L 12 AS 1688/07 ER-B

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
12
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 9 AS 203/07 ER
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 12 AS 1688/07 ER-B
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Beschluss
Die Beschwerde gegen den Beschluss des SG Karlsruhe vom 31.01.2007 wird zurückgewiesen.

Die Antragsgegnerin trägt die außergerichtlichen Kosten der Antragstellerin.

Gründe:

I.

Die Antragstellerin (Ast.) begehrt die Anordnung der aufschiebenden Wirkung ihres Widerspruches vom 13. Januar 2007 gegen den Bescheid der Ag. vom 2. Januar 2007.

Die Ast. steht im Leistungsbezug bei der Antragsgegnerin (Ag.). Sie ist die Mutter der Mädchen J. (geb. 1. September 1999) und J. (geb. 10. Februar 1997). Die Ast. ist allein erziehend. Das Mädchen J. lebt in Bedarfsgemeinschaft mit der Ast ... Die Tochter J. lebte zunächst ebenfalls in Bedarfsgemeinschaft mit der Ast ... Die Ag. berücksichtigte daher beide Töchter bei der Leistungsbewilligung und bewilligte mit Bescheid vom 29. Mai 2006 Leistungen nach dem SGB II für den Zeitraum vom 1. Juli 2006 bis 31. Dezember 2006 in Höhe von 469,-EUR, wobei sie für die Tochter J. einen Betrag in Höhe von 117,- EUR gewährte.

Mit vor dem Amtsgericht Bruchsal geschlossener Vereinbarung vom 4. August 2006 gaben die Ast. und der Vater des Kindes J. zu Protokoll, sie seien sich darüber einig, dass der Lebensmittelpunkt des Kindes J. bis auf Weiteres beim Vater sei. Die Sommerferien 2006 würden so geregelt, dass J. bis einschließlich 25. August 2006 bei der Mutter verbleibe und danach zum Vater gehe.

Mit am 7. September 2006 eingegangenem Schreiben vom 30. August 2006 teilte die Ast. der Ag. mit, dass sich J. trotz der gerichtlichen Vereinbarung vom 4. August 2006 weiterhin überwiegend bei ihr aufhalte, regelmäßig Mahlzeiten bei ihr erhalte sowie alle finanziellen Zuwendungen. Die Ast. hatte dem Schreiben eine Kopie der vor dem Amtsgericht Bruchsal geschlossenen Vereinbarung vom 4. August 2006 beigefügt. Des Weiteren hatte sie ein Schreiben ihrer Rechtsanwältin an den Rechtsbeistand des Vaters von J. vom 21. August 2006 beigefügt. Darin war u.a. ausgeführt, es sei zunächst abzuwarten, wo sich zukünftig der Schwerpunkt des Aufenthaltes von J. befinden werde, bevor die Ast. dem Kindergeldbezug seitens des Vaters von J. zustimmen könne.

Eine Rücksprache der Ag. mit dem Jugendamt des Landkreises K. am 11. September 2006 ergab, dass die Ast. der Aussage widerspreche, dass J. sich überwiegend bei ihrem Vater aufhalte. Mit Bescheid vom 19. September 2006 stellte der Landkreis K. - Jugendamt - die gegenüber der Ast. erbrachten Unterhaltsvorschussleistungen in Höhe von 170,00 EUR ein und führte zur Begründung aus, J. habe ihren Lebensmittelpunkt bei ihrem Vater.

Mit Schreiben vom 5. Oktober 2006 beantragte das Jugendamt gegenüber der Ag. die Abzweigung von Leistungen nach dem SGB II, da J. ab 1. Oktober 2006 bei ihrem Vater lebe.

Mit Bescheid vom 23. Oktober 2006 senkte die Ag. die Höhe der Leistungsbewilligung gegenüber der Ast. ab 1. Oktober 2006 auf 386,00 EUR. Zur Begründung führte sie aus, dass das Kind J. ab 1. Oktober 2006 nicht mehr im Haushalt der Ast. lebe.

