Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Pflegeversicherung
Abteilung
4
1. Instanz
SG Stuttgart (BWB)
Aktenzeichen
S 15 P 1820/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 4 P 1438/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08. Februar 2007 wird zurückgewiesen.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ab 22. Mai 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) beanspruchen kann.
Die am 1956 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten pflegeversichert. Insoweit bezieht sie Witwenrente aus der Versicherung ihres 1998 verstorbenen Ehemannes. Ferner gewährt ihr die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (früher Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg) aufgrund eines im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) S 11 RJ 814/01 am 28. Januar 2005 geschlossenen Vergleichs, ausgehend von einem Leistungsfall am 11. Januar 2000, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ab 01. Februar 2000 (vgl. auch Rentenbescheid vom 11. Februar 2005).
Am 23. Mai 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen aus der Pflegeversicherung. Die Beklagte veranlasste die Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung (Wohnung in S.) durch die Pflegefachkraft E. am 08. Juli 2003. Im daraufhin erstatteten Gutachten vom 09. Juli 2003 wurden als pflegebegründende Diagnosen eine Pseudoarthrosebildung im Bereich der vierten Rippe nach Herz-Operation mittels Zugang submammaer rechts und ein Mitralklappenersatz (Bioprothese) genannt. Weitere Diagnosen waren danach eine reaktive Depression nach Tod des Ehemannes, eine psychische Irritation aufgrund spontan einschießender Schmerzen bei Pseudoarthrosebildung nach Thorakotomie, eine geminderte Belastbarkeit sowie Gehstörungen nach älterer Sprunggelenksverletzung. Als Pflegeperson wurde J. M. (Cousin der Klägerin) angegeben und darauf hingewiesen, die Klägerin wohne jährlich ungefähr sechs Monate in Kroatien; sie sei erst vergangene Nacht durch die Pflegeperson zurück nach Deutschland gefahren worden; in Deutschland fänden Arztbesuche alle drei Monate statt, in Kroatien alle zwei bis drei Tage. Die Gutachterin stellte im Bereich der Grundpflege einen täglichen Hilfebedarf bei der Körperpflege (Duschen) von zehn Minuten und bei der Mobilität (Ankleiden und Entkleiden) von vier Minuten, insgesamt 14 Minuten, fest; ferner wurde für die hauswirtschaftliche Versorgung ein täglicher Bedarf von 26 Minuten angenommen. Mit Bescheid vom 17. Juli 2003 lehnte danach die Beklagte den Antrag ab, weil die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht erfüllt seien. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei nicht in der Lage, ihre Körperpflege, Ernährung und hauswirtschaftliche Versorgung ohne Inanspruchnahme von pflegerischen Diensten Dritter zu erledigen. Aus gesundheitlichen Gründen sei sie vor allem nicht in der Lage, ihre Einkäufe, das Kochen, das Putzen und die Versorgung der Wäsche zu erledigen. Der tägliche Zeitaufwand dafür bemesse sich auf mehr als 45 Minuten. Aufgrund kleinster Anstrengung träten Atemnot sowie Schwäche und Schwindelattacken auf. Hieraus ergäben sich Angstzustände, sodass insgesamt zeitweise eine ganztägige Begleitung bei ihr notwendig sei. Sie reichte dazu einen Arztbrief des Internisten und Kardiologen Dr. Se. über eine am 10. November 2003 in Kroatien durchgeführte Untersuchung ein, ferner am 07. Juli 2004 ein über 14 Tage geführtes Pflegetagebuch, in dem ein täglicher Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege zwischen 405 und 1.000 Minuten sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung zwischen 40 Minuten und 1.560 Minuten aufgeführt war. Daraufhin veranlasste die Beklagte die erneute Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung (Wohnung in B.), die am 14. November 2004 durch die Pflegefachkraft N. durchgeführt wurde. Im am 08. Dezember 2004 erstatteten Gutachten wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin am 02. November 2004 noch in Kroatien gewesen sei. Ihr Cousin habe sie dann zurück nach Deutschland gefahren. Sie halte sich zu 60 vom Hundert (v.H.) in Kroatien auf und zu 40 v.H. in Deutschland; das Klima in Kroatien vertrage sie besser. Der Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege liege im Bereich der Körperpflege (Ganzkörperwäsche) bei zwei Minuten und bei der Mobilität (Ankleiden) bei einer Minute, insgesamt drei Minuten; für die hauswirtschaftliche Versorgung wurde ein Hilfebedarf von 26 Minuten pro Tag angenommen. Die im Pflegetagebuch eingetragenen Zeiten seien absolut unrealistisch. Die Klägerin versorge sich grundpflegerisch überwiegend selbstständig, was gelegentlich etwas länger als bei einem vollständig gesunden Menschen dauere; Pflegepersonen seien höchstens bei der hauswirtschaftlichen Versorgung notwendig. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Pflegekasse-Widerspruchsausschusses vom 01. März 2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Deswegen erhob die Klägerin am 30. März 2005 Klage beim SG. Sie verwies darauf, dass ihr im Rentenstreitverfahren aufgrund des internistisch-kardiologischen Gutachtens des Prof. Dr. B., Ärztlicher Direktor des Zentrums für Innere Medizin des K.-hospitals S., vom 04. März 2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer bewilligt worden sei. Ihr Gesundheitszustand habe sich nachfolgend weiter verschlechtert. Im Mai 2005 sei die nachgewiesene Gefäßstenose aufgrund der Arteriosklerose zwar operativ beseitigt worden. Die allgemeine Arteriosklerose sei jedoch als Risikofaktor einzuschätzen. Bei ihr bestehe auch eine stark behindernde Wirbelsäulensymptomatik, die insgesamt zu Pflegebedürftigkeit führe. Sie sei nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen; auf dauernde Begleitung Dritter bei der Verrichtung gewöhnlicher und regelmäßig wiederkehrender Tätigkeiten im Bereich der Körperpflege und der Mobilität, aber auch der hauswirtschaftlichen Versorgung sei sie angewiesen. Dies ergebe sich für die Körperpflege beim Waschen, Duschen und Baden. Sie sei auch nicht in der Lage, alleine Treppen zu steigen oder ihre Wohnung zu verlassen bzw. wieder aufzusuchen. Weiterhin benötige sie Begleitung beim Einkaufen, Kochen und beim Reinigen der Wohnung. Für die notwendige Hilfe benötige die von ihr herangezogene Pflegeperson mehr als 90 Minuten pro Tag. Es sei nicht nachvollziehbar, dass im zuletzt erhobenen Gutachten der tägliche Grundpflegebedarf lediglich mit drei Minuten angesetzt worden sei. Jedenfalls habe dieser sich seit der letzten Begutachtung am 04. November 2004 weiter erhöht; aufgrund der durch die Arteriosklerose bedingten Ängste sei sie körperlich nicht belastbar und nicht leistungsfähig. Dazu müsse ein Sachverständigengutachten erhoben werden. Aktuell werde sie durch Dr. P. behandelt. Die Klägerin reichte auch den Rentenbescheid über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 11. Februar 2005 ein. Das SG erhob eine schriftliche Auskunft als sachverständiger Zeuge des Dr. P. vom 29. Juni 2006, die dieser am 11. Juli 2006 ergänzte. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Nicht die Schwere der Erkrankung oder Behinderung, sondern allein der aus der konkreten Funktionseinschränkung resultierende Hilfebedarf in Bezug auf die gesetzlich definierten Verrichtungen sei Grundlage für die Einstufung in die Pflegestufen. Die von Dr. P. genannten Diagnosen ergäben allein keine Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI. Auch die Stellungnahme des Dr. P. erwecke im Übrigen den Eindruck, dass eine derartige Pflegebedürftigkeit nicht vorliege. Sie verwies auch auf die im Verwaltungsverfahren erhobenen MDK-Gutachten. Mit Gerichtsbescheid vom 08. Februar 2007, der den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 19. Februar 2007 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mehr als 45 Minuten pro Tag sei nicht erreicht. Dies ergebe sich aufgrund der im Verwaltungsverfahren eingeholten MDK-Gutachten. Dass der Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen keine Dauerbelastung im Sinne einer Erwerbstätigkeit mehr zugemutet werden könne, bedeute nicht, dass sie ganz alltägliche und nur kurze Zeiträume umfassende Verrichtungen der Grundpflege nicht selbst ausführen könne. Eine Hilfebedürftigkeit bei den Verrichtungen der Grundpflege sei aufgrund der Kardialeinschränkungen und der allgemeinen Arteriosklerose nicht ersichtlich; dieses ergebe sich weder aus dem klägerischen Vortrag noch aus den Äußerungen des behandelnden Arztes. Es sei davon auszugehen, dass im Bereich der Grundpflege ein täglicher Hilfebedarf im Wochendurchschnitt von maximal neun Minuten bei der Grundpflege bestehe. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aufgrund der Auskunft des behandelnden Arztes, der im Wesentlichen die Angaben der Klägerin wiedergegeben, jedoch darauf hingewiesen habe, dass diese Angaben nicht objektiviert werden könnten. Eine medizinische Notwendigkeit zumindest einmal wöchentlich stattfindender ärztlicher oder sonstiger therapeutischer Behandlungen lasse sich aus der Äußerung des Dr. P. nicht entnehmen. Daher könnten Hilfeleistungen beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für die Wege zum Arzt und zu der von der Klägerin offenbar durchgeführten Wassergymnastik nicht berücksichtigt werden, da sie nicht mindestens einmal wöchentlich anfielen. Die von der Klägerin im Pflegetagebuch angegebenen erheblich höheren Pflegebedarfszeiten seien nicht nachvollziehbar. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids Bezug genommen.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13. März 2007 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie hat eine von ihr gefertigte Aufstellung über ihre Aufenthalte hier in Deutschland sowie in Kroatien und Ungarn in den Jahren 2003 bis 2007 eingereicht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2005 zu verurteilen, ihr ab 22. Mai 2003 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter des Senats hat die die Klägerin betreffende Rentenakte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, der beigezogenen Rentenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, nicht jedoch begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat weder ab 22. Mai 2003 (Antragseingang) noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I, denn der durchschnittliche tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege bei den nach § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI nur maßgebenden so genannten Katalogverrichtungen erreicht bei weitem nicht den Zeitwert von mehr als 45 Minuten. Mithin ist es unerheblich, in welchem Umfang Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI besteht. Dies hat das SG zutreffend dargelegt, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheids Bezug nimmt.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Auch den Senat überzeugen die Einschätzungen der MDK-Gutachten, wonach im Bereich der Grundpflege kein höherer täglicher Hilfebedarf als 14 Minuten besteht. Das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Rentenrechts begründet auch unter Berücksichtigung der sich aus dem internistisch-kardiologischen Gutachten des Prof. Dr. B. ergebenden Funktionseinschränkungen für die Ausübung von Erwerbstätigkeiten keine erhebliche Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI. Ein erhebliche Pflegebedürftigkeit begründender Hilfebedarf lässt sich daher auch nicht allein aus den von Dr. P. in der Auskunft vom 29. Juni 2006 aufgelisteten Diagnosen herleiten, abgesehen davon, dass der behandelnde Arzt beispielsweise eine abstruse Einschätzung ihrer gesundheitlichen Situation durch die Klägerin hervorhebt und er auch lediglich von "angeblichen Rückenschmerzen" spricht. Soweit die Klägerin nach der ergänzenden Auskunft des Dr. P. vom 11. Juli 2006 bei der Untersuchung am 04. Juli 2006 lebensbedrohliche Situationen angegeben hat, bei denen ihre Pflegeperson ihr das Leben gerettet habe, weshalb es der ständigen Anwesenheit ihres Betreuers, insbesondere auch bei den Autofahrten nach Ungarn und Kroatien bedurft habe, bietet das Gesetz, das keine Vollversicherung gewährleistet, keine Grundlage für die Berücksichtigung eines Hilfebedarfs in Form einer ständigen Anwesenheit einer Pflegeperson zur Vermeidung einer möglichen Selbst- oder Fremdgefährdung. Daher können auch die ständigen Fahrdienste, die für die Klägerin für Autofahrten u.a. nach Kroatien und Ungarn, wie sie sich aus der von der Klägerin im Berufungsverfahren eingereichten Aufstellung ergeben, nicht als Pflegezeiten berücksichtigt werden, selbst wenn die Klägerin gelegentlich dieser häufigen Auslandsaufenthalte auch ärztliche Behandlung bzw. Wassergymnastik durchführt, um einer folgenschwereren Behinderung entgegenzuwirken. Im Übrigen sprechen die von der Klägerin aufgelisteten ständigen Auslandsreisen eher gegen die Bejahung einer erheblichen Pflegebedürftigkeit. Die Erhebung eines Sachverständigengutachtens war nicht geboten. Darauf, ob dem Anspruch auf Pflegegeld angesichts der immer wieder bestehenden Auslandsaufenthalte die Bestimmung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI jedenfalls teilweise entgegenstehen könnte, weil der Leistungsanspruch ruhen könnte, kommt es nicht an.
