L 1 U 338/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 7 U 3430/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 338/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22. Dezember 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat auch die außergerichtlichen Kosten des Klägers im Berufungsverfahren zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist nur noch streitig, ob der Entzug der dem Kläger wegen des Arbeitsunfalls vom 21.09.1990 gewährten Dauerrente rechtens ist.

Der Kläger erlitt am 21.09.1990 während der Arbeit neben einer Rippenfraktur links und einer Fraktur der rechten Kniescheibe ein Schädelhirntrauma mit contusio cerebri und occipitaler Impressionsfraktur, als er bei Abrissarbeiten durch herabfallende Schuttteile am Kopf getroffen wurde. Es hatte sich ein subdurales Hämatom entwickelt, das durch Schädeltrepanation operativ entfernt wurde. Die s. Bau-Berufsgenossenschaft (im Folgenden Beklagte), eine Rechtsvorgängerin der Beklagten, gewährte mit Bescheid vom 12.02.1992 eine vorläufige Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 50 v.H. aufgrund der anerkannten Unfallfolgen: "Beschwerden und Leistungsstörungen nach Schädelhirnverletzungen mit noch offener linksseitiger Knochenlücke. Der Bruch des 6. linken Rippe sowie die linksseitige Schulter- und die rechtsseitige Knieprellung sind folgenlos ausgeheilt."

Der Bescheid war gestützt auf das erste Rentengutachten des Chirurgen Dr. R. vom 20.12.1991 und die beratungsärztliche Stellungnahme des Nervenarztes Dr. H. vom 20.01.1992, mit der nervenärztliche gutachtliche Äußerungen von Dr. K. ausgewertet worden waren. Dr. H. ordnete nach schwerwiegender Schädelverletzung einen Leistungsrückstand sowie mangelhaftes Ausdauervermögen dem Unfall zu, die depressive Reagibilität könne unmittelbare Unfallfolge oder auch eine Reaktion auf die Wahrnehmung der eingeschränkten Leistungsfähigkeit bzw. Ausdruck einer narzisstischen Kränkung durch das Unfallereignis sein. Die auf der Trepanation beruhende Knochenlücke werde - wenn überhaupt - nur wenige MdE-Prozente auswerfen. Dem Gutachter zur Beurteilung der Dauerrente obliege später die Aufgabe, die narzisstischen Persönlichkeitsanteile und Auswirkungen von den unfallbedingten psychisch-geistigen Störungen zu trennen. Als Leidensbezeichnung schlage er "Beschwerden und Leistungsstörungen nach Schädelhirnverletzungen mit noch offener linksseitiger Knochenlücke" vor, denn mit dieser Formulierung umgehe man die Festlegung der schwierigen Frage, ob eine commotio oder contusio cerebri vorgelegen habe.

Zur Entscheidung über die Gewährung einer Dauerrente erstellte der Arzt für Neurologie und Psychiatrie, Psychotherapie Dr. B. das Gutachten vom 25.05.1992. Er beschrieb beim Kläger ein formal und inhaltlich geordnetes Denken, ohne wesentliche depressive Anteile, keine Frischgedächtnisstörungen und Konzentrationsausfälle. Bei einer eingehenden testpsychologischen Untersuchung mit nonverbalen Untersuchungsabläufen seien keine Konzentrationsausfälle oder Ermüdungszeichen aufgetreten mit Zeitablauf im oberen Normbereich, ohne signifikant gehäuften Fehlerquoten bei bedächtigen, insgesamt jedoch flüssigen Leistungen. Hinweise für eine Hirnsubstanzschädigung lägen nicht vor. Neurologisch seien an Unfallfolgen ein bereits freier Schädelkalottendefekt, ca. zweimarkstückgroß, ohne umschriebene Schmerzhaftigkeit, ohne Druckschmerzhaftigkeit der Nervenaustrittpunkte zu finden. Es bestünden keine Lähmungserscheinungen, kein umschriebenes sensibles Defizit bei physiologischem Hirnstrombild und vaskulär keine krankhaften Veränderungen. Psychisch seien keine wesentlichen narzisstischen Faktoren oder Hinweise für eine Wesensänderung oder umschriebene Hirnleistungsschwäche vorhanden. Eine Fehlverarbeitung der Unfallfolgen in Belastungssituationen sei bei leicht regressiver Tendenz anzunehmen, was Spannungskopfschmerzen verstärke. Insgesamt liege keine organische pseudo-neurasthenische Symptomatik vor. Unter Einschluss des Knochendefekts schätzte er die Gesamt-MdE für die Dauerrente mit 20 v.H. ein. Die jetzige abnorme seelische Entwicklung mit Spannungskopfschmerzen sei unfallunabhängig.

