L 7 AS 1900/07

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Grundsicherung für Arbeitsuchende
Abteilung
7
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 AS 2154/06
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 7 AS 1900/07
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. März 2007 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Die Klägerin begehrt die Gewährung von Leistungen der Unterkunft und Heizung für den Zeitraum 7. Juli 2005 bis 31. Dezember 2005.

Die am 1983 geborene Klägerin bewohnte im Jahr 2005 gemeinsam mit ihren Eltern und ihren zwei in den Jahren 1993 und 1994 geborenen Schwestern eine Mietwohnung in der B.traße in E ... Die Grundmiete belief sich ab April 2005 auf 513,77 EUR, die Miete inklusive aller Nebenkosten auf 754,33 EUR.

Am 6. Juni 2005 beantragte die Klägerin Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhaltes nach dem Sozialgesetzbuch Zweites Buch (SGB II), die Antragsunterlagen gab sie am 7. Juli 2005 ab. Hierbei war der Abschnitt über Wohnverhältnisse des erwerbsfähigen Hilfebedürftigen und der im Haushalt lebenden Personen auf dem Zusatzblatt 1 zur Feststellung der angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung zunächst nicht ausgefüllt. Mit Grünstift wurde durch die Sachbearbeitung Mietwohnung angekreuzt und ergänzt, dass die Klägerin ein freies Wohnrecht bei ihrem Vater habe. Mit Bescheid vom 24. Oktober 2005 versagte die Beklagte die Leistungen zunächst insgesamt, nachdem die Klägerin angeforderte Kontoauszüge nicht innerhalb der gesetzten Frist vorgelegt hatte. Hiergegen erhob die Klägerin am 10. Januar 2006 Widerspruch, beantragte gleichzeitig die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand und legte in der Folgezeit die angeforderten Unterlagen vor. Ergänzend teilte sie schriftlich mit, dass sie in der Zeit von Januar bis April 2005 bei ihrem Vater im Imbissstand teilzeitbeschäftigt gewesen sei und in dieser Zeit monatlich 350,00 EUR an ihre Eltern für Unterkunft und Verpflegung habe abgeben müssen. Mit Bescheid vom 30. Mai 2006 bewilligte die Beklagte Leistungen nach dem SGB II für die Zeit vom 7. Juli bis 31. Dezember 2005 in Höhe der Regelleistung abzüglich des anzurechnenden Einkommens, Unterkunftskosten wurden nicht übernommen.

Hiergegen erhob die Klägerin Widerspruch und machte geltend, nicht mietfrei zu wohnen. Die Wohnungsmiete betrage 750,00 EUR monatlich, sodass bei der fünfköpfigen Familie ein Mietanteil von 150,00 EUR auf sie entfalle. Ferner legte sie ein von ihr und ihrem Vater unterschriebenes undatiertes Schreiben mit der Überschrift Mietvertrag vor. Darin bestätigt der Vater der Klägerin, dass diese ihm seit 1. Januar 2005 250,00 EUR Miete plus Nebenkosten (Essen, Trinken, Wasser, Strom) zahle. Mit Widerspruchsbescheid vom 2. Juni 2006 wies die Beklagte den Widerspruch zurück und führte aus, Kosten der Unterkunft könnten angesichts der Angaben der Klägerin in ihrem Antrag über ein freies Wohnrecht nicht berücksichtigt werden. Weder ein gültiger Mietvertrag noch die Mietzahlungen seien nachgewiesen worden.

Hiergegen richtet sich die am 13. Juni 2006 zum Sozialgericht Reutlingen erhobene Klage. Die Klägerin hat hierzu angegeben, sie sei bei der Antragstellung gefragt worden, ob sie ihrem Vater etwas für das Wohnen bezahlen müsse, nachdem sie keine Angaben gemacht habe. Sie habe wahrheitsgemäß angegeben, dass sie nichts bezahlen müsse. Hintergrund dieser Antwort sei gewesen, dass sie zum Zeitpunkt der Antragstellung keinerlei Einnahmen gehabt habe. Mit ihrem Vater sei vereinbart gewesen, dass sie für das Wohnen vorläufig nichts zahlen, jedoch nach Erhalt der Zahlungen von der Beklagten ihren Mietanteil nachentrichten müsse.