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.
Tatbestand:
Streitig ist zwischen den Beteiligten, ob die Klägerin ab 22. Mai 2005 Pflegegeld nach Pflegestufe I im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 des Elften Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB XI) beanspruchen kann.
Die am 1956 geborene Klägerin ist als Rentnerin bei der Beklagten pflegeversichert. Insoweit bezieht sie Witwenrente aus der Versicherung ihres 1998 verstorbenen Ehemannes. Ferner gewährt ihr die Deutsche Rentenversicherung Baden-Württemberg (früher Landesversicherungsanstalt Baden-Württemberg) aufgrund eines im Klageverfahren vor dem Sozialgericht Stuttgart (SG) S 11 RJ 814/01 am 28. Januar 2005 geschlossenen Vergleichs, ausgehend von einem Leistungsfall am 11. Januar 2000, Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer ab 01. Februar 2000 (vgl. auch Rentenbescheid vom 11. Februar 2005).
Am 23. Mai 2003 beantragte die Klägerin bei der Beklagten Leistungen aus der Pflegeversicherung. Die Beklagte veranlasste die Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung (Wohnung in S.) durch die Pflegefachkraft E. am 08. Juli 2003. Im daraufhin erstatteten Gutachten vom 09. Juli 2003 wurden als pflegebegründende Diagnosen eine Pseudoarthrosebildung im Bereich der vierten Rippe nach Herz-Operation mittels Zugang submammaer rechts und ein Mitralklappenersatz (Bioprothese) genannt. Weitere Diagnosen waren danach eine reaktive Depression nach Tod des Ehemannes, eine psychische Irritation aufgrund spontan einschießender Schmerzen bei Pseudoarthrosebildung nach Thorakotomie, eine geminderte Belastbarkeit sowie Gehstörungen nach älterer Sprunggelenksverletzung. Als Pflegeperson wurde J. M. (Cousin der Klägerin) angegeben und darauf hingewiesen, die Klägerin wohne jährlich ungefähr sechs Monate in Kroatien; sie sei erst vergangene Nacht durch die Pflegeperson zurück nach Deutschland gefahren worden; in Deutschland fänden Arztbesuche alle drei Monate statt, in Kroatien alle zwei bis drei Tage. Die Gutachterin stellte im Bereich der Grundpflege einen täglichen Hilfebedarf bei der Körperpflege (Duschen) von zehn Minuten und bei der Mobilität (Ankleiden und Entkleiden) von vier Minuten, insgesamt 14 Minuten, fest; ferner wurde für die hauswirtschaftliche Versorgung ein täglicher Bedarf von 26 Minuten angenommen. Mit Bescheid vom 17. Juli 2003 lehnte danach die Beklagte den Antrag ab, weil die Voraussetzungen der Pflegestufe I nicht erfüllt seien. Mit dem dagegen eingelegten Widerspruch machte die Klägerin geltend, sie sei nicht in der Lage, ihre Körperpflege, Ernährung und hauswirtschaftliche Versorgung ohne Inanspruchnahme von pflegerischen Diensten Dritter zu erledigen. Aus gesundheitlichen Gründen sei sie vor allem nicht in der Lage, ihre Einkäufe, das Kochen, das Putzen und die Versorgung der Wäsche zu erledigen. Der tägliche Zeitaufwand dafür bemesse sich auf mehr als 45 Minuten. Aufgrund kleinster Anstrengung träten Atemnot sowie Schwäche und Schwindelattacken auf. Hieraus ergäben sich Angstzustände, sodass insgesamt zeitweise eine ganztägige Begleitung bei ihr notwendig sei. Sie reichte dazu einen Arztbrief des Internisten und Kardiologen Dr. Se. über eine am 10. November 2003 in Kroatien durchgeführte Untersuchung ein, ferner am 07. Juli 2004 ein über 14 Tage geführtes Pflegetagebuch, in dem ein täglicher Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege zwischen 405 und 1.000 Minuten sowie im Bereich der hauswirtschaftlichen Versorgung zwischen 40 Minuten und 1.560 Minuten aufgeführt war. Daraufhin veranlasste die Beklagte