Auf der Grundlage dieses Gutachtens gewährte die Beklagte mit Bescheid vom 26.06.1992 dem Kläger eine Dauerrente nach einer MdE von 20 v.H. unter Anerkennung der Unfallfolgen: "Restbeschwerden nach operativ behandelter Schädel-Impressionsfraktur mit Einschluss eines Knochendefektes. Nicht als Unfallfolgen wurden anerkannt: "Abnorme seelische Entwicklung mit Spannungskopfschmerz". Der Widerspruch des Klägers blieb erfolglos (Widerspruchsbescheid vom 17.09.1992). Die hiergegen erhobene Klage wurde durch das Sozialgericht Freiburg mit Urteil vom 21.04.1994 abgewiesen, die hiergegen eingelegte Berufung des Klägers wurde mit Urteil des Landessozialgerichts vom 08.05.1996 (L 2 U 1600/94) zurückgewiesen. In den Entscheidungsgründen ist ausgeführt, die MdE auf neurologischem Fachgebiet betrage 20 v.H. Der Senat stützte sich hierbei auf das vom Sozialgericht eingeholte Gutachten und die vom Senat veranlasste ergänzende Stellungnahme von Prof. Dr. D., das Gutachten von Dr. B., dem Dr. H. in seiner im Widerspruchsverfahren eingeholten Stellungnahme zugestimmt habe. Als Unfallfolge bestehe danach eine etwa zweimarkstückgroße Knochenlücke im Bereich der Schädelkalotte. Außerdem liege in der linken Schädelhälfte im Bereich des Knochendefektes eine Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit vor, was eine MdE von 20 vH rechtfertige. Auf psychiatrischem Gebiet bestehe keine unfallbedingte MdE. Das Urteil wurde rechtskräftig.

Im Rahmen einer von der Beklagten veranlassten Nachuntersuchung beurteilte Dr. K. in ihrem Gutachten vom 20.07.1999 ein chronisches, linksseitiges Kopfschmerzsyndrom sowie eine eingeschränkte psychovegetative Belastbarkeit und den Trepanationsdefekt als Unfallfolge. Eine wesentliche Änderung gegenüber den Vorbefunden sei nicht eingetreten, insoweit sei die Gesamt-MdE weiterhin mit 20 v.H. festzusetzen. Ein weiterer Bescheid der Beklagten erging nicht.

Im Zusammenhang mit einer vom Kläger beantragten Rehabilitationsmaßnahme erstattete Prof. Dr. St. das Gutachten vom 14.06.2004, wonach kein krankhafter neurologischer Befund und auch sonst keine einer Rehabilitationsmaßnahme zugängliche Gesundheitsstörung beim Kläger vorliege. Narbenkopfschmerzen könnten 14 Jahre nach dem Unfall nicht mehr vorliegen. Eine psychotherapeutische Behandlung wegen einer narzisstischen Kränkung müsse zu Lasten der zuständigen Krankenkasse gehen ebenso wie die Behandlung der geklagten Kopfschmerzen.