Mit weiterem Bescheid vom 23. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2006 hob die Ag. die Entscheidung über die Bewilligung von Leistungen nach dem SGB II für die Zeit ab 1. Oktober 2006 teilweise in Höhe von 83,00 EUR monatlich auf. Die Ast. sei zumindest grob fahrlässig ihren Mitteilungspflichten nicht nachgekommen. Bereits mit Bescheid vom 19. September 2006 habe ihr das Jugendamt mitgeteilt, dass ab 1. Oktober 2006 keine Unterhaltsvorschußleistungen mehr für die Tochter J. erbracht würden, da diese sich in dem Haushalt ihres Vaters aufhalte. Im Zeitraum vom 1. Oktober bis 30. November 2006 seien daher Leistungen in Höhe von 166,00 EUR zu Unrecht gezahlt worden.

Die Ast. erhob am 6. Dezember 2006 Klage (S 9 AS 5753/06) vor dem SG Karlsruhe (SG). Zur Begründung trug sie vor, aufgrund der mit Schreiben vom 30. August 2006 vorgelegten Unterlagen hätten sowohl die Familienkasse die Kindergeldzahlung als auch die Unterhaltsvorschusskasse die Unterhaltsvorschusszahlungen umgehend eingestellt. Nur die Ag. habe keinen Handlungsbedarf gesehen und weiter gezahlt. Sie sei der Auffassung, aus ihrer Mitteilung vom 30. August 2006 gehe eindeutig ihr Mitteilungswille über die veränderten Familienverhältnisse hervor. Die Ag. wäre daraufhin verpflichtet gewesen, umgehend eine Neuberechnung vorzunehmen.

Die Ag. trug zur Klageerwiderung vor, der Ast. sei der Mehrbedarf für Alleinerziehende hinsichtlich der Tochter J. zumindest ab Oktober 2006 zu Unrecht gezahlt worden. Da die Ast. aufgrund des Bescheids des Jugendamtes vom 19. September 2006 gewusst habe, dass von dort von einer Änderung der Verhältnisse ab 1. Oktober 2006 ausgegangen werde, hätte sie erkennen müssen, dass dies auch für die Leistung durch die Ag. von Bedeutung sei.

Mit Bescheid vom 2. Januar 2007 rechnete die Ag. die der Ast. zustehende Regelleistung in Höhe von 103,50 EUR monatlich ab 1. Februar 2007 gegen die laufenden Leistungen auf. Gegen diesen Bescheid erhob die Ast. am 13. Januar 2007 Widerspruch und beantragte beim SG einstweiligen Rechtsschutz.

Sie vertrat zunächst der Auffassung, dass ihr Widerspruch gegen den Bescheid vom 2. Januar 2007 aufschiebende Wirkung habe. Weiter ist sie der Auffassung, dass die vorzunehmende Interessenabwägung zu ihren Gunsten auszugehen habe; sie halte die Entscheidung vom 23. Oktober 2006 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 27. November 2006 nämlich (vgl. die Klage S 9 AS 5753/06) für rechtswidrig.

Mit Beschluss vom 31.01.2007 ordnete das SG die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs der Ast. gegen den Bescheid vom 02.01.2007 an.

In den Gründen führte das SG aus, der Widerspruch gegen den Bescheid vom 2.01.2007 habe nicht schon kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung, jedoch sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruches nach § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG anzuordnen.

