Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
S 4 U 40/78
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 1171/79
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Die Verpflichtung des Unfallversicherungsträgers, einem durch Arbeitsunfall Verletzten Berufshilfe (berufliche Leistungen der Rehabilitation) zu gewähren, kommt grundsätzlich in allen Phasen des Berufslebens des Verletzten in Betracht, sofern sich die Arbeitsunfallfolgen in weitestem Sinne rechtlich wesentlich auf seine Erwerbsfähigkeit nachteilig auswirken. Der Kreis der Anspruchsberechtigten ist weder auf Personen begrenzt, die den zur Zeit des Unfalls ausgeübten Beruf auf Dauer nicht mehr ausüben können noch lassen eigene Berufsentscheidungen des Verletzten seit dem Arbeitsunfall bis zur Antragstellung den Ursachenzusammenhang zwischen einer beruflichen Beeinträchtigung und dem Unfallfolgezustand entfallen.
2. Die Förderung von Aufstiegsmaßnahmen steht jedenfalls dann nicht im Ermessen des Unfallversicherungsträgers, wenn die regelmäßig voll auszuschöpfende körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Verletzten zweifelsfrei feststeht, die höhere Ausbildung eine optimale und dauerhafte Kompensation der Unfallfolgen erwarten läßt und eine Wiederverwendung des Verletzten in einer der bisherigen Tätigkeiten nicht gleichfalls zu der gemäß § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO anzustrebenden dauerhaften – vollwertigen – beruflichen Eingliederung führen würde.
2. Die Förderung von Aufstiegsmaßnahmen steht jedenfalls dann nicht im Ermessen des Unfallversicherungsträgers, wenn die regelmäßig voll auszuschöpfende körperliche und geistige Leistungsfähigkeit des Verletzten zweifelsfrei feststeht, die höhere Ausbildung eine optimale und dauerhafte Kompensation der Unfallfolgen erwarten läßt und eine Wiederverwendung des Verletzten in einer der bisherigen Tätigkeiten nicht gleichfalls zu der gemäß § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO anzustrebenden dauerhaften – vollwertigen – beruflichen Eingliederung führen würde.
I. Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. August 1979 sowie der Bescheid der Beklagten vom 13. September 1977 aufgehoben. Die Beklagte wird verurteilt, dem Kläger für die durchgeführte Maßnahme zum staatlich geprüften Betriebswirt/DV in der Zeit vom 29. September 1977 bis 26. September 1979 im Rahmen der Berufshilfe Leistungen unter Anrechnung der von der Beigeladenen zu 1.) erbrachten Leistungen zu gewähren.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten; im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger für seine zweijährige Weiterbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt – Datenverarbeitung (DV) – im Rahmen der Berufshilfe Leistungen zu gewähren hat.
Der 1948 geborene Kläger erlitt am 11. Mai 1965 einen Arbeitsunfall, als dessen Folge eine Amputation des linken Unterschenkels im körperfernen Drittel erforderlich wurde. Die Beklagte bewilligte ihm deswegen und wegen weiterer unfallbedingter Einschränkungen im Kniegelenk und Oberschenkelbereich Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst 60 v.H. und später nach einer MdE von 50 v.H ...
Zur Zeit des Unfalls befand der Kläger sich in einer Lehre zum Industriekaufmann, die er am 15. Mai 1964 nach Abschluß der Handelsschule mit der mittleren Reife begonnen hatte. Er setzte die kaufmännische Lehre nach Wegfall der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit unter Wechsel des Ausbildungsplatzes bei der Firma H. S. fort. Dort wurde er nach Auskunft der Firma vom 20. Dezember 1974 wegen seiner Behinderung ab Beginn des dritten Lehrjahrs in der Datenerfassung eingesetzt. Am 30. September 1967 legte er die Kaufmannsgehilfenprüfung als Großhandelskaufmann ab. Bis zum 31. Dezember 1969 war er als Maschinenbuchhalter (Datenerfassung) beschäftigt. Während dieser Zeit nahm er an einem EDV-Lehrgang teil, weil er der Auffassung war, daß der Beruf des Buchhalters in einem Großhandelsunternehmen mit der Zeit durch die Datenverarbeitung verdrängt werde. Die unter Hinweis darauf bei der Beklagten beantragte Kostenerstattung lehnte diese ab.
Am 1. Januar 1970 nahm der Kläger bei der A. S. eine Beschäftigung als Operator (Datentechniker) auf. Er arbeitete zunächst an einem mittelgroßen Computer. Ab 1. April 1974 wurde ihm die Leitung des gesamten EDV-Maschinensaals übertragen mit der Verpflichtung, im Bedarfsfalle im reinen Operating mitzuarbeiten. Wegen des verhältnismäßig langen Programmdurchlaufs konnte die Tätigkeit überwiegend im Sitzen durchgeführt werden.
Im Mai 1976 wurde die EDV-Anlage umgestellt bzw. vergrößert. Danach war für die Tätigkeit des Klägers ständiges Stehen und Gehen erforderlich. Hierdurch fühlte sich der Kläger, bei dem am 11. März 1976 wegen ständiger offener Stellen im Stumpfbereich und Geschwürsbildung eine Nachamputation vorgenommen werden mußte, überfordert. Er beantragte bei der Beklagten sowie bei der zu 2) beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation und äußerte den Wunsch einer Weiterbildung zum Betriebswirt/DV. Die BfA erklärte sich zunächst für zuständig; durch Bescheid vom 10. Februar 1977, Widerspruchsbescheid vom 2. April 1977, lehnte sie den Antrag des Klägers dann jedoch gemäß § 13 Abs. 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) unter Hinweis auf die alleinige Zuständigkeit der Beklagten ab. Diese verwies ihrerseits darauf, daß der Kläger zur Zeit des Unfalls bis Ende 1969 einen für einen Gehbehinderten geradezu prädestinierten Beruf ausgeübt und diesen aus eigenem Entschluß und ausschließlich aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen heraus verlassen habe. Beeinträchtigungen in seiner Tätigkeit im Bereich der Datenverarbeitung könnten deshalb nicht auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden. Der Kläger habe aufgrund seines Abschlusses als Großhandelskaufmann die Möglichkeit, wieder zu einer überwiegend sitzenden Tätigkeit zurückzukehren. Schwierigkeiten dabei durch eine evtl. fehlende Berufspraxis seien ebenfalls auf die nicht unfallbedingte Abkehr vom erlernten Beruf zurückzuführen. Mit dieser Begründung lehnte sie formlos unter dem 12. April 1976 und ferner am 11. Januar 1977 berufsfördernde Leistungen ab.
Vom 31. Mai bis 28. Juni 1977 befand der Kläger sich auf Kosten der BfA wegen eines hochgradigen psychovegetativen Erschöpfungssyndroms und funktioneller Herzstörungen, die von den Ärzten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine berufliche Überbelastung durch ausschließlich stehende Tätigkeit zurückgeführt wurden, zur Kur. Im Entlassungsbericht vom 6. Juli 1977 wurde zur Vermeidung einer Verschlimmerung eine möglichst baldige Weiterbildung zum Programmierer empfohlen. Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit (BA), von der der Kläger Vorleistung gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) begehrte, veranlaßte nunmehr am 2. August 1977 ein Gespräch und eine Arbeitsplatzbesichtigung bei der F. S. u.a. im Beisein des zuständigen Sachbearbeiters der Beklagten. Als Ergebnis wurde festgestellt, daß die Tätigkeit als Operator tatsächlich nur noch stehend auszuführen war und technische Hilfen nicht in Betracht kamen; für eine innerbetriebliche Umsetzung in den allgemeinen kaufmännischen Bereich, die für den Kläger mit einer Gehaltseinbuße von 500,– DM gegenüber dem zuletzt erreichten Verdienst von ca. 2.400,– DM brutto verbunden gewesen wäre, wurde ein Bedarf verneint. In einer schriftlichen Bescheinigung verwies die F. S. auch darauf, daß der Kläger seit Eintritt in den Betrieb keine kaufmännischen Arbeiten verrichtet habe. Der Arbeitsamtsarzt kam in seinem Gutachten vom 15. August 1977 zu dem Ergebnis, daß der Kläger zu leichten und mittelschweren Arbeiten im Sitzen mit Unterbrechungen durch Stehen und Gehen, nicht aber zu ausschließlich oder überwiegend im Stehen bzw. Gehen zu verrichtenden Arbeiten in der Lage sei. Wegen der Behinderung des Klägers wurde für die Durchführung einer Bildungsmaßnahme die Wahl einer Rehabilitationsstätte für erforderlich gehalten. Mit Rücksicht auf das Ergebnis eines psychologischen Eignungstestes meldete das Arbeitsamt Hanau den Kläger am 22. August 1977 beim Berufsförderungswerk Heidelberg für eine Maßnahme zum staatlich geprüften Betriebswirt/DV an und machte der Beklagten hiervon Mitteilung. Diese bejahte nunmehr zwar ausdrücklich ihre Zuständigkeit als Rehabilitationsträger gemäß § 2 RehaAnglG; die Gewährung von Berufshilfe lehnte sie indes gegenüber dem Kläger erneut mit förmlichem Bescheid vom 13. September 1977 aus den bereits dargelegten Gründen ab. Die Beigeladene zu 1) sah mit Rücksicht auf die von der Beklagten abgegebene Zuständigkeitserklärung keine Möglichkeit zur Vorleistung gemäß § 6 Abs. 2 RehaAnglG. Sie bewilligte dem Kläger für die Maßnahme zum staatlich geprüften Betriebswirt/DV jedoch nach den allgemeinen Bestimmungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) Kosten in voller Höhe sowie erhöhtes Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 2 AFG, da sie von einer unmittelbaren Bedrohung des Klägers durch Arbeitslosigkeit ausging. Unter dem 12. Oktober 1977 zeigte sie der Beklagten und der BfA den Anspruchsübergang gemäß § 38 AFG wegen Vorleistung nach dieser Bestimmung an. Die am 29. September 1977 begonnene Maßnahme beendete der Kläger am 26. September 1979 erfolgreich mit der Gesamtnote "gut”. Seit 1. November 1979 ist er bei der D. B. als Systemanalytiker (Programmierer) beschäftigt.