Am 07.03.2005 beantragte der Kläger die Erhöhung der gewährten Verletztenrente wegen Verschlimmerung der Unfallfolgen. In dem von der Beklagten eingeholten Gutachten von Dr. K. vom 01.12.2005 wurden eine leichte Schädel-Hirn-Verletzung mit Impressionsfraktur links parieto-occipital, Kalottenfraktur links bis zur Schädelbasis, kleines Epiduralhämatom links, posttraumatische Kopfschmerzsymptomatik mit psycho-physischer Minderbelastbarkeit und leichte Depressivität, Knochenlücke links hochpariental (zwei bis drei Zentimeter Durchmesser) als Unfallfolgen bezeichnet und die MdE weiterhin auf 20 v.H. eingeschätzt. Dem widersprach Prof. Dr. St. in seiner beratungsärztlichen Äußerung vom 14.03.2006. Objektivierbare Folgen des Unfalls vom 21.09.1990 lägen auf neurologischem-psychiatrischem Fachgebiet nicht vor. Die Narbenkopfschmerzen seien in der Zwischenzeit nach klinischer Erfahrung ausgeheilt. Die unfallbedingte MdE betrage weniger als 10 v.H. auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet.

Die Beklagte hörte mit Gelegenheit zur Äußerung binnen Frist den Kläger mit Schreiben vom 31.03.2006 zu ihrer Absicht an, ihm die Dauerrente zu entziehen. Mit Bescheid vom 24.04.2006 entzog die Beklagte dem Kläger die Verletztenrente ab 01.05.2006, denn die dem Dauerrentenbescheid vom 26.06.09.1992 zu Grunde liegenden Verhältnisse hätten sich geändert. Zur Zeit betrage die MdE 0 v.H.

Den hiergegen eingelegten Widerspruch des Klägers wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 23.06.2006 zurück.

Der Kläger hat am 14.07.2006 beim Sozialgericht Freiburg hiergegen Klage erhoben mit dem Begehren, Dauerrente nach einer MdE von mindestens 50 v.H. zu gewähren.

Das Sozialgericht hat das Gutachten vom 12.10.2006 eingeholt. Darin hat der Sachverständige Prof. Dr. E. u. a. das Bild einer posttraumatischen organischen psychischen Störung bzw. einer organischen Wesensänderung als Unfallfolgen bejaht, was inhaltlich früheren Bezeichnungen in Gutachten und Bescheiden entspreche und vor allem die gleichen Symptome umfasse. Eine Änderung der wesentlichen Verhältnissen liege nicht vor. Die unfallbedingte MdE betrage 20 v.H. Es bestehe Übereinstimmung mit dem Gutachten von Dr. K. vom 01.12.2005.

Mit Gerichtsbescheid vom 22.12.2006 hat das Sozialgericht die angefochtenen Bescheide aufgehoben und im Übrigen die weitergehende Klage abgewiesen. In den Entscheidungsgründen hat es sich auf das Gutachten von Prof. Dr. E. gestützt, der eine wesentliche Veränderung im Vergleich zu den dem bestandskräftigen Bescheid vom 26.06.1992 zu Grunde liegenden Verhältnissen verneint habe. Die Klage auf Gewährung einer Verletztenrente nach einer MdE um 50 v.H. sei unbegründet und deshalb insoweit abzuweisen, da nach dem Gutachten von Prof. Dr. E. eine MdE von mehr als 20 v.H. nicht vorliege.

