L 9 R 89/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 388/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 89/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Streitig ist die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit.

Die 1946 in Kroatien geborene Klägerin übersiedelte 1971 in die Bundesrepublik Deutschland. Ihren Angaben zufolge hat sie keinen Beruf erlernt und befand sich in keinem Anlernverhältnis. Angesehen von einer Tätigkeit als Bürogehilfin von August 1971 bis Juni 1973 war sie als (Fabrik-) Arbeiterin, zuletzt ab Januar 1980 als Bestückerin in einer Leiterplattenfabrik, tätig. Nach Insolvenz der Firma wurde sie im Januar 2002 arbeitslos. In der Folgezeit bezog sie Leistungen der Arbeitsverwaltung sowie Leistungen ihrer Krankenkasse wegen Arbeitsunfähigkeit.

Am 12.04.2005 beantragte die Klägerin bei der Beklagten die Gewährung von Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit. Zur Begründung legte sie die Bescheinigung ihres Hausarztes Dr. G., Facharzt für Allgemeinmedizin, Gynäkologie-Zytologie, Psychosomatik, vom 22.04.2005 vor, der als Gesundheitsstörungen der Klägerin aufführte: 1. Sensibles CTS (Carpaltunnelsyndrom) rechts, Zustand nach Operation, CTS links, Rhizarthrose Daumengrundgelenk rechts 2. Vertebragene Innenohrdurchblutungsstörung rechts mit Tinnitus und Vertigo 3. Coxarthrose beidseits mit Coxa vara und Pfannendysplasie, Zustand nach zementfreier Hüft-TEP (Hüfttotalendoprothese) links 4. Gonararthrose rechts, Zustand nach valgis. Tibiakopf-Umstellungsosteotomie rechts mit Osteosynthese in ITN 5. Degenerative Innenmeniscushinterhornläsion rechtes Knie, Zustand nach Subtotalresektion rechtes Knie 6. Essentielle Hypertonie 7. Zustand nach abdomineller Hysterektomie, Zustand nach Adnektomie rechts, bakterielle Vaginose 8. Lumboischialgie, Cervicocephalgie- und Cervicobrachialgie-Syndrom bei degenerativen Veränderungen und WS(Wirbelsäulen)-Fehlstatik.

Nach dem ebenfalls zu den Verwaltungsakten gegebenen Bescheid des Versorgungsamtes Rottweil vom 14.09.2001 war bei der Klägerin ein Grad der Behinderung (GdB) von 60 nach dem Schwerbehindertengesetz (SchwbG) seit 20.07.2001 festgestellt.

Die Beklagte veranlasste eine Begutachtung der Klägerin durch den Arzt für Orthopädie Dr. B ... Dieser stellte in seinem Gutachten vom 21.09.2005 im Wesentlichen folgende Diagnosen: 1. Gutes funktionelles Resultat nach Totalendoprothesenimplantation linke Hüfte wegen Coxarthrose (04/2004) 2. Funktionell ebenfalls gutes Resultat nach Tibiakopfumstellungsosteotomie rechtes Kniegelenk (2003) 3. Haltungs- und belastungsabhängiges Lendenwirbelsäulen(LWS)-Syndrom ohne Zeichen einer Nervenwurzelreizung - bei Adipostitas und myostatischer Insuffizienz 4. Visusverlust links mit Schielfehler - seit Kindheit bestehend und im Stadium der langjährigen Anpassung und Gewöhnung 5. Funktionell befriedigendes Resultat nach CTS-Operation beidseits Im Vordergrund der Beschwerdesymtomatik stehe eine Limitierung der Gehstrecke ab einem Kilometer wegen dann zunehmender Leistenschmerzen rechts; das Mindestgehvermögen sei dabei erhalten. Das gehe schon allein aus der Tatsache hervor, dass die Klägerin 5 mal am Tag mit ihrem Hund spazieren gehe. Die Alltagsaktivitäten seien nicht wesentlich beeinträchtigt. Sie bewältige den Haushalt und kümmere sich um die Enkelkinder. Zusammenfassend bestehe von orthopädischer Seite aus ein mindestens 6-stündiges Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes mit einem Anteil an sitzender Tätigkeit von mindestens 40%. Aus allgemeinmedizinischer Sicht hätten sich keine Hinweise für eine cardio-pulmonale Dekompensation oder für eine wesentliche abdominale Problematik gefunden. Zu vermeiden seien andauernde WS-Zwangshaltungen, ausschließliche Geh- und Stehbelastungen, tiefes Sitzen (wegen Luxationsgefahr beim Aufstehen aus maximaler Hüftbeugung), Gehen auf unebenem Gelände, Besteigen von Leitern und Gerüsten, häufiges Treppensteigen, Arbeiten im Hocksitz, Tätigkeiten mit häufigem Bücken, Heben, Tragen und Bewegen von Lasten über 10 kg und Arbeiten unter Kälte, Nässe und Zuglufteinfluss.

