L 9 R 2514/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Rentenversicherung
Abteilung
9
1. Instanz
SG Heilbronn (BWB)
Aktenzeichen
S 11 R 3543/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 9 R 2514/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. März 2006 wird zurückgewiesen.

Die Beklagte hat dem Kläger die außergerichtlichen Kosten des Berufungsverfahrens zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beklagte und Berufungsklägerin (künftig: Beklagte) wendet sich gegen die Verurteilung, dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren.

Der 1958 geborene Kläger und Berufungsbeklagte (künftig: Kläger) absolvierte von September 1972 bis Juli 1974 in Portugal eine Ausbildung zum Gipser. Anschließend arbeitete er von August 1974 bis April 1990 in Portugal im erlernten Beruf. Darauf folgend war der Kläger ab Juni 1990 bis einschließlich Januar 2003 im Bundesgebiet als Gipser versicherungspflichtig beschäftigt, zuletzt vom 22. Mai 1997 bis zum 31. Januar 2003 beim Stuckateurbetrieb P. in G ... Seit August 2000 war er nach Arbeitsunfall arbeitsunfähig erkrankt.

Am 23. Januar 2003 beantragte der Kläger bei der Beklagten, ihm Rente wegen Erwerbsminderung zu gewähren. Zur Begründung wies er auf die Folgen eines im Sommer 2000 erlittenen Arbeitsunfalls hin: Bewegungseinschränkung der rechten Schulter und Kraftminderung des rechten Arms nach Verrenkung der Schulter und operativ versorgtem Riss der Rotatorenmanschette - MdE 20 vH ab 27. Januar 2003 (Unfallrentenbescheid der BauBG vom 25. April 2003) sowie Feststellung eines GdB von 70 ab dem 24. Juli 2002 durch die Versorgungsverwaltung (Bescheid der Versorgungsamts Heilbronn vom 22. Januar 2003).

Die Beklagte veranlasste daraufhin eine fachübergreifende gutachtliche Untersuchung des Klägers durch den Chirurgen Dr. G. und den Internisten Dr. L ... Diese Gutachter hielten den Kläger wegen deutlicher Funktionsminderung des rechten Schultergelenks nach Trauma und Operation sowie weiteren geringgradigen degenerativen Wirbelsäulenveränderungen mit endgradiger Funktionseinschränkung und wegen eines Diabetes mellitus übereinstimmend nur noch für in der Lage arbeitstäglich unter drei Stunden den zuletzt ausgeübten Beruf des Gipsers zu verrichten. Auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt seien dem Kläger hingegen leichte bis mittelschwere Arbeiten über sechs Stunden arbeitstäglich möglich. Eine Besserung des Gesundheitszustands sei unwahrscheinlich.

In einer von der Beklagten des Weiteren eingeholten Arbeitgeberauskunft teilte der Stuckateurbetrieb P., G., unter dem 6. Juni 2003 mit, den Kläger vom 22. Mai 1997 bis zum 31. Januar 2003 als Facharbeiter - Richtung Gipser - Stuckateur beschäftigt zu haben. Dem Kläger habe es aber an theoretischen Facharbeiterkenntnissen gemangelt. Er sei tarifvertraglich nach Lohngruppe 3 des Baugewerbes in Höhe eines monatlichen Bruttoentgelts von 2.200 Euro bezahlt worden. Das Arbeitsverhältnis sei wegen Krankheit aufgelöst worden.

Im Folgenden lehnte die Beklagte den Rentenantrag mit am 26. Juni 2003 zur Post gegebenem Bescheid vom 17. Juni 2003 ab. Zur Begründung hieß es: Mit dem vorhandenen Leistungsvermögen könne der Kläger auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt arbeitstäglich sechs und mehr Stunden tätig sein. Berufsschutz bestehe nicht.