Gegen den der Beklagten am 29.12.2006 zugestellten Gerichtsbescheid hat sie am 18.01.2007 beim Landessozialgericht Berufung eingelegt und zur Begründung ausgeführt, bereits im damals anhängigen Gerichtsverfahren im Rechtsstreit um die erstmalige Festsetzung der Dauerrente sei im Gutachten vom 30.11.1993 bestätigt worden, dass eine abnorme seelische Entwicklung mit Spannungskopfschmerzen und Rentenneurose unfallunabhängig sei. Im Gutachten von Dr. K. und Prof. Dr. E. seien Gesundheitseinschränkungen berücksichtigt, die im bisherigen Verfahren eindeutig als unfallunabhängig angesehen worden seien. Auf richterliche Hinweise führt die Beklagte aus, zwar sei auf den ersten Blick im Gutachten von Dr. B. vom 25.05.1992 keine Unfallfolge auf neurologischem Fachgebiet benannt. Doch verweise Dr. B. in dem Gutachten auf die beratungsärztliche Stellungnahme von Dr. H. vom 20.01.1992, der eine schwerwiegende Schädelverletzung mit Leistungsrückstand sowie mangelhaftes Ausdauervermögen beschreibe. Dagegen ginge Dr. H. von einer geringen MdE hinsichtlich der noch bestehenden Knochenlücke am Schädel aus. Dr. B. mache mit diesem Verweis deutlich, dass neben der unfallunabhängigen abnormen seelischen Entwicklung nach wie vor unfallbedingte neuropsychiatrische Unfallfolgen bestünden, entsprechend komme er zur Einschätzung der "Gesamt"-MdE. Da zum Zeitpunkt des angefochtenen Bescheids vom 24.04.2006 keine Unfallfolgen auf neuropsychiatrischem Fachgebiet mehr nachweisbar gewesen seien, der noch vorliegende Knochendefekt für sich alleine keine MdE in rentenberechtigendem Grade verursache, sei die Rentenentziehung rechtens. Die Formulierung von Unfallfolgen sei naturgemäß schwierig, weshalb die Umschreibung "Restbeschwerden" gewählt worden sei, deren genauer Umfang sich aus den Ausführungen des Dr. B. und Dr. H. ergebe. Die festgestellte MdE beziehe sich nicht nur auf den Schädelkalottendefekt, sondern umfasse überwiegend die Unfallfolgen auf dem neuropsychiatrischem Fachgebiet, wie sich aus der Formulierung im Dauerrentenbescheid "unter Einschluss des Knochendefekts" ergebe.

Die Beklagte beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Freiburg vom 22.12.2006 abzuändern und die Klage vollumfänglich abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er bezieht sich zur Begründung auf die Ausführungen im angefochtenen Gerichtsbescheid.

Im Termin zur Erörterung der Sach- und Rechtslage am 22.06.2007 haben die Beteiligten nach wechselseitigen Vorbringen sich übereinstimmend mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Der Senat hat die Verwaltungsakte der Beklagten und die Gerichtsakte des Sozialgerichts Freiburg beigezogen. Auf diese Unterlagen und die beim Senat angefallene Akte im Berufungsverfahren wird wegen weiterer Einzelheiten verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gem. §§ 143, 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) statthafte Berufung der Beklagten, über die der Senat mit Einverständnis der Beteiligten gem. § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung hat entscheiden können, ist auch im Übrigen zulässig.

Die Berufung ist jedoch nicht begründet. Der angefochtene Gerichtsbescheid ist nicht zu beanstanden. Gegenstand des Berufungsverfahrens ist nur noch die Entscheidung der Beklagten über die Entziehung der dem Kläger mit Bescheid vom 26.06.1992 gewährten Dauerrente. Insoweit ist der angefochtene Bescheid der Beklagten vom 24.04.2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 23.06.2006 rechtswidrig und verletzt den Kläger in seinen Rechten.

Im vorliegenden Fall sind vom Grundsatz her nicht die zum 01.01.1997 in Kraft getretenen Vorschriften des Siebten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB VII; BGBl I S. 1254) anzuwenden, denn Gegenstand des Rechtsstreit ist eine Leistungsgewährung aus einem vor diesem Zeitpunkt eingetretenen Versicherungsfall (vgl. §§ 212, 214 Abs. 3 SGB VII). Deshalb finden noch die bis zum 31.12.1996 geltenden Vorschriften der Reichsversicherungsordnung (RVO) Anwendung. Die Vorschriften des neuen Rechts über das Verfahren und bei Änderung von Renten sind dagegen auch auf diese Versicherungsfälle anzuwenden (§ 214 Abs. 3 Satz 2, Abs. 4 SGB VII).