die erneute Untersuchung der Klägerin in ihrer häuslichen Umgebung (Wohnung in B.), die am 14. November 2004 durch die Pflegefachkraft N. durchgeführt wurde. Im am 08. Dezember 2004 erstatteten Gutachten wurde darauf hingewiesen, dass die Klägerin am 02. November 2004 noch in Kroatien gewesen sei. Ihr Cousin habe sie dann zurück nach Deutschland gefahren. Sie halte sich zu 60 vom Hundert (v.H.) in Kroatien auf und zu 40 v.H. in Deutschland; das Klima in Kroatien vertrage sie besser. Der Gutachter gelangte zu dem Ergebnis, der tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege liege im Bereich der Körperpflege (Ganzkörperwäsche) bei zwei Minuten und bei der Mobilität (Ankleiden) bei einer Minute, insgesamt drei Minuten; für die hauswirtschaftliche Versorgung wurde ein Hilfebedarf von 26 Minuten pro Tag angenommen. Die im Pflegetagebuch eingetragenen Zeiten seien absolut unrealistisch. Die Klägerin versorge sich grundpflegerisch überwiegend selbstständig, was gelegentlich etwas länger als bei einem vollständig gesunden Menschen dauere; Pflegepersonen seien höchstens bei der hauswirtschaftlichen Versorgung notwendig. Mit Widerspruchsbescheid des bei der Beklagten bestehenden Pflegekasse-Widerspruchsausschusses vom 01. März 2005 wurde der Widerspruch zurückgewiesen.
Deswegen erhob die Klägerin am 30. März 2005 Klage beim SG. Sie verwies darauf, dass ihr im Rentenstreitverfahren aufgrund des internistisch-kardiologischen Gutachtens des Prof. Dr. B., Ärztlicher Direktor des Zentrums für Innere Medizin des K.-hospitals S., vom 04. März 2002 Rente wegen Erwerbsunfähigkeit auf Dauer bewilligt worden sei. Ihr Gesundheitszustand habe sich nachfolgend weiter verschlechtert. Im Mai 2005 sei die nachgewiesene Gefäßstenose aufgrund der Arteriosklerose zwar operativ beseitigt worden. Die allgemeine Arteriosklerose sei jedoch als Risikofaktor einzuschätzen. Bei ihr bestehe auch eine stark behindernde Wirbelsäulensymptomatik, die insgesamt zu Pflegebedürftigkeit führe. Sie sei nicht mehr in der Lage, sich selbst zu versorgen; auf dauernde Begleitung Dritter bei der Verrichtung gewöhnlicher und regelmäßig wiederkehrender Tätigkeiten im Bereich der Körperpflege und der Mobilität, aber auch der hauswirtschaftlichen Versorgung sei sie angewiesen. Dies ergebe sich für die Körperpflege beim Waschen, Duschen und Baden. Sie sei auch nicht in der Lage, alleine Treppen zu steigen oder ihre Wohnung zu verlassen bzw. wieder aufzusuchen. Weiterhin benötige sie Begleitung beim Einkaufen, Kochen und beim Reinigen der Wohnung. Für die notwendige Hilfe benötige die von ihr herangezogene Pflegeperson mehr als 90 Minuten pro Tag. Es sei nicht nachvollziehbar, dass im zuletzt erhobenen Gutachten der tägliche Grundpflegebedarf lediglich mit drei Minuten angesetzt worden sei. Jedenfalls habe dieser sich seit der letzten Begutachtung am 04. November 2004 weiter erhöht; aufgrund der durch die Arteriosklerose bedingten Ängste sei sie körperlich nicht belastbar und nicht leistungsfähig. Dazu müsse ein Sachverständigengutachten erhoben werden. Aktuell werde sie durch Dr. P. behandelt. Die Klägerin reichte auch den Rentenbescheid über die Gewährung von Rente wegen Erwerbsunfähigkeit vom 11. Februar 2005 ein. Das SG erhob eine schriftliche Auskunft als sachverständiger Zeuge des Dr. P. vom 29. Juni 2006, die dieser am 11. Juli 2006 ergänzte. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten entgegen. Nicht die Schwere der Erkrankung oder Behinderung, sondern allein der aus der konkreten Funktionseinschränkung resultierende Hilfebedarf in Bezug auf die gesetzlich definierten Verrichtungen sei Grundlage für die Einstufung in die Pflegestufen. Die von Dr. P. genannten Diagnosen ergäben allein keine Pflegebedürftigkeit im Sinne des SGB XI. Auch die Stellungnahme des Dr. P. erwecke im Übrigen den Eindruck, dass eine derartige Pflegebedürftigkeit nicht vorliege. Sie verwies auch auf die im Verwaltungsverfahren erhobenen MDK-Gutachten. Mit Gerichtsbescheid vom 08. Februar 2007, der den Prozessbevollmächtigten der Klägerin gegen Empfangsbekenntnis am 19. Februar 2007 zugestellt wurde, wies das SG die Klage ab. Ein Hilfebedarf im Bereich der Grundpflege von mehr als 45 Minuten pro Tag sei nicht erreicht. Dies ergebe sich aufgrund der im Verwaltungsverfahren eingeholten MDK-Gutachten. Dass der Klägerin aufgrund ihrer gesundheitlichen Einschränkungen keine Dauerbelastung im Sinne einer Erwerbstätigkeit mehr zugemutet werden könne, bedeute nicht, dass sie ganz alltägliche und nur kurze Zeiträume umfassende Verrichtungen der Grundpflege nicht selbst ausführen könne. Eine Hilfebedürftigkeit bei den Verrichtungen der Grundpflege sei aufgrund der Kardialeinschränkungen und der allgemeinen Arteriosklerose nicht ersichtlich; dieses ergebe sich weder aus dem klägerischen Vortrag noch aus den Äußerungen des behandelnden Arztes. Es sei davon auszugehen, dass im Bereich der Grundpflege ein täglicher Hilfebedarf im Wochendurchschnitt von maximal neun Minuten bei der Grundpflege bestehe. Eine andere Beurteilung ergebe sich auch nicht aufgrund der Auskunft des behandelnden Arztes, der im Wesentlichen die Angaben der Klägerin wiedergegeben, jedoch darauf hingewiesen habe, dass diese Angaben nicht objektiviert werden könnten. Eine medizinische Notwendigkeit zumindest einmal wöchentlich stattfindender ärztlicher oder sonstiger therapeutischer Behandlungen lasse sich aus der Äußerung des Dr. P. nicht entnehmen. Daher könnten Hilfeleistungen beim Verlassen und Wiederaufsuchen der Wohnung für die Wege zum Arzt und zu der von der Klägerin offenbar durchgeführten Wassergymnastik nicht berücksichtigt werden, da sie nicht mindestens einmal wöchentlich anfielen. Die von der Klägerin im Pflegetagebuch angegebenen erheblich höheren Pflegebedarfszeiten seien nicht nachvollziehbar. Im Übrigen wird auf die Entscheidungsgründe des Gerichtsbescheids Bezug genommen.
Gegen den Gerichtsbescheid hat die Klägerin am 13. März 2007 mit Fernkopie Berufung beim Landessozialgericht eingelegt. Sie hat eine von ihr gefertigte Aufstellung über ihre Aufenthalte hier in Deutschland sowie in Kroatien und Ungarn in den Jahren 2003 bis 2007 eingereicht.
Die Klägerin beantragt sinngemäß,
den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Stuttgart vom 08. Februar 2007 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 17. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2005 zu verurteilen, ihr ab 22. Mai 2003 Pflegegeld nach Pflegestufe I zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Der Berichterstatter des Senats hat die die Klägerin betreffende Rentenakte der Deutschen Rentenversicherung Baden-Württemberg beigezogen.
Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.
Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der von der Beklagten vorgelegten Verwaltungsakten, der beigezogenen Rentenakten sowie der Gerichtsakten beider Rechtszüge Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die gemäß § 151 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin, über die der Senat aufgrund des Einverständnisses der Beteiligten nach § 124 Abs. 2 SGG durch Urteil ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig, nicht jedoch begründet.