Hierauf lehnte die Beklagte mit Bescheid vom 25.10.2005 den Rentenantrag der Klägerin ab, weil weder eine teilweise noch eine volle Erwerbsminderung und auch keine Berufsunfähigkeit vorliege.

Ihren dagegen erhobenen Widerspruch vom 21.11.2005 begründete die Klägerin im wesentlichen damit, sie leide immer noch an zahlreichen Krankheiten: Trotz Medikamenten wechselhafter Bluthochdruck, Tinnitus (Schwindelanfälle), leichte Skoliose der Brustwirbelsäule (BWS) und LWS, Spondylose im mittleren HWS-Bereich, LWS-Beschwerden bei mäßig betonter Kyphose der oberen BWS, Hohlkreuz, ständige Kreuzschmerzen, Funktionsbehinderung und Schmerzen der rechten Hüfte, nach Operation der linken Hüfte 1 cm längeres Bein, (trotz orthopädischer Schuherhöhung), Schmerzen in der Hüftpfanne und im rechten Fußrücken, Sehminderung auf dem linken Auge, Notwendigkeit zum Tragen einer Brille für Weitsicht und Nahsicht des rechten Auges, Arthroseschmerzen in beiden Daumengelenken und in der linken Schulter, seit 2000 Schmerzen in der linken Bauchdecke, Angstzustände aufgrund vieler Operationen und gastroösophageale Hernie (nervöser Magen). Sie sei nicht mit Untersuchungen durch die Ärzte der Beklagten einverstanden.

Nach prüfärztlicher Stellungnahme des Dr. D. vom 22.12.2005 wies die Beklagte den Widerspruch der Klägerin mit Widerspruchsbescheid vom 30.12.2005 zurück.

Hiergegen erhob die Klägerin am 23.1.2006 Klage zum Sozialgericht (SG)Reutlingen. Sie legte eine Kopie ihres Schwerbehindertenausweises mit einem festgestellten GdB von 50 ab 25.9.1996 und 60 ab 20.07.2001 vor.

Das SG hörte die behandelnden Ärzte der Klägerin Dr. M., Arzt für Neurologie, Dr. M., Arzt für Orthopädie, Dr. V., Augenarzt, und Dr. G. schriftlich als sachverständige Zeugen (Auskünfte vom 17.2., 2.3., 6.3. und 23.2.2006). Dr. G. übersandte neben weiteren ärztlichen Unterlagen auch den Entlassungsbericht über das zuletzt zu Lasten der Beklagten durchgeführte Rehabilitationsverfahren der Klägerin in der Reha-Klinik S. vom 11.06.2004 (Anschussheilbehandlung nach Implantation einer zementfreien Hüft-Totalendoprothese links). Nach der sozialmedizinischen Beurteilung im Entlassungsbericht war bei der zunächst arbeitsunfähig zur weiteren Behandlung und Stabilisierung entlassenen Klägerin nach Abschluss der Rehabilitationsphase mit einem vollschichtigen Leistungsvermögen für leichte bis mittelschwere Tätigkeiten zu rechnen.