Gegen die ablehnende Entscheidung der beigeladenen BfA hat der Kläger am 10. Mai 1977 Klage erhoben. Der Rechtsstreit ist nach Abweisung der Klage noch in der Berufungsinstanz anhängig (Az.: S 3/An-201/77, L 2/An-1402/78).
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. September 1977 legte der Kläger am 30. September 1977 Widerspruch ein, den diese am 6. Februar 1978 gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main als Klage weiterleitete. Das SG hat zur Klärung der körperlichen Anforderungen einer Tätigkeit als Operator Auskünfte von Herstellerfirmen für Datenverarbeitung beigezogen. Durch Urteil vom 22. August 1979 hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Es sei zwar davon auszugehen, daß der Kläger bei der F. S. als Operator nur noch im Stehen habe arbeiten können. Dies gebe ihm jedoch keinen Anspruch auf Ausbildung zum Betriebswirt auf Kosten der Beklagten, weil seine abgeschlossene kaufmännische Lehre ihm einen Arbeitsbereich, mit einer Vielzahl von ausschließlich oder überwiegend im Sitzen ausübbaren Tätigkeiten erschließe, in die einzuarbeiten ihm auch mit Rücksicht auf sein verhältnismäßig junges Alter zuzumuten sei. Außerdem habe er auch die Möglichkeit gehabt, in einem anderen Betrieb als Operator zu arbeiten, da zahlreiche Datenverarbeitungsanlagen eine sitzende Tätigkeit erlaubten.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 26. September 1979 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. Oktober 1979 Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren sind auf Anforderung des Gerichts von der beigeladenen BA Stellungnahmen ihrer Fachdienste vom 30. März und 9. April 1981 sowie berufskundliche Unterlagen vorgelegt worden, auf die Bezug genommen wird.
Der Kläger sieht sich auch hierdurch in seiner Auffassung bestätigt. Die Ausbildung zum Betriebswirt/DV sei notwendig gewesen, um künftig auf Dauer in einer Stellung tätig sein zu können, die einerseits seinen Qualifikationen und seiner bisherigen Tätigkeit und andererseits seiner Behinderung Rechnung trage. Von einer irgendwie gearteten Unterbrechung des Kausalzusammenhangs könne nicht die Rede sein. Auf eine Tätigkeit in dem Ausgangsberuf als Großhandelskaufmann oder Maschinenbuchhalter habe er sich unabhängig von der Frage der Vermittelbarkeit und der körperlichen Anforderungen schon deshalb nicht verweisen lassen müssen, weil diese Tätigkeiten für ihn einen erheblichen beruflichen und sozialen Rückschritt bedeutet hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. August 1979 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. September 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Maßnahme zum Betriebswirt/DV in der Zeit vom 29. September 1977 bis 26. September 1979 im Rahmen der Berufshilfe Leistungen unter Anrechnung der bereits von der Beigeladenen zu 1) erbrachten Leistungen zu gewähren, hilfsweise, über den geltend gemachten Anspruch auf Berufshilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Notwendigkeit der Fortbildung nicht rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden könne, sondern das Ergebnis eigener Entscheidungen des Klägers sei. Außerdem fehle es an der für Berufshilfemaßnahmen notwendigen Voraussetzung, daß der Kläger auf Dauer nicht mehr in der Lage sei, die zur Zeit des Unfalls ausgeübte Tätigkeit weiter zu verrichten. Nach den von der beigeladenen BA vorgelegten Stellungnahmen habe die spezielle Kombination der beruflichen Kenntnisse des Klägers sogar einen qualitativ der Tätigkeit bei der F. S. entsprechenden Arbeitseinsatz ermöglicht. Eine Verpflichtung, den beruflichen Aufstieg eines Verletzten zu finanzieren, bestehe in einem solchen Falle grundsätzlich nicht, selbst wenn er beruflich sinnvoll sei und den körperlichen Anforderungen entspreche.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) sind der Auffassung, daß ihre Zuständigkeit als Rehabilitationsträger nicht gegeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Verwaltungsakten der Beklagten, Bezug genommen. Vorgelegen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren ferner die Leistungsakten der Arbeitsämter Hx. und Hy. sowie die Akten der Beigeladenen zu 2) und die Gerichtsakten S 3/An-201/77.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 151, 143 ff. Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Sie ist in dem zur Entscheidung gestellten Umfang auch begründet. Anzuwenden ist das Recht nach Inkrafttreten des RehaAnglG vom 7. August 1974 (BGBl. I, S. 1881). Danach hat der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Leistungen für die in der Zeit vom 29. September 1977 bis 26. September 1979 durchgeführte Maßnahme zum staatlich geprüften Betriebswirt/DV, soweit sie nicht schon von der beigeladenen BA erbracht wurden. Da diese die Kosten der Maßnahme in voller Höhe getragen hat, handelt es sich um den Differenzbetrag zwischen dem als ergänzende – unselbständige – Leistung zu einer berufsfördernden Leistung zu zahlendem Übergangsgeld (§ 568 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung –RVO–) gegenüber dem Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 2 AFG, das auf 80 v.H. des maßgebenden Arbeitsentgelts beschränkt ist. Diese Zahlungen kann der Kläger für seine Fortbildung vom Operator zum Betriebswirt/DV verlangen, weil es sich hierbei um eine als berufsfördernd Leistung im Sinne von § 567 Abs. 1 Nr. 3 RVO zu gewährende Maßnahme handelt, für die die Beklagte als zuständiger Rehabilitationsträger zur Kostenerstattung verpflichtet ist.
Nach § 537 Nr. 2 a RVO gehört es zu den Aufgaben der Unfallversicherung, nach Eintritt eines Arbeitsunfalls den Verletzten u.a. durch Arbeits- und Berufsförderung (Berufshilfe) zu entschädigen. Gemäß § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO soll die Berufshilfe – ebenso wie die Heilbehandlung – mit allen geeigneten Mitteln dazu dienen, den Verletzten nach seiner Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung seiner Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern (vgl. auch § 11 Abs. 1 RehaAnglG). Sie umfaßt u.a. insbesondere Maßnahmen zur beruflichen Anpassung, Fortbildung, Ausbildung und Umschulung (§ 567 Abs. 1 Nr. 3 RVO). Auf die Gewährung der für die berufliche Eingliederung erforderlichen Hilfen besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch (vgl. Bundessozialgericht – BSGE 19, 169; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 4 zu § 567; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl., Bd. II, S. 566 b). Sie können gemäß § 556 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 RVO auch zum beruflichen Aufstieg gewährt werden.