Mit Gerichtsbescheid vom 20. März 2007 hat das SG die Klage abgewiesen. Zur Begründung hat es im Wesentlichen ausgeführt, die Kammer sei nicht überzeugt, dass die Klägerin im streiterheblichen Zeitraum zur Mietzahlung gegenüber ihrem Vater verpflichtet gewesen sei. Bei Antragstellung habe sie keine Unterkunftskosten geltend gemacht, wobei nicht ersichtlich sei, weshalb sie bei angeblicher Mietzahlungsverpflichtung hiervon abgesehen habe. Soweit vorgetragen werde, sie habe keine Mietkosten angegeben, da sie mangels Einkommen nichts habe bezahlen können, sei dies nicht schlüssig. Hierdurch sei auch nicht erklärt, dass die Sachbearbeitung im Einvernehmen mit der Klägerin die Angabe "freies Wohnrecht" angekreuzt habe. Es sei davon auszugehen, dass die Wohnmöglichkeit bei den Eltern für die Klägerin kostenfrei gewesen sei. Der im Juni 2006 vorgelegte Mietvertrag erfülle bereits nicht die förmlichen Anforderungen an einen wirksamen Vertrag, da die Überlassung einer bestimmten Mietsache nicht genannt sei. Ferner werde mit der Vorlage des Vertrags erst im Juni 2006 ein für die Grundsicherung nicht relevanter Bedarf für einen zurückliegenden Zeitraum geltend gemacht. Mit Blick auf die unterschiedlichen Angaben zur Miethöhe sei eine Mietzahlungsverpflichtung auch nicht glaubhaft gemacht. Im Übrigen müsse vor einer Übernahme der Mietkosten geprüft werden, ob die anderen Haushaltsangehörigen im Rahmen des § 9 Abs. 5 SGB II die vollen Mietkosten tragen könnten. Aufgrund der Angaben der Klägerin im Erörterungstermin sei hiervon auszugehen.

Hiergegen richtet sich die am 13. April 2007 beim Landessozialgericht (LSG) eingelegte Berufung der Klägerin. Sie verweist erneut darauf, dass sie bei der Antragstellung gefragt worden sei, ob sie für das Wohnen zahlen müsse, was sie wahrheitsgemäß verneint habe. Es sei mit ihrem Vater vereinbart gewesen, dass sie für das Wohnen vorläufig nicht zahlen müsse, ihren Mietanteil aber nach Erhalt der Zahlungen des Jobcenters nachentrichten müsse. Hierzu beruft sich die Klägerin auf das Zeugnis ihres Vaters I.B ... Zwischen der Klägerin und ihrem Vater sei zu keinem Zeitpunkt vereinbart gewesen, dass sie keine Miete zahlen müsse. Es sei auch nicht zutreffend, dass der Vater der Klägerin in der Lage gewesen sei, die Mietkosten in voller Höhe zu übernehmen. Er habe sich mit einer Imbissstube selbstständig gemacht, wobei im ersten Jahr der Selbstständigkeit die Umsätze der Imbissstube noch gering gewesen seien. Hierzu hat die Klägerin die Einkommenssteuererklärung und den Einkommenssteuerbescheid ihres Vaters für das Jahr 2005 vorgelegt. Im Bescheid des Finanzamts Reutlingen vom 4. Dezember 2006 werden für das Jahr 2005 Einkünfte aus Gewerbebetrieb in Höhe von 9.148,00 EUR ausgewiesen.

Die Klägerin beantragt,

den Gerichtsbescheid des Sozialgerichts Reutlingen vom 20. März 2007 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30. Mai 2006 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 2. Juni 2006 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Leistungen unter Berücksichtigung von Kosten für Unterkunft und Heizung in Höhe von 150,00 EUR ab 7. Juli bis 31. Dezember 2005 zu gewähren.

Die Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Sie verweist auf ihr Vorbringen in erster Instanz sowie den Inhalt des angefochtenen Gerichtsbescheids.

Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Leistungsakten der Beklagten (zwei Bände), die Akten des SG und die Senatsakten Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung der Klägerin hat keinen Erfolg.