Danach veranlasste das SG eine Begutachtung der Klägerin durch den Facharzt für Orthopädie Dr. L ... Dieser stellte in seinem Gutachten vom 24.07.2006 folgende Diagnosen: 1. Chronisch rezidiverendes degeneratives Lumbalsyndrom mit Fehlhaltung der LWS 2. Subacromiales Impingementsyndrom linkes Schultergelenk mit Funktionseinschränkung bei seitlicher Armhebung 3. Totalprothese linke Hüfte mit gutem Sitz sowie mittelgradig ausgeprägte Coxarthrose rechts bei ordentlichen Gelenkspaltverhältnissen ohne Funktionseinschränkungen 4. Fortgeschrittene mediale Kniearthrose rechts mit Z.n. Korrekturosteotomie und vermehrter Valgisationsstellung des Kniegelenkes ohne Funktionseinschränkungen. Durch die festgestellten Veränderungen des orthopädischen Fachbereiches könnten der Klägerin lediglich noch leichte bis mittelschwere körperliche Tätigkeiten ohne regelmäßiges Heben und Tragen von Lasten über 10 kg vorwiegend im Sitzen mit gelegentlichem Gehen und Stehen sowie ohne Zwangshaltungen und ohne Überkopfarbeiten des linken Schultergelenkes zugemutet werden. Bei Beachtung der genannten Einschränkungen bestehe noch eine Erwerbstätigkeit (gemeint: Erwerbsfähigkeit) von mindestens 6 Stunden arbeitstäglich.

Die Beklagte bewilligte der Klägerin mit Bescheid vom 11.08.2006 Altersrente für schwerbehinderte Menschen ab 1.12.2006.

Mit Urteil vom 24.10.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, die Klägerin könne jedenfalls noch leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarkts überwiegend im Sitzen sowie unter Beachtung weiterer qualitativer Einschränkungen mindestens 6 Stunden arbeitstäglich verrichten. Dies ergebe sich für das orthopädische Fachgebiet aus den gutachterlichen Feststellungen des Dr. L. und des Dr. B ... Die Klägerin sei auch in der Lage, in zumutbarer Zeit mindestens viermal täglich mehr als 500 m Wegstrecke zurückzulegen und so einen Arbeitsplatz oder die Haltestellen öffentlicher Verkehrsmittel zu erreichen. Die Klägerin habe bei der Untersuchung durch Dr. L. selbst angegeben, der Gang sei stockfrei möglich, die Gehstrecke betrage maximal 500 m. Auch die weiteren Gesundheitsbeeinträchtigungen der Klägerin bedingten keine zeitliche Herabminderung des Leistungsvermögens. Eine Gesichtsneuralgie habe behandelt werden können. Aufgrund des jahrzehntelang bestehenden und in das Erwerbsleben eingebrachten Sehfehlers - bei gutem Visus des rechten Auge und deutlich eingeschränktem Visus am linken Auge - sei von einer entsprechender Gewöhnung und Adaptation auszugehen.

