Land
Freistaat Bayern
Sozialgericht
Bayerisches LSG
Sachgebiet
Arbeitslosenversicherung
Abteilung
10
1. Instanz
SG Nürnberg (FSB)
Aktenzeichen
S 20 AL 679/05
Datum
2. Instanz
Bayerisches LSG
Aktenzeichen
L 10 AL 107/06
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
I. Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.01.2006 wird zurückgewiesen.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 16.11.2003 sowie die Erstattung überzahlter Alhi in Höhe von 3.552,77 EUR und von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 582,66 EUR streitig.
Die 1939 geborene Klägerin erhielt von der Beklagten ab 01.08.1999 Arbeitslosengeld (Alg), für die Zeit ab 28.02.2002 aufgrund der erleichterten Voraussetzungen des § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III); ab 18.03.2002 bezog die Klägerin Alhi.
Nach einem Hinweis der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) vom 21.07.2005, dass die Klägerin seit November 2003 in den USA wohne, teilte diese auf Nachfrage der Beklagten vom 28.07.2005 mit Schriftsatz vom 06.08.2005 mit, dass es ihr unter den "erleichterten Voraussetzungen" wegen ihres Alters gestattet gewesen sei, für längere Zeit zu verreisen. Am 16.11.2003 sei sie mit einem Besuchsvisum in die USA geflogen, wo die Familien ihrer drei Kinder ihrer Hilfe dringend bedurft hätten. Im Februar habe sie sich ordnungsgemäß bei ihrem Ansprechpartner H.H. abgemeldet. Eine Anschriftenänderung sei damals nicht vonnöten gewesen, da sie weiterhin in B. gemeldet gewesen sei. Auch bis heute habe sie noch keine dauerhafte Niederlassungsgenehmigung für die USA, der Antrag laufe seit 1 1/2 Jahren. Die Alhi sei bis 17.03.2004 ihr einziges Einkommen gewesen; ab April 2004 habe sie dann eine Rente von 344,39 EUR erhalten. Wegen ihres Status als Besucherin habe sie in den USA weder eine Arbeitserlaubnis erhalten noch Zugang zu öffentlichen Mitteln.
Nach Anhörungsschreiben vom 22.08.2005 teilte die Klägerin mit E-Mail vom 29.08.2005 mit, dass ihre geringe Rente von 379,07 EUR monatlich ihr einziges Einkommen derzeit sei. Von den erlaubten 17 Wochen im Jahr seien 6,5 Wochen in 2003 und 11 Wochen in 2004 gewesen.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30.08.2005 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi ab 16.11.2003 auf. Die Klägerin sei nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet gewesen, der Beklagten alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich seien. Dieser Verpflichtung sei sie zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Sie sei umgezogen und habe der Beklagten ihre neue Anschrift nicht oder jedenfalls nicht rechtzeitig mitgeteilt. Somit hätten Postsendungen der Beklagten sie nicht oder bei gestelltem Nachsendeauftrag nicht rechtzeitig erreichen können. Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi sei aber die Erreichbarkeit, damit sie für Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung stehe. In der Zeit vom 16.11.2003 bis 17.03.2004 sei der Klägerin Alhi in Höhe von 3.552,77 EUR zu Unrecht gezahlt worden. Dieser Betrag sei von der Klägerin zu erstatten (§ 50 SGB X). Darüber hinaus seien von der Klägerin nach § 335 Abs 1 SGB III die von der Beklagten in der Zeit vom 16.11.2003 bis 17.03.2004 gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 522,26 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 582,66 EUR zu ersetzen. Es ergebe sich somit eine Gesamtforderung in Höhe von 4.135,43 EUR.
Den hiergegen am 11.09.2005 von der Klägerin eingelegten Widerspruch, mit dem sie darauf hinwies, dass ihre Anschrift damals noch unverändert gewesen sei und sie auch ihre Post erhalten habe, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2005 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe sich im streitigen Zeitraum nicht im Nahbereich der Beklagten aufgehalten, sondern in den USA und vor dem Verlassen des Wohnortes nicht die notwendige Zustimmung der Beklagten eingeholt. Somit habe sie den Vermittlungsbemühungen der Beklagten im streitigen Zeitraum wegen fehlender Erreichbarkeit nicht zur Verfügung gestanden (§ 119 Abs 3 SGB III iVm der EAO) und sei deshalb nicht arbeitslos iS des § 118 Abs 1 SGB III gewesen. Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung könne auch auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III gestützt werden. Das Merkblatt für Arbeitslose habe ausführliche Hinweise zu Fragen der Erreichbarkeit/Verfügbarkeit enthalten. Die Klägerin hätte daher wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass der Leistungsanspruch weggefallen sei. Wenn sie entgegen ihrer schriftlichen Bestätigung diese Hinweise nicht zur Kenntnis genommen habe, beruhe diese Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit.
