L 3 Kg 239/60

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 Kg 239/60
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
1. Auch der den Verwaltungsakt erlassende Versicherungsträger ist Beteiligter im Sinne des § 77 SGG und § 1744 Abs. 1 Nr. 6 RVO (§ 220 Ziff. 18 SGG).
2. Das Kindergeld ist eine zusätzliche Leistung für das Kind, aber nicht für einen seiner Elternteile persönlich. (§ 3 Abs. 1 KGG)
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 27. Oktober 1960 wird als unbegründet zurückgewiesen.

Die Beteiligten haben einander Kosten nicht zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger stellte am 11. Mai 1959 den Antrag auf Gewährung von Kindergeld. Im Antragsformular führte er vier Kinder unter 18 Jahren auf, darunter als drittes Kind ein 1956 geborenes uneheliches Kind D. J ... Die formularmäßige Frage, ob für eines oder mehrere der Kinder Kinderzuschläge aus einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst gezahlt würden, verneinte er. Der Beklagte gewährte durch Bescheid vom 5. Juni 1959 dem Kläger ab 1. Mai 1959 Kindergeld für zwei Kinder. Im Juli 1959 teilte das Jugendamt der Stadt F. der Beklagten mit, daß die Mutter des Kindes D. J. beim Amtsgericht F. beschäftigt sei. Auf Rückfrage bestätigte die Bezirkslohnstelle beim Oberlandesgericht F. der Beklagten, daß die Mutter des Kindes D. J., R. J., seit 2. Mai 1958 beim Amtsgericht F. beschäftigt sei und seitdem Kinderzuschlag für das Kind D. J. in Höhe von 30,– DM monatlich gemäß § 18 (1) 6. des Hess.Bes.Ges. vom 21. Dezember 1957 erhalte.

Mit Bescheid vom 25. Mai 1960 entzog die Beklagte dem Kläger unter Bezugnahme auf § 3 Abs. 2 Ziff. 2 des Kindergeldgesetzes (KGG) das Kindergeld für das Kind D. J. Rückwirkend ab 1. Mai 1959. Zugleich verrechnete sie die dem Kläger für dies Kind gezahlten Kindergeldbeträge mit dem für sein viertes Kind weiterzuzahlenden Kindergeld. Der Kläger klagte. Er machte geltend, daß § 3 Abs. 2 Ziff. 2 KGG den Vater eines unehelichen Kindes, dessen Mutter im öffentlichen Dienst beschäftigt sei, schlechter stelle als den Vater eines unehelichen Kindes, bei das einen Verstoß gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes bedeute, und beantragt die Aufhebung des Bescheides vom 25. Mai 1960. Das Sozialgericht wies die Klage ab.

Gegen das am 24. November 1960 zugestellte Urteil hat der Kläger am 7. Dezember 1960 Berufung eingelegt. Er verbleibt bei seiner bisherigen Auffassung und hat sinngemäß beantragt,
das angefochtene Urteil und den Bescheid vom 25. Mai 1960 aufzuheben.

Die Beklagte hat beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Im Termin zur mündlichen Verhandlung vom 15. August 1961 war der Kläger trotz ordnungsmäßiger Ladung nicht vertreten.

Die Beklagte hat daraufhin Entscheidung nach Aktenlage beantragt. Auf die Schriftsätze der Beteiligten wird verwiesen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist entgegen der im angefochtenen Urteil gegebenen Rechtsmittelbelehrungen nach § 28 KGG in Verbindung mit §§ 143 ff. SGG uneingeschränkt zulässig. Der Kläger begehrt die Aufhebung des Entziehungsbescheides vom 25. Mai 1960 und damit die Belassung des Kindergeldes für sein uneheliches Kind D. J. für Vergangenheit und Zukunft. Es ist keine gesetzliche Vorschrift ersichtlich, die für einen solchen Anspruch die Berufung ausschlösse.

Die Berufung ist aber unbegründet.