Zu befinden ist im Berufungsverfahren im Rahmen des § 123 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) nur über den Anspruch der Klägerin auf Leistungen für Unterkunft und Heizung im Zeitraum 7. Juli bis 31. Dezember 2005. Die Klägerin hat insoweit die Klage bereits vor dem SG, klarstellend nochmals vor dem Senat, auf die Leistungen für Unterkunft und Heizung beschränkt. Es handelt sich hierbei um eine eigenständige, abgrenzbare Verfügung, wobei sich die rechtliche Trennbarkeit von den übrigen Verfügungen des Bewilligungsbescheids aus § 6 Abs. 1 SGB II i.V.m. § 19 Satz 2 SGB II ergibt, so dass von einem abtrennbaren Streitgegenstand auszugehen ist (vgl. BSG, Urteil vom 7. November 2006 - B 7b AS 8/06 R - (juris)). Die Bescheide für Folgezeiträume sind nicht in analoger Anwendung von § 96 SGG Gegenstand des Verfahrens geworden. Eine analoge Anwendung des § 96 Abs. 1 SGG auf Bewilligungsbescheide für Folgezeiträume im Rahmen des SGB II ist nach der Rechtsprechung des BSG grundsätzlich nicht gerechtfertigt, da anders als im Rahmen eines Dauerrechtsverhältnisses im Bereich des Arbeitsförderungsrechts regelmäßig kürzere Bewilligungszeiträume vorliegen, Änderungen bei der Berücksichtigung von Einkommen und Vermögen zu berücksichtigen sind und zudem eine Abhängigkeit von der jeweiligen Zusammensetzung der Bedarfsgemeinschaft besteht (BSG, Urteile vom 7. November 2006 - B 7b AS 14/06 R - und vom 23. November 2006 - B 11b AS 9/06 R (beide juris)). Für den Zeitraum ab Antragstellung am 6. Juni 2005 bis zur Bewilligung am 7. Juli 2005 haben die Beteiligten in der mündlichen Verhandlung vor dem Senat einen Verfahrensvergleich geschlossen.

Die Berufung der Klägerin ist zulässig. Sie ist unter Beachtung der Form- und Fristvorschriften des § 151 Abs. 1 SGG eingelegt worden sowie statthaft (§ 143 SGG), weil der Wert des Beschwerdegegenstands mehr als 500,00 EUR beträgt (§ 144 Abs. 1 Satz 1 Nr. 1 SGG). Die Berufung ist jedoch nicht begründet.

Die Klägerin hat grundsätzlich Anspruch auf Leistungen zur Sicherung des Lebensunterhalts nach dem SGB II. Als erwerbsfähige Person mit gewöhnlichem Aufenthalt in der Bundesrepublik Deutschland, die das 15. Lebensjahr vollendet und das 65. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, gehört sie zum leistungsberechtigten Personenkreis des § 7 Abs. 1 SGB II. Die Klägerin ist auch hilfebedürftig im Sinne von § 9 SGB II, da sie ihren Lebensunterhalt nicht aus eigenen Kräften und Mitteln sichern kann, insbesondere verfügt sie über kein Einkommen und es liegt auch kein zu berücksichtigendes Vermögen vor. Allerdings besteht kein Anspruch der Klägerin auf Leistungen für Unterkunft und Heizung im hier maßgebenden Zeitraum, da zur Überzeugung des Senats nicht nachgewiesen ist, dass sie insoweit tatsächlich Aufwendungen hatte.