Nach § 48 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) X ist, soweit in den tatsächlichen oder rechtlichen Verhältnissen, die beim Erlass eines Verwaltungsaktes mit Dauerwirkung vorgelegen haben, eine wesentliche Änderung eintritt, der Verwaltungsakt mit Wirkung für die Zukunft aufzuheben. Ob eine wesentliche Änderung der Verhältnisse, die bei Erlass des Dauerrentenbescheids vorlagen, eingetreten ist, ist durch einen Vergleich der für die letzte Feststellung maßgebenden Verhältnisse mit denjenigen zu ermitteln, die bei der Neufeststellung vorliegen. Nach dem die Änderung von Renten betreffenden und daher auch auf Altfälle anwendbaren § 73 Abs. 3 SGB VII ist bei der Feststellung der MdE eine Änderung im Sinne von § 48 Abs. 1 SGB X nur dann wesentlich, wenn sie mehr als 5 v.H. beträgt. Dies entspricht im übrigen der schon bisherigen Rechtsprechung (vgl. BSGE 32, 245) zu den gesetzlichen Regelungen des Dritten Buches der Reichsversicherungsordnung (RVO). Die Entziehung einer Rente ist ein belastender Verwaltungsakt. Insoweit trägt die Beklagte die Beweislast dafür, dass die Voraussetzungen der ihr Verwaltungshandeln rechtfertigenden Ermächtigungsnorm für den verfügten Eingriff in Rechte des Versicherten vorgelegen haben.

Nach diesen Grundsätzen lässt sich eine wesentliche Änderung der tatsächlichen Verhältnisse - vorliegend eine wesentliche Änderung der rentenberechtigenden MdE um 20 v.H. (vgl. § 581 Abs. 1 Nr. 2 RVO bzw. § 56 Abs. 1 Satz 1 SGB VII) zur Überzeugung des Senats nicht feststellen. Dies ergibt sich aus dem Vergleich der auf der Grundlage der Gutachten von Dr. B., Dr. H. und Prof. Dr. D. mit Bescheid vom 26.06.1992 festgestellten Unfallfolgen, soweit diese im rechtskräftigen Urteil des Landessozialgerichts vom 08.05.1996 mit einer MdE um 20 v.H bestätigt worden sind, mit dem gegenwärtigen Unfallfolgenzustand.

Als Unfallfolgen sind im Dauerrentenbescheid der Beklagten vom 26.06.1992 "Restbeschwerden nach operativ behandelter Schädel-Impressionsfraktur mit Einschluss eines Knochendefektes" anerkannt. Erst der Widerspruchsbescheid vom 17.09.1992 enthält Ausführungen zu den funktionellen Einschränkungen, indem auf die medizinischen Feststellungen zur unfallbedingten MdE in dem Gutachten von Dr. B. vom 25.05.1992 und zur im Widerspruchsverfahren eingeholten beratungsärztlichen Stellungnahme von Dr. H. vom 31.07.1992 verwiesen wird.

