herrn M zur Abgabe einer Eidesstattlichen Versicherung heranzuziehen (letztlich erfolgreich mit dem Ergebnis, dass Herr M am 07.07.2005 keinerlei nennenswerte Vermögenswerte im Vermögensverzeichnis benannt hat), so bedarf es durchaus näherer Klärung, ob die Versagung von Leistungen der Sozialhilfe für die Klägerin unter Verweis auf den sozialhilferechtlichen Nachranggrundsatz noch eine rechtmäßige Verhaltensweise war. Denn grundsätzlich folgt zwar aus § 2 Abs. 1 Bundessozialhilfegesetz (BSHG) bzw. aus der wortgleichen Vorschrift des § 2 Abs. 1 SGB XII, dass der Hilfe derjenige nicht bedarf, dem mit realisierbaren Ansprüchen oder Rechten bereite Mittel zur Bedarfsdeckung zur Verfügung stehen. Als solche sind allerdings nur Ansprüche berücksichtigungsfähig, deren gerichtliche Durchsetzung eine rechtzeitige Bedarfsdeckung ermöglicht. Davon kann im Falle der Klägerin jedoch nicht ohne weiteres ausgegangen werden, weil die Durchsetzung von Ansprüchen gegen Herrn E1 M in einem zivilgerichtlichen Verfahren gerade nicht ohne weiteres möglich erschien. Abgesehen davon hätte die Beklagte immerhin die Möglichkeit gehabt, mögliche zivilrechtliche Ansprüche gegen Herrn E1 M (oder auch gegen Enkelkinder der Klägerin, für die möglicherweise noch im Jahr 2003 kleinere Beträge auf zu ihren Gunsten angelegte Sparbücher gezahlt worden sind) nach § 93 SGB XII auf sich überzuleiten. Bei deutlich erkennbarem Hilfebedarf der Klägerin könnte sich die Verhaltensweise der Beklagten insoweit als überzogen darstellen, die Klägerin auf eine vorherige eigene gerichtliche Klärung etwaiger zivilrechtlicher Ansprüche gegen Verwandte durch ihren Betreuer zu verweisen. Hierüber wird das Sozialgericht zu befinden haben.

Dieser Beschluss ist nicht mit der Beschwerde anfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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