Nach § 22 Abs. 1 Satz 1 SGB II werden Leistungen für Unterkunft und Heizung in Höhe der tatsächlichen Aufwendungen erbracht, soweit diese angemessen sind. Gemeint sind die Aufwendungen, die der Hilfebedürftige in der Bedarfszeit für die Nutzung bzw. Gebrauchsüberlassung einer bestimmten Unterkunft Dritten gegenüber kraft bürgerlichen oder öffentlichen Rechts aufzubringen hat (LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 25. Juli 2006 - L 14 B 224/06 AS ER - (juris); Berlit in LPK-SGB II, 2. Aufl., § 22 Rdnr. 14). Nach dem Ergebnis der Beweisaufnahme durch Vernehmung des Zeugen I.B. in der mündlichen Verhandlung, ist nicht nachgewiesen, dass zwischen ihm und der Klägerin für den hier maßgebenden Zeitraum eine Vereinbarung darüber getroffen war, dass die Klägerin Miete zu zahlen hatte. Die Angaben der Klägerin und des Zeugen, dass schon zu Beginn des Jahres 2005 eine Mietzahlungsverpflichtung vereinbart gewesen sei, sind insoweit nicht glaubhaft. Die Klägerin hat angegeben, nach einer gescheiterten Ehe Ende Dezember 2003 wieder in ihr Elternhaus zurückgekehrt zu sein in die Bruckbergstraße in Eningen, wo die Familie seit 1996 gewohnt habe. Im Jahr 2004, zu einer Zeit, als ihr Vater selbst bereits das vierte Jahr arbeitslos war und sie im Bezug von Arbeitslosengeld stand, habe sie nichts zahlen müssen. Im Jahr 2005 hatte die Klägerin bis auf die bis April ausgeübte Teilzeitbeschäftigung in der Imbisstube ihres Vaters keinerlei Einnahmen, dieser bezog nun jedoch einen Existenzgründungszuschuss in Höhe von 600,00 EUR monatlich für die im November 2004 begonnene selbstständige Tätigkeit. Es ist nicht ohne weiteres nachvollziehbar, warum nunmehr bei fehlender Leistungsfähigkeit der Klägerin eine andere Regelung getroffen worden sein sollte. Für die Zeit der Beschäftigung der Klägerin bei dem Zeugen haben beide unterschiedliche Angaben zur Frage von Mietzahlungen gemacht. Die Klägerin hat insoweit ausdrücklich angegeben, sie habe ihren Verdienst vom Vater bar erhalten und diesem bar - zu Monatsbeginn - 250,00 EUR gegeben für Miete, Verpflegung, Strom und Wasser. Sie hat klar gestellt, dass es sich bei der in den Akten genannten Zahlung von 350,00 EUR um einen Fehler handele. Der Zeuge hat hingegen ausgesagt, die Klägerin habe keine Lohnzahlung gewollt, er habe ihr ab und zu etwas gegeben als Taschengeld. Sie habe ihm kein Geld bar gezahlt für die Miete. Auch auf Nachfrage ließen sich diese Widersprüche nicht klären, so dass nicht gesichert ist, ob und in welcher Höhe die Klägerin während ihrer Beschäftigung im Imbiss des Zeugen Miete gezahlt hat. Insoweit ist auch zu berücksichtigen, dass der Zeuge in seiner Einkommenssteuererklärung für das Jahr 2005 keine Einkünfte aus Vermietung und Verpachtung angegeben hat. Die Klägerin und der Zeuge haben übereinstimmend und glaubhaft angegeben, dass die Klägerin derzeit, da sie wieder arbeitet, monatlich 250,00 EUR für Unterkunft und Verpflegung zahlt, wobei der Zeuge betont hat, dass sie auch darüber hinaus von ihrem Geld Einkäufe für die Familie tätige. Dies lässt jedoch keine Rückschlüsse auf die Situation im zweiten Halbjahr 2005 zu, als die Klägerin noch keinerlei Einkünfte hatte. Hier ist vielmehr davon auszugehen, dass sie von ihrer Familie unterhalten und ohne Kostenverpflichtung in die ohnehin bereits vorhandene große Wohnung aufgenommen worden war. Dies ist als familiäre Unterstützung zu würdigen, insbesondere vor dem Hintergrund, dass sowohl die Klägerin wie auch der Zeuge ausgesagt haben, dass es der Klägerin nach ihrer gescheiterten Ehe lange Zeit sehr schlecht ging.

Auch der von der Klägerin im Widerspruchsverfahren im Jahr 2006 vorgelegte "Mietvertrag" belegt keine Mietzahlungsverpflichtung. Dieses Dokument, welches nach den Angaben in der mündlichen Verhandlung die Klägerin nach den Vorgaben ihres Vaters geschrieben hat, stellt inhaltlich keinen Mietvertrag dar, sondern lediglich eine Bestätigung über erhaltene Mietzahlungen. Nachdem aber schon nach den Aussagen der Klägerin und des Zeugen nicht glaubhaft gemacht ist, dass regelmäßig Miete gezahlt wurde, bewirkt diese schriftliche Erklärung keinen weiteren Nachweis, insbesondere nicht für die Tatsache, dass eine Mietzahlungsverpflichtung in der Zeit von Juli bis Dezember 2005 bestand.

Schließlich konnte die Klägerin auch nicht erklären, wie es zu den von der Sachbearbeiterin der Beklagten mit Grünstift vorgenommenen Einträgen im Leistungsantrag gekommen ist. Ihre Angabe, sie könne sich nicht erinnern, möglicherweise habe sie einfach gesagt, sie wohne bei den Eltern, ohne die Miete zu erwähnen, erklärt nicht die vorgenommene Eintragung "freies Wohnrecht". Es erscheint auch nicht plausibel, dass die Klägerin, gerade wenn über die Wohnkosten gesprochen wurde, eine tatsächlich bestehende Mietzahlungsverpflichtung nicht erwähnt hätte.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision (§ 160 Abs. 2 Nrn. 1 und 2 SGG) liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
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