L 6 V 6213/06

Land
Baden-Württemberg
Sozialgericht
LSG Baden-Württemberg
Sachgebiet
Entschädigungs-/Schwerbehindertenrecht
Abteilung
6
1. Instanz
SG Freiburg (BWB)
Aktenzeichen
S 5 V 3831/03
Datum
2. Instanz
LSG Baden-Württemberg
Aktenzeichen
L 6 V 6213/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2006 wird zurückgewiesen.

Außergerichtliche Kosten sind auch im Berufungsverfahren nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Zwischen den Beteiligten ist die Erstattung von (Rest-)Kosten für eine Hörgeräteversorgung beidseits sowie die Anerkennung einer Hörstörung rechts als weitere Schädigungsfolge im Zugunstenwege streitig.

Der am 1916 geborenen Kläger bezieht als Kriegsblinder u.a. Beschädigtenrente nach einer Minderung der Erwerbsfähigkeit (MdE) um 100 vom Hundert (v.H.). Er ist Mitglied der Postbeamtenkrankenkasse (PBeaKK). Bis 1982 war er gleichzeitig bei der Deutschen Angestelltenkrankenkasse (DAK) in der Krankenversicherung der Rentner (KVdR) pflichtversichert. Mit Bescheid der DAK vom 29. Dezember 1982 wurde er gemäß § 534 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) mit Wirkung ab 1. Januar 1983 von der Pflichtmitgliedschaft in der KVdR befreit.

Mit Neufeststellungsbescheid des früheren Versorgungsamts Freiburg (VA) vom 4. Januar 1985 wurde neben den bereits anerkannten Schädigungsfolgen (1. Verlust des linken Auges, Erblindung des rechten Auges, 2. Verlust der Zähne rechts unten 2 bis 8, 3. einige kleine Stecksplitter im Weichteil des linken Rückens, Splitternarben im Bereich der linken Gesichtsseite und linken Oberarm, 4. Leberschaden) im Sinne der Hervorrufung als weitere Schädigungsfolge im Sinne des § 1 des Bundesversorgungsgesetzes (BVG) "leichte Hörminderung links mit Pfeifton" anerkannt. Durch diese Anerkennung trat in der Höhe der gewährten Pflegezulage und der Schwerstbeschädigtenzulage keine Änderung ein. Mit weiterem Neufeststellungsbescheid vom 9. August 2002 anerkannte das VA als weitere Schädigungsfolge "psychoreaktive Störung", gleichfalls hervorgerufen durch schädigende Einwirkungen im Sinne des § 1 BVG. Ab 1. September 1999 wurde die Schwerstbeschädigtenzulage deshalb nach Stufe III gewährt. Der dagegen u.a. mit der Begründung eingelegte Widerspruch des Klägers, die Verschlimmerung des Hörschadens sei unberücksichtigt geblieben, wurde insoweit mit bestandskräftig gewordenem Widerspruchsbescheid vom 5. September 2003 u.a. mit der Begründung zurückgewiesen, nach dem eingeholten hals-, nasen-, ohrenärztlichen (HNO) Gutachten der Dr. F. vom 5. Dezember 2002 sei die eingetretene Hörverschlechterung altersbedingt.

Am 4. September 2002 verordnete der Arzt für Hals-Nasen- und Ohrenkrankheiten Dr. M. wegen Schwerhörigkeit beiderseits Hörhilfen, die dem Kläger am 5. November 2002 zur Verfügung gestellt wurden. Die a. Hörsysteme GmbH & Co. KG stellte dem Kläger ausweislich ihrer Rechnung vom 7. November 2002 dafür insgesamt 2.655,14 EUR in Rechnung. Unter Vorlage dieser Rechnung sowie der erwähnten Verordnung beantragte der Kläger beim VA am 12. Dezember 2002, ihm Kosten in Höhe von 609,14 EUR zu erstatten. Er machte geltend, die PBeaKK habe von dem Rechnungsbetrag lediglich 2.046,00 EUR übernommen; eine leichte Schwerhörigkeit links mit Pfeifton sei als Kriegsleiden anerkannt. Das VA holte die versorgungsärztliche (vä) Stellungnahme von Dr. B. vom 7. Januar 2003 ein, die eine Kostenübernahme nicht befürwortete. Sie verwies auf das im Widerspruchsverfahren gegen den Neufeststellungsbescheid vom 9. August 2002 eingeholte HNO-fachärztliche Gutachten der Dr. F. vom 5. Dezember 2002, nach dem die Verschlimmerung der Schwerhörigkeit beiderseits nicht auf das angeschuldigte Knalltrauma während des Krieges zurückzuführen sei, sondern auf degenerativen altersbegleitenden Prozessen beruhe. Die Anerkennung der vorliegenden Schwerhörigkeit als Schädigungsfolge sei abzulehnen und damit auch eine Übernahme der Hörgeräteversorgung nach dem BVG.