Danach lag dem Dauerrentenbescheid maßgeblich der Befund von Dr. B. zu Grunde, der auf psychiatrischem Gebiet eine von ihm diagnostizierte abnorme seelische Entwicklung mit Spannungskopfschmerzen als unfallunabhängig beurteilte. Ebenso wenig fand sich eine umschriebene Hirnleistungsschwäche. Leistungseinschränkende Defizite, wie Gedächtnisstörungen, Konzentrationsausfälle oder Ermüdungszeichen waren durch eine testpsychologische Untersuchung ausgeschlossen worden. Aus neurologischer Sicht beschrieb Dr. B. einen reizfreien Schädelkalottendefekt ohne umschriebene Schmerzhaftigkeit, ein solcher ließ sich während der gesamten Untersuchung nicht auslösen. Auch bestand kein sensibles Defizit oder vaskulär eingetretene krankhafte Veränderungen. Zusammenfassend bezeichnete er als wesentliche Unfallfolgen den Schädelkalottendefekt, der auf Baustellen einen Schwachpunkt darstellt. Durch Tätigkeiten mit Schutzhelm, der der Polsterung bedarf, könne bei Gefährdungslagen je nach Arbeitsablauf ein gewisser Schutz gewährt werden, weitere wesentliche Einschränkungen bestanden nach der Beurteilung von Dr. B. aus Sicht seines Fachgebiets nicht. Dieser Beurteilung stimmte Dr. H. in seiner beratungsärztlichen Stellungnahme vom 31.07.1992 - wie auch in seiner im Zusammenhang mit Rehabilitationsverfahren eingeholten Stellungnahme vom 6.10.1992 - ausdrücklich zu, indem er die von Dr. B. auf regressive Tendenzen rückführbare Fehlentwicklung ebenfalls als unfallunabhängig und die damit einhergehenden, auf sekundären Muskelverspannungen beruhenden Spannungskopfschmerzen ebenso als unfallunabhängig bewertete. Eine andere Bewertung der Unfallfolgen ergibt sich auch nicht aus dem im damaligen sozialgerichtlichen Verfahren eingeholten Gutachten von Prof. Dr. D. vom 30.11.1993 und seiner im Berufungsverfahren dem Landessozialgericht vorgelegten ergänzenden Stellungnahme vom 15.02.1996. Die anderweitig diagnostizierten Minderleistungen des Klägers, die zumindest teilweise auch bei der Untersuchung durch Prof. Dr. D. als psychischer Befund erhoben worden waren, führte dieser in seiner ergänzenden Stellungnahme gerade nicht auf das Unfallereignis zurück, auch wenn teilweise durch anderweitige psychologische Tests Aufmerksamkeitsdefizite belegt wurden. Gegen einen Unfallzusammenhang sprach für den Sachverständigen, dass neurologische Auffälligkeiten auch nach den technischen Zusatzuntersuchungen fehlten und wesentlich bessere Reaktionszeiten in der Rehaklinik in Bad K. erhoben worden sind. Diesen und den Ausführungen von Dr. B. und Dr. H. folgend hatte das Landessozialgericht in seinem Urteil vom 08.05.1996 die auf neurologischem Fachgebiet angenommene MdE von 20 v.H. auf die Knochenlücke im Bereich der Schädelkalotte und die im Bereich des Knochendefektes bestehende Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit gestützt.