Mit der hiergegen am 17.11.2005 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin über ihr bisheriges Vorbringen hinaus vorgetragen, dass sie von der seinerzeit unterschriebenen Erklärung keine Kopie gehabt und sich nicht mehr des Beisatzes einer "vorherigen Absprache" bewusst gewesen sei, da sie auch in den vergangenen Jahren lediglich einmal im Jahr zum Vorsprechen aufgefordert worden sei. Die einzige Aufforderung, sich zu melden, sei kurz vor Ablauf ihrer Anspruchszeit gewesen und sie habe sofort geantwortet. Das überzahlte Geld sei längst verbraucht.
Mit Urteil vom 13.01.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Ergänzend zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid sei auszuführen, dass sich die Klägerin nicht auf die 17-wöchigen Abwesenheit im Sinne von § 428 SGB III berufen könne, da sie nach Lage der Dinge wohl endgültig - je nach Ausgang des Aufenthaltsverfahrens in den USA - ausgereist sei. Nach ihren eigenen Angaben sei die Klägerin nach ihrer Ausreise am 16.11.2003 nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland gewesen. Damit habe sie den Vermittlungsbemühungen der Beklagten endgültig nicht mehr zur Verfügung gestanden, unabhängig davon, ob sie tatsächlich vermittelt worden wäre. Die Klägerin sei somit nicht arbeitslos im Sinne von §§ 118, 119 SGB III gewesen. Nachdem die Klägerin entsprechend belehrt worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X und die Voraussetzungen des § 50 Abs 1 SGB X vor. Die Beklagte habe somit Anspruch auf Rückzahlung der gewährten Leistungen in Höhe von 4.135,43 EUR.
Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 16.03.2006 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Beklagte sei im Februar 2004 von ihrem derzeitigen Besuch in die USA informiert gewesen, es sei damals nicht beanstandet worden. Wohnsitz und Adresse seien jederzeit unverändert gewesen, sie sei weder umgezogen noch ausgesiedelt und jederzeit per Post - E-Mail - Telefon erreichbar gewesen. Erst seit 02.05.2006 habe sie ihr offizielles Niederlassungsrecht.
Sinngemäß beantragt die Klägerin, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.01.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Berufungserwiderung nimmt die Beklagte auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug.
Das Gericht hat im vorbereitenden Verfahren die Akte der Beklagten und des SG beigezogen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, des SG und des Gerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin und die Beklagte haben mit Schriftsätzen vom 17.06.2006 und 31.05.2006 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt, § 124 Abs 2 SGG.
Das SG hat mit Urteil vom 13.01.2006 zu Recht entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 30.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2005 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Denn die Beklagte hat rechtmäßig gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 16.11.2003 bis 17.03.2004 aufgehoben und die Erstattung der gezahlten Leistungen in Höhe von 3.552,77 EUR gemäß § 50 Abs 1 SGB X sowie der zu Unrecht entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 582,66 EUR gemäß § 335 Abs 1 und 5 SGB III verlangt.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III sind im vorliegenden Fall erfüllt. Nach diesen Vorschriften ist der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X) oder der Betroffene wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der Leistungsanspruch weggefallen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X). Abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X bestimmt Abs 3 des § 330 SGB III, dass die Beklagte bei der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an auch in atypischen Fällen kein Ermessen auszuüben hat, sondern eine gebundene Entscheidung treffen muss ("ist ... aufzuheben").
Der Leistungsanspruch der Klägerin auf Bewilligung von Alhi ist für die Zeit vom 16.11.2003 bis 17.03.2004 gemäß §§ 190 Abs 1 (idF des 3.SGB III-ÄndG vom 22.12.1993, BGBl I 2624), 198 SGB III iVm §§ 118, 119 SGB III (idF des 1.SGB III-ÄndG vom 16.12.1997 iVm §§ 2, 3 der Erreichbarkeits-Anordnung - EAO - vom 23.10.1997 geändert durch 1. Änderungsanordnung zur EAO vom 16.11.2001 , in Kraft ab 01.01.2002) weggefallen, denn die Klägerin war ab dem 16.11.2003 nicht mehr arbeitslos.
Wer arbeitslos ist, hat bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nach § 190 Abs 1 SGB III Anspruch auf Alhi. Arbeitslos ist nach § 118 Abs 1 SGB III, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht. Dies setzt u.a. voraus, dass der Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung steht, d.h. arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§ 119 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 SGB III). Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser u.a. dann, wenn er Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs 3 Nr 3 SGB III).
Der Verwaltungsrat der Beklagten hat durch die EAO Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen bestimmt (§ 152 Abs 2 SGB III iVm § 376 Abs 1 Satz 1 SGB III). Nach § 1 Abs 1 EAO kann ein Arbeitsloser Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage ist, unverzüglich 1. Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, 2. die Agentur für Arbeit aufzusuchen, 3. mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer berufli chen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und 4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer berufli chen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.
Deshalb muss der Arbeitslose sicherstellen, dass die Beklagte ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann, § 1 Abs 1 Satz 2 EAO.
Hält sich ein Arbeitsloser außerhalb des Nahbereichs der Agentur für Arbeit auf, steht dies der Verfügbarkeit bis zu 3 Wochen im Jahr nicht entgegen, wenn die Agentur für Arbeit vorher zugestimmt hat, § 3 Abs 1 Satz 1 EAO. Im Falle des § 428 SGB III beträgt die Frist nach § 3 Abs 1 EAO 17 Wochen, § 4 Abs 1 Satz 1 EAO.
Unstreitig hat die Klägerin vor dem Verlassen ihres Wohnortes und Reise in die USA nicht die notwendige Zustimmung der Beklagten eingeholt. Das hat sie selbst in der Klageschrift vom 14.01.2005 eingeräumt. Das Erfordernis der Einholung der vorherigen Zustimmung der Beklagten ist auch dann gegeben, wenn der Versicherte - wie hier - Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III erhält. Dies ergibt sich aus dem Verweis des § 4 der EAO auf Abs 1 Satz 1 des § 3 der EAO. Danach ist lediglich die Anzahl der Wochen im Fall des § 428 SGB III erhöht, das Erfordernis der vorherigen Zustimmung der Beklagten entfällt dadurch jedoch nicht. In diesem Zusammenhang verkennt die Klägerin, dass durch Satz 1 des § 428 SGB III nur die Arbeits- bzw. Fortbildungsbereitschaft iS des § 119 Abs 1 sowie die Beschäftigungssuche iS des § 119 SGB III fingiert wird; die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Alhi müssen weiterhin vorliegen (objektive Verfügbarkeit, Anwartschaftszeit, Arbeitslosmeldung). Dementsprechend ist ein Arbeitsloser, der Alg nach § 428 bezieht, nicht verfügbar iS des § 119 Abs 3 Nr 3 SGB III, wenn er unter der von ihm der Beklagten bekannten Anschrift nicht erreichbar ist. Auch wenn für diesen Personenkreis eine Arbeitsvermittlung praktisch nicht mehr in Betracht kommt, verstößt die Vorschrift nicht gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes (BSG NZS 1996, 534, ebenso bereits Urteil des Senates vom 29.04.2004 - L 10 AL 141/02 -).
Nachdem die objektive Verfügbarkeit trotz der erleichterten Voraussetzungen des § 428 Abs 1 Satz 1 SGB III Anspruchsvoraussetzung ist, ist der Verweis des § 4 Satz 1 der EAO auch auf das Erfordernis der vorherigen Zustimmung gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 EAO folgerichtig und vom Sinn und Zweck der genannten Vorschriften geboten. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung vom 07.03.2006 einwendet, Wohnsitz und Adresse seien trotz ihres Aufenthaltes in den USA unverändert geblieben, sie sei weder umgezogen noch ausgesiedelt und jederzeit erreichbar gewesen, lässt sich damit die Voraussetzung der objektiven Verfügbarkeit nicht begründen. Denn die EAO unterscheidet in § 2 zwischen dem Wohnsitz bzw. dem gewöhnlichen Aufenthalt und der Entfernung hiervon zu einem vorübergehenden Aufenthaltsort und dem Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs, der in den §§ 3, 4 EAO geregelt ist. Dass die Beklagte von der Klägerin im Februar 2004 von ihrem Besuch in den USA informiert wurde, ersetzt nicht eine vorherige Zustimmung der Beklagten zur vorübergehenden Abwesenheit vom Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs.
Der Pflicht zur Mittelung wesentlicher für sie nachteiliger Änderung der Verhältnisse ist die Klägerin zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X). Denn das Merkblatt Nr 1 für Arbeitslose enthält ausführliche Hinweise zu Fragen der Erreichbarkeit und Verfügbarkeit sowie der Mitwirkungspflicht beim Verlassen des Wohnortes. Beim Antrag auf Fortzahlung von Alhi, der am 13.03.2003 bei der Beklagten eingegangen ist, hat die Klägerin unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt Nr 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Daher hat die Klägerin die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, denn sie hätte - auch unter Berücksichtigung ihrer subjektiven Erkenntnismöglichkeiten - leicht erkennen können, dass der Leistungsanspruch weggefallen und sie verpflichtet ist, diese wesentliche Änderung ihrer Verhältnisse der Beklagten mitzuteilen. Somit sind auch die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X erfüllt. Dass sie evtl. die Rechtsfolgen einer erleichterten Inanspruchnahme von Alhi gemäß § 428 SGB III im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Erreichbarkeit rechtlich anders bewertet hat, stellt insoweit lediglich einen nicht entschuldbaren Verbotsirrtum dar, der die "grobe Fahrlässigkeit" nicht entfallen lässt. Eine Entschuldbarkeit des Irrtums scheidet hier schon deshalb aus, weil sich die Klägerin ihre Rechtsansicht nicht auf Grund einer (objektiv) sorgfältigen Prüfung der Rechtslage gebildet hat (s. BSG, Urteil vom 25.05.2005, B 11a/11 AL 81/04 R, BGH NJW 1982, 637; NJW 1994, 2754, 2755 mwN).
Die Beklagte hat bei der Aufhebung mit Bescheid vom 30.08.2005 auch die Fristen des § 48 Abs 4 SGB X iVm § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X eingehalten.
Die Pflicht der Klägerin zur Erstattung der gezahlten Alhi in Höhe von 3.552,77 EUR ergibt sich aus § 50 Abs 1 SGB X. Danach sind bereits gezahlte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der Erstattungsbetrag wurde von der Beklagten zutreffend beziffert. Der Anwendbarkeit der §§ 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4, 50 Abs 1 SGB X steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entgegen, dass ihr u.U. nur ihre Rente zur Rückzahlung zur Verfügung steht. Insofern ist es der Klägerin unbenommen, gemäß § 76 Abs 2 Nrn 1 - 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Beklagten einen Antrag auf Stundung (Nr 1), Niederschlagung (Nr 2) oder Erlass (Nr 3 zu stellen.
Die für den Erstattungszeitraum gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 582,66 EUR hat die Klägerin nach § 335 Abs 1 und 5 SGB III zu ersetzen, weil die Beiträge zu Unrecht gezahlt worden sind und ein anderes Kranken-/Pflege-Pflichtversicherungsverhältnis für den gleichen Zeitraum nicht bestanden hat.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 60 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
II. Außergerichtliche Kosten sind nicht zu erstatten.
III. Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand:
Zwischen den Beteiligten ist die Aufhebung der Entscheidung über die Bewilligung von Arbeitslosenhilfe (Alhi) ab 16.11.2003 sowie die Erstattung überzahlter Alhi in Höhe von 3.552,77 EUR und von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 582,66 EUR streitig.
Die 1939 geborene Klägerin erhielt von der Beklagten ab 01.08.1999 Arbeitslosengeld (Alg), für die Zeit ab 28.02.2002 aufgrund der erleichterten Voraussetzungen des § 428 Drittes Buch Sozialgesetzbuch (SGB III); ab 18.03.2002 bezog die Klägerin Alhi.
Nach einem Hinweis der Deutschen Rentenversicherung Bund (ehemals BfA) vom 21.07.2005, dass die Klägerin seit November 2003 in den USA wohne, teilte diese auf Nachfrage der Beklagten vom 28.07.2005 mit Schriftsatz vom 06.08.2005 mit, dass es ihr unter den "erleichterten Voraussetzungen" wegen ihres Alters gestattet gewesen sei, für längere Zeit zu verreisen. Am 16.11.2003 sei sie mit einem Besuchsvisum in die USA geflogen, wo die Familien ihrer drei Kinder ihrer Hilfe dringend bedurft hätten. Im Februar habe sie sich ordnungsgemäß bei ihrem Ansprechpartner H.H. abgemeldet. Eine Anschriftenänderung sei damals nicht vonnöten gewesen, da sie weiterhin in B. gemeldet gewesen sei. Auch bis heute habe sie noch keine dauerhafte Niederlassungsgenehmigung für die USA, der Antrag laufe seit 1 1/2 Jahren. Die Alhi sei bis 17.03.2004 ihr einziges Einkommen gewesen; ab April 2004 habe sie dann eine Rente von 344,39 EUR erhalten. Wegen ihres Status als Besucherin habe sie in den USA weder eine Arbeitserlaubnis erhalten noch Zugang zu öffentlichen Mitteln.
Nach Anhörungsschreiben vom 22.08.2005 teilte die Klägerin mit E-Mail vom 29.08.2005 mit, dass ihre geringe Rente von 379,07 EUR monatlich ihr einziges Einkommen derzeit sei. Von den erlaubten 17 Wochen im Jahr seien 6,5 Wochen in 2003 und 11 Wochen in 2004 gewesen.
Mit Aufhebungs- und Erstattungsbescheid vom 30.08.2005 hob die Beklagte die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi ab 16.11.2003 auf. Die Klägerin sei nach § 60 Erstes Buch Sozialgesetzbuch (SGB I) verpflichtet gewesen, der Beklagten alle Änderungen in den Verhältnissen mitzuteilen, die für die Leistung erheblich seien. Dieser Verpflichtung sei sie zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 Zehntes Buch Sozialgesetzbuch - SGB X -). Sie sei umgezogen und habe der Beklagten ihre neue Anschrift nicht oder jedenfalls nicht rechtzeitig mitgeteilt. Somit hätten Postsendungen der Beklagten sie nicht oder bei gestelltem Nachsendeauftrag nicht rechtzeitig erreichen können. Voraussetzung für den Anspruch auf Alhi sei aber die Erreichbarkeit, damit sie für Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung stehe. In der Zeit vom 16.11.2003 bis 17.03.2004 sei der Klägerin Alhi in Höhe von 3.552,77 EUR zu Unrecht gezahlt worden. Dieser Betrag sei von der Klägerin zu erstatten (§ 50 SGB X). Darüber hinaus seien von der Klägerin nach § 335 Abs 1 SGB III die von der Beklagten in der Zeit vom 16.11.2003 bis 17.03.2004 gezahlten Beiträge zur Krankenversicherung in Höhe von 522,26 EUR und zur Pflegeversicherung in Höhe von 582,66 EUR zu ersetzen. Es ergebe sich somit eine Gesamtforderung in Höhe von 4.135,43 EUR.
Den hiergegen am 11.09.2005 von der Klägerin eingelegten Widerspruch, mit dem sie darauf hinwies, dass ihre Anschrift damals noch unverändert gewesen sei und sie auch ihre Post erhalten habe, wies die Beklagte mit Widerspruchsbescheid vom 20.10.2005 als unbegründet zurück. Die Klägerin habe sich im streitigen Zeitraum nicht im Nahbereich der Beklagten aufgehalten, sondern in den USA und vor dem Verlassen des Wohnortes nicht die notwendige Zustimmung der Beklagten eingeholt. Somit habe sie den Vermittlungsbemühungen der Beklagten im streitigen Zeitraum wegen fehlender Erreichbarkeit nicht zur Verfügung gestanden (§ 119 Abs 3 SGB III iVm der EAO) und sei deshalb nicht arbeitslos iS des § 118 Abs 1 SGB III gewesen. Die Aufhebung der Bewilligungsentscheidung könne auch auf § 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III gestützt werden. Das Merkblatt für Arbeitslose habe ausführliche Hinweise zu Fragen der Erreichbarkeit/Verfügbarkeit enthalten. Die Klägerin hätte daher wissen müssen oder zumindest leicht erkennen können, dass der Leistungsanspruch weggefallen sei. Wenn sie entgegen ihrer schriftlichen Bestätigung diese Hinweise nicht zur Kenntnis genommen habe, beruhe diese Unkenntnis auf grober Fahrlässigkeit.
Mit der hiergegen am 17.11.2005 zum Sozialgericht Nürnberg (SG) erhobenen Klage hat die Klägerin über ihr bisheriges Vorbringen hinaus vorgetragen, dass sie von der seinerzeit unterschriebenen Erklärung keine Kopie gehabt und sich nicht mehr des Beisatzes einer "vorherigen Absprache" bewusst gewesen sei, da sie auch in den vergangenen Jahren lediglich einmal im Jahr zum Vorsprechen aufgefordert worden sei. Die einzige Aufforderung, sich zu melden, sei kurz vor Ablauf ihrer Anspruchszeit gewesen und sie habe sofort geantwortet. Das überzahlte Geld sei längst verbraucht.
Mit Urteil vom 13.01.2006 hat das SG die Klage abgewiesen. Die zulässige Klage sei unbegründet. Ergänzend zu den Ausführungen im Widerspruchsbescheid sei auszuführen, dass sich die Klägerin nicht auf die 17-wöchigen Abwesenheit im Sinne von § 428 SGB III berufen könne, da sie nach Lage der Dinge wohl endgültig - je nach Ausgang des Aufenthaltsverfahrens in den USA - ausgereist sei. Nach ihren eigenen Angaben sei die Klägerin nach ihrer Ausreise am 16.11.2003 nicht mehr in der Bundesrepublik Deutschland gewesen. Damit habe sie den Vermittlungsbemühungen der Beklagten endgültig nicht mehr zur Verfügung gestanden, unabhängig davon, ob sie tatsächlich vermittelt worden wäre. Die Klägerin sei somit nicht arbeitslos im Sinne von §§ 118, 119 SGB III gewesen. Nachdem die Klägerin entsprechend belehrt worden sei, lägen die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X und die Voraussetzungen des § 50 Abs 1 SGB X vor. Die Beklagte habe somit Anspruch auf Rückzahlung der gewährten Leistungen in Höhe von 4.135,43 EUR.
Hiergegen richtet sich die beim Bayer. Landessozialgericht am 16.03.2006 eingegangene Berufung der Klägerin. Die Beklagte sei im Februar 2004 von ihrem derzeitigen Besuch in die USA informiert gewesen, es sei damals nicht beanstandet worden. Wohnsitz und Adresse seien jederzeit unverändert gewesen, sie sei weder umgezogen noch ausgesiedelt und jederzeit per Post - E-Mail - Telefon erreichbar gewesen. Erst seit 02.05.2006 habe sie ihr offizielles Niederlassungsrecht.
Sinngemäß beantragt die Klägerin, das Urteil des Sozialgerichts Nürnberg vom 13.01.2006 sowie den Bescheid der Beklagten vom 30.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2005 aufzuheben.
Die Beklagte beantragt, die Berufung als unbegründet zurückzuweisen.
Zur Berufungserwiderung nimmt die Beklagte auf die Ausführungen im erstinstanzlichen Urteil Bezug.
Das Gericht hat im vorbereitenden Verfahren die Akte der Beklagten und des SG beigezogen.
Zur Ergänzung des Sachverhalts wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, des SG und des Gerichts Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung der Klägerin ist zulässig (§§ 143, 144, 151 Sozialgerichtsgesetz - SGG -).
Die Berufung ist jedoch nicht begründet.
Die Klägerin und die Beklagte haben mit Schriftsätzen vom 17.06.2006 und 31.05.2006 ihr Einverständnis mit einer Entscheidung des Gerichts ohne mündliche Verhandlung erklärt, § 124 Abs 2 SGG.
Das SG hat mit Urteil vom 13.01.2006 zu Recht entschieden, dass der Bescheid der Beklagten vom 30.08.2005 in der Gestalt des Widerspruchsbescheides vom 20.10.2005 rechtlich nicht zu beanstanden ist. Denn die Beklagte hat rechtmäßig gemäß § 48 Abs 1 Satz 1 Satz 2 Nrn 2 und 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III die Entscheidung über die Bewilligung von Alhi für die Zeit vom 16.11.2003 bis 17.03.2004 aufgehoben und die Erstattung der gezahlten Leistungen in Höhe von 3.552,77 EUR gemäß § 50 Abs 1 SGB X sowie der zu Unrecht entrichteten Beiträge zur Kranken- und Pflegeversicherung in Höhe von 582,66 EUR gemäß § 335 Abs 1 und 5 SGB III verlangt.
Die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 und 4 SGB X iVm § 330 Abs 3 SGB III sind im vorliegenden Fall erfüllt. Nach diesen Vorschriften ist der Verwaltungsakt rückwirkend vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse aufzuheben, wenn der Betroffene einer durch Rechtsvorschrift vorgeschriebenen Pflicht zur Mitteilung wesentlicher für ihn nachteiliger Änderungen der Verhältnisse vorsätzlich oder grob fahrlässig nicht nachgekommen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X) oder der Betroffene wusste oder grob fahrlässig nicht wusste, weil er die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt hat, dass der Leistungsanspruch weggefallen ist (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X). Abweichend von § 48 Abs 1 Satz 2 SGB X bestimmt Abs 3 des § 330 SGB III, dass die Beklagte bei der Aufhebung eines Verwaltungsaktes mit Wirkung vom Zeitpunkt der Änderung der Verhältnisse an auch in atypischen Fällen kein Ermessen auszuüben hat, sondern eine gebundene Entscheidung treffen muss ("ist ... aufzuheben").
Der Leistungsanspruch der Klägerin auf Bewilligung von Alhi ist für die Zeit vom 16.11.2003 bis 17.03.2004 gemäß §§ 190 Abs 1 (idF des 3.SGB III-ÄndG vom 22.12.1993, BGBl I 2624), 198 SGB III iVm §§ 118, 119 SGB III (idF des 1.SGB III-ÄndG vom 16.12.1997 iVm §§ 2, 3 der Erreichbarkeits-Anordnung - EAO - vom 23.10.1997 geändert durch 1. Änderungsanordnung zur EAO vom 16.11.2001 , in Kraft ab 01.01.2002) weggefallen, denn die Klägerin war ab dem 16.11.2003 nicht mehr arbeitslos.
Wer arbeitslos ist, hat bei Erfüllung der sonstigen Voraussetzungen nach § 190 Abs 1 SGB III Anspruch auf Alhi. Arbeitslos ist nach § 118 Abs 1 SGB III, wer vorübergehend nicht in einem Beschäftigungsverhältnis steht und eine versicherungspflichtige Beschäftigung sucht. Dies setzt u.a. voraus, dass der Arbeitslose den Vermittlungsbemühungen der Beklagten zur Verfügung steht, d.h. arbeitsfähig und seiner Arbeitsfähigkeit entsprechend arbeitsbereit ist (§ 119 Abs 1 Nr 2 und Abs 2 SGB III). Arbeitsfähig ist ein Arbeitsloser u.a. dann, wenn er Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten kann und darf (§ 119 Abs 3 Nr 3 SGB III).
Der Verwaltungsrat der Beklagten hat durch die EAO Näheres über die Pflichten des Arbeitslosen bestimmt (§ 152 Abs 2 SGB III iVm § 376 Abs 1 Satz 1 SGB III). Nach § 1 Abs 1 EAO kann ein Arbeitsloser Vorschlägen der Beklagten zur beruflichen Eingliederung zeit- und ortsnah Folge leisten, wenn er in der Lage ist, unverzüglich 1. Mitteilungen der Agentur für Arbeit persönlich zur Kenntnis zu nehmen, 2. die Agentur für Arbeit aufzusuchen, 3. mit einem möglichen Arbeitgeber oder Träger einer berufli chen Eingliederungsmaßnahme in Verbindung zu treten und bei Bedarf persönlich mit diesem zusammenzutreffen und 4. eine vorgeschlagene Arbeit anzunehmen oder an einer berufli chen Eingliederungsmaßnahme teilzunehmen.
Deshalb muss der Arbeitslose sicherstellen, dass die Beklagte ihn persönlich an jedem Werktag an seinem Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt unter der von ihm benannten Anschrift (Wohnung) durch Briefpost erreichen kann, § 1 Abs 1 Satz 2 EAO.
Hält sich ein Arbeitsloser außerhalb des Nahbereichs der Agentur für Arbeit auf, steht dies der Verfügbarkeit bis zu 3 Wochen im Jahr nicht entgegen, wenn die Agentur für Arbeit vorher zugestimmt hat, § 3 Abs 1 Satz 1 EAO. Im Falle des § 428 SGB III beträgt die Frist nach § 3 Abs 1 EAO 17 Wochen, § 4 Abs 1 Satz 1 EAO.
Unstreitig hat die Klägerin vor dem Verlassen ihres Wohnortes und Reise in die USA nicht die notwendige Zustimmung der Beklagten eingeholt. Das hat sie selbst in der Klageschrift vom 14.01.2005 eingeräumt. Das Erfordernis der Einholung der vorherigen Zustimmung der Beklagten ist auch dann gegeben, wenn der Versicherte - wie hier - Alhi unter den erleichterten Voraussetzungen des § 428 SGB III erhält. Dies ergibt sich aus dem Verweis des § 4 der EAO auf Abs 1 Satz 1 des § 3 der EAO. Danach ist lediglich die Anzahl der Wochen im Fall des § 428 SGB III erhöht, das Erfordernis der vorherigen Zustimmung der Beklagten entfällt dadurch jedoch nicht. In diesem Zusammenhang verkennt die Klägerin, dass durch Satz 1 des § 428 SGB III nur die Arbeits- bzw. Fortbildungsbereitschaft iS des § 119 Abs 1 sowie die Beschäftigungssuche iS des § 119 SGB III fingiert wird; die übrigen Anspruchsvoraussetzungen für die Bewilligung von Alhi müssen weiterhin vorliegen (objektive Verfügbarkeit, Anwartschaftszeit, Arbeitslosmeldung). Dementsprechend ist ein Arbeitsloser, der Alg nach § 428 bezieht, nicht verfügbar iS des § 119 Abs 3 Nr 3 SGB III, wenn er unter der von ihm der Beklagten bekannten Anschrift nicht erreichbar ist. Auch wenn für diesen Personenkreis eine Arbeitsvermittlung praktisch nicht mehr in Betracht kommt, verstößt die Vorschrift nicht gegen die rechtsstaatlichen Grundsätze der Verhältnismäßigkeit und des Übermaßverbotes (BSG NZS 1996, 534, ebenso bereits Urteil des Senates vom 29.04.2004 - L 10 AL 141/02 -).
Nachdem die objektive Verfügbarkeit trotz der erleichterten Voraussetzungen des § 428 Abs 1 Satz 1 SGB III Anspruchsvoraussetzung ist, ist der Verweis des § 4 Satz 1 der EAO auch auf das Erfordernis der vorherigen Zustimmung gemäß § 3 Abs 1 Satz 1 EAO folgerichtig und vom Sinn und Zweck der genannten Vorschriften geboten. Soweit die Klägerin in der Berufungsbegründung vom 07.03.2006 einwendet, Wohnsitz und Adresse seien trotz ihres Aufenthaltes in den USA unverändert geblieben, sie sei weder umgezogen noch ausgesiedelt und jederzeit erreichbar gewesen, lässt sich damit die Voraussetzung der objektiven Verfügbarkeit nicht begründen. Denn die EAO unterscheidet in § 2 zwischen dem Wohnsitz bzw. dem gewöhnlichen Aufenthalt und der Entfernung hiervon zu einem vorübergehenden Aufenthaltsort und dem Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs, der in den §§ 3, 4 EAO geregelt ist. Dass die Beklagte von der Klägerin im Februar 2004 von ihrem Besuch in den USA informiert wurde, ersetzt nicht eine vorherige Zustimmung der Beklagten zur vorübergehenden Abwesenheit vom Wohnsitz bzw. gewöhnlichen Aufenthalt außerhalb des zeit- und ortsnahen Bereichs.
Der Pflicht zur Mittelung wesentlicher für sie nachteiliger Änderung der Verhältnisse ist die Klägerin zumindest grob fahrlässig nicht nachgekommen (§ 48 Abs 1 Satz 2 Nr 2 SGB X). Denn das Merkblatt Nr 1 für Arbeitslose enthält ausführliche Hinweise zu Fragen der Erreichbarkeit und Verfügbarkeit sowie der Mitwirkungspflicht beim Verlassen des Wohnortes. Beim Antrag auf Fortzahlung von Alhi, der am 13.03.2003 bei der Beklagten eingegangen ist, hat die Klägerin unterschriftlich bestätigt, das Merkblatt Nr 1 für Arbeitslose erhalten und von seinem Inhalt Kenntnis genommen zu haben. Daher hat die Klägerin die erforderliche Sorgfalt in besonders schwerem Maße verletzt, denn sie hätte - auch unter Berücksichtigung ihrer subjektiven Erkenntnismöglichkeiten - leicht erkennen können, dass der Leistungsanspruch weggefallen und sie verpflichtet ist, diese wesentliche Änderung ihrer Verhältnisse der Beklagten mitzuteilen. Somit sind auch die Voraussetzungen des § 48 Abs 1 Satz 2 Nr 4 SGB X erfüllt. Dass sie evtl. die Rechtsfolgen einer erleichterten Inanspruchnahme von Alhi gemäß § 428 SGB III im Zusammenhang mit dem Erfordernis der Erreichbarkeit rechtlich anders bewertet hat, stellt insoweit lediglich einen nicht entschuldbaren Verbotsirrtum dar, der die "grobe Fahrlässigkeit" nicht entfallen lässt. Eine Entschuldbarkeit des Irrtums scheidet hier schon deshalb aus, weil sich die Klägerin ihre Rechtsansicht nicht auf Grund einer (objektiv) sorgfältigen Prüfung der Rechtslage gebildet hat (s. BSG, Urteil vom 25.05.2005, B 11a/11 AL 81/04 R, BGH NJW 1982, 637; NJW 1994, 2754, 2755 mwN).
Die Beklagte hat bei der Aufhebung mit Bescheid vom 30.08.2005 auch die Fristen des § 48 Abs 4 SGB X iVm § 45 Abs 4 Satz 2 SGB X eingehalten.
Die Pflicht der Klägerin zur Erstattung der gezahlten Alhi in Höhe von 3.552,77 EUR ergibt sich aus § 50 Abs 1 SGB X. Danach sind bereits gezahlte Leistungen zu erstatten, soweit ein Verwaltungsakt aufgehoben worden ist. Der Erstattungsbetrag wurde von der Beklagten zutreffend beziffert. Der Anwendbarkeit der §§ 48 Abs 1 Satz 2 Nrn 2 und 4, 50 Abs 1 SGB X steht entgegen der Auffassung der Klägerin nicht entgegen, dass ihr u.U. nur ihre Rente zur Rückzahlung zur Verfügung steht. Insofern ist es der Klägerin unbenommen, gemäß § 76 Abs 2 Nrn 1 - 3 Viertes Buch Sozialgesetzbuch (SGB IV) bei der Beklagten einen Antrag auf Stundung (Nr 1), Niederschlagung (Nr 2) oder Erlass (Nr 3 zu stellen.
Die für den Erstattungszeitraum gezahlten Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge in Höhe von 582,66 EUR hat die Klägerin nach § 335 Abs 1 und 5 SGB III zu ersetzen, weil die Beiträge zu Unrecht gezahlt worden sind und ein anderes Kranken-/Pflege-Pflichtversicherungsverhältnis für den gleichen Zeitraum nicht bestanden hat.
Nach alledem war die Berufung der Klägerin zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Gründe, die Revision zuzulassen, bestehen nicht, § 60 Abs 2 Nrn 1 und 2 SGG.
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