Im vorliegenden Fall war die Zuständigkeit der Beklagten als Rehabilitationsträger gegeben, da der Kläger durch die mit einer MdE von 50 v.H. bewerteten Folgen des Arbeitsunfalls vom 11. Mai 1965 körperlich behindert ist (§ 6 Abs. 1 RehaAnglG, § 537 Nr. 2 a RVO). Diese durch die Ursache der Behinderung begründete Zuständigkeit der Beklagten wird weder durch eine evtl. gegebene Zuständigkeit des beigeladenen Rentenversicherungsträgers berührt (§ 13 Abs. 3 AVG; BSG, SozR 2200 § 1236 Nrn. 3, 10; SozR 2200 § 1237 a Nr. 16) noch kommt eine Zuständigkeit der beigeladenen BA in Betracht. Diese ist bei Zuständigkeit eines anderen Trägers nach § 57 AFG in der hier anzuwendenden Fassung des RehaAnglG absolut nachrangig (BSG, SozR 4100 § 57 Nrn. 9, 11; SozR 2200 § 1236 Nr. 15; SozR 2200 § 1237 a Nrn. 12, 16). Auch die Tatsache, daß die Beigeladene zu 1) vorgeleistet hat, bedeutet hier nicht, daß der Kläger sich mit Rücksicht auf den Grundsatz der einheitlichen Zuständigkeit des angegangenen Rehabilitationsträgers wegen weiterer Ansprüche nur noch an diese halten könnte, weil die Beigeladene zu 1) ausdrücklich nach § 38 AFG und gerade nicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 RehaAnglG in Vorlage getreten ist (vgl. hierzu BSG, SozR 2200 § 1237 RVO Nr. 9). Insoweit ist auch keine Erfüllung von Ansprüchen des Klägers gegen die Beklagte eingetreten, ganz abgesehen davon, daß es dem Kläger nur um einen von der BA nicht erhaltenen Leistungsteil geht (vgl. BSG, SozR 2200 § 1236 Nr. 24). Seinem Verlangen steht ferner nicht entgegen, daß die berufsfördernden Leistungen nach § 567 Abs. 1 Nrn. 1–4 RVO vom Träger der Unfallversicherung grundsätzlich als Sachleistung zu erbringen sind. Da der Kläger den Antrag auf Berufsförderung durch die Beklagte lange vor Durchführung der Bildungsmaßnahme im Berufsförderungszentrum Heidelberg gestellt hat, ist er bei begründetem Antrag so zu stellen, als ob ihm die begehrte Maßnahme rechtzeitig gewährt worden wäre (vgl. hierzu BSG, SozR § 1236 Nrn. 14, 15, 24; SozR 2200 § 1237 a Nrn. 10, 15, 17).
Der Antrag des Klägers war entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten begründet. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung von Berufshilfe waren erfüllt. Denn der Kläger war durch die Unfallfolgen in seiner beruflichen Existenz, Entwicklung und Sicherheit in einer Weise beeinträchtigt und bedroht, daß Hilfen zum Zwecke einer möglichst dauerhaften beruflichen Eingliederung im Sinne von § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO erforderlich waren. Nach den ärztlichen Beurteilungen und Gutachten steht fest, daß der Kläger die zur Zeit der Antragstellung verrichtete Tätigkeit als Leiter des EDV-Maschinensaals bei der F. S. wegen seiner unfallbedingten Beinamputation zumutbarerweise nicht mehr verrichten konnte, weil er durch das ständige Gehen und Stehen überfordert war. Das gilt auch für die eigentliche Tätigkeit als Operator, da diese nach Umstellung der EDV-Anlage nach den Mitteilungen des Arbeitgebers und den Feststellungen anläßlich des Betriebsbesuchs im August 1977 ebenfalls ständiges Stehen erforderte. Auch außerhalb dieses Arbeitsplatzes war der Kläger hinsichtlich der langjährig ausgeübten Tätigkeit als Operator durch die Unfallfolgen in seiner Wettbewerbsfähigkeit benachteiligt, gleichgültig ob insoweit auf eine leitende Position abgestellt wird oder nicht. Denn dieser Berufsbereich ist für den Kläger nach den eingeholten Auskünften führender Hersteller von EDV-Anlagen, den Stellungnahmen der Fachdienste der für diese Beurteilung als kompetent anzusehenden Beigeladenen zu 1) sowie den beigezogenen berufskundlichen Unterlagen insgesamt erheblich eingeschränkt, weil für Firmen mit mittleren und größeren EDV-Anlagen eine Verwendung des Klägers wegen der überwiegend stehend und gehend auszuübenden Tätigkeit praktisch ausscheidet. Bei den Kleinanlagen handelt es sich im wesentlichen um Buchungsautomaten und insoweit nicht um eine Tätigkeit im eigentlichen EDV-Bereich. Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, daß der Kläger diese Situation durch einen frei gewählten Berufswechsel und insoweit selbstverschuldet herbeigeführt und damit den Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Beeinträchtigung und dem Arbeitsunfall gelöst habe. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagten in dieser Wertung des Verhaltens des Klägers überhaupt gefolgt werden könnte. Das Gesetz sieht eine solche Sanktion jedenfalls nicht vor. Träfe die Auffassung der Beklagten zu, könnte ein Verletzter niemals Rehabilitationsmaßnahmen nach dem selbst gewählten Wechsel des Berufs- oder Arbeitsplatzes verlangen, wenn der Unfallfolgezustand die wesentliche Ursache für die spätere Unfähigkeit ist, diesen Beruf weiter auszuüben oder den Arbeitsplatz zu behaupten. Das entspricht aber seit jeher nicht den Zielsetzungen der sozialen gesetzlichen Unfallversicherung, wie sie auch durch das RehaAnglG bekräftigt worden sind (§§ 1, 7, 11 RehaAnglG; vgl. auch Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 1979 – L-3/U – 407/78). Die Verpflichtung des Unfallversicherungsträgers, einem Unfallverletzten Berufshilfe zu leisten, kommt vielmehr grundsätzlich in allen Phasen seines Berufslebens in Betracht, sofern sich die Unfallfolgen auf seine Erwerbsfähigkeit in rechtlich wesentlichem Sinne nachteilig auswirken. Dabei wird grundsätzlich weder eine MdE im Sinne von §§ 580, 581 RVO verlangt noch entgegen der Auffassung der Beklagten vorausgesetzt, daß gerade die Fähigkeit, den zur Zeit des Unfalls ausgeübten Beruf weiterhin zu verrichten, beeinträchtigt ist. Auch eine derartige Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aus § 556 Abs. 1 RVO folgt lediglich ganz allgemein, daß die Fähigkeit des Verletzten, Erwerbseinkommen zu erzielen, durch die Unfallfolgen irgendwie eingeschränkt sein muß, da auf sie durch die berufsfördernden Maßnahmen positiv eingewirkt werden soll. Das ist – ebenso wie im Rentenrecht – (vgl. dazu BSG SozR Nr. 4 zu § 1236 RVO; SozR 2200 § 1237 a Nrn. 6, 16; SozR 2200 § 1237 Nr. 15) u.a. aber auch der Fall, wenn der Unfallverletzte in dem in den letzten Jahren vor dem Antrag auf Berufshilfe ausgeübten Beruf gefährdet ist. Wie sich aus der Aufgabenstellung der Beklagten nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 RVO ergibt, genügt es sogar, daß der konkrete Arbeitsplatz durch die Unfallfolgen in seiner Sicherheit bedroht ist oder der Verletzte bei der Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes unfallbedingt benachteiligt ist (vgl. dazu auch BSG, SozR 4100 § 56 Nr. 8; Gagel/Jülicher, Komm, zum AFG, Anm. 6 zu § 56). Alles dies war beim Kläger zu bejahen.