Mit Bescheid vom 24. Januar 2003 lehnte das VA die Übernahme des geltend gemachten Differenzbetrages zwischen dem Rechnungs- und dem von der Krankenkasse erstatteten Betrag mit der Begründung ab, die Verschlimmerung der Schwerhörigkeit beidseits sei nicht auf das Knalltrauma während des Krieges zurückzuführen, sondern beruhe auf degenerativen altersbegleitenden Prozessen, sodass die nicht schädigungsbedingte Schwerhörigkeit den durch Kriegsfolgen verursachten Schwerhörigkeitsanteil überwiege. Aus diesem Grund liege die Zuständigkeit nicht bei der Orthopädischen Versorgungsstelle, sondern bei der Krankenkasse, die die Kosten der Hörhilfen in Höhe des Festbetrages bereits übernommen habe. Im Rahmen des BVG bestehe auch keine Möglichkeit, die in Rede stehenden Kosten wegen Nichtschädigungsfolgen zu übernehmen. Im Widerspruchsverfahren wandte sich der Kläger im Wesentlichen gegen das ihm überlassene Gutachten der Dr. F. vom 5. Dezember 2002, das unvollständig und oberflächlich sei und das Verwundungsereignis falsch darstelle. Zu Unrecht werde die Ursächlichkeit des heutigen Zustandes, der auf einer schleichenden Fortentwicklung seit 1943 beruhe, verneint. Wenn einmal ein Leiden anerkannt sei, werde es erfahrungsgemäß nicht verschwinden, sondern sich verstärkt bemerkbar machen. Der Widerspruch wurde mit Widerspruchsbescheid vom 9. September 2003 zurückgewiesen.

Dagegen erhob der Kläger am 26. November 2003 beim Sozialgericht Freiburg (SG) Klage. Er legte ausführlich dar, weshalb er sich durch das Vorgehen des Beklagten benachteiligt sehe und machte geltend, für ihn als Erblindeten sei das reduzierte Hörvermögen das einzige Wahrnehmungsorgan zur Teilhabe an Kommunikation und Orientierung zur Umwelt, wobei dieses seit Eintritt des schädigenden Ereignisses bis zur Leistungsgrenze ausgenutzt worden sei. Infolge ständiger Überbelastung seit 1943 habe sich das Hörvermögen schleichend progressiv, aber nicht messbar weiter reduziert. Nachdem eine leichte Schwerhörigkeit bereits bestandskräftig anerkannt sei, sei der weitere Verlauf im Sinne des § 1 Abs. 3 BVG mit Wahrscheinlichkeit auf diese Schädigung zurückzuführen. Mit diesem Gesichtspunkt habe sich die Beklagte nicht auseinander gesetzt. Soweit auf seine Befreiung von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung verwiesen werde, sei dies irreführend, da er mit seiner Rentenzahlung einen Zuschuss zu seiner Krankenversicherung erhalte, der deckungsgleich mit dem Zuschuss zu KVdR sei. Die Beklagte trat der Klage unter Vorlage ihrer Verwaltungsakten und unter Aufrechterhaltung ihres bisherigen Standpunktes entgegen. Sie machte geltend, im Vergleich zu dem im Jahr 1984 gefertigten Tonaudiogramm habe sich im Wesentlichen das nicht geschädigte rechte Ohr verschlimmert. Die Zunahme des Hörverlustes am linken und am rechten Ohr seien bei den Sprachaudiogrammen 1984 und 2002 identisch, was nicht für eine Verschlimmerung des Gehörschadens am linken Ohr spreche, sondern eher für degenerative altersbegleitende Prozesse an beiden Ohren.

