L 6 V 4422/05

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Reutlingen (BWB)
Aktenzeichen
S 4 V 4154/04
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 4422/05
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.08.2005 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger begehrt zum wiederholten Male die Gewährung von Berufsschadensausgleich durch die Beklagte und die Aufhebung der entgegenstehenden Bescheide gem. § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuches (SGB X).

Bei dem 1925 geborenen Kläger anerkannte das frühere Versorgungsamt Rottweil (VA) als Folge einer Kriegsverwundung: "Verlust des linken Oberarms im Schultergelenk, fixierte Fehlhaltung und vorzeitige Verschleißerscheinungen der Wirbelsäule, Stecksplitter unterhalb des linken Schlüsselbeins und im Brustkorbbereich". Das VA gewährte ihm deswegen zunächst eine Rente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 80 vom Hundert (v.H.), ab 01.02.79 um 90 v.H.

Am 08.11.1982 beantragte der Kläger u.a. die Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit nach § 30 Abs. 2 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) sowie die Gewährung von Berufsschadensausgleich. Zur Begründung gab er an, er sei infolge seiner Schädigung aus dem Erwerbsleben ausgeschieden. Von der früheren Firma sei ein jüngerer Nachfolger eingestellt worden, weil er aufgrund des Verlustes des linken Oberarmes nicht mehr voll leistungsfähig gewesen sei. Im Einzelnen gab er auf Anfrage der Beklagten an, er habe in der Strickwarenfabrik seiner Eltern den Beruf des Strumpfstrickeinrichters erlernt. Vom 01.04.1950 bis 01.04.1981 sei er als Textilingenieur bzw. Technischer und Kaufmännischer Geschäftsführer teils selbstständig teils nicht selbstständig für die N. GmbH sowie die von ihm gegründete Strickwarenfabrik N., die 1976 in der N. GmbH aufgegangen sei, tätig gewesen. Altersbedingt und durch Überlastung seines rechten Armes sowie Verkrümmung seines Rückgrates habe er diesen harten Job unter Stress leider nicht mehr ausführen können. Sein Nachfolger habe das Unternehmen drei Monate nach seinem Ausscheiden "Konkurs gesetzt". Er legte Einkommenssteuerbescheide für 1979 und 1980 vor, aus denen sich Verluste aus Gewerbebetrieb sowie Einkünfte aus nicht selbstständiger Arbeit (62.400,00 DM bzw. 81.000,00 DM) ergeben. Das VA holte die Auskünfte des damaligen Partners des Klägers, R. R., vom 02.12.1982 und 28.03.1983 ein. Dieser teilte mit, der Kläger habe am 21.04.1981 aus freien Stücken seine Geschäftsführerbefugnis niedergelegt. Er sei wegen des Verhaltens seiner Ehefrau, die einem Ersuchen auf Aufstockung ihrer stillen Beteiligung an der Firma entsprochen habe, verärgert gewesen. Zu diesem Zeitpunkt habe es noch keinen Nachfolger gegeben. Die Tätigkeit des Klägers habe zu 50% aus Reisetätigkeit bestanden.

Mit Zugunstenbescheid vom 17.05.1983 gewährte das VA dem Kläger rückwirkend ab 01.01.1978 Rente nach einer MdE um 90 v.H. sowie ab 01.02.1979 Rente nach einer MdE um 100 v.H. unter Berücksichtigung einer besonderen beruflichen Betroffenheit mit der Begründung, der Kläger sei in seinem Beruf als Geschäftsführer durch die Art der Schädigungsfolgen in einem wesentlich höheren Grade als im allgemeinen Erwerbsleben erwerbsgemindert gewesen.