Dem in seiner beruflichen Situation durch die Unfallfolgen beeinträchtigten Kläger hatte die Beklagte danach gemäß § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO die Hilfen zu gewähren, die erforderlich waren, um ihn nach seiner Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung von Eignung und Neigung und seiner bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern. Diese Zielsetzung bestimmt Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen. Ihr entsprach die vom Kläger durchgeführte Fortbildung zum Betriebswirt/DV voll und ganz. Sie diente dazu, die Auswirkungen der Behinderung des Klägers auf seine Erwerbsfähigkeit weitgehendst auszugleichen; denn durch den erreichten Abschluß ist er nach den eingeholten berufskundlichen Auskünften und Unterlagen nunmehr in die Lage versetzt worden, einer Berufstätigkeit überwiegend im Sitzen nachzugehen. Die Prognose einer auf Dauer gerichteten beruflichen Eingliederung ist auch mit Rücksicht darauf, daß der Kläger nach Beendigung der Maßnahme alsbald einen entsprechenden Arbeitsplatz gefunden hat, als ausreichend günstig zu bewerten. Die Maßnahme zum Betriebswirt/DV entsprach ferner seiner Eignung und Neigung und seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit, indem sie auf die dabei erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten aufbaute. Daß sie seinem intellektuellen Leistungsvermögen gerecht wurde, ist durch den erfolgreichen Abschluß offenkundig. Der Umstand, daß die Bildungsmaßnahme auf einen beruflichen Aufstieg gerichtet war, weil sie dem Kläger in dem von ihm eingeschlagenen Berufsfeld eine Tätigkeit auf einer höheren Ebene ermöglichte, steht der Anerkennung eines Rechtsanspruchs hier nicht entgegen; ebensowenig mußte der Kläger sich auf eine Tätigkeit als Großhandelskaufmann, Maschinenbuchhalter oder auf eine andere Beschäftigung verweisen lassen, wie das SG und die Beklagte meinen. Wie in der Begründung zu dem Entwurf der dem § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO entsprechenden Bestimmung des § 11 Abs. 1 RehaAnglG ausgeführt wurde (vgl. BT-Drucks. 7/1237, S. 57), soll das Leistungsvermögen des Behinderten grundsätzlich voll ausgeschöpft werden, um durch eine möglichst hochwertige berufliche Bildung das Handikap der Behinderung zu überwinden. Insoweit erschöpft sich – wie weiterhin klargestellt wurde – die Aufgabe der Rehabilitation nicht darin, den früheren beruflichen Status des Behinderten wieder herzustellen. Daraus sowie aus der klaren Wortfassung des § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO ergibt sich, daß der zur Zeit des Unfalls ausgeübte oder ggf. danach mit oder ohne Berufshilfe (erst) erreichte Beruf anders als nach altem Recht (vgl. § 567 Abs. 1 RVO in der Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes – UVNG –) nicht mehr entsprechend dem Grundsatz der Naturalrestitution im Schadensersatzrecht vorrangiger Prüfungsmaßstab für die vom Unfallversicherungsträger zu erbringenden berufsfördernden Leistungen ist. Das wird zusätzlich dadurch verdeutlicht, daß das Gesetz bei der Gewährung von Berufshilfe für einen anderen Beruf oder eine andere Erwerbstätigkeit nicht mehr auf die Gleichwertigkeit oder Zumutbarkeit, sondern auf die Angemessenheit der Beschäftigung abstellt (vgl. § 567 Abs. 1 Nr. 4; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 566 b und h). Soweit der zur Zeit des Unfalls ausgeübte Beruf bei der Auswahl der erforderlichen Maßnahmen durch die nach geltendem Recht vorgeschriebene Mitberücksichtigung der "bisherigen Tätigkeit” zu beachten ist, soll damit in erster Linie einem beruflichen und sozialen Abstieg entgegengewirkt, nicht aber eine Aufstiegsschranke gezogen werden (vgl. BT-Drucks. 7/2256, S. 3 unter III 1; Lauterbach, a.a.O., Anm. 7 zu § 567). Die Möglichkeit, Maßnahmen zum beruflichen Aufstieg zu gewähren, wurde gerade aus der Erkenntnis heraus ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen, daß die erstrebte vollwertige und dauerhafte berufliche Eingliederung – das Rehabilitationsziel – nicht selten nur auf diesem Wege erreichbar ist; andererseits sollte durch die Berücksichtigung von Eignung, Neigung und bisheriger Tätigkeit dem Anliegen des Gesetzgebers Rechnung getragen, insbesondere bei älteren Arbeitnehmern keine übermäßigen, mit der Eignung nicht im Einklang stehende berufliche Wünsche zu wecken (BT-Drucks. 7/1237, S. 57). Daraus folgt zugleich, daß bei zweifelsfreier körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit des Verletzten und im Falle einer zu erwartenden optimalen und dauerhaften Kompensation der Unfallfolgen durch die höhere Ausbildung eine für Aufstiegsmaßnahmen nach § 556 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 RVO durch das Wort "kann” möglicherweise vorgesehene Ermessensausübung nur in Betracht kommt, wenn eine Wiederverwendung des Verletzten in der bisherigen Tätigkeit gleichfalls zu der erstrebten – vollwertigen – dauerhaften Eingliederung führen würde (Gagel/Jülicher, a.a.O., Anm. 19 zu § 56; vgl. hierzu auch Lauterbach, a.a.O., Anm. 7 zu § 567; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 566 f.). Diese Erwartung muß hier in Bezug auf die langjährig ausgeübte Tätigkeit als Operator wegen der bereits dargelegten erheblichen Einschränkung dieses Berufsfeldes für den Kläger und der daraus resultierenden erhöhten Bedrohung durch Arbeitslosigkeit aber verneint werden. Die Berufsaussichten erweitern sich entgegen der Auffassung der Beklagten in einem der Zielsetzung der beruflichen Rehabilitation genügenden Maße auch nicht dadurch, daß sich aus der Kombination der kaufmännischen und technischen Kenntnisse des Klägers möglicherweise – je nach den speziellen Anforderungen der Arbeitgeber – noch weitere qualitativ gleichwertige und behindertengerechte Arbeitsplätze hätten ergeben können. Ein Einsatz im Bereich der Kleinanlagen bzw. der Buchungsautomaten wäre nach der Berufserfahrung des Klägers seit 1970 unterwertig gewesen und entspricht nicht der durch die berufliche Rehabilitation zu vermittelnden Chancengleichheit. Eine Verweisung darauf bzw. auf Tätigkeiten als Maschinenbuchhalter kommt deshalb nicht in Betracht, ebensowenig eine Verweisung auf eine Tätigkeit als Großhandelskaufmann, hinsichtlich derer der Kläger lediglich über den förmlichen Abschluß verfügte.
Nach alledem steht fest, daß eine berufliche Eingliederung des Klägers im Sinne von § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO durch die bloße Vermittlung einer Arbeitsstelle ausschied. Welche andere Berufsbildungsmaßnahme die Beklagte dem Kläger unter Beachtung der Zwecksetzung der beruflichen Rehabilitation noch hätte anbieten können, ist nicht ersichtlich, zumal im Falle der Notwendigkeit von beruflichen Bildungsmaßnahmen der Neigung des Verletzten nicht nur in seinem eigenen Interesse, sondern auch im Interesse einer möglichst sinnvollen und effektiven Mittelverwendung besondere Bedeutung zukommt. Die konkret durchgeführte zweijährige Maßnahme zum Betriebswirt/DV hielt sich in den in § 567 Abs. 3 Satz 2 regelförmig vorgesehenen zeitlichen Grenzen und war nach Art und Ausbildungsstätte von den Fachdiensten der Beigeladenen zu 1) gemäß der Behinderung des Klägers besonders ausgewählt und empfohlen worden. Die Beklagte hat dem Kläger eine andere Maßnahme auch nicht vorgeschlagen, obgleich sie ausreichend Zeit und Möglichkeit dazu hatte. Selbst wenn dem Unfallversicherungsträger im allgemeinen ein Ermessen einzuräumen sein sollte, zwischen mehreren in Betracht kommenden geeigneten Berufshilfemaßnahmen zu wählen (vgl. BSG SozR 2200 § 567 Nr. 1; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 566 c; Lauterbach, a.a.O., Anm. 4 zu § 567) und dies aus der Formulierung "insbesondere” in § 567 Abs. 1 RVO hergeleitet werden könnte (vgl. dazu aber BSG, SozR 2200 § 1237 Nr. 12), könnte die Beklagte sich gegenüber dem Kläger unter den gegebenen Umständen darauf nicht berufen; vielmehr müßten – unterstellt es gäbe ein Auswahlermessen – hier die für Erstattungsansprüche eines in Vorleistung getretenen Sozialleistungsträgers geltenden Grundsätze entsprechende Anwendung finden (vgl. hierzu BSG, SozR 2200 § 567 Nr. 1; SozR 2200 § 1237 a Nr. 12; SozR § 39 AVAVG Nr. 5). Der Kläger mußte deshalb mit seinem Hauptantrag Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
II. Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Verfahrens zu erstatten; im übrigen sind keine Kosten zu erstatten.
III. Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beteiligten streiten darüber, ob die Beklagte dem Kläger für seine zweijährige Weiterbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt – Datenverarbeitung (DV) – im Rahmen der Berufshilfe Leistungen zu gewähren hat.