Im Hinblick auf das weitere Vorbringen des Klägers, wonach als Kriegsleiden zwar die Schwerhörigkeit links mit Pfeifton anerkannt sei, die Schädigung des Gehörs rechtsseitig aber nicht erwähnt werde, obwohl beide Ohren durch das Detonationstrauma gleichzeitig betroffen und nachhaltig geschädigt worden seien und sich diese Schäden zunehmend verstärkt hätten, erklärte sich der Beklagte bereit, den Antrag vom Dezember 2002 auf Hörgeräteversorgung auch für das rechte Ohr als Antrag auf Anerkennung eines Gehörschadens rechts anzusehen und eine Entscheidung im Rahmen des § 44 des Zehnten Buches des Sozialgesetzbuchs (SGB X) zu treffen. Da die Entscheidung bezüglich der streitige Hörgeräteversorgung vom Ausgang dieses Zugunstenantrags abhing, setzte das SG das Verfahren mit Beschluss vom 28. Juli 2004 zunächst aus.

Mit Bescheid vom 8. November 2004 lehnte das VA den Antrag auf Erteilung eines Rücknahmebescheides gemäß § 44 SGB X mit der Begründung ab, der Bescheid vom 9. August 2002, mit dem die Schädigungsfolgen nach dem BVG neu bezeichnet worden seien, sei nicht rechtswidrig, weil weder das Recht unrichtig angewandt, noch von einem unzutreffenden Sachverhalt ausgegangen worden sei. In ihrem Gutachten habe Dr. F. dargelegt, dass nach den im Jahre 1984 erhobenen Befunden der Hörverlust rechts 20 v.H. und links zwischen 43 und 45 v.H. betragen habe, d.h. der Hörverlust auf dem rechten Ohr, das damals noch normalhörig gewesen sei, sich von 20 v.H. auf 50 v.H. Hörverlust im Jahr 2002 erhöht habe. Hingegen habe der Hörverlust des linken Ohres nur von 45 v.H. auf 53 v.H. zugenommen. Die weitere Verschlechterung des Hörvermögens könne daher nicht als Verschlimmerung des ehemaligen Knalltraumas gewertet werden. Der Hörverlust rechts stelle daher keine Schädigungsfolge im Sinne des § 1 BVG dar. Nach der angefügten Rechtsmittelbelehrung wurde dieser Bescheid Gegenstand des bezüglich der Hörgeräteversorgung anhängigen Klageverfahrens.

Im Rahmen des sodann weitergeführten Klageverfahrens legte der Kläger den Arztbrief des Arztes für Hals-Nasen-Ohren-Krankheiten Dr. W. vom 23. September 2005 vor, der einen siebzigprozentigen Hörverlust beiderseits mit Tinnitus bestätige. Danach sei das Gutachten der Dr. F. obsolet. Dr. W. sah eine Beurteilung der Ursache der jetzt geklagten Hörschwäche als sehr schwierig an. Aufgrund des Schweregrades des Hörverlustes von mehr als 70 dB werde in der Literatur eine progrediente Innenohrschwerhörigkeit nach einem Schalltrauma verschiedentlich beschrieben, obwohl sie sicher nicht die Regel sei. Weiter legte der Kläger das an ihn gerichtete Schreiben des Dr. W. vom 17. Mai 2006 vor, wonach die posttraumatische Hörverschlechterung nach einem Knalltrauma generell in Erwägung gezogen werden müsse. Zu den Ausführungen zur Kausalität im Arztbrief des Dr. W. vom 23. September 2005 legte der Beklagte die vä Stellungnahme von Dr. K. vom 27. Januar 2006 vor. Danach spreche die geringe Ausprägung der Hörstörung links infolge des Explosionstraumas am 9. September 1943, die im Alter von 68 Jahren erstmals diagnostiziert worden sei, und die annähernd gleiche Verschlimmerung der Hörverluste für alle Frequenzen der beiden Ohren mit deutlicher Verschlimmerung am rechten Ohr gegen die Wahrscheinlichkeit des diskutierten Zusammenhangs. Mit Urteil vom 26. Oktober 2006 wies das SG die Klage im Wesentlichen mit der Begründung ab, der analog § 96 Abs. 1 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) Gegenstand des Klageverfahrens gewordene ablehnende Zugunstenbescheid vom 8. November 2004 sei im Ergebnis rechtmäßig, da zum Zeitpunkt des richtigerweise zu prüfenden Neufeststellungsbescheids vom 4. Januar 1985 ausweislich des seinerzeit eingeholten HNO-ärztlichen Gutachtens vom 14. November 1984 rechtsseitig noch kein messbarer Hörschaden vorgelegen habe und selbst linksseitig noch annähernd normale Hörfähigkeit vorhanden gewesen sei. Die beim Kläger danach allein anerkannte geringfügige Schwerhörigkeit links mit Pfeifton habe die Versorgung mit einem Hörgerät nicht erforderlich gemacht. Vielmehr mache die hochgradige Schwerhörigkeit beidseits, die jedoch keine Schädigungsfolge, sondern altersbedingt sei, die in Rede stehende Hörgeräteversorgung erforderlich. Wegen der Einzelheiten der Begründung wird auf den Inhalt des an den Kläger am 13.November 2006 mit Übergabe-Einschreiben zur Post gegebenen Urteils verwiesen.