Den dagegen unter Hinweis auf eine auf den 11. Juli 2003 datierte Bescheinigung des Allgemeinmediziners Dr. U., I., am 24. Juli 2005 erhobenen Widerspruch wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 17. November 2003 als unbegründet zurück.

Dagegen erhob der Kläger am 17. Dezember 2003 Klage zum Sozialgericht Heilbronn - S 11 R 3543/03. Das Sozialgericht holte zunächst sachverständige Zeugenauskünfte bei den vom Kläger benannten behandelnden Ärzten ein.

Der Internist Dr. D., S., berichtete dem Sozialgericht unter dem 15. März 2004, den Kläger seit Mai 1999 quartalsmäßig bis halbjährlich diabetologisch zu betreuen. Diabetesbedingte Endorganschäden lägen bei dem nicht kooperationsfähigen und -bereiten Kläger nicht vor; seine Stoffwechsellage sei aber chronisch dekompensiert. Aus rein diabetologischer Sicht sei der Kläger in der Lage, den zuletzt ausgeübten Beruf des Gipsers ohne Gefährdung für seine Gesundheit auszuüben. Körperlich leichte Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes könne er vollschichtig verrichten. Der Allgemeinmediziner Dr. U., I., teilte unter dem 16. März 2004 mit, eine Tätigkeit des von ihm seit April 2003 hausärztlich betreuten Klägers als Gipser wegen der Insulintherapie, einer Augenerkrankung und der Schulterverletzung für gefährlich zu halten. Leichte körperliche Tätigkeiten seien dem Kläger dagegen möglich, wahrscheinlich sogar vollschichtig. Die Chirurg W., S., erklärte unter dem 7. Mai 2004, den Kläger seit Mai 2003 zu behandeln. Die bisherige Tätigkeit als Gipser könne der Kläger nicht mehr arbeitstäglich über sechs Stunden ausführen. Nur körperlich leichte Arbeiten seien dem Kläger noch vollschichtig zumutbar.

Im Folgenden holte das Sozialgericht eine weitere Auskunft bei dem Stuckateurbetrieb P. als dem letzten Arbeitgeber des Klägers ein. In der schriftlichen Auskunft vom 8. Juli 2004 teilte Herr P. mit, den Kläger als angelernten Baustuckateur beschäftigt zu haben. Der Kläger sei dabei bei einer wöchentlichen Arbeitszeit von 40 Stunden mit sämtlichen Nassputzarbeiten innen und außen sowie mit Trockenbauarbeiten und dem Gerüstbau befasst gewesen. Es habe sich um eine mittelschwere Arbeit überwiegend im Freien gehandelt. Der Kläger habe auf Gerüsten und Leitern auch über Kopf gearbeitet, häufig Treppensteigen und Lasten zwischen 10 und 25 kg heben und tragen müssen. Die vom Kläger vollwertig verrichteten Arbeiten seien im allgemeinen nur von Personen mit abgeschlossener Berufsausbildung von mehr als zwei Jahren verrichtet worden.

Weiter zog das Sozialgericht berufskundliche Auskünfte zu Kompetenzen, Aufgaben und Tätigkeiten eines Stuckateurs in der Berufe-NET Datenbank der Arbeitsverwaltung (Stand 13. September 2004) und des Zentralverbands Deutsches Baugewerbe (Verordnung über die Berufsausbildung in der Bauwirtschaft vom 2. Juni 1999, BGBl. I S. 1102) bei und vernahm den K., einen Arbeitskollegen des Klägers, in der mündlichen Verhandlung vom 29. März 2006 als Zeugen. Zeuge K. erklärte, bei der Firma P. als Vorarbeiter beschäftigt zu sein. Als der Kläger Mitte der 90iger Jahre begonnen habe, bei der Firma P. zu arbeiten, sei er seiner Gruppe zugeteilt worden. Der Kläger habe als Gipser vollwertige Arbeit erbracht und sämtliche Tätigkeiten verrichtet, die er selbst auch gemacht habe. Stuckarbeiten seien im Betrieb nur selten (ungefähr alle fünf Jahre einmal) vorgekommen. Diese seien dann vom Chef selbst oder von ihm verrichtet worden.