Der 1948 geborene Kläger erlitt am 11. Mai 1965 einen Arbeitsunfall, als dessen Folge eine Amputation des linken Unterschenkels im körperfernen Drittel erforderlich wurde. Die Beklagte bewilligte ihm deswegen und wegen weiterer unfallbedingter Einschränkungen im Kniegelenk und Oberschenkelbereich Verletztenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) von zunächst 60 v.H. und später nach einer MdE von 50 v.H ...
Zur Zeit des Unfalls befand der Kläger sich in einer Lehre zum Industriekaufmann, die er am 15. Mai 1964 nach Abschluß der Handelsschule mit der mittleren Reife begonnen hatte. Er setzte die kaufmännische Lehre nach Wegfall der unfallbedingten Arbeitsunfähigkeit unter Wechsel des Ausbildungsplatzes bei der Firma H. S. fort. Dort wurde er nach Auskunft der Firma vom 20. Dezember 1974 wegen seiner Behinderung ab Beginn des dritten Lehrjahrs in der Datenerfassung eingesetzt. Am 30. September 1967 legte er die Kaufmannsgehilfenprüfung als Großhandelskaufmann ab. Bis zum 31. Dezember 1969 war er als Maschinenbuchhalter (Datenerfassung) beschäftigt. Während dieser Zeit nahm er an einem EDV-Lehrgang teil, weil er der Auffassung war, daß der Beruf des Buchhalters in einem Großhandelsunternehmen mit der Zeit durch die Datenverarbeitung verdrängt werde. Die unter Hinweis darauf bei der Beklagten beantragte Kostenerstattung lehnte diese ab.
Am 1. Januar 1970 nahm der Kläger bei der A. S. eine Beschäftigung als Operator (Datentechniker) auf. Er arbeitete zunächst an einem mittelgroßen Computer. Ab 1. April 1974 wurde ihm die Leitung des gesamten EDV-Maschinensaals übertragen mit der Verpflichtung, im Bedarfsfalle im reinen Operating mitzuarbeiten. Wegen des verhältnismäßig langen Programmdurchlaufs konnte die Tätigkeit überwiegend im Sitzen durchgeführt werden.
Im Mai 1976 wurde die EDV-Anlage umgestellt bzw. vergrößert. Danach war für die Tätigkeit des Klägers ständiges Stehen und Gehen erforderlich. Hierdurch fühlte sich der Kläger, bei dem am 11. März 1976 wegen ständiger offener Stellen im Stumpfbereich und Geschwürsbildung eine Nachamputation vorgenommen werden mußte, überfordert. Er beantragte bei der Beklagten sowie bei der zu 2) beigeladenen Bundesversicherungsanstalt für Angestellte (BfA) berufsfördernde Leistungen zur Rehabilitation und äußerte den Wunsch einer Weiterbildung zum Betriebswirt/DV. Die BfA erklärte sich zunächst für zuständig; durch Bescheid vom 10. Februar 1977, Widerspruchsbescheid vom 2. April 1977, lehnte sie den Antrag des Klägers dann jedoch gemäß § 13 Abs. 3 Angestelltenversicherungsgesetz (AVG) unter Hinweis auf die alleinige Zuständigkeit der Beklagten ab. Diese verwies ihrerseits darauf, daß der Kläger zur Zeit des Unfalls bis Ende 1969 einen für einen Gehbehinderten geradezu prädestinierten Beruf ausgeübt und diesen aus eigenem Entschluß und ausschließlich aus arbeitsmarktpolitischen Erwägungen heraus verlassen habe. Beeinträchtigungen in seiner Tätigkeit im Bereich der Datenverarbeitung könnten deshalb nicht auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden. Der Kläger habe aufgrund seines Abschlusses als Großhandelskaufmann die Möglichkeit, wieder zu einer überwiegend sitzenden Tätigkeit zurückzukehren. Schwierigkeiten dabei durch eine evtl. fehlende Berufspraxis seien ebenfalls auf die nicht unfallbedingte Abkehr vom erlernten Beruf zurückzuführen. Mit dieser Begründung lehnte sie formlos unter dem 12. April 1976 und ferner am 11. Januar 1977 berufsfördernde Leistungen ab.
Vom 31. Mai bis 28. Juni 1977 befand der Kläger sich auf Kosten der BfA wegen eines hochgradigen psychovegetativen Erschöpfungssyndroms und funktioneller Herzstörungen, die von den Ärzten mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit auf eine berufliche Überbelastung durch ausschließlich stehende Tätigkeit zurückgeführt wurden, zur Kur. Im Entlassungsbericht vom 6. Juli 1977 wurde zur Vermeidung einer Verschlimmerung eine möglichst baldige Weiterbildung zum Programmierer empfohlen. Die beigeladene Bundesanstalt für Arbeit (BA), von der der Kläger Vorleistung gemäß § 6 Abs. 2 des Gesetzes über die Angleichung der Leistungen zur Rehabilitation (RehaAnglG) begehrte, veranlaßte nunmehr am 2. August 1977 ein Gespräch und eine Arbeitsplatzbesichtigung bei der F. S. u.a. im Beisein des zuständigen Sachbearbeiters der Beklagten. Als Ergebnis wurde festgestellt, daß die Tätigkeit als Operator tatsächlich nur noch stehend auszuführen war und technische Hilfen nicht in Betracht kamen; für eine innerbetriebliche Umsetzung in den allgemeinen kaufmännischen Bereich, die für den Kläger mit einer Gehaltseinbuße von 500,– DM gegenüber dem zuletzt erreichten Verdienst von ca. 2.400,– DM brutto verbunden gewesen wäre, wurde ein Bedarf verneint. In einer schriftlichen Bescheinigung verwies die F. S. auch darauf, daß der Kläger seit Eintritt in den Betrieb keine kaufmännischen Arbeiten verrichtet habe. Der Arbeitsamtsarzt kam in seinem Gutachten vom 15. August 1977 zu dem Ergebnis, daß der Kläger zu leichten und mittelschweren Arbeiten im Sitzen mit Unterbrechungen durch Stehen und Gehen, nicht aber zu ausschließlich oder überwiegend im Stehen bzw. Gehen zu verrichtenden Arbeiten in der Lage sei. Wegen der Behinderung des Klägers wurde für die Durchführung einer Bildungsmaßnahme die Wahl einer Rehabilitationsstätte für erforderlich gehalten. Mit Rücksicht auf das Ergebnis eines psychologischen Eignungstestes meldete das Arbeitsamt Hanau den Kläger am 22. August 1977 beim Berufsförderungswerk Heidelberg für eine Maßnahme zum staatlich geprüften Betriebswirt/DV an und machte der Beklagten hiervon Mitteilung. Diese bejahte nunmehr zwar ausdrücklich ihre Zuständigkeit als Rehabilitationsträger gemäß § 2 RehaAnglG; die Gewährung von Berufshilfe lehnte sie indes gegenüber dem Kläger erneut mit förmlichem Bescheid vom 13. September 1977 aus den bereits dargelegten Gründen ab. Die Beigeladene zu 1) sah mit Rücksicht auf die von der Beklagten abgegebene Zuständigkeitserklärung keine Möglichkeit zur Vorleistung gemäß § 6 Abs. 2 RehaAnglG. Sie bewilligte dem Kläger für die Maßnahme zum staatlich geprüften Betriebswirt/DV jedoch nach den allgemeinen Bestimmungen des Arbeitsförderungsgesetzes (AFG) Kosten in voller Höhe sowie erhöhtes Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 2 AFG, da sie von einer unmittelbaren Bedrohung des Klägers durch Arbeitslosigkeit ausging. Unter dem 12. Oktober 1977 zeigte sie der Beklagten und der BfA den Anspruchsübergang gemäß § 38 AFG wegen Vorleistung nach dieser Bestimmung an. Die am 29. September 1977 begonnene Maßnahme beendete der Kläger am 26. September 1979 erfolgreich mit der Gesamtnote "gut”. Seit 1. November 1979 ist er bei der D. B. als Systemanalytiker (Programmierer) beschäftigt.
Gegen die ablehnende Entscheidung der beigeladenen BfA hat der Kläger am 10. Mai 1977 Klage erhoben. Der Rechtsstreit ist nach Abweisung der Klage noch in der Berufungsinstanz anhängig (Az.: S 3/An-201/77, L 2/An-1402/78).