Gegen das am 23.11.2006 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 18.12.2006 sinngemäß Berufung zum Landessozialgericht (LSG) Baden-Württemberg eingelegt. Zur Begründung verweist sie auf das Gutachten des medizinischen Dienstes der Krankenversicherung (MDK) Baden-Württemberg vom 16.03.2006. Ferner trägt sie vor, sie solle nach ärztlicher Auffassung mit ihren Gesundheitsstörungen nicht lange stehen, nicht lange gehen, nicht lange sitzen und es sollten keine Gewichtsbelastungen über 5 kg anfallen. Im Urteil des SG sei nicht erwähnt, dass bei ihr bereits seit 25.09.1996 ein GdB von 50 festgestellt sei. Da schon ihr eigenes Körpergewicht eine Gefahr für ihre zementfreie Hüftprothese darstelle, sei es ihr unverständlich, dass sie laut ärztlichem Gutachten Lasten von 10 kg 6 Stunden und mehr tragen könne. Außerdem könne Dr. L. nur ihre orthopädischen Leiden beurteilen. Sie beantrage, selbst einen Arzt für Allgemeinmedizin und einen Augenarzt als Gutachter benennen zu dürfen. Die Klägerin hat ihren Vortrag durch folgenden Unterlagen belegt: - Schwerbehindertenausweis vom 16.01.1997 - Gutachten des MDK Baden-Württemberg vom 18.07.2001 (mit der Empfehlung einer Berentung zunächst für 1 Jahr und Abwarten des Ergebnisses der Hüftoperation - TEP-) - Gutachten des MDK Baden-Württemberg vom 16.03.2006 (wonach ohne leidensgerechten Arbeitsplatz von weiterer Arbeitsunfähigkeit auszugehen sei; die Erwerbsfähigkeit sei gemindert, ein Rentenantrag sei abgelehnt worden) - sachverständige Zeugenaussagen für das SG Reutlingen des Dr. M. vom 2.03.2006 und des Dr. V. vom 6.03.2006 (mit beigefügten Arztbriefen der Universitätsklinik Freiburg vom 30.05.2005 mit der Diagnose konsekutives linksseitiges Einwärtsschielen mit hochgradiger Schwachsichtigkeit und vom 15.12.2005 mit dem Bericht über eine Operation wegen konsekutivem linksseitigem Einwärtsschielen) - Arztbrief aus dem Klinikum der Stadt V.-S. vom 03.04.2003 (mit der Diagnose: Synovitis rechtes Kniegelenks bei Chondromalazie) - Rehabilitations-Entlassungsbericht vom 28.07.2003 - Ambulanzbericht vom 21.01.2002 (mit der Diagnose: leichte Coxarthrose links, Adipostas) - Teile des Gutachtens des Dr. B. vom 21.09.2005 - Laborbericht vom 18.05.2004

Die Klägerin beantragt (sinngemäß),

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 24. Oktober 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 25. Oktober 2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 30. Dezember 2005 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihr Rente wegen voller, hilfsweise wegen teilweiser Erwerbsminderung ab Antragsstellung bis 30. November 2006 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt aus, die Berufungsbegründung enthalte keine neuen Gesichtspunkte, die die angefochtene Entscheidung in Frage stellten.

Der Klägerin ist mit Schreiben des Senats vom 16.02.2007 mitgeteilt worden, es sei nicht beabsichtigt, ein Gutachten von Amts wegen einzuholen. Die Klägerin ist gleichzeitig auf § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hingewiesen worden und ihr ist eine Frist für einen Antrag nach dieser Vorschrift bis spätestens 15.03.2007 gesetzt worden. Nachdem sich die Klägerin hierauf nicht mehr geäußert hat, sind die Beteiligten mit Schreiben des Senats vom 03.04.2007 auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss gemäß § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen worden und es ist ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben worden.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des Sozialgerichts sowie diejenigen des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegt Berufung der Klägerin ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 SGG liegen nicht vor.

Die Berufung der Klägerin ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da die Klägerin gegenüber der Beklagten keinen Anspruch auf Rente wegen verminderter Erwerbsfähigkeit hat.

Gemäß § 153 Abs. 4 SGG kann das Landessozialgericht - nach vorheriger Anhörung der Beteiligten - die Berufung durch Beschluss zurückweisen, wenn es sie einstimmig für unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht für erforderlich hält. Diese Voraussetzungen sind hier gegeben. Im vorliegenden Fall sind die Berufsrichter des Senats einstimmig zum Ergebnis gekommen, dass die Berufung unbegründet und eine mündliche Verhandlung nicht erforderlich ist. Mit Schreiben vom 03.04.2007 hat der Senat die Beteiligten auf die Möglichkeit einer Entscheidung durch Beschluss nach § 153 Abs. 4 SGG hingewiesen und ihnen Gelegenheit zur Stellungnahme gegeben. Eine Zustimmung der Beteiligten ist nicht erforderlich.