Dagegen hat der Kläger am 13. Dezember 2006 beim Landessozialgericht (LSG) Berufung eingelegt und geltend gemacht, es bleibe unbewiesen, dass sein rechtes Gehör bei der Detonation überhaupt nicht geschädigt worden sei; schließlich sei er mit beiden Ohren im Detonationszentrum gestanden. Bereits dadurch sei das Gutachten von Dr. F. entwertet. 1956 habe sich bereits eine Hörminderung links von 45 v.H. und rechts immerhin von 20 v.H. ergeben. Relevant sei zudem, dass Dr. W. bereits 2005 eine Hörminderung von 70 v.H. mit Tinnitus beiderseits festgestellt habe und die Möglichkeit nicht ausschließe, dass ein Zusammenhang mit dem damaligen Knall bestehe. Insoweit berücksichtige die Beklagte nicht die Wahrscheinlichkeitsvermutung in § 1 Abs. 3 BVG. Diese Vermutung nehme sie lediglich für sich selbst in Anspruch, indem sie darlege, dass der jetzt deutliche Hörschaden links höchstwahrscheinlich altersbedingt aufgetreten sei und sich die ganz geringfügige schädigungsbedingte Schwerhörigkeit links im Jahr 1984 mit Wahrscheinlichkeit nicht weiterentwickelt habe, sondern durch eine altersbedingte Entwicklung beiderseits überlagert werde. Unverständlich sei im Übrigen, dass der Beklagte mit der Behauptung, er sei nicht mehr in der KVdR pflichtversichert, seine Leistungspflicht nach § 10 Abs. 2 BVG verneine.

Der Kläger beantragt sinngemäß,

das Urteil des Sozialgerichts Freiburg vom 26. Oktober 2006 aufzuheben und die Beklagte unter Aufhebung des Bescheids vom 24. Januar 2003 in der Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2003 sowie des Bescheids vom 8. November 2004 zu verurteilen, unter teilweiser Rücknahme des Neufeststellungsbescheids vom 4. Januar 1985 ab Oktober 1984 eine Gehörschädigung beidseits als Schädigungsfolge festzustellen und Kosten der Hörgeräteversorgung vom November 2002 in Höhe von 609,14 EUR zu erstatten, hilfsweise zumindest anteilige Kosten für das Hörgerät links zu erstatten, sowie höchst hilfsweise die Revision zuzulassen.

Der Beklagte beantragt,

die Berufung zurückzuweisen.

Er hält die angefochtene Entscheidung für richtig. Da beim Kläger im Jahr 1984 noch kein messbarer Hörschaden am rechten Ohr bestanden habe, sei der ablehnende Zugunstenbescheid vom 8. November 2004 rechtmäßig. Die hochgradige Schwerhörigkeit, die die Hörgeräteversorgung erforderlich gemacht habe, sei im Übrigen keine Schädigungsfolge, weshalb er Kosten für die Hörgeräteversorgung nicht zu tragen habe. Da der Kläger sich von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung habe befreien lassen, bestehe im Hinblick auf den Ausschlussgrund des § 10 Abs. 7 Buchst. b BVG letztlich auch kein Anspruch auf Heilbehandlung für Nichtschädigungsfolgen gemäß § 10 Abs. 2 BVG.

Die Beteiligten haben sich übereinstimmend mit einer Entscheidung des Senats durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden erklärt.