Gegen den Bescheid der Beklagten vom 13. September 1977 legte der Kläger am 30. September 1977 Widerspruch ein, den diese am 6. Februar 1978 gemäß § 85 Abs. 4 Sozialgerichtsgesetz (SGG) an das Sozialgericht (SG) Frankfurt am Main als Klage weiterleitete. Das SG hat zur Klärung der körperlichen Anforderungen einer Tätigkeit als Operator Auskünfte von Herstellerfirmen für Datenverarbeitung beigezogen. Durch Urteil vom 22. August 1979 hat es die Klage abgewiesen und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt: Es sei zwar davon auszugehen, daß der Kläger bei der F. S. als Operator nur noch im Stehen habe arbeiten können. Dies gebe ihm jedoch keinen Anspruch auf Ausbildung zum Betriebswirt auf Kosten der Beklagten, weil seine abgeschlossene kaufmännische Lehre ihm einen Arbeitsbereich, mit einer Vielzahl von ausschließlich oder überwiegend im Sitzen ausübbaren Tätigkeiten erschließe, in die einzuarbeiten ihm auch mit Rücksicht auf sein verhältnismäßig junges Alter zuzumuten sei. Außerdem habe er auch die Möglichkeit gehabt, in einem anderen Betrieb als Operator zu arbeiten, da zahlreiche Datenverarbeitungsanlagen eine sitzende Tätigkeit erlaubten.
Gegen das seinem Prozeßbevollmächtigten am 26. September 1979 zugestellte Urteil hat der Kläger am 9. Oktober 1979 Berufung eingelegt.
Im Berufungsverfahren sind auf Anforderung des Gerichts von der beigeladenen BA Stellungnahmen ihrer Fachdienste vom 30. März und 9. April 1981 sowie berufskundliche Unterlagen vorgelegt worden, auf die Bezug genommen wird.
Der Kläger sieht sich auch hierdurch in seiner Auffassung bestätigt. Die Ausbildung zum Betriebswirt/DV sei notwendig gewesen, um künftig auf Dauer in einer Stellung tätig sein zu können, die einerseits seinen Qualifikationen und seiner bisherigen Tätigkeit und andererseits seiner Behinderung Rechnung trage. Von einer irgendwie gearteten Unterbrechung des Kausalzusammenhangs könne nicht die Rede sein. Auf eine Tätigkeit in dem Ausgangsberuf als Großhandelskaufmann oder Maschinenbuchhalter habe er sich unabhängig von der Frage der Vermittelbarkeit und der körperlichen Anforderungen schon deshalb nicht verweisen lassen müssen, weil diese Tätigkeiten für ihn einen erheblichen beruflichen und sozialen Rückschritt bedeutet hätten.
Der Kläger beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt am Main vom 22. August 1979 sowie den Bescheid der Beklagten vom 13. September 1977 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm für die Maßnahme zum Betriebswirt/DV in der Zeit vom 29. September 1977 bis 26. September 1979 im Rahmen der Berufshilfe Leistungen unter Anrechnung der bereits von der Beigeladenen zu 1) erbrachten Leistungen zu gewähren, hilfsweise, über den geltend gemachten Anspruch auf Berufshilfe unter Beachtung der Rechtsauffassung des Gerichts einen neuen Bescheid zu erteilen.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie vertritt weiterhin die Auffassung, daß die Notwendigkeit der Fortbildung nicht rechtlich wesentlich auf den Arbeitsunfall zurückgeführt werden könne, sondern das Ergebnis eigener Entscheidungen des Klägers sei. Außerdem fehle es an der für Berufshilfemaßnahmen notwendigen Voraussetzung, daß der Kläger auf Dauer nicht mehr in der Lage sei, die zur Zeit des Unfalls ausgeübte Tätigkeit weiter zu verrichten. Nach den von der beigeladenen BA vorgelegten Stellungnahmen habe die spezielle Kombination der beruflichen Kenntnisse des Klägers sogar einen qualitativ der Tätigkeit bei der F. S. entsprechenden Arbeitseinsatz ermöglicht. Eine Verpflichtung, den beruflichen Aufstieg eines Verletzten zu finanzieren, bestehe in einem solchen Falle grundsätzlich nicht, selbst wenn er beruflich sinnvoll sei und den körperlichen Anforderungen entspreche.
Die Beigeladenen zu 1) und 2) sind der Auffassung, daß ihre Zuständigkeit als Rehabilitationsträger nicht gegeben sei.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den übrigen Akteninhalt, insbesondere auf den der Verwaltungsakten der Beklagten, Bezug genommen. Vorgelegen und Gegenstand der mündlichen Verhandlung waren ferner die Leistungsakten der Arbeitsämter Hx. und Hy. sowie die Akten der Beigeladenen zu 2) und die Gerichtsakten S 3/An-201/77.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte, form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig (§§ 151, 143 ff. Sozialgerichtsgesetz –SGG–).
Sie ist in dem zur Entscheidung gestellten Umfang auch begründet. Anzuwenden ist das Recht nach Inkrafttreten des RehaAnglG vom 7. August 1974 (BGBl. I, S. 1881). Danach hat der Kläger gegen die Beklagte Anspruch auf Leistungen für die in der Zeit vom 29. September 1977 bis 26. September 1979 durchgeführte Maßnahme zum staatlich geprüften Betriebswirt/DV, soweit sie nicht schon von der beigeladenen BA erbracht wurden. Da diese die Kosten der Maßnahme in voller Höhe getragen hat, handelt es sich um den Differenzbetrag zwischen dem als ergänzende – unselbständige – Leistung zu einer berufsfördernden Leistung zu zahlendem Übergangsgeld (§ 568 Abs. 1 Reichsversicherungsordnung –RVO–) gegenüber dem Unterhaltsgeld gemäß § 44 Abs. 2 AFG, das auf 80 v.H. des maßgebenden Arbeitsentgelts beschränkt ist. Diese Zahlungen kann der Kläger für seine Fortbildung vom Operator zum Betriebswirt/DV verlangen, weil es sich hierbei um eine als berufsfördernd Leistung im Sinne von § 567 Abs. 1 Nr. 3 RVO zu gewährende Maßnahme handelt, für die die Beklagte als zuständiger Rehabilitationsträger zur Kostenerstattung verpflichtet ist.
Nach § 537 Nr. 2 a RVO gehört es zu den Aufgaben der Unfallversicherung, nach Eintritt eines Arbeitsunfalls den Verletzten u.a. durch Arbeits- und Berufsförderung (Berufshilfe) zu entschädigen. Gemäß § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO soll die Berufshilfe – ebenso wie die Heilbehandlung – mit allen geeigneten Mitteln dazu dienen, den Verletzten nach seiner Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung seiner Eignung, Neigung und bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern (vgl. auch § 11 Abs. 1 RehaAnglG). Sie umfaßt u.a. insbesondere Maßnahmen zur beruflichen Anpassung, Fortbildung, Ausbildung und Umschulung (§ 567 Abs. 1 Nr. 3 RVO). Auf die Gewährung der für die berufliche Eingliederung erforderlichen Hilfen besteht bei Vorliegen der Voraussetzungen ein Rechtsanspruch (vgl. Bundessozialgericht – BSGE 19, 169; Lauterbach, Unfallversicherung, 3. Aufl., Anm. 4 zu § 567; Brackmann, Handbuch der Sozialversicherung, 9. Aufl., Bd. II, S. 566 b). Sie können gemäß § 556 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 RVO auch zum beruflichen Aufstieg gewährt werden.
Im vorliegenden Fall war die Zuständigkeit der Beklagten als Rehabilitationsträger gegeben, da der Kläger durch die mit einer MdE von 50 v.H. bewerteten Folgen des Arbeitsunfalls vom 11. Mai 1965 körperlich behindert ist (§ 6 Abs. 1 RehaAnglG, § 537 Nr. 2 a RVO). Diese durch die Ursache der Behinderung begründete Zuständigkeit der Beklagten wird weder durch eine evtl. gegebene Zuständigkeit des beigeladenen Rentenversicherungsträgers berührt (§ 13 Abs. 3 AVG; BSG, SozR 2200 § 1236 Nrn. 3, 10; SozR 2200 § 1237 a Nr. 16) noch kommt eine Zuständigkeit der beigeladenen BA in Betracht. Diese ist bei Zuständigkeit eines anderen Trägers nach § 57 AFG in der hier anzuwendenden Fassung des RehaAnglG absolut nachrangig (BSG, SozR 4100 § 57 Nrn. 9, 11; SozR 2200 § 1236 Nr. 15; SozR 2200 § 1237 a Nrn. 12, 16). Auch die Tatsache, daß die Beigeladene zu 1) vorgeleistet hat, bedeutet hier nicht, daß der Kläger sich mit Rücksicht auf den Grundsatz der einheitlichen Zuständigkeit des angegangenen Rehabilitationsträgers wegen weiterer Ansprüche nur noch an diese halten könnte, weil die Beigeladene zu 1) ausdrücklich nach § 38 AFG und gerade nicht nach § 6 Abs. 2 Nr. 2 RehaAnglG in Vorlage getreten ist (vgl. hierzu BSG, SozR 2200 § 1237 RVO Nr. 9). Insoweit ist auch keine Erfüllung von Ansprüchen des Klägers gegen die Beklagte eingetreten, ganz abgesehen davon, daß es dem Kläger nur um einen von der BA nicht erhaltenen Leistungsteil geht (vgl. BSG, SozR 2200 § 1236 Nr. 24). Seinem Verlangen steht ferner nicht entgegen, daß die berufsfördernden Leistungen nach § 567 Abs. 1 Nrn. 1–4 RVO vom Träger der Unfallversicherung grundsätzlich als Sachleistung zu erbringen sind. Da der Kläger den Antrag auf Berufsförderung durch die Beklagte lange vor Durchführung der Bildungsmaßnahme im Berufsförderungszentrum Heidelberg gestellt hat, ist er bei begründetem Antrag so zu stellen, als ob ihm die begehrte Maßnahme rechtzeitig gewährt worden wäre (vgl. hierzu BSG, SozR § 1236 Nrn. 14, 15, 24; SozR 2200 § 1237 a Nrn. 10, 15, 17).
Der Antrag des Klägers war entgegen der Auffassung des SG und der Beklagten begründet. Die allgemeinen Voraussetzungen für die Gewährung von Berufshilfe waren erfüllt. Denn der Kläger war durch die Unfallfolgen in seiner beruflichen Existenz, Entwicklung und Sicherheit in einer Weise beeinträchtigt und bedroht, daß Hilfen zum Zwecke einer möglichst dauerhaften beruflichen Eingliederung im Sinne von § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO erforderlich waren. Nach den ärztlichen Beurteilungen und Gutachten steht fest, daß der Kläger die zur Zeit der Antragstellung verrichtete Tätigkeit als Leiter des EDV-Maschinensaals bei der F. S. wegen seiner unfallbedingten Beinamputation zumutbarerweise nicht mehr verrichten konnte, weil er durch das ständige Gehen und Stehen überfordert war. Das gilt auch für die eigentliche Tätigkeit als Operator, da diese nach Umstellung der EDV-Anlage nach den Mitteilungen des Arbeitgebers und den Feststellungen anläßlich des Betriebsbesuchs im August 1977 ebenfalls ständiges Stehen erforderte. Auch außerhalb dieses Arbeitsplatzes war der Kläger hinsichtlich der langjährig ausgeübten Tätigkeit als Operator durch die Unfallfolgen in seiner Wettbewerbsfähigkeit benachteiligt, gleichgültig ob insoweit auf eine leitende Position abgestellt wird oder nicht. Denn dieser Berufsbereich ist für den Kläger nach den eingeholten Auskünften führender Hersteller von EDV-Anlagen, den Stellungnahmen der Fachdienste der für diese Beurteilung als kompetent anzusehenden Beigeladenen zu 1) sowie den beigezogenen berufskundlichen Unterlagen insgesamt erheblich eingeschränkt, weil für Firmen mit mittleren und größeren EDV-Anlagen eine Verwendung des Klägers wegen der überwiegend stehend und gehend auszuübenden Tätigkeit praktisch ausscheidet. Bei den Kleinanlagen handelt es sich im wesentlichen um Buchungsautomaten und insoweit nicht um eine Tätigkeit im eigentlichen EDV-Bereich. Dem kann die Beklagte nicht entgegenhalten, daß der Kläger diese Situation durch einen frei gewählten Berufswechsel und insoweit selbstverschuldet herbeigeführt und damit den Kausalzusammenhang zwischen beruflicher Beeinträchtigung und dem Arbeitsunfall gelöst habe. Dabei kann dahinstehen, ob der Beklagten in dieser Wertung des Verhaltens des Klägers überhaupt gefolgt werden könnte. Das Gesetz sieht eine solche Sanktion jedenfalls nicht vor. Träfe die Auffassung der Beklagten zu, könnte ein Verletzter niemals Rehabilitationsmaßnahmen nach dem selbst gewählten Wechsel des Berufs- oder Arbeitsplatzes verlangen, wenn der Unfallfolgezustand die wesentliche Ursache für die spätere Unfähigkeit ist, diesen Beruf weiter auszuüben oder den Arbeitsplatz zu behaupten. Das entspricht aber seit jeher nicht den Zielsetzungen der sozialen gesetzlichen Unfallversicherung, wie sie auch durch das RehaAnglG bekräftigt worden sind (§§ 1, 7, 11 RehaAnglG; vgl. auch Urteil des Hessischen Landessozialgerichts vom 26. September 1979 – L-3/U – 407/78). Die Verpflichtung des Unfallversicherungsträgers, einem Unfallverletzten Berufshilfe zu leisten, kommt vielmehr grundsätzlich in allen Phasen seines Berufslebens in Betracht, sofern sich die Unfallfolgen auf seine Erwerbsfähigkeit in rechtlich wesentlichem Sinne nachteilig auswirken. Dabei wird grundsätzlich weder eine MdE im Sinne von §§ 580, 581 RVO verlangt noch entgegen der Auffassung der Beklagten vorausgesetzt, daß gerade die Fähigkeit, den zur Zeit des Unfalls ausgeübten Beruf weiterhin zu verrichten, beeinträchtigt ist. Auch eine derartige Begrenzung des anspruchsberechtigten Personenkreises ist dem Gesetz nicht zu entnehmen. Aus § 556 Abs. 1 RVO folgt lediglich ganz allgemein, daß die Fähigkeit des Verletzten, Erwerbseinkommen zu erzielen, durch die Unfallfolgen irgendwie eingeschränkt sein muß, da auf sie durch die berufsfördernden Maßnahmen positiv eingewirkt werden soll. Das ist – ebenso wie im Rentenrecht – (vgl. dazu BSG SozR Nr. 4 zu § 1236 RVO; SozR 2200 § 1237 a Nrn. 6, 16; SozR 2200 § 1237 Nr. 15) u.a. aber auch der Fall, wenn der Unfallverletzte in dem in den letzten Jahren vor dem Antrag auf Berufshilfe ausgeübten Beruf gefährdet ist. Wie sich aus der Aufgabenstellung der Beklagten nach § 567 Abs. 1 Nr. 1 RVO ergibt, genügt es sogar, daß der konkrete Arbeitsplatz durch die Unfallfolgen in seiner Sicherheit bedroht ist oder der Verletzte bei der Erlangung eines neuen Arbeitsplatzes unfallbedingt benachteiligt ist (vgl. dazu auch BSG, SozR 4100 § 56 Nr. 8; Gagel/Jülicher, Komm, zum AFG, Anm. 6 zu § 56). Alles dies war beim Kläger zu bejahen.