Das SG hat den rechtserheblichen Sachverhalt umfassend dargestellt, die an einer Rentengewährung geknüpften Voraussetzungen zutreffend benannt und das Beweisergebnis frei von Rechtsfehlern gewürdigt. Hierbei ist es ausführlich auf die bei der Klägerin bestehenden Gesundheitsstörungen eingegangen und hat überzeugend begründet, weshalb es den im wesentlichen übereinstimmenden Beurteilungen der im Vordergrund des Beschwerdebildes der Klägerin stehenden - auf orthopädischem Fachgebiet liegenden - Leiden durch die Gutachter Dr. L. und Dr. B. gefolgt ist. Der Senat schließt sich der Beweiswürdigung des SG uneingeschränkt an und sieht deshalb von einer Darstellung der Entscheidungsgründe gemäß § 153 Abs. 2 SGG weitgehend ab.

Ergänzend ist auszuführen, dass sich auch zur Überzeugung des Senats eine Erwerbsminderung der Klägerin, d.h. ein Absinken ihrer beruflichen und körperlichen Leistungsfähigkeit auf ein Leistungsvermögen auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt von weniger als 6 Stunden täglich ab Rentenantragstellung im April 2005 nicht belegen lässt. Dies ergibt sich für das orthopädische Fachgebiet aus den Gutachten des Dr. L. und des Dr. B ... Deren Beurteilung wird durch die Berichte über die durchgeführten Rehabilitationsverfahren zu Lasten der Beklagten gestützt. So schildert der Entlassungsbericht über das Heilverfahren der Klägerin vom 05.06. bis 03.07.2001 in der P.-Klinik GmbH und Co KG in B. N. zwar die medizinische Sachlage knapp 4 Jahre vor Rentenantragstellung - und auch Jahre vor der Implantation einer Hüft-TEP links am 20.04.2004 -, andererseits kommt in ihm die Erwartung zum Ausdruck, nach der empfohlenen Hüftrevision werde die Klägerin voraussichtlich für körperlich leichte Arbeiten in wechselnder Körperhaltung unter Beachtung von Einschränkungen des qualitativen Leistungsvermögens leistungsfähig sein. Sodann wurde im Entlassungsbericht über die vom 17.6. bis 08.07.2003 in der Rehabilitationsklinik Sonnhalde durchgeführte Anschlussheilbehandlung nach Umstellungsosteotomie rechts am 03.06.2003 wegen Varusgonarthrose ca. 3 Monate postoperativ ein vollschichtiges Leistungsvermögen für leichte bis maximal mittelschwere körperliche Tätigkeiten prognostiziert und im weiteren Entlassungsbericht über das Rehabilitationsverfahren vom 05.05. bis 02.06.2004 in der Rehabilitationsklinik S. - Anschlussheilbehandlung nach Hüft-TEP links am 20.04.2004 bei Coxarthrose links - wurde ebenfalls für die Zeit nach Abschluss der Rehabilitationsphase ein vollschichtiges Leistungsvermögen der Klägerin für leichte bis mittelschwere Arbeiten angenommen.

Das von der Klägerin im Berufungsverfahren vorgelegte MDK-Gutachten vom 18.07.2001 mit der Empfehlung einer Berentung auf Zeit, zunächst für 1 Jahr, betrifft wiederum eine Zeit weit vor Rentenantragstellung und bezieht sich auf den damaligen Gesundheitszustand der Klägerin. Die medizinische Sachlage änderte sich nach diesem Bericht wesentlich wegen der im Juni 2003 durchgeführten Umstellungsosteotomie am rechten Kniegelenk und der Implantation einer zementfreien Hüft-Totalendroprothese links im April 2004. Im weiteren Gutachten des MDK vom 16.03.2006 wird vorwiegend der Inhalt des im Rentenverfahren eingeholten Gutachtens wiedergegeben. Seitens der Krankenkasse waren Feststellungen über die Arbeitsfähigkeit der Klägerin zu treffen; dies war Beurteilungsmaßstab für den Gutachter des MDK. Hierbei war - anders als bei der im Rentenverfahren auf den allgemeinen Arbeitsmarkt verweisbaren Klägerin - ihr Leistungsvermögen in der zuletzt konkret ausgeübten beruflichen Tätigkeit maßgebend. Für diese Tätigkeit als Bestückerin (ganztags sitzend) hatte Dr. B. im Gutachten vom 21.09.2005 eine zumutbare Leistungsfähigkeit von 3 bis unter 6 Stunden arbeitstäglich angenommen. Diese Beurteilung wurde im MDK-Gutachten vom 16.03.2006 referiert. Für die Beurteilung des im Rentenverfahren maßgeblichen Leistungsvermögens der Klägerin bei Zugrundelegung angepasster, körperlich leichter Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes, bietet das MDK-Gutachten dagegen keine Anhaltspunkte.

