L 9 U 1382/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 6 U 151/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 U 1382/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Die Revision wird zugelassen.

Tatbestand:

Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob es sich bei dem Ereignis vom 2.8.2003 um einen Arbeitsunfall handelt.

Der 1971 geborene Kläger hielt sich nach seinen Angaben gegenüber der Beklagten vom 3.10.2003 ab 1. August 2003 urlaubshalber bei seinen Eltern in G. auf. Am Abend des 1.8.2003 machte er einen Kneipenbummel und begab sich zuletzt gegen 3:30 Uhr in den D.keller. Dort saß er an einem Tisch mit drei weiteren Personen, die er vom Sehen her aus einer anderen Gaststätte kannte. Nach einiger Zeit bemerkte er einen Gast, den Zeugen R., der ein Porträt einer asiatisch aussehenden Frau, der Zeugin G., zeichnete. Ferner beobachtete er einen "Farbigen", den späteren Täter V., der in der Nähe des Eingangs auf einem Barhocker Platz nahm. Dieser begab sich dann zu G., redete auf sie und R. ein, wobei es neben der verbalen Auseinandersetzung auch zu körperlichem Anfassen und Wegzerren kam. Nachdem sich zwei am Tisch des Klägers sitzende Frauen, die Zeuginnen K. und M., eingemischt und V. zu verstehen gegeben hatten, er möge G. zufrieden lassen, erhob sich auch den Kläger von seinem Platz, drängte V. von den Frauen etwas weg und redete auf ihn an, was letztlich dazu führte, dass V. und die anderen Beteiligten an ihre Plätze zurückkehrten. Da die beiden Frauen K. und M. erreichen wollten, dass sich V. bei G. entschuldige, gab es eine erneute lautstarke Auseinandersetzung mit V., bei der der Kläger erneut schlichtend eingriff. Da V. die Szene zwischen der G. und R. weiter beobachtete und der Kläger nach seinen Angaben befürchtete, dass sich eine Eifersuchtsszene entwickeln und es nach dem Schließen des Lokals zu Schwierigkeiten kommen könnte, ging er erneut zu V. und bedeutete ihm, dass es für alle am besten wäre, wenn er die Gaststätte verlassen würde. Er drängte V. sodann mit leichtem Körpereinsatz nach draußen.

Nach ca. 10 bis 15 Minuten kam V. mit zwei ca. 30 cm langen Küchenmessern erneut in den D.keller und verletzte den Kläger im Bereich des rechten Ellenbogengelenks, wobei die Hauptschlagader getroffen wurde. Anschließend verletzte er noch drei weitere Gäste.

Durch Urteil des Landgerichts (LG) Braunschweig vom 15.1.2004 wurde V., bei dem ein Blutalkohol von 2,77 Promille festgestellt worden war, wegen gefährlicher Körperverletzung in vier Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt und seine Unterbringung in einer Entziehungsanstalt angeordnet. In den Gründen des Urteils ist zum Tatgeschehen folgendes festgehalten: Nachdem der Zeuge R. das Portrait (von G.) fertig gestellt hatte, ging der Angeklagte auf die Zeugin G. zu und forderte sie unter dem Hinweis darauf, dass sie "seine Frau" sei, auf, nach Hause zu gehen. Hiermit war die Zeugin G. nicht einverstanden. Daraufhin packte der Angeklagte die Zeugin am Arm, schmiss sie zu Boden und trat nach ihr. Hierdurch erlitt die Zeugin vielfache Hämatome. Die anwesenden Gäste fühlten sich angesichts des Verhaltens des Angeklagten zum Eingreifen veranlasst. Die Zeuginnen K. und M. brachten die völlig konsternierte Zeugin G. aus dem Lokal. Die Zeugen A. (der Kläger) und B. gingen auf den Angeklagten zu und ermahnten ihn auf freundschaftliche Art, sein Verhalten einzustellen. Darauf ging der Angeklagte - wenn auch latent trotzig - ein. Die Zeuginnen G., K. und M. kamen später erneut in das Lokal zurück. Sie unterhielten sich und tanzten - vom Angeklagten missbilligend beobachtet - ein wenig. Die Zeugin K. ging dann auf den Angeklagten zu und forderte diesen auf, sich bei der Zeugin G. zu entschuldigen. Das tat der Angeklagte auch widerstrebend. Der Zeugin K. genügte die Entschuldigung indes nicht. Sie wünschte, dass der Angeklagte der Zeugin G. auch in die Augen schaut. Hierüber kam es im Bereich der Theke zu Diskussionen. Dies missverstand der Zeuge A. (der Kläger). Er ging davon aus, dass der Angeklagte erneut herumpöbelte. Er forderte einen Angestellten des Lokals auf, die Polizei zu rufen. Ferner ging er zu dem Angeklagten und bat ihn im ruhigen Ton, besser das Lokal zu verlassen, bevor die Polizei erscheint. Der erheblich alkoholisierte Angeklagte, der den Streit mit der Zeugin G. mentalitätsbedingt als eine rein private Angelegenheit zwischen Mann und Frau ansah, in die ein Außenstehender sich keinesfalls einzumischen hatte, reagierte wütend. Es kam zu einem Handgemenge mit dem Zeugen A. (dem Kläger). Der Zeuge A. schob den Angeklagten nunmehr in Richtung Ausgang, wobei der Angeklagte hierbei hinfiel, dann aber auf weiteren sanften Druck des Zeugen A. die Treppe hinaufging und das Lokal verließ ...