Zur weiteren Darstellung des Sachverhalts sowie des Vorbringens der Beteiligten wird auf den Inhalt der Verwaltungsakten der Beklagten sowie der Akten beider Rechtszüge Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die gemäß § 151 Abs. 1 SGG form- und fristgerecht eingelegte Berufung des Klägers, über die der Senat mit dem Einverständnis der Beteiligten gemäß § 124 Abs. 2 SGG ohne mündliche Verhandlung entschieden hat, ist statthaft und zulässig; sie ist jedoch nicht begründet.

Das SG hat die Klage zu Recht abgewiesen. Denn sowohl der Bescheid vom 24. Januar 2003 in unveränderter Gestalt des Widerspruchsbescheids vom 9. September 2003 als auch der Bescheid vom 8. November 2004 sind rechtmäßig und verletzen den Kläger nicht in seinen Rechten. Der Beklagte hat es zutreffend abgelehnt, dem Kläger für die Hörgeräteversorgung vom November 2002 die Differenz zwischen den ihm entstandenen Aufwendungen ausweislich der vorgelegten Rechnung und dem Erstattungsbetrag der PBeaKK in Höhe der geltend gemachten 609,14 EUR zu erstatten. Die entsprechende Versorgung war nicht wegen der bei ihm mit Bescheid vom 4. Januar 1985 bzw. 9. August 2002 festgestellten Schädigungsfolgen erforderlich. Es bestand auch keine Verpflichtung, im Zugunstenwege über die insoweit anerkannten Schädigungsfolgen "leichte Hörminderung links mit Pfeifton" hinaus auch rechtsseitig eine Hörstörung anzuerkennen. Denn es ist nicht feststellbar, dass die rechtsseitige Hörstörung beim Kläger auf ein schädigendes Ereignis im Sinne des § 1 BVG zurückzuführen ist. Demnach ist auch nicht zu beanstanden, dass das VA den Antrag des Klägers auf Erteilung eines entsprechenden Zugunstenbescheides gemäß § 44 SGB X abgelehnt hat.

Anspruchsgrundlage für die geltend gemachte Zugunstenentscheidung ist § 44 Abs. 1 SGB X. Danach ist ein Verwaltungsakt, auch nachdem er unanfechtbar geworden ist, mit Wirkung für die Vergangenheit zurückzunehmen, soweit sich im Einzelfall ergibt, dass bei dessen Erlass das Recht unrichtig angewandt oder von einem Sachverhalt ausgegangen worden ist, der sich als unrichtig erweist, und deshalb u.a. Sozialleistungen zu Unrecht nicht erbracht worden sind.

In diesem Sinne hat der Beklagte bei Erlass des Neufeststellungsbescheids vom 4. Januar 1985 mit der bloßen Anerkennung einer "leichten Hörminderung links mit Pfeifton" das Recht weder unrichtig angewandt, noch ist er von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat. Dies gilt gleichermaßen auch für den Neufeststellungsbescheid vom 9. August 2002, mit dem als weitere Schädigungsfolge zwar eine "psychoreaktive Störung", aber nicht die vom Kläger gleichfalls begehrte aktuelle Schwerhörigkeit beidseits anerkannt wurde. Für die Annahme, dass beim Kläger bei Erlass des Bescheids vom 4. Januar 1985 neben der leichten Hörminderung links mit Pfeifton auch rechtsseitig bereits eine Hörstörung vorgelegen hat, ergeben sich keinerlei Anhaltspunkte. Wie das SG zutreffend dargelegt hat, wurde anlässlich der seinerzeitigen gutachtlichen Untersuchung durch das Sprachaudiogramm bei dem damals 68-jährigen Kläger beidseits praktisch noch Normalhörigkeit festgestellt und linksseitig lediglich aufgrund des Tonaudiogramms ein geringer Hörverlust zugrunde gelegt. Wie dem entsprechenden HNO-ärztlichen Gutachtens des Dr. M. vom 14. November 1984 zu entnehmen ist, hatte der Kläger seinerzeit auch keine Hörstörung rechtsseitig geltend gemacht, sondern sich im Wesentlichen lediglich durch einen als störend empfundenen Pfeifton linksseitig beeinträchtigt gesehen und deshalb den Neufeststellungsantrag in Bezug auf die Hörschädigung gestellt. Der seinerzeit begutachtende Dr. M. ging angesichts des lediglich linksseitig bestehenden Steilabfalls von 2.000 Hertz/40dB auf 3.000 Hertz/über 60 dB daher folgerichtig auch davon aus, dass der Kläger lediglich auf dem der Explosion zugewandten linken Ohr ein Knalltrauma erlitten hat, was letztendlich mit der Bezeichnung "leichte Hörminderung links mit Pfeifton" Eingang in den Neufeststellungsbescheid vom 4. Januar 1985 gefunden hat. Entgegen der Annahme des Klägers rechtfertigt allein der Umstand, dass zwischenzeitlich beiderseits eine erhebliche Schwerhörigkeit besteht, nicht die Annahme, dass auch bereits zum damaligen Zeitpunkt eine beiderseitige Hörstörung vorgelegen hat. Denn auch die Auswirkungen der damaligen Detonation hatten - anders als der Kläger meint - nicht zwangsnotwendig ein beiderseitiges Knalltrauma mit entsprechenden Hörstörungen zur Folge. Wie dem erwähnten Gutachten des Dr. M. zu entnehmen ist, war nämlich gerade auch der geklagte Pfeifton lediglich links und nicht beiderseits zu verifizieren. Es ist daher nicht zu beanstanden, dass das VA mit Bescheid vom 4. Januar 1985 keine beiderseitige, sondern lediglich eine linksseitige Hörstörung als Schädigungsfolge anerkannt hat.