Dass Dr. B. - wie von der Klägerin gerügt - in seinem Gutachten die Frage "Erfolgt diese Tätigkeit auf Kosten der Restgesundheit?" offen gelassen hat, liegt daran, dass diese Frage nur dann zu beantworten war, wenn die vorhergehende Frage, ob zur Zeit gegen Entgelt von der Versicherten gearbeitet werde, zu bejahen war. Da Dr. B. die letztgenannte Frage jedoch verneinte, weil die Klägerin seit Verlust ihres Arbeitsplatzes im Januar 2002 arbeitslos bzw. arbeitunfähig war, war konsequenterweise die Frage nach einer gegenwärtigen, auf Kosten der Restgesundheit ausgeübten Tätigkeit von ihm nicht zu beantworten.

Insgesamt erbringen die vorliegenden fachärztlichen Unterlagen für das orthopädische Gebiet nicht den Nachweis eines auf unter 6 Stunden arbeitstäglich herabgesunkenen Leistungsvermögens der Klägerin. Auch der die Klägerin behandelnde Orthopäde Dr. M. nimmt in seiner sachverständigen Zeugenaussage gegenüber dem Sozialgericht Reutlingen vom März 2006 eine Belastbarkeit der Klägerin bis 6 Stunden arbeitstäglich bei Beachtung von qualitativen Leistungseinschränkungen an. Der Senat ist nach dem Ergebnis der durchgeführten Begutachtungen, trotz des von Dr. M. geringfügig niedriger eingeschätzten Leistungsvermögens der Klägerin, davon überzeugt, dass die Klägerin nicht nur bis 6 Stunden (-d.h. evtl. geringfügig unter diesem, für den Rentenanspruch maßgeblichen Maßstab-), sondern mindestens 6 Stunden pro Arbeitstag erwerbstätig sein kann. Dies haben die Begutachtungen der Klägerin durch Dr. B. und Dr. L. erbracht. Dass nach einer Hüft-TEP bei bestehender Adipositas für die Verbesserung der Hüftbeweglichkeit und für den Erhalt der Prothese eine Gewichtsreduktion empfehlenswert ist, entspricht allgemeiner ärztlicher Erfahrung. Dr. L. stellte jedoch bei seiner klinischen Untersuchung von Seiten der Hüftgelenke bei Z.n. Totalprothese links funktionell völlig unauffällige Verhältnisse mit gutem Sitz der Endoprothese link fest. Aufgrund der Hüft-TEP scheiden lediglich bestimmte Arbeiten für die Klägerin als unzumutbar aus: Mittelschwere und insbesondere schwere Tätigkeiten, Arbeiten mit häufigem Bücken, Heben und Tragen von Lasten über 10 kg und mit Zwangshaltungen. Außerdem sollte eine wechselnde Belastung ohne überwiegendes Gehen und Stehen gegeben sein.