Am 3.9.2003 beantragte der Kläger beim Niedersächsischen Landesamt für Soziales, Jugend und Familie Beschädigtenversorgung nach dem Opferentschädigungsgesetz (OEG). Dieses anerkannte mit Bescheid vom 12.1.2005 als Schädigungsfolgen: Sensomotorische Gebrauchseinschränkung beider Hände mit Narben an der linken Hand, am rechten Ellenbogen, neben dem linken Schultergelenk und an der linken Leiste und gewährte dem Kläger ab 1.8.2003 eine Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 40 vH bzw. 50 vH unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit.

Am 23.9.2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten die Gewährung von Leistungen. Diese hörte den Kläger am 3.10.2003 persönlich an und zog die Akten des Strafverfahrens gegen den Täter bei.

Mit Bescheid vom 27.1.2004 lehnte die Beklagte die Anerkennung des Unfalls vom 2.8.2003 als Versicherungsfall in der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Zur Begründung führte sie aus, der geforderte zeitliche Zusammenhang zwischen dem zu den Körperschäden führenden Ereignis und einer eventuellen Hilfeleistung sei nicht gegeben. Hierbei müsse nicht weiter geprüft werden und könne völlig außer Acht gelassen werden, ob überhaupt im Vorfeld ein Hilfeleistungstatbestand im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 13a SGB VII vorgelegen habe, da diese Handlung im Zeitpunkt des schädigenden Ereignisses bereits abgeschlossen gewesen sei. Den Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 14.12.2004 zurück.

Hiergegen erhob der Kläger am 10.1.2005 Klage zum Sozialgericht (SG) Stuttgart, mit der er die Anerkennung des Ereignisses vom 2.8.2003 als Arbeitsunfall weiter verfolgte. Er führte aus, er habe bei einem Not- bzw. Unglücksfall geholfen, um Gefahren abzuwehren. Die Nothilfelage sei auch noch nicht beendet gewesen. Der Angriff des Täters auf ihn sei ausschließlich auf Grund des Umstandes erfolgt, dass er zuvor Hilfe geleistet habe. Im Erörterungstermin am 14.10.2005 betonte er erneut, sein ganzes damaliges Verhalten sei von der Absicht einer Gefahrenabwehr und Deeskalation geprägt gewesen.