Entgegen der von der Beklagten vertretenen Auffassung ergeben sich aus den genannten gutachtlichen Äußerungen zum Dauerrentenbescheid keine Hinweise darauf, dass der MdE-Einschätzung Unfallfolgen neuropsychiatrischer Art zugrundeliegen. Zum einen kann der Senat auf der von der Beklagten angegebenen Seite 12 des Gutachtens von Dr. B. vom 25.05.1992 (Blatt 262 der Verwaltungsakte) keinen Verweis auf weitere Unfallfolgen entnehmen. Dr. B. erwähnt die zur Gewährung einer vorläufigen Rente ergangene Stellungnahme von Dr. H., der auf Widersprüchlichkeiten bei der Zuordnung verschiedener Untersuchungsbefunde verschiedener Untersucher hinweist, und bestätigt diese Widersprüche in den Vorbefunden. Mehr ist diesem Zitat nicht zu entnehmen. Zum anderen warf Dr. H. in diesem Zusammenhang die Frage auf, ob die Widersprüche Zeichen einer unfallunabhängigen Fehlentwicklung sind oder Leistungsrückstände und Ausdauervermögen der Schädelverletzung zugeordnet werden müssen. Nach dem Ergebnis der Untersuchung von Dr. B. könnte sich seine zum Ausdruck gebrachte Bestätigung der von Dr. H. aufgedeckten Widersprüchlichkeiten inhaltlich nur auf die Einschätzung der unfallunabhängigen Persönlichkeitsentwicklung beziehen, hirnorganische Leistungsminderungen hatte Dr. B. auf Grund seiner eigenen Untersuchung gerade ausgeschlossen. Ebenso wenig kann aus der Formulierung einer "Gesamt"-MdE oder der Bezeichnung "Restbeschwerden ...unter Einschluss des Knochendefektes" geschlossen werden, dass noch von weiteren Unfallfolgen ausgegangen worden ist. Die geltend gemachten Kopfschmerzen wurden in den für die bestandskräftige Dauerrentenentscheidung maßgeblichen medizinischen Beurteilungen nicht als Unfallfolgen eingestuft. Ebenso wurden Leistungsminderungen durchgehend der unfallunabhängigen Persönlichkeitsentwicklung des Klägers zugeschrieben. Der zu einer MdE von mehr als 20 v.H. führenden Beurteilung von Dr. H. lagen die von ihm angenommenen Leistungseinschränkungen zu Grunde und sie erging zu der anstehenden Entscheidung über die Gewährung einer vorläufigen Rente, bei der auch gewisse Unsicherheiten in der kausalen Zuordnung bestehender Gesundheitsstörungen in Kauf genommen wurden. Diese Einschätzung spielte aber nach dem eindeutigen Befund von Dr. B. bei der Gewährung der Dauerrente keine Rolle mehr. Letztlich erklärt sich der verwendete Begriff einer Gesamt-MdE aus dem Umstand, dass Erwägungen auf unfallchirurgischem und neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet zur Ermittlung der unfallbedingten MdE anzustellen waren. Aus der gleichen Überlegung und zur Abgrenzung der weitergehenden Berücksichtigung von Unfallfolgen im Rahmen der gewährten vorläufigen Rente wurden im Dauerrentenbescheid die Unfallfolgen mit "Restbeschwerden" bezeichnet und wurde zur Klarstellung, dass nicht nur die Fraktur, sondern auch die noch bestehende Knochenlücke berücksichtigt wurde, die weitere Formulierung "unter Einschluss des Knochendefektes" gewählt. Weitergehende Schlussfolgerung können nach Überzeugung des Senats hieran nicht geknüpft werden. Welche sonstigen neuropsychiatrischen Unfallfolgen nach Auffassung der Beklagten noch vorgelegen haben und bei der MdE-Bewertung berücksichtigt worden sein sollen, ist von der Beklagten nicht konkretisiert worden.

Eine Änderung der sonach hauptsächlich durch den Knochendefekt verursachten erwerbsmindernden Verhältnisse ist dem Gutachten von Prof. Dr. St. vom 14.3.2006, auf das sich die Beklagte stützt, nicht zu entnehmen. Der Knochendefekt besteht nach wie vor. Der von Prof. Dr. St. verneinte Zusammenhang der geltend gemachten Kopfschmerzen war bereits in der Dauerrentenentscheidung der Beklagten gewürdigt worden, indem Spannungskopfschmerzen ausdrücklich als Unfallfolgen ausgeschlossen worden waren. Narbenkopfschmerzen sind von Dr. B., Dr. H. und Prof. Dr. D. nicht beschrieben worden. Es ist deshalb auch nicht streitentscheidend, ob von Spannungskopfschmerzen oder von Narbenkopfschmerzen, wie dies Prof. Dr. St. gesehen hat, ausgegangen wird. Ebenso wenig ist die Verneinung des unfallbedingten Zusammenhangs einer Persönlichkeitsänderung mit depressiven Tendenzen geeignet, eine wesentliche Änderung des maßgeblichen Unfallfolgezustands zu begründen. Fehlentwicklungen der Persönlichkeit wurden nicht als Unfallfolge festgestellt. Auch Leistungsminderungen wurden als Unfallfolgen verneint und gingen in die MdE-Bewertung zur Gewährung der Dauerrente nicht ein. Es ist deshalb unerheblich, wenn Prof. Dr. St. in seinem Gutachten vom 14.03.2006 davon ausgeht, dass keine Hinweise für eine Depression und auf ein hirnorganisches Psychosyndrom mit Leistungsminderung beim Kläger vorliegen.

