L 1 U 4317/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
1
1. Instanz
SG Karlsruhe (BWB)
Aktenzeichen
S 3 U 1628/05
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 1 U 4317/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
1. Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Juli 2006 aufgehoben und die Klage abgewiesen.

2. Die Berufung des Klägers wird zurückgewiesen.

3. Außergerichtliche Kosten sind dem Kläger in beiden Rechtszügen nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Im Streit steht die Gewährung einer Verletztenrente über den 30. September 2000 hinaus.

Der Kläger ist 1944 geboren, arbeitet als Muldenkipperfahrer bei der R. B. GmbH, Tankreinigung, und erlitt am 14. Februar 2000 einen Arbeitsunfall, als er sich beim Beheben eines technischen Defekts an einem Muldenkipper Finger an der rechten Hand quetschte, in deren Folge das Endglied des rechten Zeigefingers amputiert wurde (Durchgangsarztbericht vom 14. Februar 2000). Ab 27. März 2000 war der Kläger wieder arbeitsfähig. Aktenkundig sind wiederkehrende ärztliche Konsultationen wegen Schmerzen im Bereich des Narbenbereichs. Bereits am 16. März 1991 hatte der Kläger eine traumatische Bursitis olecrani rechts erlitten, in deren Folge es ebenfalls zu schmerzhaften Narbenadhäsionen kam.

Im ersten Rentengutachten vom 29. April 2003 (Untersuchungstag: 8. April 2003) fasste Prof. Dr. Pf., Direktor der unfallchirurgischen Abteilung des Städtischen Klinikums K., die wesentlichen Unfallfolgen mit einem Beugedefizit des Zeigefingers sowie einer Kraftminderung der gesamten rechten Hand, vasomotorischen Defiziten des Zeigefingers, ausgeprägter Berührungsempfindlichkeit des Stumpfes und radiologischen Veränderungen zusammen. Die Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) betrage wegen der Unfallfolgen vom 27. März 2000 bis 7. April 2003 10 v.H., und ab 8. April 2003 bis auf Weiteres 10 v.H.

Die Beklagte zog daraufhin von der früheren M.- und K.-Berufsgenossenschaft die Unterlagen über den Arbeitsunfall vom 16. März 1991 bei.

Die Beklagte holte weiter vom Beratungsarzt Dr. W., Facharzt für Unfallchirurgie, die beratungsärztliche Stellungnahme vom 2. Juni 2003 ein, der ausführte, dass unter Berücksichtigung der Durchblutungs- und Gefühlsstörungen des Fingers der Zustand vorübergehend mit dem Verlust von zwei Gliedern des Zeigefingers verglichen werden könne und deshalb eine MdE um 20 v.H. für die Zeit vom 27. März bis 30. September 2000 angenommen werden könne, danach bis 31. März 2001 um 10 v.H., anschließend um weniger als 10 v.H.

Mit Bescheid vom 24. Juni 2003 gewährte die Beklagte Verletztenrente für die Zeit vom 27. März bis 30. September 2000 nach einer MdE um 20 v.H. und erkannte als Unfallfolgen den Verlust des rechten Zeigefingerendglieds, Berührungsempfindlichkeit im Bereich des Zeigefingerstumpfs, Beugeeinschränkung des Zeigefingers, Minderung der groben Kraft der Hand sowie die röntgenologisch nachweisbaren unfallbedingten Veränderungen nach Quetschverletzung des Zeigefingers an.

Dagegen erhob der Kläger Widerspruch und brachte vor, die Begrenzung der Rentenzahlung bis zum 30. September 2000 entbehre jeder Grundlage. Mit Widerspruchsbescheid vom 16. September 2003 wies der Widerspruchsausschuss der Beklagten den Widerspruch zurück.

Dagegen hat der Kläger Klage zum Sozialgericht Karlsruhe erhoben(SG, Az.: S 3 U 3694/03), das mit Beschluss vom 11. Juni 2004 wegen der andauernden Prüfung, ob wegen der Folgen des Arbeitsunfalls vom 16. März 1991 eine Stützrente in Betracht komme, das Verfahren zum Ruhen gebracht hat.