Durch Urteil vom 27.1.2006 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es aus, es handele sich bei der versicherten Tätigkeit um eine Nothilfe im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII, geprägt durch das Bemühen um Rettung eines anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit. Es könne dahingestellt bleiben, ob daneben noch die unter c) erwähnte Variante eines persönlichen Einsatzes zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen greifen könnte, da sich auch hier bei der Prüfung kein abweichendes Ergebnis ergäbe. Der hilfeleistende - und damit unter Versicherungsschutz stehende - Tatbeitrag des Klägers sei nämlich spätestens zu dem Zeitpunkt beendet gewesen, als der Täter auch auf Grund der Einwirkung des Klägers das Lokal verlassen habe. Dass der Kläger sich nachfolgend wieder im Lokal niedergelassen habe, sei nicht mehr vom Versicherungsschutz umfasst gewesen, auch wenn sich der Täter aus Rachsucht zur Tat entschlossen habe. Zum Zeitpunkt der Tat habe beim Kläger kein konkreter Hilfeleistungswille mehr bestanden. Auf die Entscheidungsgründe im Übrigen wird Bezug genommen.

Gegen das am 27.2.2006 zugestellte Urteil hat der Kläger am 20.3.2006 Berufung eingelegt und vorgetragen, seine Verletzung stelle sich, unabhängig von einer genauen zeitlichen Bestimmung, als ein Sonderopfer dar. Hätte er der Freundin des Täters in ihrer Notsituation keine Hilfe geleistet, wäre er nicht Opfer des Täters geworden. Bei der Frage, ob eine versicherte Tätigkeit ausgeübt worden sei, sei insbesondere der zeitliche Zusammenhang weit auszulegen, um dem Schutzzweck der Norm Genüge zu tun. Die versicherte Tätigkeit sei zu dem Zeitpunkt des Angriffs des Täters auf ihn noch nicht völlig beendet, sondern lediglich unterbrochen gewesen und habe mit dem Erscheinen des Täters wieder aufgelebt.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Stuttgart vom 27. Januar 2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 27. Januar 2004 in Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 14. Dezember 2004 aufzuheben und das Ereignis vom 2. August 2003 als Arbeitsunfall anzuerkennen und hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen und hilfsweise, die Revision zuzulassen.

Sie erwidert, bereits im Klageverfahren habe sie darauf hingewiesen, dass ein Helfer nur als positiv Handelnder unter Versicherungsschutz stehe. In einer Entscheidung des Landessozialgerichts Baden-Württemberg vom 8.12.1954 - II Ua 263/52 - sei bereits entschieden worden, dass ein allgemeiner Rechtsgrundsatz des Inhalts, dass jeder, der in wohlgemeinter Absicht sich um fremde Angelegenheiten kümmere, dabei unter gesetzlichen Unfallversicherungsschutz stehe, sich aus § 537 Nr. 5 Reichsversicherungsordnung (RVO) a. F. nicht herleiten lasse. Dies werde durch die BSG-Rechtsprechung - u. a. BSG vom 2.11.1999 - B 2 U 42/98 - bestätigt, wo festgestellt werde, dass nur ein aktives Handeln zu Gunsten eines Dritten, also eine auf seine Rettung abzielende Unternehmung, versichert sei. Die versicherte Tätigkeit des Klägers sei spätestens mit dem Verweis des Täters aus der Gaststätte beendet gewesen.

Zur weiteren Darstellung des Tatbestandes wird auf die Akten der Beklagten, des SG sowie des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgemäß eingelegte Berufung des Klägers ist zulässig. Berufungsausschließungsgründe nach § 144 Sozialgerichtsgesetz (SGG) liegen nicht vor.

Die Berufung des Klägers ist jedoch nicht begründet. Das angefochtene Urteil des SG sowie die angefochtenen Bescheide der Beklagten sind nicht zu beanstanden, da der Kläger keinen Anspruch auf Anerkennung des Ereignisses vom 2.8.2003 als Arbeitsunfall hat.

Nach § 8 Abs. 1 Satz 1 Sozialgesetzbuch (SGB) VII sind Arbeitsunfälle Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeit (versicherte Tätigkeit).