Die Anordnung der aufschiebenden Wirkung eines Widerspruchs aufgrund von § 86b Abs. 1 Nr. 2 SGG sei anhand einer Interessenabwägung zu beurteilen. Hierbei seien die öffentlichen Interessen am sofortigen Vollzug des Verwaltungsakts und die privaten Interessen an der Aussetzung der Vollziehung gegeneinander abzuwägen. Die konkreten gegeneinander abzuwägenden Interessen ergäben sich in der Regel aus der konkreten Erfolgsaussicht des Hauptsacheverfahrens, dem konkreten Vollziehungsinteresse und der für die Dauer einer möglichen aufschiebenden Wirkung drohenden Rechtsbeeinträchtigung. Unter Beachtung dieser Gesichtspunkte sei die aufschiebende Wirkung des Widerspruchs anzuordnen, weil Zweifel an der Rechtmäßigkeit dieser Entscheidung bestünden. Rechtsgrundlage des Bescheides vom 2. Januar 2007 sei § 43 Satz 1 SGB II. Nach dieser Vorschrift könnten Geldleistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts bis zu einem Betrag in Höhe von 30 vom Hundert der für den Hilfebedürftigen maßgebenden Regelleistung mit Ansprüchen der Träger von Leistungen nach dem SGB II aufgerechnet werden, wenn es sich um Ansprüche auf Erstattung oder auf Schadenersatz handle, die der Hilfebedürftige durch vorsätzlich oder grob fahrlässig unrichtige oder unvollständige Angaben veranlasst habe. Die Ansprüche müssten also durch unrichtige oder unvollständige Angaben des Berechtigten veranlasst sein. Diese Voraussetzung liege vor, wenn zwischen dieser Pflichtverletzung des Leistungsempfängers und der Entstehung von Erstattungsansprüchen ein (wesentlicher) Kausalzusammenhang bestehe. Aus Sicht der Kammer fehle es bereits an diesem Kausalzusammenhang. Die Ag. hätte nämlich aufgrund des ihr nach eigenem Vortrag seit 22. September 2006 bekannten Sachverhaltes hinsichtlich des Aufenthaltes von Jessica die Leistungen insoweit einstellen können, um eine Überzahlung zu vermeiden. Die Kammer halte den Bescheid vom 2. Januar 2007 darüber hinaus bei summarischer Prüfung mangels einer den Anforderungen des § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X entsprechenden Begründung für rechtswidrig. Gemäß § 35 Abs. 1 Satz 3 SGB X müsse eine Ermessensentscheidung auch die Gesichtspunkte erkennen lassen, von denen die Behörde bei der Ausübung ihres Ermessens ausgegangen sei. Der dazu in dem Bescheid der Ag. vom 2. Januar 2007 allein geschriebene Satz, dass von dem in § 43 SGB II eingeräumten Ermessen Gebrauch gemacht werde, dürfte diesem Erfordernis nicht entsprochen haben.

Gegen diesen Beschluss legte die Ag. Beschwerde eine, welche das SG nach Entscheidung über die Nichtabhilfe dem LSG Baden-Württemberg zur Entscheidung vorlegte. Zur Begründung trug diese im Wesentlichen vor, die Ast. habe nicht mitgeteilt, dass sich das Kind nun doch endgültig beim Vater aufhalte. Wenn aufgrund des Schreibens eines Dritten etwas anderes bekannt werde, führe dies gerade nicht zu einer Unterbrechung des Kausalzusammenhangs. Darüber hinaus sei zu berücksichtigen, dass die Ag. auch eine angemessene Bearbeitungszeit benötige. Der Eingang bei der Poststelle reiche für eine solche Beurteilung nicht aus. Wesentlich sei der Zugang beim Sachbearbeiter.

II.

Die Beschwerde ist zulässig, aber unbegründet.

Das SG hat die rechtlichen und tatsächlichen Voraussetzungen für die Gewährung von vorläufigem Rechtsschutz zutreffend ausgeführt, insbesonders hat es zutreffend entschieden, dass der Widerspruch nicht kraft Gesetzes aufschiebende Wirkung hat. Der Senat nimmt insoweit darauf Bezug und weist die Beschwerde aus den Gründen der erstinstanzlichen Entscheidung zurück (§ 153 Abs. 2 SGG).

Ergänzend ist noch auszuführen, dass es bei der Frage des rechtzeitigen Mitteilung auf den Zeitpunkt des Zugangs ankommt. Bei der Bestimmung des maßgeblichen Zeitpunkts einer Mitteilung sind behördeninterne Vorgänge - wie etwa die Laufzeit vom Eingang bei der Poststelle bis zur Vorlage beim Sachbearbeiter - nicht zu berücksichtigen. Wie schnell die Ag. diese Mitteilung dann verwaltungsmäßig umsetzen kann, fällt nicht in den Risikobereich eines Leistungsempfängers.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Diese Entscheidung ist unanfechtbar (§ 177 SGG).
Rechtskraft
Aus
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