Mit Bescheid vom 13. April 2005 wurde dem Kläger wegen des Unfalls vom 14. Februar 2000 auch für die Zeit vom 1. Oktober 2000 bis 31. März 2001 Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. bewilligt, nachdem wegen des Unfalls aus dem Jahr 1991 eine MdE um 10 v.H. festgestellt worden war. Gestützt wurde die Entscheidung auf das Gutachten von Dr. R., Chefarzt der Chirurgischen Klinik der St. V.-Kliniken K. vom 21. Juli 2004 (Untersuchung 14. Juli 2004)

Daraufhin hat die Beklagte das Klageverfahren am 27. April 2005 wieder angerufen (Az: S 3 U 1628/05). Auf Antrag des Klägers nach § 109 Sozialgerichtsgesetz (SGG) hat das SG das unfallchirurgische Gutachten des Dr. E. vom 9. März 2006 eingeholt. Dieser hat im Wesentlichen ausgeführt, als Folge des Unfalls vom 14. Januar 2000 liege ein Verlust des Endgliedes des Zeigefingers, ein berührungsempfindlicher Amputationsstumpf mit Durchblutungsstörungen, ein fehlender und kraftloser Faustschluss sowie eine Bewegungseinschränkung des Zeigefingers vor. Eine MdE um 10 v.H. ab 1. April 2001 liege als Dauerschaden vor. Zwar begründe allein die Amputationsverletzung des Zeigefingerendgliedes keine MdE um 10 v.H ... Es müsse jedoch berücksichtigt werden, dass der weitgehend versteifte und störende Zeigefinger erheblich und störend auf die Gesamtfunktion einwirke. Die Beklagte hat daraufhin die beratungsärztliche Stellungnahme des Dr. W. vom 9. April 2006 vorgelegt, Dr. E. auf Anforderung des SG die ergänzende Stellungnahme vom 22. Mai 2006.

Mit Urteil vom 20. Juli 2006 hat das SG den Bescheid vom 24. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2003 und den Bescheid vom 13. April 2005 abgeändert und die Beklagte unter Abweisung der Klage im Übrigen verurteilt, dem Kläger Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. über den 31. März 2001 hinaus bis 14. Juli 2004 zu gewähren. Zur Begründung hat sich das SG im Wesentlichen auf das Gutachten von Prof. Dr. Pf. vom 29. April 2003 gestützt und ausgeführt, dass danach über den 31. März 2001 hinaus Unfallfolgen vorliegen würden, die eine MdE um 10 v.H. rechtfertigten. Dies sei jedenfalls bis zur Begutachtung durch Dr. R. am 14. Juli 2004 anzunehmen. Dieser habe bei der Untersuchung der Hände rechts und links die Sensibilität und Durchblutung als jeweils regelrecht beschrieben, ebenfalls seitengleichen Umfang der Ober- und Unterarme. Dr. Erich habe demgegenüber keine Befunde mitgeteilt, die einem Verlust des Zeigefingers entsprächen. Auch die von Dr. E. behauptete weitgehende Versteifung des Zeigefingers vermöge nicht zu überzeugen, da übereinstimmend mit Dr. W. für diesen Fall mehr als 6 Jahre nach dem Unfall eine Veränderung des Kalksalzgehalts der Knochen zu erwarten wäre, was aber nicht der Fall sei.

Gegen das den Beteiligten am 27. Juli 2006 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 24. August 2006, der Kläger am 25. August 2006 Berufung eingelegt.

Die Beklagte beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Juli 2006 aufzuheben, die Klage abzuweisen und die Berufung des Klägers zurückzuweisen.

Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Karlsruhe vom 20. Juli 2006 abzuändern, die Beklagte unter Abänderung des Bescheids vom 24. Juni 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 16. September 2003 und des Bescheids vom 13. April 2005 zu verurteilen, Verletztenrente nach einer MdE um 10 v.H. über den 14. Juli 2004 hinaus zu gewähren und die Berufung der Beklagten zurückzuweisen.

Der Kläger trägt vor, dass die Funktionseinschränkungen der rechten Hand bei der Arbeit erheblich behinderten und deshalb eine höhere MdE gerechtfertigt sei.

Das Gericht hat Dr. B./Dr. K., Handchirurgische Abteilung der DRK-Klinik B.-B. mit der Erstellung eines handchirurgischen Gutachtens beauftragt. In ihrem Gutachten vom 22. Mai 2007 haben sie zusammenfassend eine MdE um 20 v.H. für die Zeit vom 27. März bis 30. September 2000 und um 10 v.H. vom 1. Oktober 2000 bis 31. März 2001, danach um weniger als 10 v.H. vorgeschlagen.