Ein Absinken der beruflichen Leistungsfähigkeit der Klägerin auf unter 6 Stunden pro Arbeitstag lässt sich auch nicht aufgrund der auf internistischem und augenfachärztlichem Gebiet vorliegenden Gesundheitsstörungen der Klägerin belegen. Für die Gesundheitsbeeinträchtigung der Klägerin am linken Auge mit deutlich eingeschränktem Visus hat das SG zutreffend ausgeführt, dass der jahrzehntelang bestehende und bereits in das Erwerbsleben eingebrachte Sehfehler - bei gutem Visus am rechten Auge (cc = 0,8) - die Klägerin nicht an der Ausübung einer Erwerbstätigkeit hindert. Dieser Einschätzung steht auch im Einklang mit der Fachliteratur (vgl. Sozialmedizinische Begutachtung für die gesetzliche Rentenversicherung, Verband Deutscher Rentenversicherungsträger, 6. Auflage, Seite 465, 466), wonach für handwerkliche Tätigkeiten - außerhalb der traditionellen Blindenberufe - eine Mindestsehschärfe von ca. 0,2 bis 0,3 notwendig ist. Da die Klägerin am rechten Auge mit Brillenversorgung ein deutlich höheres Sehvermögen aufweist, ist ihr Leistungsvermögen wegen ihrer am linken Auge bestehenden deutlichen Sehbehinderung sozialmedizinisch nicht relevant beeinträchtigt.

Durch die sonstigen Gesundheitsstörungen, insbesondere die Gesichtsneuralgie ( deutlich gebessert nach medikamentöser Behandlung ausweislich der sachverständigen Zeugenaussage des Neurologen Dr. M. vom 17.02.2006 für das SG Reutlingen), die essentielle Hypertonie (ohne Hinweise für eine Cardiomyopathie oder coronare Herzerkrankung nach dem Arztbrief des Dr. S., Facharzt für Innere Medizin - Kardiologie - Angiologie - Pulmologie - Allergologie vom 29.11.2005 an Dr. G.) wird das Leistungsvermögen der Klägerin ebenfalls nicht auf unter 6 Stunden pro Arbeitstag abgesenkt. Dies gilt auch für die von der Klägerin benannten Probleme im sexuellen Bereich, die das berufliche Leistungsvermögen der Klägerin nicht beeinflussen.

Zusammenfassend war die Klägerin unter Berücksichtigung sämtlicher bei ihr diagnostizierter Gesundheitsstörungen seit Rentenantragstellung bis zum 30.11.2006 ( Gewährung von Altersrente )in der Lage, jedenfalls körperlich leichte Tätigkeiten mit den genannten qualitativen Einschränkungen und zusätzlich ohne Überkopfarbeiten des linken Schultergelenks (- wegen eines subacromialen Impingementsyndroms -) mindestens sechs Stunden täglich auszuüben. Die Klägerin war somit nicht erwerbsgemindert, zumal auch die Zusammenschau der einzelnen Gesundheitsstörungen kein Leistungsvermögen von täglich weniger als sechs Stunden begründet. Insbesondere muss für die Verneinung von Erwerbsminderung bei mindestens sechs Stunden täglich leistungsfähigen Versicherten - anders als bei Teilzeitkräften - weder eine konkrete Tätigkeit benannt werden, noch ist die Frage zu prüfen, ob es genügend Arbeitsplätze gibt. Vielmehr ist davon auszugehen, dass auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt für in diesem Umfang leistungsfähige Ungelernte und Angelernte des unteren Bereichs geeignete Arbeitsplätze in ausreichender Anzahl vorhanden sind (Beschlüsse des Großen Senats des BSG vom 19. Dezember 1996, u.a. SozR 3-2600 § 44 Nr. 8). Dies stimmt mit dem erklärten Willen des Gesetzgebers überein, der durch § 43 Abs. 3 SGB VI klargestellt hat, dass nicht erwerbsgemindert ist, wer unter den üblichen Bedingungen des allgemeinen Arbeitsmarktes mindestens sechs Stunden täglich erwerbstätig sein kann, wobei die jeweilige Arbeitsmarktlage nicht zu berücksichtigen ist.

