Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Gießen (HES)
Aktenzeichen
S 3a U 134/77
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 299/78
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
§ 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO setzt nicht voraus, daß beide Eltern berufstätig sind.
Die Berufung der Kläger gegen das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. Februar 1978 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger sind die Ehefrau und das minderjährige Kind des am 7. April 1977 tödlich verunglückten G. W. (W.). Sie streiten mit der Beklagten um die Gewährung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der im Jahre 1953 geborene W. war Arbeitnehmer der H. Werke in N. Von seinem Wohnort U. führt der direkte Weg zur Arbeitsstätte nach Süden über H., wobei etwa 7,6 km zurückzulegen sind. Am Unfalltag nahm W. gegen 5.20 Uhr von seiner Wohnung aus diesen Weg aber nicht direkt, sondern fuhr zunächst westlich nach L. wo er die Kläger bei seiner pflegebedürftigen Schwiegermutter H. A. (A.) absetzte. Sodann fuhr er zu der von H. kommenden Bundesstraße – B. und auf dieser weiter südlich über R. in Richtung H. Noch vor Erreichen des sonst üblichen Arbeitsweges verunglückte er bei dem Forsthaus G. gegen 5.45 Uhr tödlich. Mit Bescheid vom 27. Juni 1977 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab, da W. sich bei dem Unfall nicht auf dem direkten Weg zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte, sondern auf einem erheblichen Umweg befunden habe, der im Verhältnis zum üblichen Weg doppelt so lang gewesen sei. Das Vorbringen der Kläger zu seiner Schwiegermutter A. sei eine eigenwirtschaftliche, ausschließlich dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnende Tätigkeit gewesen.
Gegen diesen an die Klägerin zu 1), zugleich als gesetzliche Vertreterin des Klägers zu 2) mit Einschreiben am 28. Juni 1977 abgesandten Bescheid haben die Kläger bei dem Sozialgericht Gießen – SG – am 26. Juli 1977 Klage erhoben und geltend gemacht: W. sei auf einem versicherten Weg verunglückt. Er habe nämlich sein Kind, den Kläger zu 2), wegen seiner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anvertrauen müssen. Dies sei nur in L. bei seiner Schwiegermutter A. möglich gewesen, weil diese von der Klägerin zu 1) habe gepflegt werden müssen. Das SG hat angenommen, die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) hätten jeweils selbständige Klage erhoben und zwei Klageverfahren registriert. Mit Urteil vom 14. Februar 1978 hat es die Klagen abgewiesen, weil W. auf einem unversicherten Umweg verunglückt sei.
Gegen dieses ihnen am 13. März 1978 zugestellte Urteil haben die Kläger bei dem Hessischen Landessozialgericht am 17. März 1978 schriftlich Berufung eingelegt und erneut ausgeführt, daß W. auf dem Weg zur Arbeit verunglückt sei, nachdem er den Kläger zu 2) fremder Obhut anvertraut gehabt habe, so daß er im Unfallzeitpunkt gemäß § 550 RVO gegen Unfall versichert gewesen sei.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. Februar 1978 sowie den Bescheid vom 27. Juni 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 27. Juni 1977, mit dem die Beklagte den Klägern gegenüber die Gewährung aller Hinterbliebenenleistungen abgelehnt hat. Da sie in der mündlichen Verhandlung vor dem SG aber – entgegen dem Antrag in der Klageschrift – nur die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Witwen- und Waisenrente begehrt haben, befinden sich allein wiederkehrende Leistungen über 13 Wochen hinaus im Streit, so daß die Berufung auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht ausgeschlossen ist (§§ 143, 144 SGG).
Die mithin insgesamt zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, da W. nicht infolge eines Arbeitsunfalls verstorben ist (§§ 589 Abs. 1 Nr. 3, 590, 595 Reichsversicherungsordnung – RVO –).
Zunächst stellt der Senat fest, daß W. nicht bei einer betrieblichen Tätigkeit verunglückte (§ 548 Abs. 1 RVO). Er hatte zur Unfallzeit die Arbeit nämlich noch nicht aufgenommen, sondern befand sich auf dem Wege zur Arbeitsstätte in N.