Wegen der weiteren Einzelheiten des Sachverhalts und des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten sowie der Gerichtsakten beider Instanzen Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und nach § 151 SGG auch im Übrigen zulässige Berufung der Beklagten ist begründet, die zulässige Berufung des Klägers ist unbegründet.

Gemäß § 56 Abs. 1 Satz 1 Siebtes Buch Sozialgesetzbuch (SGB VII) haben Versicherte, deren Erwerbsfähigkeit infolge eines Versicherungsfalls über die 26. Woche hinaus um wenigstens 20 v.H. gemindert ist, Anspruch auf eine Rente. Versicherungsfälle der gesetzlichen Unfallversicherung sind Arbeitsunfälle und Berufskrankheiten (§ 7 Abs. 1 SGB VII). Arbeitsunfälle sind Unfälle von Versicherten infolge einer den Versicherungsschutz nach den §§ 2, 3 oder 6 SGB VII begründenden Tätigkeiten (versicherte Tätigkeiten). Unfälle sind zeitlich begrenzte, von außen auf den Körper einwirkende Ereignisse, die zu einem Gesundheitsschaden oder zum Tod führen (§ 8 Abs. 1 SGB VII).

Ist die Erwerbsfähigkeit infolge mehrerer Versicherungsfälle gemindert und erreichen die Vomhundertsätze zusammen wenigstens die Zahl 20, besteht für jeden, auch für einen früheren Versicherungsfall, Anspruch auf Rente, wobei die Folgen eines Versicherungsfalls nur zu berücksichtigen sind, wenn sie die Erwerbsfähigkeit um mindestens 10 v.H. mindern (§ 56 Abs. 1 Sätze 2 und 3 SGB VII). Dabei richtet sich die Minderung der Erwerbsfähigkeit nach dem Umfang der sich aus der Beeinträchtigung des körperlichen oder geistigen Leistungsvermögens ergebenden verminderten Arbeitsmöglichkeiten auf dem gesamten Gebiet des Erwerbslebens (§ 56 Abs. 2 Satz 1 SGB VII), d.h. auf dem allgemeinen Arbeitsmarkt (BSGE 1, 174, 178; BSG SozR 2200 § 581 Nr. 22). Als Folge eines Unfalls sind Gesundheitsstörungen nur zu berücksichtigen, wenn das Unfallereignis wie auch das Vorliegen der konkreten Beeinträchtigung bzw. Gesundheitsstörung jeweils bewiesen und die Beeinträchtigung mit Wahrscheinlichkeit auf das Unfallereignis zurückzuführen ist. Für die Gewährung von Leistungen aus der gesetzlichen Unfallversicherung ist ein ursächlicher Zusammenhang zwischen der versicherten Tätigkeit und dem Unfall einerseits (haftungsbegründende Kausalität) und zwischen der hierbei eingetretenen Schädigung und der Gesundheitsstörung andererseits (haftungsausfüllende Kausalität) erforderlich. Dabei müssen die versicherte Tätigkeit, die Schädigung und die eingetretene Gesundheitsstörung mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit nachgewiesen werden, während für den ursächlichen Zusammenhang als Voraussetzung der Entschädigungspflicht, welcher nach der auch sonst im Sozialrecht geltenden Lehre von der wesentlichen Bedingung zu bestimmen ist, grundsätzlich die hinreichende Wahrscheinlichkeit, nicht allerdings die bloße Möglichkeit ausreicht (BSGE 58, 80, 82; 61, 127, 129; BSG, Urt. v. 27. Juni 2000 - B 2 U 29/99 R - m.w.N.). Hinreichende Wahrscheinlichkeit bedeutet, dass bei vernünftiger Abwägung aller Umstände den für den Zusammenhang sprechenden Umständen ein deutliches Übergewicht zukommt, so dass darauf die richterliche Überzeugung gegründet werden kann (BSGE 45, 285, 286). Kommen mehrere Ursachen in Betracht, so sind nur solche Ursachen als rechtserheblich anzusehen, die wegen ihrer besonderen Beziehung zum Erfolg zu dessen Eintritt wesentlich beigetragen haben (vgl. BSGE 63, 277, 278). Daran fehlt es, wenn die Krankheitsanlage so leicht ansprechbar gewesen ist, dass die Auslösung akuter Erscheinungen aus ihr nicht besonderer, in ihrer Art unersetzlicher äußerer Einwirkungen bedurfte (vgl. BSGE 62, 220, 222; BSG, Urt. v. 2. Mai 2001 - B 2 U 18/00 R -, in: HVBG-Info 2001, 1713). Lässt sich ein Zusammenhang nicht wahrscheinlich machen, so geht dies nach dem im sozialgerichtlichen Verfahren geltenden Grundsatz der materiellen Beweislast zu Lasten des Versicherten (vgl. BSGE 6, 70, 72; BSG SozR 3-2200 § 548 Nr. 11 S. 33).