Dem in seiner beruflichen Situation durch die Unfallfolgen beeinträchtigten Kläger hatte die Beklagte danach gemäß § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO die Hilfen zu gewähren, die erforderlich waren, um ihn nach seiner Leistungsfähigkeit und unter Berücksichtigung von Eignung und Neigung und seiner bisherigen Tätigkeit möglichst auf Dauer beruflich einzugliedern. Diese Zielsetzung bestimmt Art und Umfang der zu erbringenden Leistungen. Ihr entsprach die vom Kläger durchgeführte Fortbildung zum Betriebswirt/DV voll und ganz. Sie diente dazu, die Auswirkungen der Behinderung des Klägers auf seine Erwerbsfähigkeit weitgehendst auszugleichen; denn durch den erreichten Abschluß ist er nach den eingeholten berufskundlichen Auskünften und Unterlagen nunmehr in die Lage versetzt worden, einer Berufstätigkeit überwiegend im Sitzen nachzugehen. Die Prognose einer auf Dauer gerichteten beruflichen Eingliederung ist auch mit Rücksicht darauf, daß der Kläger nach Beendigung der Maßnahme alsbald einen entsprechenden Arbeitsplatz gefunden hat, als ausreichend günstig zu bewerten. Die Maßnahme zum Betriebswirt/DV entsprach ferner seiner Eignung und Neigung und seiner bisherigen beruflichen Tätigkeit, indem sie auf die dabei erworbenen Kenntnisse und Fertigkeiten aufbaute. Daß sie seinem intellektuellen Leistungsvermögen gerecht wurde, ist durch den erfolgreichen Abschluß offenkundig. Der Umstand, daß die Bildungsmaßnahme auf einen beruflichen Aufstieg gerichtet war, weil sie dem Kläger in dem von ihm eingeschlagenen Berufsfeld eine Tätigkeit auf einer höheren Ebene ermöglichte, steht der Anerkennung eines Rechtsanspruchs hier nicht entgegen; ebensowenig mußte der Kläger sich auf eine Tätigkeit als Großhandelskaufmann, Maschinenbuchhalter oder auf eine andere Beschäftigung verweisen lassen, wie das SG und die Beklagte meinen. Wie in der Begründung zu dem Entwurf der dem § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO entsprechenden Bestimmung des § 11 Abs. 1 RehaAnglG ausgeführt wurde (vgl. BT-Drucks. 7/1237, S. 57), soll das Leistungsvermögen des Behinderten grundsätzlich voll ausgeschöpft werden, um durch eine möglichst hochwertige berufliche Bildung das Handikap der Behinderung zu überwinden. Insoweit erschöpft sich – wie weiterhin klargestellt wurde – die Aufgabe der Rehabilitation nicht darin, den früheren beruflichen Status des Behinderten wieder herzustellen. Daraus sowie aus der klaren Wortfassung des § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO ergibt sich, daß der zur Zeit des Unfalls ausgeübte oder ggf. danach mit oder ohne Berufshilfe (erst) erreichte Beruf anders als nach altem Recht (vgl. § 567 Abs. 1 RVO in der Fassung des Unfallversicherungs-Neuregelungsgesetzes – UVNG –) nicht mehr entsprechend dem Grundsatz der Naturalrestitution im Schadensersatzrecht vorrangiger Prüfungsmaßstab für die vom Unfallversicherungsträger zu erbringenden berufsfördernden Leistungen ist. Das wird zusätzlich dadurch verdeutlicht, daß das Gesetz bei der Gewährung von Berufshilfe für einen anderen Beruf oder eine andere Erwerbstätigkeit nicht mehr auf die Gleichwertigkeit oder Zumutbarkeit, sondern auf die Angemessenheit der Beschäftigung abstellt (vgl. § 567 Abs. 1 Nr. 4; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 566 b und h). Soweit der zur Zeit des Unfalls ausgeübte Beruf bei der Auswahl der erforderlichen Maßnahmen durch die nach geltendem Recht vorgeschriebene Mitberücksichtigung der "bisherigen Tätigkeit” zu beachten ist, soll damit in erster Linie einem beruflichen und sozialen Abstieg entgegengewirkt, nicht aber eine Aufstiegsschranke gezogen werden (vgl. BT-Drucks. 7/2256, S. 3 unter III 1; Lauterbach, a.a.O., Anm. 7 zu § 567). Die Möglichkeit, Maßnahmen zum beruflichen Aufstieg zu gewähren, wurde gerade aus der Erkenntnis heraus ausdrücklich in das Gesetz aufgenommen, daß die erstrebte vollwertige und dauerhafte berufliche Eingliederung – das Rehabilitationsziel – nicht selten nur auf diesem Wege erreichbar ist; andererseits sollte durch die Berücksichtigung von Eignung, Neigung und bisheriger Tätigkeit dem Anliegen des Gesetzgebers Rechnung getragen, insbesondere bei älteren Arbeitnehmern keine übermäßigen, mit der Eignung nicht im Einklang stehende berufliche Wünsche zu wecken (BT-Drucks. 7/1237, S. 57). Daraus folgt zugleich, daß bei zweifelsfreier körperlicher und geistiger Leistungsfähigkeit des Verletzten und im Falle einer zu erwartenden optimalen und dauerhaften Kompensation der Unfallfolgen durch die höhere Ausbildung eine für Aufstiegsmaßnahmen nach § 556 Abs. 1 Nr. 2 Satz 2 RVO durch das Wort "kann” möglicherweise vorgesehene Ermessensausübung nur in Betracht kommt, wenn eine Wiederverwendung des Verletzten in der bisherigen Tätigkeit gleichfalls zu der erstrebten – vollwertigen – dauerhaften Eingliederung führen würde (Gagel/Jülicher, a.a.O., Anm. 19 zu § 56; vgl. hierzu auch Lauterbach, a.a.O., Anm. 7 zu § 567; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 566 f.). Diese Erwartung muß hier in Bezug auf die langjährig ausgeübte Tätigkeit als Operator wegen der bereits dargelegten erheblichen Einschränkung dieses Berufsfeldes für den Kläger und der daraus resultierenden erhöhten Bedrohung durch Arbeitslosigkeit aber verneint werden. Die Berufsaussichten erweitern sich entgegen der Auffassung der Beklagten in einem der Zielsetzung der beruflichen Rehabilitation genügenden Maße auch nicht dadurch, daß sich aus der Kombination der kaufmännischen und technischen Kenntnisse des Klägers möglicherweise – je nach den speziellen Anforderungen der Arbeitgeber – noch weitere qualitativ gleichwertige und behindertengerechte Arbeitsplätze hätten ergeben können. Ein Einsatz im Bereich der Kleinanlagen bzw. der Buchungsautomaten wäre nach der Berufserfahrung des Klägers seit 1970 unterwertig gewesen und entspricht nicht der durch die berufliche Rehabilitation zu vermittelnden Chancengleichheit. Eine Verweisung darauf bzw. auf Tätigkeiten als Maschinenbuchhalter kommt deshalb nicht in Betracht, ebensowenig eine Verweisung auf eine Tätigkeit als Großhandelskaufmann, hinsichtlich derer der Kläger lediglich über den förmlichen Abschluß verfügte.
Nach alledem steht fest, daß eine berufliche Eingliederung des Klägers im Sinne von § 556 Abs. 1 Nr. 2 RVO durch die bloße Vermittlung einer Arbeitsstelle ausschied. Welche andere Berufsbildungsmaßnahme die Beklagte dem Kläger unter Beachtung der Zwecksetzung der beruflichen Rehabilitation noch hätte anbieten können, ist nicht ersichtlich, zumal im Falle der Notwendigkeit von beruflichen Bildungsmaßnahmen der Neigung des Verletzten nicht nur in seinem eigenen Interesse, sondern auch im Interesse einer möglichst sinnvollen und effektiven Mittelverwendung besondere Bedeutung zukommt. Die konkret durchgeführte zweijährige Maßnahme zum Betriebswirt/DV hielt sich in den in § 567 Abs. 3 Satz 2 regelförmig vorgesehenen zeitlichen Grenzen und war nach Art und Ausbildungsstätte von den Fachdiensten der Beigeladenen zu 1) gemäß der Behinderung des Klägers besonders ausgewählt und empfohlen worden. Die Beklagte hat dem Kläger eine andere Maßnahme auch nicht vorgeschlagen, obgleich sie ausreichend Zeit und Möglichkeit dazu hatte. Selbst wenn dem Unfallversicherungsträger im allgemeinen ein Ermessen einzuräumen sein sollte, zwischen mehreren in Betracht kommenden geeigneten Berufshilfemaßnahmen zu wählen (vgl. BSG SozR 2200 § 567 Nr. 1; Brackmann, a.a.O., Bd. II, S. 566 c; Lauterbach, a.a.O., Anm. 4 zu § 567) und dies aus der Formulierung "insbesondere” in § 567 Abs. 1 RVO hergeleitet werden könnte (vgl. dazu aber BSG, SozR 2200 § 1237 Nr. 12), könnte die Beklagte sich gegenüber dem Kläger unter den gegebenen Umständen darauf nicht berufen; vielmehr müßten – unterstellt es gäbe ein Auswahlermessen – hier die für Erstattungsansprüche eines in Vorleistung getretenen Sozialleistungsträgers geltenden Grundsätze entsprechende Anwendung finden (vgl. hierzu BSG, SozR 2200 § 567 Nr. 1; SozR 2200 § 1237 a Nr. 12; SozR § 39 AVAVG Nr. 5). Der Kläger mußte deshalb mit seinem Hauptantrag Erfolg haben.
Die Entscheidung über die Kosten beruht auf § 193 SGG, diejenige über die Zulassung der Revision auf § 160 Abs. 2 Nr. 1 SGG.
Rechtskraft
Aus
Login
HES
Saved