Auch mit Neufeststellungsbescheid vom 9. August 2002 hat das VA das Recht weder unrichtig angewandt, noch ist es von einem Sachverhalt ausgegangen, der sich nachträglich als unrichtig erwiesen hat. Das VA hat die beim Kläger durch das Gutachten der Dr. F. nunmehr objektivierte Schwerhörigkeit, die letztlich die im Streit stehende Hörgeräteversorgung erforderlich gemacht hat, vielmehr zutreffender Weise nicht als Schädigungsfolge anerkannt. Denn der insoweit feststellbare Hörverlust kann nicht mit hinreichender Wahrscheinlichkeit als Verschlimmerung des 1943 erlittenen Knalltraumas gewertet werden. Dies steht zur Überzeugung des Senats nach dem Gutachten von Dr. F., das im Wege des Urkundenbeweises verwertet wurde, fest. Die Gutachterin hat für den Senat überzeugend dargelegt, dass die noch bei der Begutachtung im Jahr 1984 feststellbare Asymmetrie des Gehörs zu Ungunsten des linken Ohres sich zwischenzeitlich weitgehend aufgehoben hat, wobei der Hörverlust nach dem Tonaudiogramm rechts nunmehr zwischen 50 und 52 v.H. und links zwischen 55 und 57 v.H. beträgt, während er 1984 noch rechts 20 v.H. und links zwischen 43 und 45 v.H. betragen hat. Vergleicht man weiter die Sprachaudiogramme, die rechts einen Hörverlust von 10 v.H. auf 60 v.H. und links von 20 v.H. auf 70 v.H. dokumentieren, wird deutlich, dass es sich um eine zentrale Verarbeitungsstörung des Gehörten und der Sprache handelt, weshalb die Verschlechterung des Hörvermögens nicht als Verschlimmerung des früheren Knalltraumas angesehen werden kann. Diese ist vielmehr altersbegleitenden endogen-degenerativen Prozessen im Corti’schen Organ zuzurechnen. Soweit Dr. W. in dem vom Kläger vorgelegten Arztbrief bzw. seinem an den Kläger gerichteten Schreiben auf einzelne medizinische Meinungen verwiesen hat, nach denen auch noch Jahre nach einem Knalltrauma auftretende Hörschädigungen auf dieses Ereignis zurückgeführt werden könnten, hat das SG zutreffend ausgeführt, dass die in diesen Fällen auftretende Hörminderung von 10dB alle fünf Jahre beim Kläger nicht vorgelegen haben kann, da er bei ihm dann anlässlich der Begutachtung im Jahr 1984, also rund 40 Jahre nach dem Ereignis, ein erheblicher Hörschaden hätte festgestellt werden müssen. Demnach ist insgesamt nicht zu beanstanden, dass das VA mit Neufeststellungsbescheid vom 9. August 2002 die geltend gemachte Schwerhörigkeit nicht im Sinne einer Verschlimmerung als weitere Schädigungsfolge anerkannt hat.