Auf diesem war er aber auch nicht nach § 550 Abs. 1 RVO gegen Unfall versichert. Nach dieser Bestimmung gilt auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543–545 RVO genannten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit als Arbeitsunfall. Regelmäßig handelt es sich dabei um den kürzesten Weg und einfachsten Weg, der von dem Versicherten üblicherweise zurückgelegt wird (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 4 zu § 550 RVO). Nach den Angaben der Klägerin zu 1) gegenüber der Stadt N. vom 22. April 1977 fuhr W. sonst von seiner Wohnung U. die nach Süden führende Straße nach H., wo sie auf die von R. kommende B. führt. Von dort setzte er dann den Weg auf dieser Bundesstraße zu den H. Werken, N., fort. Am Unfalltag, an dem die Arbeitsschicht der förmlichen Unfallanzeige zufolge um 6.00 Uhr beginnen sollte, trat W. die Fahr in U. etwa um 5.20 Uhr an, fuhr aber zunächst nach Westen und setzte die Kläger bei seiner Schwiegermutter A. in L. ab. Von dort fuhr er weiter westwärts zu der von H. kommenden B. und auf dieser in Richtung B. weiter. Noch vor Erreichung der sonst üblichen Fahrtstrecke bei H. verunglückte er in der Nähe des Forsthauses G. tödlich. Aus der von der Polizeistation B. übersendeten Straßenkarte ergibt sich, daß der von W. beabsichtigte Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte 17,1 km betragen hätte und damit 9,5 km länger war, als der sonst übliche direkte Weg, der rund 7,6 km betrug. Es handelte sich daher um keinen lediglich unbedeutenden Umweg, der für den Versicherungsschutz unschädlich ist. Dieser Umweg wurde von W. auch nicht aus betrieblichen oder sich sonst aus der Zurücklegung des Weges entstandenen Gründen (z.B. Umleitungen wegen Straßenbauarbeiten) eingeschlagen. Wie die Kläger vortragen, nahm W. nämlich schon seit einiger Zeit diesen Umweg lediglich deshalb, weil er sie bei seiner Schwiegermutter A. in L. absetzte, damit diese von der Klägerin zu 1) gepflegt werden konnte.
Zwar ist nicht nur der Weg von der Wohnung, sondern unter Umständen auch der von einem dritten Ort zur Arbeitsstätte versichert. Das ist hier aber nicht der Fall. W. hatte, als er zunächst nach L. fuhr, das eigentliche Ziel seines Weges, nämlich die Erreichung der Arbeitsstätte, nicht aus dem Auge gelassen. Da er seine Wohnung gegen 5.20 Uhr verlassen hatte, der Unfall sich aber bereits gegen 5,45 Uhr ereignete, kann er sich in L. nur so kurz aufgehalten haben, daß sich die Wegstrecke von seiner Wohnung über L. zur Arbeitsstätte nicht in zwei selbständige, nach Art und Dauer etwa gleichwertige Wege zerlegen läßt, die auch rechtlich selbständig beurteilt werden könnten. Vielmehr handelte es sich um eine einheitliche Umwegstrecke.
Der Versicherungsschutz kann auch nicht aus § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO hergeleitet werden. Danach ist die Versicherung nicht ausgeschlossen, wenn der Versicherte von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit abweicht, weil sein Kind, das mit ihm in einem Haushalt lebt, wegen seiner oder seines Ehegatten beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anvertraut wird. Die Kläger haben sich bereits im Klageverfahren auf diese Bestimmung bezogen, die allein geeignet sein könnte, ihr Begehren zu rechtfertigen, ohne daß das SG jedoch auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt einging. Das Urteil ist daher nicht ausreichend begründet. Die Beklagte hat nämlich bereits im Klageverfahren hierzu eingehend Stellung genommen und im Ergebnis zutreffend die Auffassung vertreten, daß diese Bestimmung hier nicht angewandt werden kann. Sie meint allerdings zu Unrecht, § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO setze voraus, daß beide Elternteile berufstätig sind und daher dem Kind in der elterlichen Wohnung nicht die erforderliche Betreuung gewährt werden kann. Auch bei Lauterbach (Komm. z. Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 17 a zu § 550 RVO) wird zwar die Ansicht vertreten, grundsätzlich sei zu fordern, daß beide Elternteile berufstätig sind und in der Begründung zur Einführung dieser Bestimmung durch das Gesetz vom 18. März 1971 (Bundestagsdrucksache VI/1333 S. 5 zu § 2 Nr. 1) heißt es, die Wirtschaft sei mehr und mehr auch auf die Mitarbeit von Frauen angewiesen, die nur berufstätig sein können, wenn ihre Kinder während der Arbeitszeit versorgt sind. Der insoweit eindeutige Gesetzeswortlaut läßt jedoch eine so restriktive Auslegung nicht zu. Danach genügt es, daß wegen der Berufstätigkeit auch nur eines Ehegatten ein Kind fremder Obhut anvertraut wird, weil der nicht berufstätige Elternteil das Kind nicht betreuen kann, z.B. wegen Krankheit oder Abwesenheit (so auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 486 s I). Keiner dieser Fälle lag jedoch hier vor. Wegen der Berufstätigkeit des W. war er nämlich nicht erforderlich, sein Kind "fremder Obhut” anzuvertrauen. Vielmehr konnte die nicht berufstätige Klägerin zu 1) den Kläger zu 2) in der ehelichen Wohnung betreuen. Tatsächlich wurde letzterer auch nicht in fremde Obhut gegeben, sondern auch am Unfalltag weiterhin von der Klägerin zu 1) betreut. Daß dies nicht in der ehelichen Wohnung, sondern bei der Schwiegermutter A. geschah, ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung. Die Ursache hierfür lag allein in der Pflegebedürftigkeit der Schwiegermutter A. und nicht in der Berufstätigkeit des W., was unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO wäre.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 193, 160 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine außergerichtlichen Kosten zu erstatten.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Die Kläger sind die Ehefrau und das minderjährige Kind des am 7. April 1977 tödlich verunglückten G. W. (W.). Sie streiten mit der Beklagten um die Gewährung der Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung.
Der im Jahre 1953 geborene W. war Arbeitnehmer der H. Werke in N. Von seinem Wohnort U. führt der direkte Weg zur Arbeitsstätte nach Süden über H., wobei etwa 7,6 km zurückzulegen sind. Am Unfalltag nahm W. gegen 5.20 Uhr von seiner Wohnung aus diesen Weg aber nicht direkt, sondern fuhr zunächst westlich nach L. wo er die Kläger bei seiner pflegebedürftigen Schwiegermutter H. A. (A.) absetzte. Sodann fuhr er zu der von H. kommenden Bundesstraße – B. und auf dieser weiter südlich über R. in Richtung H. Noch vor Erreichen des sonst üblichen Arbeitsweges verunglückte er bei dem Forsthaus G. gegen 5.45 Uhr tödlich. Mit Bescheid vom 27. Juni 1977 lehnte die Beklagte die Gewährung von Hinterbliebenenleistungen ab, da W. sich bei dem Unfall nicht auf dem direkten Weg zwischen seiner Wohnung und der Arbeitsstätte, sondern auf einem erheblichen Umweg befunden habe, der im Verhältnis zum üblichen Weg doppelt so lang gewesen sei. Das Vorbringen der Kläger zu seiner Schwiegermutter A. sei eine eigenwirtschaftliche, ausschließlich dem persönlichen Lebensbereich zuzurechnende Tätigkeit gewesen.
Gegen diesen an die Klägerin zu 1), zugleich als gesetzliche Vertreterin des Klägers zu 2) mit Einschreiben am 28. Juni 1977 abgesandten Bescheid haben die Kläger bei dem Sozialgericht Gießen – SG – am 26. Juli 1977 Klage erhoben und geltend gemacht: W. sei auf einem versicherten Weg verunglückt. Er habe nämlich sein Kind, den Kläger zu 2), wegen seiner beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anvertrauen müssen. Dies sei nur in L. bei seiner Schwiegermutter A. möglich gewesen, weil diese von der Klägerin zu 1) habe gepflegt werden müssen. Das SG hat angenommen, die Klägerin zu 1) und der Kläger zu 2) hätten jeweils selbständige Klage erhoben und zwei Klageverfahren registriert. Mit Urteil vom 14. Februar 1978 hat es die Klagen abgewiesen, weil W. auf einem unversicherten Umweg verunglückt sei.
Gegen dieses ihnen am 13. März 1978 zugestellte Urteil haben die Kläger bei dem Hessischen Landessozialgericht am 17. März 1978 schriftlich Berufung eingelegt und erneut ausgeführt, daß W. auf dem Weg zur Arbeit verunglückt sei, nachdem er den Kläger zu 2) fremder Obhut anvertraut gehabt habe, so daß er im Unfallzeitpunkt gemäß § 550 RVO gegen Unfall versichert gewesen sei.
Die Kläger beantragen,
das Urteil des Sozialgerichts Gießen vom 14. Februar 1978 sowie den Bescheid vom 27. Juni 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihnen Hinterbliebenenrente aus der gesetzlichen Unfallversicherung zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie hält das angefochtene Urteil im Ergebnis für zutreffend. Wegen der weiteren Einzelheiten wird auf die Unfall- und Streitakten verwiesen.
Entscheidungsgründe:
Die Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt (§ 151 Abs. 1 Sozialgerichtsgesetz – SGG –). Gegenstand des Rechtsstreits ist der Bescheid vom 27. Juni 1977, mit dem die Beklagte den Klägern gegenüber die Gewährung aller Hinterbliebenenleistungen abgelehnt hat. Da sie in der mündlichen Verhandlung vor dem SG aber – entgegen dem Antrag in der Klageschrift – nur die Verurteilung der Beklagten zur Gewährung von Witwen- und Waisenrente begehrt haben, befinden sich allein wiederkehrende Leistungen über 13 Wochen hinaus im Streit, so daß die Berufung auch nach der Rechtsprechung des BSG nicht ausgeschlossen ist (§§ 143, 144 SGG).
Die mithin insgesamt zulässige Berufung ist jedoch unbegründet. Die Kläger haben keinen Anspruch auf Hinterbliebenenrente, da W. nicht infolge eines Arbeitsunfalls verstorben ist (§§ 589 Abs. 1 Nr. 3, 590, 595 Reichsversicherungsordnung – RVO –).
Zunächst stellt der Senat fest, daß W. nicht bei einer betrieblichen Tätigkeit verunglückte (§ 548 Abs. 1 RVO). Er hatte zur Unfallzeit die Arbeit nämlich noch nicht aufgenommen, sondern befand sich auf dem Wege zur Arbeitsstätte in N.
Auf diesem war er aber auch nicht nach § 550 Abs. 1 RVO gegen Unfall versichert. Nach dieser Bestimmung gilt auch ein Unfall auf einem mit einer der in den §§ 539, 540 und 543–545 RVO genannten Tätigkeit zusammenhängenden Weg nach und von dem Ort der Tätigkeit als Arbeitsunfall. Regelmäßig handelt es sich dabei um den kürzesten Weg und einfachsten Weg, der von dem Versicherten üblicherweise zurückgelegt wird (vgl. Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 4 zu § 550 RVO). Nach den Angaben der Klägerin zu 1) gegenüber der Stadt N. vom 22. April 1977 fuhr W. sonst von seiner Wohnung U. die nach Süden führende Straße nach H., wo sie auf die von R. kommende B. führt. Von dort setzte er dann den Weg auf dieser Bundesstraße zu den H. Werken, N., fort. Am Unfalltag, an dem die Arbeitsschicht der förmlichen Unfallanzeige zufolge um 6.00 Uhr beginnen sollte, trat W. die Fahr in U. etwa um 5.20 Uhr an, fuhr aber zunächst nach Westen und setzte die Kläger bei seiner Schwiegermutter A. in L. ab. Von dort fuhr er weiter westwärts zu der von H. kommenden B. und auf dieser in Richtung B. weiter. Noch vor Erreichung der sonst üblichen Fahrtstrecke bei H. verunglückte er in der Nähe des Forsthauses G. tödlich. Aus der von der Polizeistation B. übersendeten Straßenkarte ergibt sich, daß der von W. beabsichtigte Weg von seiner Wohnung zur Arbeitsstätte 17,1 km betragen hätte und damit 9,5 km länger war, als der sonst übliche direkte Weg, der rund 7,6 km betrug. Es handelte sich daher um keinen lediglich unbedeutenden Umweg, der für den Versicherungsschutz unschädlich ist. Dieser Umweg wurde von W. auch nicht aus betrieblichen oder sich sonst aus der Zurücklegung des Weges entstandenen Gründen (z.B. Umleitungen wegen Straßenbauarbeiten) eingeschlagen. Wie die Kläger vortragen, nahm W. nämlich schon seit einiger Zeit diesen Umweg lediglich deshalb, weil er sie bei seiner Schwiegermutter A. in L. absetzte, damit diese von der Klägerin zu 1) gepflegt werden konnte.
Zwar ist nicht nur der Weg von der Wohnung, sondern unter Umständen auch der von einem dritten Ort zur Arbeitsstätte versichert. Das ist hier aber nicht der Fall. W. hatte, als er zunächst nach L. fuhr, das eigentliche Ziel seines Weges, nämlich die Erreichung der Arbeitsstätte, nicht aus dem Auge gelassen. Da er seine Wohnung gegen 5.20 Uhr verlassen hatte, der Unfall sich aber bereits gegen 5,45 Uhr ereignete, kann er sich in L. nur so kurz aufgehalten haben, daß sich die Wegstrecke von seiner Wohnung über L. zur Arbeitsstätte nicht in zwei selbständige, nach Art und Dauer etwa gleichwertige Wege zerlegen läßt, die auch rechtlich selbständig beurteilt werden könnten. Vielmehr handelte es sich um eine einheitliche Umwegstrecke.
Der Versicherungsschutz kann auch nicht aus § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO hergeleitet werden. Danach ist die Versicherung nicht ausgeschlossen, wenn der Versicherte von dem unmittelbaren Weg zwischen der Wohnung und dem Ort der Tätigkeit abweicht, weil sein Kind, das mit ihm in einem Haushalt lebt, wegen seiner oder seines Ehegatten beruflichen Tätigkeit fremder Obhut anvertraut wird. Die Kläger haben sich bereits im Klageverfahren auf diese Bestimmung bezogen, die allein geeignet sein könnte, ihr Begehren zu rechtfertigen, ohne daß das SG jedoch auf diesen rechtlichen Gesichtspunkt einging. Das Urteil ist daher nicht ausreichend begründet. Die Beklagte hat nämlich bereits im Klageverfahren hierzu eingehend Stellung genommen und im Ergebnis zutreffend die Auffassung vertreten, daß diese Bestimmung hier nicht angewandt werden kann. Sie meint allerdings zu Unrecht, § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO setze voraus, daß beide Elternteile berufstätig sind und daher dem Kind in der elterlichen Wohnung nicht die erforderliche Betreuung gewährt werden kann. Auch bei Lauterbach (Komm. z. Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 17 a zu § 550 RVO) wird zwar die Ansicht vertreten, grundsätzlich sei zu fordern, daß beide Elternteile berufstätig sind und in der Begründung zur Einführung dieser Bestimmung durch das Gesetz vom 18. März 1971 (Bundestagsdrucksache VI/1333 S. 5 zu § 2 Nr. 1) heißt es, die Wirtschaft sei mehr und mehr auch auf die Mitarbeit von Frauen angewiesen, die nur berufstätig sein können, wenn ihre Kinder während der Arbeitszeit versorgt sind. Der insoweit eindeutige Gesetzeswortlaut läßt jedoch eine so restriktive Auslegung nicht zu. Danach genügt es, daß wegen der Berufstätigkeit auch nur eines Ehegatten ein Kind fremder Obhut anvertraut wird, weil der nicht berufstätige Elternteil das Kind nicht betreuen kann, z.B. wegen Krankheit oder Abwesenheit (so auch Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, S. 486 s I). Keiner dieser Fälle lag jedoch hier vor. Wegen der Berufstätigkeit des W. war er nämlich nicht erforderlich, sein Kind "fremder Obhut” anzuvertrauen. Vielmehr konnte die nicht berufstätige Klägerin zu 1) den Kläger zu 2) in der ehelichen Wohnung betreuen. Tatsächlich wurde letzterer auch nicht in fremde Obhut gegeben, sondern auch am Unfalltag weiterhin von der Klägerin zu 1) betreut. Daß dies nicht in der ehelichen Wohnung, sondern bei der Schwiegermutter A. geschah, ist in diesem Zusammenhang ohne rechtliche Bedeutung. Die Ursache hierfür lag allein in der Pflegebedürftigkeit der Schwiegermutter A. und nicht in der Berufstätigkeit des W., was unabdingbare Voraussetzung für die Anwendung des § 550 Abs. 2 Nr. 1 RVO wäre.
Die Nebenentscheidungen beruhen auf den §§ 193, 160 SGG.
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