Durch Urteil vom 29. März 2006 verurteilte das Sozialgericht die Beklagte unter Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide und Abweisung der Klage im Übrigen, dem Kläger ab dem 1. Februar 2003 unbefristet Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit zu gewähren. Zur Begründung führte das Sozialgericht aus: Der Kläger sei der Gruppe der Facharbeiter zuzuordnen. Eine weitere Tätigkeit als Gipser sei dem Kläger aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr zumutbar. Die von der Beklagten benannte Verweisungstätigkeit eines Pförtners sei dem Kläger sozial nicht zumutbar; diejenige eines Registrators nach der Tarifgruppe BAT VIII komme nicht in Betracht, weil der in Sachen Aktenführung und Verwaltungstätigkeiten vorkenntnislose Kläger nicht in der Lage sei, sich die erforderlichen Registratorenkenntnisse innerhalb einer Anlernzeit von drei Monaten anzueignen. Rente wegen voller Erwerbsminderung komme nach dem Ergebnis der medizinischen Ermittlungen (Gutachten Dres. G., L.) dagegen nicht in Betracht. Das Urteil wurde der Beklagten am 25. April 2006 zugestellt.

Am 15. Mai 2006 hat die Beklagte Berufung gegen das Urteil eingelegt.

Die Beklagte hält das angefochtene Urteil aus mehreren Gründen für fehlerhaft. Die Auffassung des Sozialgerichts, der Kläger sei berufsunfähig, sei nicht akzeptabel. Der Kläger könne als Facharbeiter auf die Tätigkeit eines Registrators in der Tarifgruppe BAT VIII verwiesen werden; an der Verweisung auf den Beruf des Pförtners werde nicht mehr festgehalten. Diese Tätigkeit sei dem Kläger gesundheitlich und sozial zumutbar. Die Dauer der Anlern- oder Einarbeitungszeit eines Facharbeiters in die Tätigkeit eines Registrators im öffentlichen Dienst betrage üblicherweise nicht länger als drei Monate. Zu dessen Aufgabenbereichen zählten das Führen von nach bestimmten Kriterien geordneten Karteien, das Führen von Terminsüberwachungslisten, das Führen und Fortschreiben von einfachen Häufigkeitsstatistiken, das Anfertigen von Fotokopien, das Verwalten von Bürokleinmaterial sowie das Sortieren und Ablegen von Schriftgut und das Erledigen formularmäßiger Korrespondenz. Bei Registratorentätigkeiten bestehe im Übrigen generell kein hoher Anteil an Bildschirmarbeit; außerdem seien keine Computerkenntnisse erforderlich, die nicht binnen dreier Monate vermittelt werden könnten. Soweit für einen Registrator PC-Kenntnisse überhaupt zu fordern seien, seien diese innerhalb weniger Tage erlernbar. Dies entspreche auch der ständigen Rechtsprechung der Landessozialgerichte Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Sofern sich der Kläger als ausländischer Versicherter auf eine ungenügende Beherrschung der deutschen Sprache berufe, komme dem keine Bedeutung zu, weil für die Verweisungstätigkeit auf vergleichbare deutsche Versicherte abzustellen sei, die die erforderlichen Sprachkenntnisse typischerweise besäßen.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. März 2006 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Der Kläger beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält das von der Beklagten angefochtene Urteil des Sozialgerichts für zutreffend und betont, dass für ihn als gelernten Gipser, der noch nie irgendwelche Bürotätigkeiten zu verrichten gehabt habe, eine Einarbeitung in die Tätigkeit eines Registrators in der Form, dass er diese Tätigkeit nach einer Einarbeitungszeit von unter drei Monaten vollwertig verrichten könne, nicht möglich sei. Er habe keinerlei Kenntnisse, die ihn befähigten, mit Karteikarten, Computern oder überhaupt mit Schriftstücken umzugehen. Hinzu komme, dass er nur Umgangsdeutsch spreche, aber nicht in der Lage sei, Deutsch zu schreiben oder zu lesen. Er sei zwar in der Lage, schriftliche Arbeitsanweisungen im Gipser- und Stuckateurhandwerk zu lesen und zu erfassen, nicht aber allgemeine Behördenanträge und Verwaltungsformulare. Außerdem könne er einen PC nicht bedienen. Dies alles könne er sich auch nicht binnen dreier Monate aneignen.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts wird auf die Akten der Beklagten, die Akten des Sozialgerichts Heilbronn im erstinstanzlichen Verfahren (S 11 RJ 3543/03) und die Akten des Senats Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Beklagten ist zulässig. Sie ist aber sachlich nicht begründet. Das angefochtene Urteil des Sozialgerichts Heilbronn vom 29. März 2006 ist rechtmäßig. Das Sozialgericht hat dem Kläger Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit ab dem 1. Februar 2003 zu Recht zugesprochen.