Für das Vorliegen eines Arbeitsunfalls ist in der Regel erforderlich, dass das Verhalten des Versicherten, bei dem sich der Unfall ereignet hat, einerseits der versicherten Tätigkeit zuzurechnen ist, und dass diese Tätigkeit andererseits den Unfall herbeigeführt hat. Zunächst muss also eine sachliche Verbindung mit der im Gesetz genannten versicherten Tätigkeit bestehen, der innere bzw. sachliche Zusammenhang, der es rechtfertigt, das betreffende Verhalten der versicherten Tätigkeit zuzurechnen. Der innere Zusammenhang ist wertend zu ermitteln, indem untersucht wird, ob die jeweilige Verrichtung innerhalb der Grenzen liegt, bis zu denen der Versicherungsschutz in der gesetzlichen Unfallversicherung reicht. Für die tatsächlichen Grundlagen dieser Wertentscheidung ist der volle Nachweis zu erbringen; bei vernünftiger Abwägung des Gesamtergebnisses des Verfahrens muss der volle Beweis für das Vorliegen der versicherten Tätigkeit als erbracht angesehen werden können. Es muss also sicher feststehen, dass im Unfallzeitpunkt eine - noch - versicherte Tätigkeit ausgeübt wurde (BSG, Urt. vom 10.10.2002 - B 2 U 8/02 m. w. N. in JURIS).

In Betracht kommen, wie das SG zutreffend dargelegt hat, als versicherte Tätigkeiten zum einen die nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst. a SGB VII, wonach Personen versichert sind, die bei Unglücksfällen oder gemeiner Gefahr oder Not Hilfe leisten oder einen anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit retten, und zum anderen die nach § 2 Abs. 1 Nr. 13 Buchst c SGB VII, wonach Personen versichert sind, die sich zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen persönlich einsetzen. Diese Vorschriften entsprechen dem bis zum Inkrafttreten des SGB VII geltenden Recht des § 539 Abs. 1 Nr. 9 Buchst. a und c Reichsversicherungsordnung (RVO), sodass die hierfür einschlägige Rechtsprechung und Literatur zur Auslegung dieser Vorschriften weiter herangezogen werden kann.

Von den alternativen Tatbeständen des § 2 Abs. 1 Nr 13 a SGB VII scheiden das Hilfeleisten bei Unglücksfällen oder bei gemeiner Gefahr oder Not aus, da der Streit zwischen V. und der Zeugin G., der den Kläger zum Eingreifen veranlasste, weder ein Unglücksfall i.S. eines plötzlich eintretenden Ereignisses mit einem Schaden oder einer nahe liegende Möglichkeit (erhebliche Gefahr) für einzelne oder mehrere Personen oder auch Sachen war (Ricke in Kasseler Kommentar, Stand März 2007, § 2 SGB VII Rdnr. 64), noch eine gemeine Gefahr bzw. Not begründete, die gegeben sind, wenn die Allgemeinheit, das heißt eine Mehrzahl von Personen oder Sachen bedroht sind oder sich in einer allgemeinen Zwangslage befinden. Die Rettung eines anderen aus erheblicher gegenwärtiger Gefahr für seine Gesundheit (§ 2 Abs. 1 Nr. 13 a 2. Tatbestandsalternative) setzt voraus, dass zum Zeitpunkt der Rettungshandlung noch erhebliche akute Gefahren drohen müssen. Erheblich ist die Gefahr, wenn sie so groß ist, dass mit ihrem Beseitigen auf andere Weise als durch Eingreifen des Retters im Augenblick des Handelns nicht zu rechnen ist (Lauterbach, Unfallversicherung, Stand Januar 1996, § 539 RVO Rdnr. 59 Buchst. c).

Eine Hilfeleistung, d. h. ein bewusstes aktives Tun des Klägers, mit dem Willen, eine drohende oder bestehende Gefahr für die Gesundheit von G. abzuwenden, lag vor, als er sich in die Auseinandersetzung zwischen V. und G. einmischte, nachdem es zu körperlichen Aggressionen des V. gegenüber G. (Anfassen, Wegzerren, zu Boden werfen und nach G. treten) gekommen war. Auch als der Kläger nochmals eingriff, als die Zeuginnen K. und M. von V. verlangten, sich bei G. zu entschuldigen, lag aus seiner subjektiven Sicht nach den objektiven Umständen (V. näherte sich wieder G., es kam wieder zu einem erheblichen Wortwechsel an der Theke des Lokals) eine Rettungsabsicht vor. Ebenso kann auch das Hinausdrängen des V. aus dem Lokal noch als Rettungshandlung zu Gunsten von G. gewertet werden, um einen erneuten Angriff von V. auf G. zu verhindern. Fraglich könnte jedoch sein, ob die Gefahr für die Gesundheit von G. so groß bzw. erheblich war, dass diese nicht anders als durch das Eingreifen des Klägers hätte beseitigt werden können. Die Beantwortung dieser Frage kann der Senat jedoch - ebenso wie die Beklagte und das SG - dahinstehen lassen.