Nach Maßgabe dessen ist der Senat, gestützt auf das schlüssige und überzeugende Gutachten PD Dr. B./Dr. K. und die beratungsärztlichen Stellungnahmen des Dr. W. der Überzeugung, dass beim Kläger nur für die Zeit vom 27. März bis 30. September 2000 eine MdE um 20 v.H., danach bis 31. März 2001 um 10 v.H. und ab 1. April 2001 auf Dauer nur um weniger als 10 v.H. vorliegt und deshalb die angefochtenen Bescheide der Beklagten rechtsfehlerfrei sind.

Wie im Gutachten PD Dr. B./Dr. K. vom 22. Mai 2007 anhand der erhobenen Befunde nachvollziehbar dargelegt, liegen beim Kläger als Unfallfolgen noch ein Verlust des Zeigefingerendglieds rechts, eine ungenügende Weichteildeckung des Amputationsstumpfes mit Berührungs- und Kälteempfindlichkeit bei erhaltener Sensibilität und eine geringgradige Bewegungseinschränkung im verbliebenen Zeigefingermittelgelenk bei freier Beweglichkeit im Zeigefingergrundgelenk vor. Es handelt sich hierbei um lokale Stumpfbeschwerden und eine mäßige Bewegungseinschränkung, die dem kompletten Verlust des Zeigefingers funktionell nicht gleichzusetzen sind. Denn der Zeigefingerstumpf kann bei verschiedenen Griffformen noch immer effizient eingesetzt werden. Es fehlen im Übrigen auch Dystrophiezeichen an den verbliebenen Fingeranteilen, die den Schluss auf eine anhaltende Inaktivität der rechten Hand wegen der Verletzungsfolgen zulassen würden.

Soweit Dr. E. in seinem Gutachten abweichende Unfallfolgen beschrieben hat, vermag dies nicht zu überzeugen. Dr. E. hat eine gute Weichteildeckung des Zeigefingerstumpfs beschrieben. Dieser Befund vermag unter Berücksichtigung der aktenkundigen ärztlichen Stellungnahmen nicht zu überzeugen. Schon Prof. Dr. Pf. hat in seinem Gutachten vom 12. März 2003 im Verwaltungsverfahren eine nur suffiziente Weilteildeckung des Stumpfs beschrieben, allerdings bereits Berührungsempfindlichkeit des Stumpfes, Letzteres ebenso Dr. R. in seinem Gutachten vom 21. Juli 2004. Eine Ursache dieser Beschwerden hat jedoch keiner der genannten Ärzte angegeben, nach der überzeugenden Beurteilung durch PD Dr. B./Dr. K. ist auch der Senat der Überzeugung, dass gerade der Hauptteil der Beschwerden des Klägers auf einer ungenügenden Weichteildeckung des Zeigefingerstumpfes beruht und der Bewertung durch Dr. E. insoweit nicht zu folgen ist.

Soweit Dr. E. eingeschränkte Griffformen benannt hat, werden diese in seinem Gutachten nicht näher beschrieben, insbesondere ist eine Einzelmessung von Bewegungsumfängen der Fingergelenke nicht dokumentiert. Allerdings haben PD Dr. B./Dr. K. Messungen durchgeführt, die keine erhebliche Einschränkung der Grifffunktionen belegen, berücksichtigt man insbesondere, dass der Kläger das Mittelgelenk des rechten Zeigefingers erst nach Aufforderung, dann aber ohne wesentliche Einschränkungen mit bewegt. Von einer weitgehenden Versteifung des Zeigefingers und einer ausgeprägten Störung der gesamten Handfunktion kann daher, wie auch das SG, gestützt auf Dr. W. zutreffend ausgeführt hat, nicht die Rede sein.