Insgesamt hat das VA die Neufeststellung der Schädigungsfolgen im Zugunstenwege mit Bescheid vom 8. November 2004 daher zu Recht abgelehnt.

Vor diesem Hintergrund hat sich das VA zutreffend auch nicht an den Kosten der im Streit stehenden Hörgeräteversorgung beteiligt, weder in Höhe des geltend gemachten Betrages von 609,14 EUR für die beiderseitige Versorgung, noch hinsichtlich eines Teilbetrages für die entsprechende Versorgung linksseitig. Zu Recht hat das SG insoweit dargelegt, dass als Anspruchsgrundlage allein § 10 Abs. 1 i.V.m. § 11 Abs. 1 Nr. 8 BVG in Betracht kommt, wonach Heilbehandlung in Form von Versorgung mit Hilfsmitteln Beschädigten für die Gesundheitsstörungen gewährt wird, die als Folge einer Schädigung anerkannt oder durch eine anerkannte Schädigungsfolge verursacht worden sind, um körperliche Beschwerden zu beheben, die Folgen der Schädigung zu erleichtern oder um die Beschädigten möglichst auf Dauer u.a. in die Gesellschaft einzugliedern. Der Senat teilt die Auffassung des SG, das diesbezüglich hervorgehoben hat, dass die Schwerhörigkeit des Klägers zweifellos der Hörgeräteversorgung bedarf und er als Blinder zum Ausgleich des Sehvermögens in besonderer Weise auf die akustische Wahrnehmung angewiesen ist. Nach der dargelegten Regelung ist der Beklagte für den insoweit erforderlichen Ausgleich jedoch nur dann zuständig, wenn die erforderliche Versorgung durch die anerkannten Schädigungsfolgen verursacht worden ist. Dies ist beim Kläger aber gerade nicht der Fall. Denn die Hörgeräteversorgung ist beim Kläger wegen der bereits mehrfach erwähnten beiderseitigen Schwerhörigkeit erforderlich, nicht aber wegen der seit Januar 1985 als Schädigungsfolge anerkannten leichten Hörminderung links mit Pfeifton. Zum Ausgleich dieser Störung ist die in Rede stehende Versorgung gerade nicht notwendig. Dass die der Hörgeräteverordnung zugrunde liegende Schwerhörigkeit auch nicht im Sinne einer Verschlimmerung Folge der anerkannten Schädigungsfolge ist, wurde bereits dargelegt.

Soweit der Kläger geltend macht, ungeachtet dieser Gesichtspunkte jedenfalls gemäß§ 10 Abs. 2 BVG anspruchsberechtigt zu sein, da er als Schwerbeschädigter nach dieser Regelung auch für Gesundheitsstörungen Heilbehandlung beanspruchen könne, die nicht als Folge einer Schädigung anerkannt sind, ist darauf hinzuweisen, dass beim Kläger der Ausschlusstatbestand des § 10 Abs. 7 Buchst. b BVG erfüllt ist. Danach sind Ansprüche nach Abs. 2 der Regelung ausgeschlossen, wenn der Berechtigte für die Zeit nach dem 31. Dezember 1982 von der Versicherungspflicht in der gesetzlichen Krankenversicherung auf Antrag befreit worden ist. Dies ist beim Kläger der Fall, da er mit Bescheid der DAK vom 29. Dezember 1982 mit Wirkung ab 1. Januar 1983 von der Pflichtmitgliedschaft in der KVdR befreit wurde. Der vom Kläger insoweit geltend gemachte Umstand, dass er mit seiner Rente vom Rentenversicherungsträger gleichwohl einen Beitragszuschuss zur Krankenversicherung erhalte, ist insoweit ohne rechtliche Bedeutung, da dieser Zuschuss unabhängig von der Art des Krankenversicherungsverhältnisses gewährt wird und der erwähnte Ausschlusstatbestand nicht an die Gewährung dieses Zuschusses anknüpft, sondern an die Befreiung von der Krankenversicherungspflicht.

Da die Berufung des Klägers nach alledem keinen Erfolg haben konnte, war diese zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.

Für eine Zulassung der Revision bestand keine Veranlassung.
Rechtskraft
Aus
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