Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Darmstadt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 Kg 1016/65
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Der Ausschlußbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG liegt nur vor, wenn eine tarifvertragliche Regelung über die Gewährung von Kinderzuschlägen angewandt wird.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. September 1965 sowie die Bescheide vom 14. und 24. August 1964 aufgehoben und die Beklagte verurteilt, dem Kläger ab 1. Juli 1964 für sein 3. Kind Kindergeld in gesetzlicher Höhe zu gewähren.
Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Verfahrenskosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist Angestellter bei der N. H. G.m.b.H., Staatliche Treuhandstelle für Wohnungs- und Kleinsiedlungswesen – Organ der staatlichen Wohnungspolitik –. Seine Arbeitgeberin hatte mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen am 27. März 1963 einen ab 1. April 1963 in Kraft getretenen Betriebs-Tarifvertrag abgeschlossen, nach dessen § 2 der Bundesangestelltentarif (BAT) vom 23. Februar 1961 Bestandteil des Betriebs-Tarifvertrages wurde. Nach § 3 des Betriebs-Tarifvertrages gehen die Bestimmungen dieses Vertrages den sich aus dem BAT ergeben Vorschriften vor. Der Kläger erhielt für seine am 17. August 1955, 3. August 1957 und 30. April 1962 geborenen Kinder Kinderzuschläge. Nachdem das Gesetz über die Gewährung von Kindergeld und Ausbildungszulage (Bundeskindergeldgesetz – BKGG –) vom 14.4.1964 am 1.7.1964 in Kraft getreten war, wurde mit einem "Vierten Tarifvertrag zur Änderung des Betriebs-Tarifvertrages vom 27. März 1963” mit Wirkung ab 1. Juli 1964 vereinbart, daß ein Kinderzuschlag gem. § 31 BAT nur für das erste und zweite Kind gewährt wird (§ 1). Weiter heißt es in § 2 dieses Tarifvertrages:
"Soweit bisher für dritte und weitere Kinder Kinderzuschlag gezahlt worden ist, wird er als Vorschuß solange weiter gewährt, bis der einzelne Arbeitnehmer entsprechend seinem nach dem Bundeskindergeldgesetz vom 14. April 1964 alsbald zu stellenden Antrag Kindergeld erhält.
Wird ein Antrag auf Kindergeld nach Ausschöpfung des Rechtsweges rechtskräftig abgelehnt und bestünde bei sinngemäßer Anwendung der für die Beamten geltenden Bestimmungen Anspruch auf Kinderzuschlag, wird dieser gewährt.”
Die Arbeitgeberin des Klägers stellte daraufhin die Zahlung des Kinderzuschlages für dessen drittes Kind am 30. Juni 1964 ein.
Am 22. Juli 1964 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweise auf diese tarifvertragliche Regelung die Zahlung von Kindergeld für sein drittes Kind. Mit Bescheid vom 14. August 1964 lehnte die Beklagte diesen Antrag gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG ab, weil die Arbeitgeberin des Klägers sinngemäß die für Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes geltenden Tarifverträge anwende. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, dem mit Bescheid vom 24. August 1964 nicht abgeholfen wurde, weil der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG vorliege. Des Umstand, daß der BAT lediglich bezüglich der Gewährung von Kinderzuschlägen für das dritte Kind und die weiteren Kinder nicht angewendet werde, stehe dem nicht entgegen, wie auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mit Erlaß vom 25. Juni 1964 unter dem Aktenzeichen II b 4 – 2983 dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung mitgeteilt habe.
Hierauf erhob der Kläger beim Sozialgericht Darmstadt Klage, die mit Urteil vom 21. September 1965 abgewiesen wurde. Der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG liege bereits dann vor, wenn der BAT grundsätzlich Anwendung finde. Nicht erforderlich sei, daß bis ins letzte Detail die für Bund und Länder geltenden Tarifverträge oder vergleichbare Regelungen für anwendbar erklärt worden seien. Im vorliegenden Fall sei die grundsätzliche Anwendung des BAT nicht durch Änderungen im Betriebs-Tarifvertrag beseitigt worden, auch nicht dadurch, daß ab 1. Juli 1964 die Kinderzuschläge für die dritten und weiteren Kinder entfielen.