Die Beklagte hat dem Kläger Kindergeld auch für sein uneheliches Kind D. J. mit Bescheid vom 5. Juni 1959 Bewilligt. An diesem Bescheid war sie nach § 77 SGG gebunden. Nur in den Grenzen des § 1744 Reichsversicherungsordnung (RVO) in Fassung § 220 Nr. 18 SGG konnte sie eine neue Prüfung mit Rückwirkung für die Zeit ab Bewilligung des Kindergeldes vornehmen. Die Voraussetzungen des § 1744 RVO sind indessen hier erfüllt. Die Beklagte ging bei Erlaß des Bescheids vom 5. Juni 1959 auf Grund der Angaben, die der Kläger im Antragsformular gemacht hatte, davon aus, daß für keines seiner Kinder ein Kinderzuschlag aus einer Beschäftigung im öffentlichen Dienst gezahlt würde. Erst nachträglich erfuhr sie durch das Jugendamt der Stadt F., daß diese Angaben für das uneheliche Kind D. J. nicht zutrafen. Auf Rückfrage gab ihr die Bezirkslohnstelle beim Oberlandesgericht F. die Auskunft, daß die Kindesmutter bereits seit 2. Mai 1958 als Justizangestellte beim Amtsgericht F. beschäftigt war und seit dem Kinderzuschlag für das Kind D. F. nach den Bestimmungen des Hess. Besoldungsgesetzes bezog. Die Auskunft ist aus den Personalakten der Kindesmutter erteilt. Die Personalakten stellen eine Sammelurkunde dar. Die Beklagte war bei Erlaß des Bescheids vom 5. Juni 1959 nicht in der Lage, die Personalakten zu verwerten, da ihr die Beschäftigung der Kindesmutter im öffentlichen Dienst nicht bekannt war; aus dem Antrag des Klägers auf Kindergeld mußte sie das Gegenteil entnehmen. Die Beklagte ist auch eine Beteiligte im Sinne des § 1744 Abs. 1 Nr. 6 RVO. Das ergibt sich aus dem Vergleich dieser Bestimmung mit §§ 77 SGG; beide Bestimmungen stehen in einem untrennbaren Zusammenhang, aus dem sich die Notwendigkeit einer einheitlichen Auslegung des Begriffs des Beteiligten im Sinne beider Vorschriften ergibt. Es kann aber kein Zweifel darüber obwalten, daß im Sinne des § 77 SGG auch der den Verwaltungsakt erlassende Versicherungsträger Beteiligter ist.

Die Beklagte war demzufolge nach § 1744 Abs. 1 Ziff. 6 RVO befugt, gegenüber dem Bescheid vom 5. Juni 1959 eine neue Prüfung des Kindergeldbetrages vorzunehmen.

Mit Recht hat sie bei der erneuten Prüfung die Gewährung von Kindergeld für das dritte (uneheliche) Kind des Klägers D. J. abgelehnt. Nach § 3 Abs. 2 Ziff. 2 SGG besteht kein Anspruch auf Kindergeld für dies Kind, weil seine Mutter seit 2. Mai 1958 im Dienste des Landes H. steht und für das Kind D. J. Kinderzuschlag nach den Hess. Besoldungsvorschriften bezieht. § 3 Abs. 2 KGG verstößt auch nicht gegen den Gleichheitsgrundsatz des Art. 3 Abs. 1 des Grundgesetzes. Das hat das Sozialgericht mit eingehender Begründung dargelegt. Dieser Begründung ist im wesentlichen beizupflichten. Der Kläger verkennt bei seiner gegenteiligen Auffassung, daß das Kindergeld eine zusätzliche Leistung für das Kind darstellt, aber nicht für einen seiner Elternteile persönlich. Deshalb wird nach § 3 Abs. 1 KGG für jedes Kind nur ein Kindergeld gewährt, und es besteht nach Abs. 2 daselbst kein Anspruch auf Kindergeld für Kinder, für die bereits ein Kinderzuschlag nach besoldungsrechtlichen Vorschriften gewährt wird. Die Frage, wie sich bei mehreren Unterhaltungspflichten auswirkt, berührt die Beschränkung des Anspruchs auf nur ein Kindergeld für dies Kind und den Wegfall des Kindergeldanspruchs bei Gewährung eines öffentlich-rechtlichen Kinderzuschlages für dies Kind nicht. Diese Auswirkungen sind vielmehr im Verhältnis der Unterhaltsverpflichteten zu einander zu regeln. Der vom Kläger herangezogene Gleichheitsgrundsatz verbietet es gerade, daß für einzelne Kinder doppeltes Kindergeld oder Kindergeld und besoldungsrechtlicher Kinderzuschlag gewährt werden, für andere Kinder dagegen nicht. Hierauf würde es aber hinauslaufen, wenn für das Kind D. J. nicht nur ein besoldungsrechtlicher Kinderzuschlag gewährt würde, sondern zusätzlich auch Kindergeld, während im Regelfall dasselbe Kind nur eine dieser Leistungen erhielte.

Die Berufung war deshalb als unbegründet zurückzuweisen.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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