Mit Bescheid vom 18.05.1983 lehnte das VA dagegen die Gewährung von Berufsschadensausgleich mit der Begründung ab, unter Berücksichtigung der Auskunft des Geschäftsinhabers sowie der langjährigen Berufsausübung nach Eintritt der Schädigung könne nicht festgestellt werden, dass die Berufsaufgabe auf die anerkannten Schädigungsfolgen zurückzuführen sei. Diese sei vielmehr auf diverse betriebsinterne Faktoren und Verhältnisse zurückzuführen. Ein schädigungsbedingter Einkommensverlust im Sinne des § 30 Abs. 3 bis 6 BVG sei somit nicht nachgewiesen. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 09.01.1984 zurück. Zur Begründung führte er ergänzend aus, ein schädigungsbedingter Einkommensverlust ergebe sich auch nicht aus der eingetretenen Arbeitslosigkeit, da diese überwiegend auf die Besonderheiten des regionalen Arbeitsmarktes und das Alter des Klägers und nicht auf die Schädigungsfolgen zurückzuführen sei. Auf die dagegen erhobene Klage verurteilte das Sozialgericht Reutlingen (SG) den Beklagten zunächst durch Urteil vom 19.07.1985 ( S 6 V 239/84) zur Gewährung von Berufsschadensausgleich. Das SG war der Auffassung, der Kläger hätte ohne die anerkannten Schädigungsfolgen bereits zu einem früheren Zeitpunkt, nämlich als die von ihm geführte Firma in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten war, aufgrund seiner beruflichen Kenntnisse und Fähigkeiten bei einer anderen Textilfirma die Position eines Geschäftsführers einnehmen können. Auf die Berufung des Beklagten hob das Landessozialgericht Baden-Württemberg (LSG) das Urteil durch Urteil vom 19.12.1988 (L 11 V 1336/87) auf. Dem Urteil lag das im Berufungsverfahren eingeholte arbeitsmedizinische Gutachten nach Aktenlage von Dr. O. vom 04.02.1988 zu Grunde. Dieser kam zu der Beurteilung, dass sich, ohne das Wesen und die Schwere der Schädigungsfolgen zu verkennen, aus den ärztlichen Befunden keine Anhaltspunkte dafür ergäben, dass der Kläger im April 1981 durch Schädigungsfolgen bedingt außerstande gewesen sei, der Beschäftigung als Geschäftsführer einer Textilfabrik weiter nachzugehen. Nach Aktenlage sei auch nicht zu erkennen, dass der Kläger seine Tätigkeit als Geschäftsführer habe beenden wollen. Vielmehr habe sich die Aufgabe der Geschäftsleitungsbefugnis aus den betriebsinternen Ereignissen ergeben. Die Folgen psychischer Belastung durch beruflichen Stress, die vom Kläger als Herzbeklemmung empfunden worden seien, stünden nicht in Zusammenhang mit den anerkannten Schädigungsfolgen. Ebenfalls in diesem Berufungsverfahren erstattete Dr. B. auf Antrag des Klägers nach § 109 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) das Gutachten vom 08.08.1988. Dieser kam aufgrund einer körperlichen Untersuchung des Klägers zu dem Ergebnis, die festgestellten Schädigungsfolgen würden unverändert bestehen. Sie hätten sowohl zum Zeitpunkt der Aufgabe der Geschäftsführerposition als auch zum Zeitpunkt der Untersuchung eine "Verwaltungstätigkeit" als Geschäftsführer erlaubt. Die Außendiensttätigkeit mit ihrer ständigen einseitigen Belastung des rechten Armes sei dem Kläger bei Art und Schwere der Behinderung dagegen nicht zumutbar. Insofern müssten die Schädigungsfolgen als wesentliche Teilursache für die Berufsaufgabe neben anderen schädigungsunabhängigen Umständen gewertet werden. Das LSG schloss sich in seinem Urteil dem Gutachten von Dr. O. an und führte aus, weder sei zu erkennen, dass der Kläger bereits zu einem früheren Zeitpunkt zu einer anderen Firma habe wechseln wollen, noch sei das tatsächliche Ausscheiden aus der Firma am 21.04.1981 durch die Schädigungsfolgen verursacht bzw. wesentlich mitverursacht. Die Kündigung habe ausschließlich auf Unstimmigkeiten über die Bewältigung weiterer Zahlungsprobleme beruht. Der Tatsache, dass dem Kläger die Außendiensttätigkeit mit ihrer ständigen einseitigen Belastung des rechten Armes nicht zumutbar sei, habe der Beklagte durch die Berücksichtigung der besonderen beruflichen Betroffenheit bei der Rentengewährung Rechnung getragen. Bei den übrigen Aufgaben eines Geschäftsführers sei der Kläger durch die Schädigungsfolgen jedoch nicht beeinträchtigt gewesen. Dies habe Dr. B. bei seiner Abwägung zwischen Schädigungsfolgen und schädigungsunabhängigen Umständen nicht überzeugend berücksichtigt. Auch nach dem Gutachten von Dr. B. sei der Kläger weiterhin in der Lage, eine Verwaltungstätigkeit in leitender Stellung auszuüben. Dass er eine derartige Tätigkeit nicht wahrnehme, sei nicht mit Wahrscheinlichkeit schädigungsbedingt.