Anspruch auf Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bei Berufsunfähigkeit haben nach § 240 Abs. 1 Sozialgesetzbuch Sechstes Buch - SGB VI - bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen bis zur Vollendung des 65. Lebensjahres Versicherte, die vor dem 2. Januar 1961 geboren und berufsunfähig sind. Berufsunfähig sind Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit wegen Krankheit oder Behinderung im Vergleich zur Erwerbsfähigkeit von körperlich, geistig und seelisch gesunden Versicherten mit ähnlicher Ausbildung und gleichwertigen Kenntnissen und Fähigkeiten auf weniger als sechs Stunden gesunken ist (§ 240 Abs. 2 S. 1 SGB VI). Der Kreis der Tätigkeiten, nach denen die Erwerbsfähigkeit von Versicherten zu beurteilen ist, umfasst alle Tätigkeiten, die ihren Kräften und Fähigkeiten entsprechen und ihnen unter Berücksichtigung der Dauer und des Umfangs ihres bisherigen Berufs und der besonderen Anforderungen ihrer bisherigen Berufstätigkeit zugemutet werden können (§ 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI).

Entscheidend für die damit angesprochene Frage des Berufsschutzes kommt es auf die soziale Zumutbarkeit einer auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt angebotenen Verweisungstätigkeit an, die sich nach der Wertigkeit des bisherigen Berufs auf der Grundlage des vom Bundessozialgericht entwickelten Mehrstufenschemas bemisst (vgl. näher: BSG, Großer Senat, Urteil vom 19. Dezember 1996, GS 2/95, BSGE 80, 24 (38 ff); BSG, Urteil vom 3. Juli 2002, B 5 RJ 18/01 R, JURIS; BSG, Urteil vom 22. August 2002, B 13 RJ 19/02 R, JURIS). Die in diesem Mehrstufenschema genannten Berufsgruppen sind ausgehend von der Bedeutung, die Dauer und Umfang der Ausbildung für die Qualität eines Berufs haben, gebildet worden. Dementsprechend werden die Gruppen durch die Leitberufe des Vorarbeiters mit Vorgesetztenfunktion und des besonders hoch qualifizierten Facharbeiters, des Facharbeiters (anerkannter Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren), des angelernten Arbeiters (sonstiger Ausbildungsberuf mit einer Regelausbildungszeit von drei Monaten bis zu zwei Jahren) und des ungelernten Arbeiters charakterisiert (z.B. BSGE 59, 201 = SozR 2200 § 1246 Nr. 132; BSG SozR 2200 § 1246 Nrn.138, 140). Die Gruppe mit dem Leitberuf des Angelernten ist eine inhomogene und vielschichtige Gruppe, denn zu ihr zählen nicht nur Versicherte, deren Qualifikation durch eine betriebliche Ausbildung von nur drei Monaten gekennzeichnet ist, sondern auch Versicherte, die einen staatlich anerkannten Ausbildungsberuf mit einer vorgeschriebenen Regelausbildungszeit von bis zu zwei Jahren ausüben. Daher wird in der Gruppe der Angelernten zwischen den "oberen Angelernten" mit einer regelmäßigen auch betrieblichen Ausbildungs- oder Anlernzeit von über 12 bis zu 24 Monaten und den "unteren Angelernten" mit einer Anlernzeit von drei bis 12 Monaten unterschieden. Während die unteren Angelernten grundsätzlich uneingeschränkt auf alle Tätigkeiten des allgemeinen Arbeitsmarktes verweisbar sind, sind Versicherten der Gruppe der oberen Angelernten, die ihre bisherige Tätigkeit aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr verrichten können, konkrete Verweisungstätigkeiten zu benennen, die sich durch Qualitätsmerkmale, etwa das Erfordernis einer Einweisung und Einarbeitung oder die Notwendigkeit beruflicher oder betrieblicher Vorkenntnisse auszeichnen (vgl. hierzu Niesel, in Kasseler Kommentar § 240 SGB VI Rn. 35, 36, 101 und 114 mit weiteren Nachweisen).