Auch wenn diese Frage bejaht würde, übte der Kläger zum Zeitpunkt des Angriffs des V. auf ihn keine versicherte Tätigkeit mehr aus, da er zu diesem Zeitpunkt weder G. noch eine andere Person aus einer gegenwärtigen erheblichen Gefahr für deren Gesundheit rettete oder retten wollte. Der Senat entnimmt sowohl den Angaben des Klägers als auch den Feststellungen des Landgerichts Braunschweig im Urteil vom 15.1.2004, dass der Kläger im Zeitpunkt der Rückkehr des V. in das Lokal von der Treppe aus gesehen am hintersten Tisch links saß und den Eintritt des V. nicht beobachtet hatte. Er konnte sich nach eigenen Angaben nur noch daran erinnern, dass plötzlich ein Gläsergeklirr zu hören war und er dann auch schon einen stechenden Schmerz im rechten Unterarm verspürte. Es fehlen auch sämtliche Hinweise darauf, dass der Kläger nach Hinausdrängen des V. im wesentlichen deshalb weiter im Lokal blieb, weil er mit der Rückkehr des V. rechnete und G. vor V. schützen und diese nach Hause begleiten wollte. Da die Rettungshandlung des Klägers abgeschlossen war, stand er zum Zeitpunkt des Angriffs von V. auf ihn nicht unter Unfallversicherungsschutz. Zwar mag es sein, dass V., der im übrigen nicht nur den Kläger, sondern drei weitere Person verletzte, primär den Kläger angriff, weil er ihn aus dem Lokal hinausgedrängt und sich schon zuvor in die Auseinandersetzung zwischen V. und G. eingemischt hatte. Dies ändert aber nichts daran, dass eine versicherte Tätigkeit nicht mehr ausgeübt wurde, denn Voraussetzung für den Unfallversicherungsschutz ist ein drohender Schaden, d. h. eine akute Gefahr und eine gegenwärtige Rettungshandlung. So hat das BSG entschieden, dass Sinn der Vorschrift des § 2 Abs. 1 Nr. 13 a SGB VII sei, Versicherungsschutz nur zu gewähren, solange ein Unglücksfall mit seinen unmittelbaren Schadensfolgen noch nicht abgeschlossen ist; es muss in diesem Sinne noch ein weiterer Schaden drohen (BSG SozR Nr. 39 zu § 539 RVO und SozR 2200 § 539 Nr. 103). Dies bedeutet im vorliegenden Fall, dass die akute Gefahr für G. bzw. eine andere Person und die Rettungshandlung des Klägers noch hätten andauern müssen, damit der Senat eine versicherte Tätigkeit bzw. einen Unfallversicherungsschutz des Klägers hätte bejahen können.

Der Versicherungsschutz für den Kläger lässt sich auch nicht aus § 2 Abs. 1 Nr. 13 c SGB VII begründen. Nach der hier ausschließlich in Betracht kommenden 2. Tatbestandsalternative ist versichert, wer sich zum Schutz eines widerrechtlich Angegriffenen einsetzt. Rechtswidrig ist jeder Angriff, zu dessen Duldung der Angegriffene nicht verpflichtet ist. Um dem Sinn und Zweck der Vorschrift zu entsprechen, kommt es auch nicht auf das objektive Vorliegen eines Angriffs oder der Widerrechtlichkeit an, sondern es genügt, wenn der Handelnde nach den erkennbaren Gesamtumständen von einem widerrechtlichen Angriff ausgeht. Entweder objektiv oder in der begründeten Vorstellung des Handelnden muss ein Angriff vorliegen (vgl. Richter in LPK-SGB VII, § 2 Rdnr. 153).