Die vom 2. Senat im Urteil vom 08.05.1996 als Unfallfolge mitbewertete Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit im Bereich des Knochendefektes, die abgesehen von einer Klopfdolenz bei Prof. Dr. D. von keinem anderen Arzt beschrieben wurde, vielmehr von Dr. B. sogar ausgeschlossen worden war, wird auch in keinem der Dauerrentengewährung nachfolgenden Gutachten als Unfallfolge angeführt. Allenfalls im Gutachten von Dr. E. finden sich solches als Beschwerdevorbringen des Klägers. Ob diesbezüglich eine Änderung eingetreten ist, lässt der Senat offen. Offenkundig ist die Nichtberücksichtigung einer Druck- und Klopfschmerzhaftigkeit zum Zeitpunkt des Erlasses des Dauerrentenbescheids aus der Bezugnahme auf das Gutachten von Dr. B., deshalb kommt dem Wegfall einer solchen als Unfallfolge angesehenen Funktionsbehinderung nicht die Wertigkeit einer "wesentlichen" Änderung i. S. v. § 48 SGB X zu. Die MdE von 20 v.H. beruhte hauptsächlich auf der besonderen Verletzlichkeit der Knochenlücke. Die integrierende Berücksichtigung einer noch hinzutretenden - fraglichen - Schmerzhaftigkeit im Berufungsverfahren vor dem Landessozialgericht war für die MdE von 20 v.H. nicht bestimmend. Weder den Bescheiden noch dem Urteil vom 08.05.1996 ist etwas anderes zu entnehmen. Eine Änderung um mehr als 5 v.H., was allein eine wesentliche Änderung begründet, wäre mit dem Wegfall der Druck- und Klopfdolenz nicht zu begründen.

Bei dieser Ausgangslage ist die für den Bereich der Versorgungsverwaltung entwickelte Vermutungsregel (vgl. 9. Senat des Bundessozialgerichts, Urteil vom 10.02.1993 -9/9a RVs 5/91 -, SozR 3-1300 § 48 Nr. 25), dass bei einer geringeren Bewertung nachteiliger Auswirkungen eines regelwidrigen körperlichen, geistigen oder seelischen Zustandes als in einem einige Zeit vorher erlassenen Verwaltungsakt zu vermuten sei, dass die Auswirkungen tatsächlich geringer und nicht ursprünglich unrichtig bewertet worden sind, nicht anwendbar. Eine konkrete Umschreibung der bewerteten funktionellen Beeinträchtigungen liegt vor. Die von Prof. Dr. St. angenommene Änderung der Verhältnisse beruht auf dem Vergleich des von ihm erhobenen Befundes mit einem unzutreffend angenommenen ursprünglichen Unfallfolgezustand, den Kopfschmerzen, unter Bezugnahme auf das hierfür auch nicht maßgebende Gutachten von Dr. K ... Bereits der Neurologe und Psychiater Dr. B. ging im Gutachten vom 25.05.1992 für sein Fachgebiet davon aus, dass außer dem Schädelkalottendefekt keine weiteren wesentlichen Einschränkungen auf seinem Fachgebiet bestehen, was mit der Einschätzung von Prof. Dr. St., Unfallfolgen auf neurologisch-psychiatrischem Fachgebiet lägen nicht - mehr - vor, übereinstimmt. Inwieweit die darauf gestützte MdE-Einschätzung Dr. B. von 20 v.H. fehlerhaft war, kann dahinstehen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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