Die beim SG am 06.12.1994 erhobene Wiederaufnahmeklage nahm der Kläger am 06.07.1995 zurück.

Am 07.08.1997 beantragte der Kläger beim Versorgungsamt Freiburg eine Zugunstenentscheidung mit der Begründung, bei der Ablehnung des Berufsschadensausgleiches sei von falschen Voraussetzungen ausgegangen worden. Zur Begründung legte er das Urteil des Landgerichts Tübingen vom 22.02.1995 (7 O 563/93) in Sachen Volksbank R. gegen ihn vor. Daraus ergebe sich, dass er zum Zeitpunkt des Konkurses der N. GmbH nicht mehr Geschäftsführer gewesen sei, sodass die Annahme, er sei wegen wirtschaftlicher Schwierigkeiten und nicht aufgrund seiner Kriegsverletzungen aus dem Berufsleben ausgeschieden, widerlegt sei. Der Antrag wurde mit Bescheid vom 03.03.1998 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 26.10.1998 abgelehnt. Hiergegen richtete sich die beim SG erhobene Klage S 4 V 3211/98, die mit Gerichtsbescheid vom 22.01.2001 abgewiesen wurde. Auch in diesem Verfahren machte der Kläger geltend, er sei wegen der Folgen der Kriegsverwundung aus dem Berufsleben ausgeschieden. Dies könne Amtsrichter S. bezeugen, der über Jahre den gesamten Komplex der Gemeinschuldnerin N. GmbH N. (im folgenden N. GmbH) im Rahmen eines Strafprozesses behandelt habe. Der Kläger machte geltend, er habe unter Phantomschmerzen und Wirbelsäulenbeschwerden sowie Schweißausbrüchen und Herzrasen gelitten. Aus diesem Grund habe er den Entschluss gefasst, aus dem Berufsleben krankheitshalber auszuscheiden und 1979 und 1980 seine Gesellschaftsanteile verkauft. Ab März 1981 sei er krank geschrieben gewesen, bis die neuen Anteilseigner ihm gekündigt hätten. Auch unter Berücksichtigung dieses Vorbringens konnte sich das SG nicht davon überzeugen, dass die Ablehnung der Gewährung von Berufsschadensausgleich durch den Beklagten rechtswidrig war. Trotz der schwerwiegenden Schädigungsfolgen seien keine Anhaltspunkte dafür erkennbar, dass der Kläger seinen Beruf als Geschäftsführer schädigungsbedingt auch nur habe aufgeben wollen, geschweige denn, ihn deswegen aufgegeben habe. Im Übrigen seien die Umstände, die der Kläger nunmehr anführe, bereits früher bekannt gewesen und auch erörtert worden. Die hiergegen beim LSG eingelegte Berufung L 6 V 867/01 nahm der Kläger am 22.03.2001 zurück.

Am 12.07.2001 beantragte der Kläger erneut die Gewährung von Berufsschadensausgleich und legte zur Begründung einen Ordner mit geschäftlichen Unterlagen vor. Daraus ergebe sich, dass er die N. GmbH aus schädigungsbedingten Gründen verkauft habe und für den Konkurs des Unternehmens nicht verantwortlich sei. Der Ordner enthält unter anderem den Kaufvertrag vom 15.11.1979 über den Verkauf des beweglichen Anlagevermögens der N. GmbH an die von Frau R. vertretene Vermögensverwaltungsgesellschaft N. mbH & Co KG. Das VA lehnte den Antrag mit Bescheid vom 30.08.2001 mit der Begründung ab, nach Durchsicht der umfangreichen Akten lägen keinerlei neue Tatsachen oder rechtserhebliche Erkenntnisse vor, die nicht bereits früher bekannt gewesen seien. Aktenkundig sei nachgewiesen, dass die N. GmbH 1975 bis 1979 jeweils erhebliche Verluste erwirtschaftet habe und aus diesem Grund eine Umstrukturierung durch die Hausbank durchgeführt worden sei. Der Kläger habe am 25.01.1983 selbst vorgetragen, er sei aufgrund einer Liquiditätsenge gezwungen gewesen, die Hauptanteile an der N. GmbH der Firma R. zu überlassen. Auch aus medizinischer Sicht sei ein schädigungsbedingtes Ausscheiden aus dem Erwerbsleben zu verneinen. Den Widerspruch des Klägers wies der Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 08.11.2001 zurück. Hiergegen erhob der Kläger am 06.12.2001 Klage zum SG (S 4 V 3242/01). Mit Beschluss vom 18.10.2002 wurde das Ruhen des Verfahrens wegen des beim Landgericht Tübingen (1 O 114/02) anhängigen Rechtsstreits, aus dem sich nach Auffassung des Klägers neue Gesichtspunkte zur Klärung der Anspruchsgrundlage ergäben, angeordnet.

Nach Wiederanrufung des nunmehr unter dem Aktenzeichen S 4 V 4154/04 geführten Verfahrens legte der Kläger das Schreiben des Richters am Amtsgericht S. vom 10.12.2004 vor. Dieser bestätigte darin aufgrund seiner Kenntnis aus dem Strafverfahren beim Schöffengericht Tübingen (4 LS 83/87), dass der Kläger am 23.04.1981 von den neuen Gesellschaftern fristlos gekündigt und mit einem Hausverbot versehen worden sei. Er sei somit zum Zeitpunkt der Konkurseröffnung am 15.06.1981 nicht mehr Geschäftsführer der N. GmbH gewesen.

Mit Urteil vom 22.08.2005 wies das SG die Klage ab. Zur Begründung führte es u.a. aus, selbst für den Fall, dass wirtschaftliche Gründe nicht ursächlich für das Ausscheiden des Klägers aus der Firma gewesen seien, ergebe sich hieraus nicht die Schlussfolgerung, dass die Aufgabe der Geschäftsführertätigkeit mit Wahrscheinlichkeit schädigungsbedingt sei. Denn aufgrund des Gutachtens von Dr. O. stehe fest, dass den Schädigungsfolgen für die Berufsaufgabe keine wesentliche Mitursache beizumessen sei. Aus diesen Gründen sei die vom Kläger beantragte Beiziehung der Strafakten und die Vernehmung des Richters am Amtsgericht S. nicht erforderlich. Hieraus seien für die medizinisch zu beantwortenden Fragen keine weiteren Erkenntnisse zu ziehen.

Gegen das am 04.10.2005 zugestellte Urteil hat der Kläger am 26.10.2005 Berufung eingelegt. Zur Begründung hat er u.a. ausgeführt, das Gutachten von Dr. O. genüge nicht den Anforderungen, die an ein Gutachten zu stellen seien. Dr. O. habe u.a. die Tatsache, dass er bereits 1979 erklärt habe, er sei den psychischen Belastungen durch den beruflichen Stress nicht mehr gewachsen, nicht gewürdigt. Auch ansonsten bestünden gewichtige Anhaltspunkte dafür, dass er den Beruf nicht aus wirtschaftlichen Gründen, sondern deshalb aufgegeben habe, weil er der Belastung körperlich nicht mehr gewachsen gewesen sei. Er habe 1979 das gesamte bewegliche Anlagevermögen an die Vermögensverwaltungsgesellschaft N. mbH & Co. KG verkauft, ohne dass zu diesem Zeitpunkt irgendwelche wirtschaftlichen Gesichtspunkte hierfür ersichtlich gewesen seien. In diesem Zeitpunkt hätte sich die Beschwerdesymptomatik massiv verstärkt, weshalb er Anfang 1979 einen Antrag auf Höhereinstufung wegen zunehmender Nervenschmerzen gestellt habe. Insgesamt sei der Einschätzung von Dr. B. zu folgen. Der Kläger beantragt,

das Urteil des Sozialgerichts Reutlingen vom 22.08.2005 sowie den Bescheid vom 30.08.2001 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 08.11.2001 aufzuheben und den Beklagten zu verurteilen, den Bescheid vom 18.05.1983 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1984 zurückzunehmen und ihm Berufsschadensausgleich zu gewähren.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die bisherige Beurteilung auch weiterhin für zutreffend, zumal der Kläger keine neuen Tatsachen bzw. ärztlich begründeten Argumente vorzutragen in der Lage sei.

Vom Senat wurden die Akten der Staatsanwaltschaft Tübingen über das Strafverfahren gegen den Kläger sowie zwei Mitangeklagte wegen Bankrottes u.a. (4 LS 83/87 ) beigezogen.

Die Beteiligten haben sich mit einer Entscheidung des Senats ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Wegen der Einzelheiten des Sachverhaltes sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf die Gerichtsakten beider Instanzen, die Verwaltungsakten des Beklagten sowie die beigezogenen Akten der Staatsanwaltschaft Tübingen verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß §§ 143, 144 SGG statthafte und gemäß§ 151 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig. Der Senat konnte über die Berufung im Einverständnis der Beteiligten ohne mündliche Verhandlung gemäß § 124 Abs. 2 SGG entscheiden.

Die Berufung des Klägers ist nicht begründet. Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen, da der Bescheid vom 18.05.1983 in Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 09.01.1984 rechtmäßig ist. Der Beklagte durfte sich auf die Bestandskraft des Bescheides vom 18.05.1983 berufen, da keine neuen Tatsachen vorliegen, die eine Rechtswidrigkeit dieses Bescheides erweisen.

Soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei Erlass eines Verwaltungsaktes das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und soweit deshalb Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind, ist der Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen (§ 44 Abs. 1 SGB X). Auf einen entsprechenden Antrag des Betroffenen hat die Behörde, auch wenn sie eine Neufeststellung schon wiederholt abgelehnt hat und dies durch rechtskräftiges Urteil bestätigt worden ist, einen weiteren Neubescheid zu erteilen. Sie darf sich dabei ohne jede Sachprüfung auf die Bindungswirkung berufen, wenn keine neuen Tatsachen oder Beweismittel vorgebracht werden oder aber ihre Überprüfung ergibt, dass die vorgebrachten Gesichtspunkte nicht tatsächlich vorliegen oder für die frühere Entscheidung nicht erheblich waren (Wiesner in von Wulffen, SGB X, 10. Auflage, § 44 Rdnr. 15 m. w. N.).

Der vom Kläger geltend gemachte Anspruch auf Berufsschadensausgleich setzt nach § 30 Abs. 3 BVG voraus, dass das Einkommen des rentenberechtigten Beschädigten aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit durch die Schädigungsfolgen gemindert ist. Der auszugleichende Einkommensverlust ist der Unterschiedsbetrag zwischen dem derzeitigen Bruttoeinkommen aus gegenwärtiger oder früherer Tätigkeit zuzüglich Ausgleichsrente und dem höheren Vergleichseinkommen, das der Beschädigte ohne die Schädigung wahrscheinlich erzielt hätte (§ 30 Abs. 3-6 BVG). Zwischen der Minderung des Erwerbseinkommens und den Schädigungsfolgen muss ein ursächlicher Zusammenhang bestehen. Ob dieser vorliegt, beurteilt sich nach dem im Versorgungsrecht geltenden Kausalitätsmaßstab der wesentlichen Bedingung (BSG, Urteil vom 29.07.1998 B 9 V 10/97 R m. w. N.). Es ist aufgrund festgestellter Tatsachen der hypothetische Berufsweg für den Fall, dass die Schädigung nicht stattgefunden hätte, zu prognostizieren. Der hypothetische Berufsverlauf muss wahrscheinlich sein, wie sich aus § 30 Abs. 5 BVG ergibt. Die Anknüpfungstatsachen, auf die sich das Wahrscheinlichkeitsurteil stützt, müssen dagegen sicher feststehen (BSG a.a.O.).

Beim Kläger geht der Beklagte zu Recht davon aus, dass sein Berufsweg ohne die Kriegsverwundung nicht anders verlaufen wäre, insbesondere die Aufgabe der Tätigkeit als Geschäftsführer der N. GmbH auch ohne die Schädigung zu dem gleichen Zeitpunkt erfolgt wäre. Der Kläger hat noch vor seiner Dienstzeit als Soldat der Deutschen Wehrmacht die Ausbildung als Strumpfstrickeinrichter im elterlichen Betrieb absolviert. Nach Erwerb entsprechender kaufmännischer Kenntnisse auf einer privaten Handelsschule war er ab 1950 wiederum in diesem Betrieb tätig und hat sich durch die Gründung der Firma N. eine eigene Existenz aufgebaut. Dies ergibt sich aus den insoweit glaubhaften Angaben des Klägers, der insbesondere nie behauptet hat, er hätte ohne die Schädigung eine andere Berufslaufbahn eingeschlagen.

Gegenstand der gerichtlichen Auseinandersetzung der Beteiligten war immer die Frage, ob die Folgen des Verlustes des linken Armes den Kläger (zumindest im Sinne einer wesentlichen Mitursache) zu der Aufgabe der Tätigkeit als Geschäftsführer am 21.04.1981 geführt haben. Dies ist auch nach Überzeugung des Senats zu verneinen. Dabei müssen die Angaben des Klägers, die er bei der Vorsprache bei dem VA am 25.01.1983 gemacht hat, berücksichtigt werden, da sie in unmittelbarem zeitlichen Zusammenhang mit den Ereignissen um den Konkurs der N. GmbH erfolgt sind. Danach war der Kläger auf Grund einer Liquiditätsenge gezwungen, seine Anteile an der N. GmbH an die Fa. R. zu veräußern. Er war seitdem als Geschäftsführer bei dieser Firma angestellt. Die bereits 1975 bis 1979 bestehenden wirtschaftlichen Schwierigkeiten des Unternehmens ergeben sich auch aus dem Urteil des Landgerichts Tübingen vom 18.01.1995 (7 O 563/93), das der Kläger unter dem 04.08.1997 dem VA vorgelegt hat. Auch die Umstände, die unmittelbar zur Niederlegung seiner Funktion als Geschäftsführer geführt haben, standen in Zusammenhang mit diesen Liquiditätsschwierigkeiten, wie der Kläger bei seiner Vorsprache am 25.01.1983 ebenfalls bestätigt hat.

Die wirtschaftlichen Schwierigkeiten haben letztlich zu dem Konkurs des Unternehmens im Juni 1981 geführt. Spätestens zu diesem Zeitpunkt hätte der Kläger sein Einkommen aus der Geschäftsführertätigkeit auch ohne die umstrittene "Kündigung" am 21.04.1981 verloren. Da es für den Anspruch auf Gewährung von Berufsschadensausgleich auf einen schädigungsbedingten Einkommensverlust ankommt, ist auch unter diesem Gesichtspunkt ein wesentlich ursächlicher Einfluss der Schädigungsfolgen auf diesen Einkommensverlust nicht zu erkennen.

Dabei ist in medizinischer Hinsicht nach den Angaben des Klägers sowie nach den medizinischen Unterlagen, die sich bei den Akten befinden, davon auszugehen, dass der Kläger eine rein kaufmännische Verwaltungstätigkeit trotz der Schädigungsfolgen noch wettbewerbsfähig hätte verrichten können. Schwierigkeiten bestanden bei der Außendiensttätigkeit, da der Kläger bei längeren Autofahrten Wirbelsäulenbeschwerden bekam und durch das Tragen von schweren Musterkoffern der rechte Arm überlastet wurde. Gleichwohl hat der Kläger diese Tätigkeiten jahrelang verrichtet. Der Beklagte hat dem mit der Anerkennung einer besonderen beruflichen Betroffenheit und der Gewährung einer um 10 v. H. erhöhten Rente Rechnung getragen. Die Gewährung von Berufsschadensausgleich hat sie dagegen zu Recht abgelehnt, da ein schädigungsbedingter Einkommensverlust nicht vorgelegen hat.

Anhaltspunkte dafür, dass der Kläger ohne die Kriegsverletzung bereits zu einem früheren Zeitpunkt die N. GmbH verlassen hätte und ein höheres Einkommen aus einer Tätigkeit als Geschäftsführer bei einer anderen Textilfirma erzielt hätte, wie es das SG in dem Urteil vom 19.07.1985 angenommen hat, liegen nicht vor. Der Kläger war mit dem Familienbetrieb eng verbunden und hat auch selbst entsprechende Absichten nie vorgetragen.

Schließlich ergibt sich ein schädigungsbedingter Einkommensverlust auch nicht aus der Arbeitslosigkeit des Klägers nach dem Konkurs der N. GmbH. Die Schwierigkeiten bei der Vermittlung des Klägers in ein neues Arbeitsverhältnis beruhten nach der Auskunft des Arbeitsamtes Reutlingen an das VA vom 30.03.1983 (Bl. 301 g) auf den Besonderheiten des regionalen Arbeitsmarktes und dem Alter des Klägers. Hierzu hat der Kläger keine neuen Tatsachen vorgetragen. Der Kläger macht vielmehr zum wiederholten Male geltend, dass er für die wirtschaftlichen Schwierigkeiten der N. GmbH nicht verantwortlich gewesen sei und diese nicht die Ursache für die Aufgabe der Tätigkeit als Geschäftsführer dieser Firma gewesen seien.

Neue Tatsachen, aus denen sich entgegen den obigen Ausführungen ergeben könnte, dass die bisherige Beurteilung unrichtig war, hat der Kläger nicht vorgetragen. Solche Gründe sind insbesondere nicht dem Schreiben des Richters am Amtsgericht S. vom 10.12.2004 zu entnehmen. Der Inhalt dieses Schreibens kann als wahr unterstellt werden, sodass eine Vernehmung des Zeugen nicht erforderlich war. Im Übrigen war bereits bei Erteilung des Bescheides vom 18.05.1983 bekannt, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers als Geschäftsführer am 21.04.1981 und somit vor Eröffnung des Konkursverfahrens aufgelöst wurde. Hieraus ergeben sich für die Frage, ob gesundheitliche Gründe - insbesondere die Schädigungsfolgen - ausschlaggebend für die Aufgabe dieser Tätigkeit bzw. für den in diesem Zusammenhang eingetretenen Einkommensverlust waren, keinerlei neue Erkenntnisse. Neue Tatsachen, die eine andere Beurteilung nahelegen, ergeben sich auch nicht aus den auf Antrag des Klägers beigezogenen Strafakten der Staatsanwaltschaft Tübingen.

Die Berufung war aus den genannten Gründen zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für die Zulassung der Revision bestand kein Anlass.
Rechtskraft
Aus
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