Die Klägerin war somit keine Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren, und zwar unabhängig davon, ob die für sie zuständige Arbeitsagentur einen ihrem Leistungsvermögen entsprechenden Arbeitsplatz anbieten könnte. Denn das Risiko, keinen offenen Arbeitsplatz zu finden, ist nicht von der Renten-, sondern grundsätzlich von der Arbeitslosenversicherung zu tragen (BSG SozR 2200 § 1246 Nr. 137 m.w.N.). Allerdings ist die Frage, ob es auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt Arbeitsplätze gibt, immer dann zu klären, wenn eine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen oder eine schwere spezifische Leistungsbehinderung vorliegt (BSG SozR 2200 § 1246 Nrn. 104 und 117) oder wenn Arbeitskräfte i.S.v. § 43 Abs. 3 SGB VI nur noch auf solchen Arbeitsplätzen einsetzbar sind, bei denen wegen ihrer Seltenheit die Gefahr einer Verschlossenheit des Arbeitsmarktes besteht, also z.B. noch in Betracht kommende Tätigkeiten nicht unter betriebsüblichen Bedingungen ausgeübt werden können oder entsprechende Arbeitsplätze aufgrund gesundheitlicher Beeinträchtigungen von der Wohnung aus nicht erreichbar sind oder nur vereinzelt vorkommen (BSG SozR 2200 §§ 1246 Nrn. 136, 137 und 139 sowie 1247 Nrn. 33 und 53; SozR 3-2200 § 1247 Nrn. 10 und 14).

Ausgehend hiervon waren keine Beschränkungen des zumutbaren Arbeitsweges erkennbar, wie das SG zutreffend ausgeführt hat. Auch benötigte die Klägerin keine betriebsunüblichen Pausen. Ebenso gibt es für das Bestehen der übrigen sog. Katalogfälle keine Anhaltspunkte.

Darüber hinaus lag auch keine Summierung ungewöhnlicher Leistungseinschränkungen vor. Denn bei den genannten Einschränkungen handelte es sich im Wesentlichen um solche, denen durch die Begrenzung auf leichte körperliche Arbeit hinreichend Rechnung getragen wird. So waren die der Klägerin noch zumutbaren leichten körperlichen Arbeiten nicht mit schweren Arbeiten, Überkopfarbeiten, mit häufigem Bücken und mit überwiegendem Stehen und Gehen verbunden. Die der Klägerin noch zumutbaren Arbeiten (z. B. Verpacken von Kleinteilen, Sortier-, Montier,- Etikettier- und Klebearbeiten) werden überwiegend im Sitzen zu ebener Erde in Normalarbeitszeit verrichtet und erfordern keine Überkopfarbeiten. Schließlich liegt auch keine schwere spezifische Leistungsbehinderung vor.

Die Klägerin hat auch keinen Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit gem. § 240 Abs. 1 SGB VI, da sie zuletzt viele Jahre lediglich als angelernte Arbeiterin des unteren Bereichs ( mit einer Anlernzeit von drei Monaten bis höchstens einem Jahr) erwerbstätig war und daher auf sämtliche Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar ist.

Auch die Anerkennung eines GdB von 50 ab dem 25.09.1996 und von 60 ab dem 20.07.2001 ist für das von der Klägerin vorliegend betriebene Rentenstreitverfahren nach den § 43, 240 SGB VI ohne eigenes rechtliches Gewicht. Nach der Rechtsprechung des Bundessozialgerichts (vgl. BSG, Beschluss vom 08.08.2001, B 9 SB 5/01 B, Juris-Dok. und Beschluss vom 05.12.1987, 5b BJ 156/87, unveröffentlicht) ist die Frage, ob eine Person schwerbehinderte ist, von der anderen Frage, ob sie nach dem SGB VI erwerbsgemindert ist, zu unterscheiden. Zwischen beiden Tatbeständen besteht aufgrund ihrer völlig unterschiedlichen gesetzlichen Voraussetzungen keine Wechselwirkung. Während es für eine Berentung nach den § 43, 240 SGB VI auf die "konkreten" Erwerbsmöglichkeiten des Versicherten ankommt, beurteilt sich die Frage der Schwerbehinderung nach den "abstrakten" Maßstäben des § 30 Abs. 1 BVG (§ 69 Abs. 1 S. 4 SGB IX).

Nach alledem ist das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Reutlingen nicht zu beanstanden. Die Berufung der Klägerin musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved