L 3 U 478/80

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Fulda (HES)
Aktenzeichen
S 3b U 89/79
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 478/80
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Für die Einschätzung der MdE bei Hauterkrankungen sind der Hautbefund, das Ausmaß der Allergisierung und die Frage maßgeblich, ob sich der Versicherte nach der Aufgabe des Berufs ein gleichwertiges neues Arbeitsfeld erschlossen hat. Dies gilt auch bei der erstmaligen Rentenfeststellung.
2. Im Interesse einer gerechten und gleichmäßigen Beurteilung aller Verletzter bzw. aller beruflich Erkrankter sind die allgemein anerkannten Bewertungsmaßstäbe des Rechts der gesetzlichen. Unfallversicherung heranzuziehen Bei Hauterkrankungen darf die von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft in Zusammenarbeit mit den Unfallversicherungsträgern entwickelte Tabelle zur Einschätzung der MdE („Berufsdermatosen” 25 H. 3–1977) angewandt werden. Die Anwendung darf allerdings nicht schematisch erfolgen; vielmehr sind die Umstände des Einzelfalles entsprechend einzuordnen.
I. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 13. März 1980 dahin abgeändert, daß die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin ab 1. März 1981 die Verletztenrente nach einem Grad der MdE um 20 v.H. zu gewähren. Insoweit wird die Klage abgewiesen.

II. Im übrigen wird die Berufung zurückgewiesen.

III. Die Beklagte hat der Klägerin auch die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

IV. Die Revision wird nicht zugelassen.

Tatbestand:

Die Beteiligten streiten um die Gewährung der Verletztenrente wegen einer Hauterkrankung als Berufskrankheit –BK–.

Unter dem 1. Oktober 1976 zeigte die Hautärztin Dr. M. (Bad H.) an, daß die im Jahre 1957 geborene und als Friseuse tätige Klägerin unter einer Hauterkrankung im Sinne der Nr. 46 der Anlage 1 der 7. Berufskrankheitenverordnung –BKVO– leide. Dazu erstattete am 27. Oktober 1977 Prof. Dr. W. (Hautklinik des Stadtkrankenhauses K.) das hautfachärztliche Gutachten, in dem eine Überempfindlichkeit auf p-Aminophenylendiamin-Hydrochlorid bei normaler Alkaliresistenz der Haut als in ursächlichem Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit angesehen wurde. Prof. Dr. W. schätzte den Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) auf 30 v.H. In einem weiteren Gutachten vom 27. Februar 1979 wies Prof. Dr. W. erneut auf eine deutliche Überempfindlichkeitsreaktion auf p-Phenylendiamin und o-Nitro-p-Phenylendiamin sowie geringe Überempfindlichkeitsreaktion auf p-Toluylendiamin hin. Nach dem Hautbefund waren beide Handrücken betroffen und mäßig kleinlamellär schuppend. Interdigital fanden sich vermehrte kleinlamelläre Schuppungen. Prof. Dr. W. schätzte den Grad der MdE wiederum auf 30 v.H. Mit Bescheid vom 23. Mai 1979 entschied die Beklagte, daß bei der Klägerin ein rezidivierend aufgetretenes dyshidrosiformes Handekzem bei nachgewiesener Allergie auf Berufsstoffe p-Phenylendiamin und p-Toluylendiamin vorgelegen habe, das aber seit Januar 1978 abgeheilt sei. Es handele sich um eine BK nach Nr. 5101 der Anlage 1 der BKVO vom 6. Dezember 1976, die jedoch keine MdE in rentenberechtigendem Umfange hervorrufe; sie bedinge lediglich eine MdE um 10 v.H. Gegen diesen am gleichen Tage an sie mit Einschreiben abgesandten Bescheid legte die Klägerin am 11. Juni 1979 Widerspruch ein, der jedoch erfolglos blieb.

Die Beklagte wies ihn mit Bescheid vom 6. September 1979 zurück.

Gegen den an sie mit Einschreiben am 12. September 1979 abgesandten Widerspruchsbescheid hat die Klägerin bei dem Sozialgericht Fulda –SG– am 24. September 1979 Klage erhoben und geltend gemacht, daß nach den von der Beklagten eingeholten Gutachten die Folgen der anerkannten BK mit einer MdB um 30 v.H. beurteilt würden. Im übrigen habe sie bei der Firma S. AG, bei der sie seit dem 23. Januar 1978 tätig sei, keine sozial gleichwertige Stellung erlangt. Mit Urteil vom 13. März 1980 hat das SG die angefochtenen Bescheide aufgehoben und die Beklagte zur Gewährung der Verletztenrente ab dem 12. Dezember 1977 nach einem Grad der MdE um 30 v.H. verurteilt. Zur Begründung hat es ausgeführt, daß nach den hautfachärztlichen Gutachten des Prof. Dr. W. eine beruflich bedingte Allergisierung erwiesen sei. Deswegen rechtfertige sich auch nach Rückgang der Hauterscheinungen eine MdE um 30 v.H., wobei nicht unberücksichtigt bleiben könne, daß auch im Hinblick auf einzunehmende Trinkgelder als Friseuse die Erwerbsstellung bei der Firma S. als angelernte Feinwerkerin weder wirtschaftlich noch sozial gleichwertig sei.

Gegen dieses ihr am 27. März 1980 zugestellte Urteil hat die Beklagte schriftlich bei dem Hessischen Landessozialgericht – HLSG – am 22. April 1980 Berufung eingelegt.

Es ist im Berufungsverfahren der Sachverhalt weiter aufgeklärt worden. Auf Anfrage hat die frühere Arbeitgeberin der Klägerin, die Inhaberin des Salon D. (R.) mitgeteilt, daß der monatliche Verdienst als Friseurgehilfin in der Zeit vom 1. August 1975 bis zum 31. Juli 1976 bei 800,– DM und vom 1. August 1976 bis zum 31. Juli 1977 bei 870,– DM gelegen habe. Es habe sich um das tarifliche Entgelt gehandelt. Es sei die Tarifwochenarbeitszeit geleistet worden. Außer der Gehilfinnenprüfung habe die Klägerin keine weiteren Prüfungen abgelegt gehabt. Trinkgelder seien auf die Entlohnung nicht angerechnet worden. Die Firma S. hat unter dem 14. Juli 1980 und dem 14. Oktober 1981 mitgeteilt, daß die Klägerin seit dem 23. Januar 1978 als Feinwerkerin in der Abteilung Spulenwickelei eingesetzt sei. Zu ihrem Aufgabengebiet gehöre das Wickeln von Ringkernen, das Aufsockeln und Anlöten von Spulen auf Ringkerne sowie aushilfsweise das Vorbereiten von Schalenkernspulen, wie das Zuschneiden von Kupfer- und Hostaphanfolien. Seit dem 1. März 1978 erhalte sie Leistungslohn bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Der Akkordrichtsatz nach Stufe 02 der Lohntabelle habe ab dem 1. Januar 1978 entsprechend der mit dem Betriebsrat getroffenen Betriebsvereinbarung 7,30 DM betragen. Ferner sind die Lohntarifverträge für das Friseurhandwerk in H. seit ihrem Inkrafttreten ab dem 1. August 1977 bis 1980/81 beigezogen worden. Danach beträgt die wöchentliche Arbeitszeit im Friseurhandwerk regelmäßig 42 Stunden; der Geselle im 2. Jahr bezog ab dem 1. August 1977 1050,– DM brutto und ab dem 1. November 1978 im 3. Gesellenjahr 1220,– DM brutto. Wegen der Einzelheiten wird auf die Tarifverträge verwiesen. Außerdem sind die Akten des Arbeitsamtes Bad H. beigezogen worden, auf deren Inhalt verwiesen wird. Schließlich sind die Auskünfte der Hausärztin Dr. H. (P.) vom 26. September 1981 und der Hautärztin Dr. M. (Bad H.) vom 8. Oktober 1981 zum Hautbefund eingeholt worden. Frau Dr. H. hat mitgeteilt, daß das Ekzem zur Zeit abgeheilt, die Haut jedoch überempfindlich auf verschiedene Substanzen (z.B. Waschmittel, Obstsäfte) sei, so daß Schutzhandschuhe getragen werden müßten. Frau Dr. M. erklärte, daß die Klägerin letztmalig am 1. August. 1977 in der Sprechstunde gewesen sei und zu diesem Zeitpunkt die Hände vollständig abgeheilt gewesen seien. Unter dem 26. August 1981 hat der Landesgewerbearzt im Hessischen Sozialministerium Dr. P. (W.) mitgeteilt, daß der Schadstoff p-Phenylendiamin als Zwischenprodukt für Azofarbstoffe beim Pelz- und Haarfärben sowie bei photografischen Entwicklern, Antioxidantin und als Beschleuniger in der Gummiindustrie verwendet werde. P-Toluylendiamin werde ebenfalls bei der Pelzfärbung verwendet und finde sich in vielen Haarfärbemitteln. O-Nitro-p-Phenylendiamin sei ein Zwischenprodukt für Farbstoffe und werde gleichfalls beim Färben von Pelzen und Haaren benutzt. Die häufigsten Kontaktmöglichkeiten bei diesen Schadstoffen ergäben sich daher bei der Herstellung von Farbstoffen und in dem pelzver- bzw. bearbeitendem Gewerbe. Es handele sich zum Teil um giftige Substanzen, so daß sie im Friseurgewerbe nur eingeschränkt verwendet würden. Als weitere Kontaktmöglichkeiten kämen die Gummi- und Photoindustrie aber auch die Industrie bzw. das Gewerbe in Betracht, die Lacke, Plastikstoffe sowie Kleber verwendeten bzw. herstellten. Außerdem ist von Amts wegen das hautfachärztliche Gutachten des Prof. Dr. G. und der Oberärztin Dr. W. (Dermatologische Klinik der Kliniken der Landeshauptstadt W.) vom 12. Februar 1981 eingeholt worden. In diesem Gutachten ist ausgeführt, daß die Reaktion gegenüber der typischen Friseur Substanz o-Nitro-p-Phenylendiamin nicht mehr nachweisbar sei, dagegen aber noch eine deutliche Überempfindlichkeitsreaktion auf p-Phenylendiamin sowie eine geringe Überempfindlichkeitsreaktion auf p-Toluylendiamin bestünden. Im Bereich beider Hände auf dem Handrücken zeigten sich eine mäßige Hautathropie und vereinzelt kleinlamellöse Schuppungen; im übrigen sei die Haut erscheinungsfrei. Festzustellen sei außerdem eine leicht erhöhte Empfindlichkeit gegenüber Alkali. Die MdE müsse mit 30 v.H. bewertet werden.

Die Beklagte bringt zur Begründung der Berufung vor: Das sozialgerichtliche Urteil habe die allein noch bestehende Allergisierung bei ansonsten erscheinungsfreier Haut zu hoch mit 30 v.H. bewertet. Auch das vorliegende Gutachten des Prof. Dr. G. habe keine Hautbefunde erbracht, die eine erhöhte MdE rechtfertigen könnten. Im übrigen habe die Klägerin sehr wohl einen wirtschaftlich gleichwertigen Beruf als Feinwerkerin bei der Firma S. inne. Ein möglicher Aufstieg im Beruf der Friseuse sei nicht entschädigungsfähig.

Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Fulda vom 13. März 1980 aufzuheben und die Klage abzuweisen,
hilfsweise,
die Revision zuzulassen.

Die Klägerin beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie hält das angefochtene Urteil für zutreffend und macht weiterhin geltend, daß sie weder einen sozial noch einen wirtschaftlich gleichwertigen Beruf gegenüber dem der Friseuse ausübe und im übrigen am beruflichen Aufstieg durch die BK gehindert worden sei.

Es ist im Termin zur mündlichen Verhandlung Prof. Dr. G. zwecks Erläuterung seines Gutachtens gehört worden. Wegen des Ergebnisses der Beweisaufnahme wird auf die Anlage zur Sitzungsniederschrift vom 4. November 1981 Bezug genommen.

Wegen der weiteren Einzelheiten im übrigen wird auf die Verwaltungsakten der Beklagten, die Akten des Arbeitsamtes Bad sowie die Streitakten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die statthafte Berufung ist frist- und formgerecht eingelegt und daher insgesamt zulässig (§§ 143, 145, 151 des Sozialgerichtsgesetzes –SGG–).

Sie ist zum Teil begründet. Das auf die zulässige Klage ergangene sozialgerichtliche Urteil mußte entsprechend der Urteilsformel abgeändert werden, da die Klägerin seit dem 12. Dezember 1977 nicht durchgehend Anspruch auf die Gewährung der Verletztenrente nach einem Grad der MdE um 30 v.H. hat. Vielmehr kann sie diese ab dem 1. März 1981 nur noch nach einer MdE um 20 v.H. verlangen (§ 581 Absatz 1 der Reichsversicherungsordnung –RVO–).

Zunächst ist erwiesen und sowohl von der Beklagten als auch dem SG zutreffend angenommen worden, daß die Klägerin in ihrem erlernten Friseurberuf eine rezidivierend aufgetretene dyshidrosiforme Hauterkrankung bei nachgewiesener Allergie auf p-Phenylendiamin und p-Toluylendiamin erworben hat. Ferner ist von der Beklagten zutreffend die am 1. Januar 1977 in Kraft getretene BKVO vom 6. Dezember 1976 (BGBl. I, S. 3329) mit ihrer Anlage 1 Nr. 5101 angewandt worden, wonach die schwere oder wiederholt rückfällige Hauterkrankung, die zur Unterlassung aller Tätigkeiten gezwungen hat, die für die Entstehung, Verschlimmerung oder das Wiederaufleben der Krankheit ursächlich waren oder sein können, entschädigungsfähig ist. Die Klägerin hat mit dem Eintritt der Arbeitsunfähigkeit am 27. Juni 1977 die hautschädigende Tätigkeit endgültig aufgegeben, so daß seitdem der Versicherungsfall eingetreten ist. Außerdem ist erwiesen, daß die von der Beklagten anerkannte Allergisierung auf die Berufsschadstoffe p-Phenylendiamin und p-Toluylendiamin noch fortbesteht, während die von Prof. Dr. G. erstmalig festgestellte Alkaliresistenz in keinen ursächlichen Zusammenhang mit der BK zu bringen ist. Dies hat der Sachverständige Prof. Dr. G. in Erläuterung seines Gutachtens vor dem Senat ausgeführt. Hierüber besteht unter den Beteiligten auch kein Streit.

Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts –BSG– und des Senats sind für die Einschätzung der MdE bei Hauterkrankungen maßgeblich der Hautbefund und das Ausmaß der Allergisierung sowie die Frage, ob sich der Versicherte nach Aufgabe des Berufs ein gleichwertiges neues Arbeitsfeld erschlossen hat. Dies richtet sich nach den konkreten Verdienst- und Erwerbsmöglichkeiten, die dem erzielten Einkommen im bisherigen Beruf gegenüberzustellen sind. Dagegen kommt es nicht auf soziale oder soziologische Umstände an, wie das SG unzutreffend meint. Ohne Bedeutung ist in aller Regel auch die Verhinderung eines denkbaren beruflichen Aufstiegs (vgl. BSG, Urteil vom 22. Februar 1979 – 8a RU 32/78 –; 7. Dezember 1976 – 8 RU 22/76 –; 26. Juli 1979, – 8a RU 58/78 –; HLSG, Urteil vom 25. Februar 1980 – L 3/U – 389/79 –; 25. Juni 1980 – L 3/U – 1141/77 – mit jeweils weiteren Nachweisen). Hierzu sieht der Senat nach den erteilten Auskünften der Firma S. AG und der früheren Arbeitgeberin, der Friseurmeisterin D. im Berufungsverfahren sowie nach dem Inhalt der Akten des Arbeitsamtes Bad H. und der vorgelegten Tarifverträge durch die Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr –ÖTV– für das Friseurhandwerk in Hessen ab 1977 als erwiesen an, daß die Klägerin einen wirtschaftlich gleichwertigen Beruf als Feinwerkerin gegenüber dem aufgegebenen Beruf der Friseurgesellin seit Januar 1978 ausübt. Hierbei ist von Bedeutung, daß die Klägerin ihren Beruf als Friseuse nach Abschluß der Gesellenprüfung am 27. Juli 1975 nur kurzzeitig ausübte und sie bei der Einstellung als Friseuse erst 20 Jahre alt war. Sie wurde entlohnt nach Tarif bei einer Wochenarbeitszeit von 42 Stunden, zuletzt mit monatlich 870,– DM. Unter Hinzurechnung des monatlichen Trinkgeldes in Höhe von 45,– DM ergibt sich zuletzt ein monatliches Bruttoentgelt in Höhe von 915,– DM. Bei der Firma S. AG war sie als Feinwerkerin in einem Anlernberuf zunächst im Zeitlohn seit dem 23. Januar 1978 tätig. Seit dem 1. März 1978 arbeitet sie im Akkordlohn. Nach der Lohntabelle für die Zeit ab dem 1. Januar 1978 bei Einstufung in die Lohngruppe 02 erhielt sie zunächst einen Grundlohn von 6,90 DM bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden. Hieraus errechnet sich ein Bruttoentgelt in Höhe von 1.104,– DM. Damit lag sie nicht nur beträchtlich über dem Entgelt, das ihr im Salon D. gezahlt worden ist, sondern auch über dem ab dem 1. August 1977 bei einer Wochenarbeitszeit von 42 Stunden geltenden Lohntarif in Höhe von 1.050,– DM. Ab dem 1. März 1978 wurde sie nach der Leistungslohntabelle ebenfalls in Lohnstufe 02 entlohnt bei einem Akkordrichtsatz von 7,30 DM (= 100 v.H.). Diesen Richtsatz konnte sie steigern, wenn sie ein höheres Arbeitsergebnis, z.B. durch Überstunden, erzielte. Dies ist auch ausweislich der von ihr vorgelegten Lohnabrechnungstabellen der Fall. Aber bereits nach dem Akkordrichtsatz ist im Vergleich zu den von der Gewerkschaft ÖTV vorgelegten Lohntarifverträgen die wirtschaftliche Gleichwertigkeit festzustellen.

Hieraus folgt, daß sich die Beurteilung der MdE allein nach den medizinisch festzustellenden Befunden richtet. Die Einschätzung der MdE ist im Rahmen des Rechts der freien Beweiswürdigung (§ 128 SGG) allein Sache des Gerichts. Sie ist dagegen nicht die eigentliche Aufgabe des ärztlichen Gutachters, dessen Sachkunde sich in erster Linie auf die Feststellung der Befunde und die Auswirkungen der Unfallfolgen erstreckt. Ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit sich körperliche Beeinträchtigungen auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE, können aber keine bindende Wirkung haben (vgl. BSG, Urteil vom 29. November 1956 – 2 RU 121/56 – in E 4, 147 mit weiteren Nachweisen; 21. März 1974 – 8/2 RU 55/72 – in Breithaupt 1975, 304, 308). Allerdings dürfen die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nicht ohne wohlerwogene und stichhaltige Gründe über ärztliche Beurteilungen hinweggehen (vgl. BSG, Beschluss vom 17. Januar 1958 – 10 RV 102/56 – in E 6, 267; HLSG, Urteil vom 10. September 1975 – L 3/U – 1062/74 – mit weiteren Nachweisen). Es ist ständige Rechtsprechung des Senats, daß insoweit im Interesse einer gerechten und gleichmäßigen Beurteilung aller Verletzter bei der Bildung der MdE allgemeingültige Bewertungsmaßstäbe, wie sie sich etwa bei Günther-Hymmen, Unfallbegutachtung (7. Auflage), oder Liniger-Molineus, Der Unfallmann (9. Auflage), niederschlagen, heranzuziehen sind (vgl. HLSG, a.a.O., mit weiteren Nachweisen). Vorliegend wendet der Senat die von der Deutschen Dermatologischen Gesellschaft in Zusammenarbeit mit den Unfallversicherungsträgern entwickelte Tabelle zur Einschätzung der MdE an (vgl. Wagner-Zerlett, Berufskrankheiten der Berufskrankheitenverordnung, 6. Auflage, Nr. 5101, Seite 4.2. unter Hinweis auf die Veröffentlichung in "Berufsdermatosen” 25 H. 3 – 1977 –). Hiernach ist nach der Stärke der Hauterscheinungen und des Sensibilisierungsgrades sowie der Häufigkeit des Allergens und des Lebensalters der Versicherten unterschieden. Wie der Sachverständige Prof. Dr. G. mit überzeugenden Gründen vor dem Senat dargelegt hat, können vorliegend das Lebensalter der Klägerin sowie die vorbestellende Neigung zu verminderter Alkaliresistenz vernachlässigt werden, so daß diese Umstände bei der Bewertung der MdE ohne Bedeutung sind. Allein entscheidend sind die Hauterscheinungen, der Sensibilisierungsgrad und die Häufigkeit des Allergens. Dazu hat der Sachverständige Prof. Dr. G. in Auswertung auch der von dem Landesgewerbearzt Dr. P. erteilten Auskünfte und nach seinen langjährigen Erfahrungen weiterhin überzeugend dargelegt, daß die Klägerin nach den ausgeführten Testungen sehr stark auf die Berufsschadstoffe reagierte und das Allergen selbst als häufig zu bezeichnen ist. Daraus folgt, daß nach der Tabelle zur Einschätzung der MdE jeweils ein Einzel-MdE-Satz um 10 v.H. einzusetzen ist. Ferner hat Prof. Dr. G. anhand der von Prof. Dr. W. im Oktober 1977 und Februar 1979 erhobenen Hautbefunde dargetan, daß es sich um solche handelt, die in der Tabelle vergleichbar als stark oder persistierend bezeichnet sind, so daß insoweit ein Einzelwert von 15 v.H. einzusetzen ist. Hieraus ergibt sich eine Gesamt-MdE um 30 v.H ... Dieser Bewertung schließt sich der Senat an. Sie wird von der Beklagten nicht in Zweifel gezogen. Dagegen ergibt sich für die Zeit ab dem 1. März 1981 lediglich noch ein Gesamt-MdE-Grad um 20 v.H., da nach den Untersuchungen des Prof. Dr. G. im Februar 1981 nur noch ein geringer Hautbefund zu erheben war, den er mit einem Einzel-MdE-Satz um 5 v.H. bewertete, und nunmehr Hauterscheinungsfreiheit gegeben ist. Auch dieser Beurteilung schließt sich der Senat nach eigener Überprüfung an Hierbei ist von besonderer Bedeutung, daß nach wie vor die Sensibilisierung auf die Berufsschadstoffe p-Phenylendiamin und p-Toluylendiamin besteht, wie der Sachverständige Prof. Dr. G. in Erläuterung zu seinem Gutachten vor dem Senat ausgeführt hat. Wie das BSG entschieden hat (vgl. Urteil vom 29. November 1973 – 8/7 RU 66/71 – in SozR Nr. 15 zu § 622 RVO), besteht in der medizinischen Wissenschaft einhellig die Meinung, daß auch nach Abheilung der jeweiligen Hauterkrankung – jedenfalls bei fortbestehender Überempfindlichkeit, wie hier – eine gewisse Schonzeit einzuhalten ist, um feststellen zu können, ob die Gefahr des Wiederaufflackerns der Hauterscheinungen endgültig gebannt ist oder nicht. Dies bedeutet, daß der Versicherte sich im Arbeitsleben besonders vorsehen muß, und daher auch weiterhin in der Einsatzfähigkeit auf dem allgemeinen Erwerbsfeld eingeschränkt ist. Dies rechtfertigt es, jedenfalls für eine Übergangszeit, auch bei Hauterscheinungsfreiheit die Verletztenrente nach einem Grad der MdE um 20 v.H. fortzugewähren, wobei die Schonungsphase, wie der Sachverständige Prof. Dr. G. überzeugend dargelegt hat, bis zu 10 Jahren dauern kann. Der Senat ist der Überzeugung, daß die Phase der Hauterscheinungsfreiheit seit Februar bzw. März 1981 bis heute noch zu kurz ist, um daraus den Schluß ziehen zu können, die Gefahr des Aufflackerns der Hauterkrankung sei nunmehr gebannt. Es ist Sache der Beklagten, zukünftig unter Erteilung entsprechender Auflagen der Klägerin festzustellen, ob diese Gefahr fortbesteht oder nicht. Die Nebenentscheidungen beruhen auf §§ 193, 160 SGG.
Rechtskraft
Aus
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