Für die Bewertung einer unfallbedingten MdE kommt es auf die gesamten Umstände des Einzelfalles an. Die Beurteilung, in welchem Umfang die körperlichen oder geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind, liegt in erster Linie auf ärztlich-wissenschaftlichem Gebiet (BSG, Urt. vom 26. Juni 1985 - 2 RU 60/84 -, in: SozR 2200 § 581 RVO Nr. 23 m.w.N.; BSG, Urt. vom 19. Dezember 2000 - B 2 U 49/99 R -, in: HVBG-Info 2001, 499). Die Sachkunde des ärztlichen Sachverständigen bezieht sich in erster Linie darauf, in welchem Umfang die körperlichen und geistigen Fähigkeiten des Verletzten durch die Unfallfolgen beeinträchtigt sind. Schlüssige ärztliche Meinungsäußerungen darüber, inwieweit derartige Beeinträchtigungen sich auf die Erwerbsfähigkeit auswirken, sind zwar bedeutsame Anhaltspunkte, besitzen aber keine bindende Wirkung, auch wenn sie eine wichtige und vielfach unentbehrliche Grundlage für die richterliche Schätzung der MdE darstellen (BSG, Beschluss vom 22. August 1989, - 2 BU 101/89 -, in: HVBG-Info 1989 S. 2268). Bei der Bewertung der MdE sind schließlich auch die in jahrzehntelanger Entwicklung von der Rechtsprechung und dem versicherungsrechtlichen oder versicherungsmedizinischen Schrifttum ausgearbeiteten Erfahrungssätze zu beachten, um eine gerechte und gleiche Bewertung der zahlreichen Parallelfälle der täglichen Praxis zu gewährleisten.

Nach diesen Erfahrungssätzen, wie sie z.B. in Schönberger/Mehrtens/Valentin, Arbeitsunfall und Berufskrankheit, 7. Auflage 2003 S. 641 ff aufgeführt sind, rechtfertigt die Teilamputation des Zeigefingers in Normalfall eine MdE um 20 v.H. für 6 Monate, dann um 0 vom Hundert.

Die durch die Beklagte vorgenommene und durch die gerichtlich bestellten Gutachter bestätigte Staffelung der MdE mit der Feststellung einer MdE um 20 v.H. für das erste halbe Jahr nach dem Unfall trägt diesen Erfahrungswerten Rechnung, wonach bei derartigen Verletzungen bis zum weitgehenden Abschluss der Narbenbildung erhebliche Funktionsstörungen auch an den unverletzten Handteilen auftreten. Für die Zeit eines weiteren Jahres ist dem Umstand Rechnung getragen worden, dass zunächst eine gewisse Gewöhnung an die Verletzung erfolgen muss und sich die Handfunktion nur schrittweise normalisiert. Nach Ablauf von etwa 1 ½ Jahren nach dem Unfall ist dieser Prozess abgeschlossen und die Handfunktion im Wesentlichen wieder hergestellt.

Soweit Dr. R. und darauf gestützt auch das SG angenommen haben, über den 31. März 2001 hinaus liege noch eine MdE um 10 v.H. vor, ist dem nicht zu folgen, da Dr. R. in seinem Gutachten ebenfalls den Befund der rechten Hand als in Durchblutung, Sensibilität und Motorik intakt beschrieben hat. Anhaltspunkte bzw. Befunde, die die Annahme rechtfertigen könnten, bis zur Untersuchung durch ihn habe ein abweichender Befund vorgelegen, sind nicht dokumentiert und auch aus dem Krankheitsverlauf nicht abzuleiten. Die Annahme einer MdE um 10 v.H. hat er im Wesentlichen auf die Folgen des Unfalls aus dem Jahr 1991 gestützt.

Soweit noch Stumpfbeschwerden vorliegen, sind diese schon bei den MdE-Sätzen für die Teilamputation berücksichtigt.

Die Berufung des Klägers war deshalb zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Die Revision war nicht zuzulassen, da die Voraussetzungen des § 160 Abs. 2 SGG nicht vorliegen.
Rechtskraft
Aus
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