Der Bescheid der Beklagten vom 17. Juli 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 01. März 2005 ist rechtmäßig und verletzt die Klägerin nicht in ihren Rechten. Sie hat weder ab 22. Mai 2003 (Antragseingang) noch ab einem späteren Zeitpunkt Anspruch auf Pflegegeld nach Pflegestufe I, denn der durchschnittliche tägliche Hilfebedarf bei der Grundpflege bei den nach § 14 Abs. 4 Nrn. 1 bis 3 SGB XI nur maßgebenden so genannten Katalogverrichtungen erreicht bei weitem nicht den Zeitwert von mehr als 45 Minuten. Mithin ist es unerheblich, in welchem Umfang Hilfe bei der hauswirtschaftlichen Versorgung im Sinne des § 14 Abs. 4 Nr. 4 SGB XI besteht. Dies hat das SG zutreffend dargelegt, weshalb der Senat zur Vermeidung von Wiederholungen nach § 153 Abs. 2 SGG auf die Entscheidungsgründe des angegriffenen Gerichtsbescheids Bezug nimmt.
Ergänzend ist noch Folgendes auszuführen: Auch den Senat überzeugen die Einschätzungen der MDK-Gutachten, wonach im Bereich der Grundpflege kein höherer täglicher Hilfebedarf als 14 Minuten besteht. Das Vorliegen von Erwerbsunfähigkeit im Sinne des Rentenrechts begründet auch unter Berücksichtigung der sich aus dem internistisch-kardiologischen Gutachten des Prof. Dr. B. ergebenden Funktionseinschränkungen für die Ausübung von Erwerbstätigkeiten keine erhebliche Pflegebedürftigkeit im Sinne des § 15 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGB XI. Ein erhebliche Pflegebedürftigkeit begründender Hilfebedarf lässt sich daher auch nicht allein aus den von Dr. P. in der Auskunft vom 29. Juni 2006 aufgelisteten Diagnosen herleiten, abgesehen davon, dass der behandelnde Arzt beispielsweise eine abstruse Einschätzung ihrer gesundheitlichen Situation durch die Klägerin hervorhebt und er auch lediglich von "angeblichen Rückenschmerzen" spricht. Soweit die Klägerin nach der ergänzenden Auskunft des Dr. P. vom 11. Juli 2006 bei der Untersuchung am 04. Juli 2006 lebensbedrohliche Situationen angegeben hat, bei denen ihre Pflegeperson ihr das Leben gerettet habe, weshalb es der ständigen Anwesenheit ihres Betreuers, insbesondere auch bei den Autofahrten nach Ungarn und Kroatien bedurft habe, bietet das Gesetz, das keine Vollversicherung gewährleistet, keine Grundlage für die Berücksichtigung eines Hilfebedarfs in Form einer ständigen Anwesenheit einer Pflegeperson zur Vermeidung einer möglichen Selbst- oder Fremdgefährdung. Daher können auch die ständigen Fahrdienste, die für die Klägerin für Autofahrten u.a. nach Kroatien und Ungarn, wie sie sich aus der von der Klägerin im Berufungsverfahren eingereichten Aufstellung ergeben, nicht als Pflegezeiten berücksichtigt werden, selbst wenn die Klägerin gelegentlich dieser häufigen Auslandsaufenthalte auch ärztliche Behandlung bzw. Wassergymnastik durchführt, um einer folgenschwereren Behinderung entgegenzuwirken. Im Übrigen sprechen die von der Klägerin aufgelisteten ständigen Auslandsreisen eher gegen die Bejahung einer erheblichen Pflegebedürftigkeit. Die Erhebung eines Sachverständigengutachtens war nicht geboten. Darauf, ob dem Anspruch auf Pflegegeld angesichts der immer wieder bestehenden Auslandsaufenthalte die Bestimmung des § 34 Abs. 1 Nr. 1 SGB XI jedenfalls teilweise entgegenstehen könnte, weil der Leistungsanspruch ruhen könnte, kommt es nicht an.
Danach war die Berufung zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe für eine Revisionszulassung liegen nicht vor.
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