Ausschlaggebend für die Zuordnung einer bestimmten Tätigkeit zu einer der Gruppen des Mehrstufenschemas ist allein die Qualität der verrichteten Arbeit, das heißt der aus einer Mehrzahl von Faktoren zu ermittelnde Wert der Arbeit für den Betrieb. Es kommt auf das Gesamtbild an, wie es durch die in § 240 Abs. 2 Satz 2 SGB VI am Ende genannten Merkmale (Dauer und Umfang der Ausbildung, bisheriger Beruf, besondere Anforderungen der bisherigen Berufstätigkeit) umschrieben wird (BSG SozR 3-2000 § 1246 Nrn. 27, 33). Indizien für die gebotene Gesamtschau sind auch, wenn eine Ausbildung nicht absolviert wurde, die Dauer der Berufsausübung und die Höhe der Entlohnung, wenn von dieser auf die Qualität der verrichteten Arbeit geschlossen werden kann (Niesel, a.a.O., Rn. 43, 60, 61 m. w. N.)

In Anwendung dieser Kriterien ist der 1958 - und damit vor dem 1. Januar 1961 - geborene Kläger nach den erstinstanzlich aufgenommenen und auch den Senat überzeugenden Ausführungen seines Arbeitgebers P. und des ihm vorgesetzten Vorarbeiters K. unstreitig als Facharbeiter mit einer Ausbildung in einem anerkannten Ausbildungsberuf mit einer Ausbildungszeit von mehr als zwei Jahren - Gipser - einzustufen. Damit steht die Beklagte in der Pflicht, dem Kläger einen sozial und gesundheitlich zumutbaren Verweisungsberuf zu benennen, in den sich der Kläger binnen einer Frist von weniger als drei Monaten einarbeiten können muss. Die Beklagte hat den Kläger im Berufungsverfahren nur noch auf die Tätigkeiten eines Registrators im öffentlichen Dienst in der Tarifgruppe nach BAT VIII verwiesen. Sozial zumutbar wäre dem Kläger zur Überzeugung des Senats der genannte Verweisungsberuf, wird er doch, wie von der Beklagten zutreffend ausgeführt, entsprechend tarifvertraglich entlohnt. Der Beruf des Registrators ist vom Kläger aber nicht innerhalb von weniger als drei Monaten erlernbar.