Eine Nothilfe im Sinne dieser Vorschrift war gegeben, als der Kläger sich in die Auseinandersetzung zwischen V. und G. einmischte, nachdem es zu körperlichen Aggressionen des V. gegenüber G. (Anfassen, Wegzerren, zu Boden werfen und nach G. treten) gekommen war. Auch als der Kläger nochmals eingriff, als die Zeuginnen K. und M. von V. verlangten, sich bei G. zu entschuldigen, lag aus seiner subjektiven Sicht nach den objektiven Umständen (V. näherte sich wieder G., es kam wieder zu einem erheblichen Wortwechsel an der Theke des Lokals) eine schützende Handlung des Klägers zugunsten von G. vor.

Der widerrechtliche Angriff auf die dritte Person muss aber gegenwärtig sein, das heißt entweder stattfinden oder zumindest unmittelbar bevorstehen. Ist der Angriff bereits endgültig abgeschlossen und eine Fortsetzung nicht mehr zu erwarten, ist eine Hilfeleistung nicht mehr erforderlich (Lauterbach, Unfallversicherung SGB VII , 4. Auflage, Stand März 2000, § 2 Rdnr. 486). Eine Rachehandlung des widerrechtlich Angreifenden nach Abschluss des Angriffs auf die dritte Person gegen den Nothelfer bleibt danach unversichert (Richter aaO Rdnr 154).

Im Zeitpunkt der Rückkehr des V. in das Lokal waren die Angriffe des V. auf G., in welche der Kläger zugunsten der G. zuvor eingegriffen hatte, abgeschlossen. Eine Fortsetzung war nicht mehr zu erwarten und eine Hilfeleistung des Klägers nach den bereits dargelegten Umständen im Zeitpunkt der Verletzung des Klägers durch V. auch nicht gegeben. Ein Versicherungsschutz des Klägers scheidet daher aus. Dies gilt auch unter Berücksichtigung der Tatsache, dass V. nach den Feststellungen des Landgerichts Braunschweig nach dem Herausdrängen aus dem Lokal durch den Kläger auf "Wiederherstellung seiner Ehre und Rache" sann und er, indem er die Messer aus seiner Wohnung holte, seinen Widersachern durch die Verletzung mit den Messern eine Lektion erteilten wollte, um dergestalt seine Ehre wieder herzustellen und seine Rachegelüste zu stillen.

Der Senat folgt mit dieser rechtlichen Beurteilung nicht der Rechtsauffassung des Bayerischen Landessozialgerichts im Urteil vom 16.10.1964 (Breithaupt 1965, 194 ff). Unter Berufung auf das Urteil des Bundessozialgerichts vom 25.8.1961 - 2 RU 259/58 - (SozR RVO § 542 Bl. Aa 38 Nr. 44) nimmt es einen wesentlichen ursächlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Helfertätigkeit und einem nach Abschluss eines widerrechtlichen Angriffs erfolgten Racheakt des Angreifers mit der Begründung an, dass die Unfallgefahr des - seinerzeit - nach § 537 Nr. 5 c RVO (jetzt § 2 Abs. 1 Nr. 13 c SGB VII) versicherten Helfers vor allem darin bestehe, dass er Repressalien des widerrechtlichen Angreifers ausgesetzt sei. Indem das Bayerische Landessozialgericht aber auf einen unmittelbaren zeitlichen Zusammenhang zwischen der versicherten Helfertätigkeit und dem Racheakt des Angreifers verzichtet, weitet es den Versicherungsschutz des Nothelfers ohne fassbares Kriterium aus, denn danach wäre ein Versicherungsschutz auch dann noch begründet, wenn der Angreifer Tage, Wochen oder Monate nach dem Eingreifen des Helfers diesen zufällig wiedersieht und dann Rache an ihm nimmt.

Nach alledem ist das angefochtene Urteil des SG nicht zu beanstanden. Die Berufung des Klägers musste deswegen zurückgewiesen werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Der Senat hat die Revision gegen dieses Urteil wegen der grundsätzlichen Bedeutung des Umfangs des Versicherungsschutzes des Nothelfers gemäß § 2 Abs. 1 Nr. 13 c 2. Tatbestandsalternative SGB VII zugelassen.
Rechtskraft
Aus
Saved