Eine grundsätzlich sozial zumutbare Verweisung des Klägers auf den Beruf des Registrators entsprechend der Vergütungsgruppe BAT VIII im öffentlichen Dienst (Angestellter im Registraturdienst mit schwierigerer Tätigkeit) scheitert daran, dass der Kläger in diesen Beruf nicht in einer Frist unter drei Monaten vollwertig eingearbeitet werden kann. Die Bundesagentur für Arbeit nennt im aktuellen "BERFUFE-net" (Stand: Juli 2007) als Zugangsvoraussetzungen für den Beruf des Registrators die Vorteilhaftigkeit einer kaufmännischen Ausbildung und die regelmäßige bestehende Notwendigkeit sich in Dokumentationssystemen und elektronischen Archivsystemen auszukennen, um Akten und Schriftverkehr verwalten und archivieren zu können. An beidem fehlt es dem Kläger völlig, der in seinem bisherigen beruflichen Leben über annähernd 25 Jahre allein handwerklich als Gipser berufstätig gewesen ist und keinerlei PC-Kenntnisse hat. Ohne jede Vorkenntnisse in der EDV und allgemeiner Verwaltungstätigkeit wird die Einarbeitungszeit für den Kläger - auch eine, wie von der Beklagten und Berufungsklägerin gefordert, einwandfreie Beherrschung der deutschen Sprache unterstellt - in die Tätigkeit eines vollwertigen Registrators deshalb mehr Zeit als drei Monate beanspruchen (so auch LSG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 7. März 2007, L 6 RJ 67/01, JURIS). Dies unterscheidet den Fall des Klägers auch von denjenigen, die der 2. und 11. Senat des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (L 2 R 4377/02, Urteil vom 25. Mai 2005 und L 11 RJ 4993/03, Urteil vom 25. Januar 2005) zu entscheiden gehabt haben. Soweit die Beklagte sich für ihren Vortrag auf die Entscheidungen anderer Senat des Landesozialgerichts Baden-Württemberg, etwa auf diese Entscheidung des 2. Senats stützt, verkennt sie, dass der dort klagende Versicherte, ein Kameramann, der auf den Beruf des Registrators verwiesen worden war, sich zuhause ein komplettes Büro mit Computer eingerichtet und überlegt hatte, ein Schreibbüro für Handwerker zu gründen. Auf diesen Umstand hat der 2. Senat bei der Einschätzung, die Einarbeitungszeit des Kameramanns als Registrator betrage längstens drei Monate, auch tragend abgestellt. Entsprechendes gilt für die Entscheidung des 11. Senats, die einen Maler betroffen hat, der sich in der Freizeit mit dem PC seiner Tochter beschäftigt und eingeräumt hat, PC-Vorkenntnisse zu haben. Schließlich stellt der 11. Senat auch in seiner Entscheidung vom 23. Januar 2007, L 11 R 4310/06, JURIS entscheidend darauf ab, dass der Kläger das Gymnasium und die kaufmännische Berufsschule besucht hatte und zuletzt als Inhaber einer Spedition tätig war. Auch soweit die Beklagte sich für die Verteidigung ihres Rechtsstandpunkts auf Rechtsprechung des 3. und 12. Senats des Landessozialgerichts Baden-Württemberg bezieht (L 3 R 1625/04, Urteil vom 5. April 2006 und L 12 R 91/05, Urteil vom 30. August 2005), rechtfertigt dies keine abweichende Beurteilung, weil in den zitierten Entscheidungen bei der Verweisung auf eine Registratorentätigkeit jeweils eine "einfachen Anlerntätigkeit, für die keinerlei besondere Ausbildung erforderlich sei" (3. Senat) oder eine "im wesentlichen einfach strukturierten Bürotätigkeit" (12. Senat) in Bezug genommen wird. Auf solche "einfache" Registratorentätigkeiten, die in der Tat auch ohne jede (EDV-)Vorkenntnisse binnen weniger Tage erlernbar sind, mögen Versicherte mit dem Status eines "oberen Angelernten" nach dem Mehrstufenschema des BSG sozial zumutbar verweisbar sein, nicht aber ein "Facharbeiter", wie es der Kläger ist.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Gründe für die Zulassung der Revision liegen nicht vor.
Rechtskraft
Aus
Saved