Gegen dieses ihm am 23. Oktober 1965 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. November 1965 Berufung eingelegt. Er führt u.a. aus, das Sozialgericht habe nicht geprüft, ob § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG mit Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar sei. Im übrigen finde diese Bestimmung in seinem Fall eine Anwendung, weil für ihn nur ein zwischen seinem Arbeitgeber und der zuständigen Gewerkschaft abgeschlossener Betriebs-Tarifvertrag gelte, der sich von den für Arbeitnehmer des Bundes und der Länder geltenden tarifvertraglichen Regelungen unterscheide. Er habe gegen seinen Arbeitgeber keinen vertraglichen oder tarifrechtlichen Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlages für sein drittes Kind, und zwar auch nicht nach § 7 Abs. 6 BKGG, weil diese Bestimmung nur für Arbeitnehmer des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstiger Körperschaften des öffentlichen Rechts gelte.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. September 1965 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 1964 für sein drittes Kind Kindergeld in Höhe von 50,– DM monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich der Auffassung des Sozialgerichts an. Es sei für die Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG entscheidend, daß Inhalt und Aufbau des hier in Betracht kommenden Betriebs-Tarifvertrages im wesentlichen mit dem BAT übereinstimmten, da der Zusatz "hinsichtlich der Gewährung von Kinderzuschlägen” in dieser gesetzlichen Bestimmung fehle. Es genüge also, wenn die allgemeinen Merkmale des BAT über Dienstzeiten, Vergütungssystem, Krankenbezüge und Kündigungsbestimmungen erfüllt seien. Die abweichenden Regelungen in dem Betriebs-Tarifvertrag seien nicht so schwerwiegend, daß einer Vergleichbarkeit mit dem BAT oder Boden entzogen werde. Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der beigezogenen Betriebs-Tarifverträge für die Zeit vom 27. März 1963 bis 27. April 1965, sowie der Gerichtsakten Bezug genommen, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Sie ist auch begründet. Dem Kläger steht antragsgemäß ab 1. Juli 1964 für sein am 30. April 1962 geborenes drittes Kind Kindergeld nach dem BKGG zu.
Der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG, an dem der Anspruch des Klägers scheitern könnte und über dessen Vorliegen zwischen den Beteiligten allein Streit besteht, liegt nicht vor. Nach dieser Bestimmung wird Kindergeld nicht gewährt, wenn eine Person, bei der das Kind nach § 2 Abs. 1 berücksichtigt wird, Arbeitnehmer einer Vereinigung, Einrichtung oder Unternehmung ist auf ihr Arbeitsverhältnis die Tarifverträge, die für die Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes gelten, oder vergleichbare tarifvertragliche Regelung angewandt werden.
Zunächst ist festzustellen, – und nur insoweit ist der Beklagten zu folgen – daß der Kläger Arbeitnehmer einer der in dieser Bestimmung genannten Unternehmung ist. Dem Wortlaut ist zwar nicht zu entnehmen, um welche Art von Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen es sich handeln muß. Aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, ihrer Überschrift "Öffentlicher Dienst” sowie dem Umstand, daß die für Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes geltenden tarifvertraglichen Regelungen nicht von rein privatrechtlichen Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen angewandt zu werden pflegen, ist zu schließen, daß es sich um solche handeln muß, die zwar in den Formen des Privatrechts organisiert sind, aber zum öffentlichen Dienst im weiteren Sinne gerechnet werden können. Ebenso wie bisher nach § 3 Abs. 4 des Kindergeldgesetz (KGG) handelt es sich hierbei im wesentlichen um Verwaltungen und Betriebe, die den Körperschafen, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts nahestehen, sowie um Vereinigungen, Einrichtungen Unternehmungen mit gemeinnützigem Charakter (vgl. auch Bundestagsdrucksache IV/818, S. 15). Der Kläger ist Arbeitnehmer einer solchen Unternehmung, die auch von den Finanzbehörden als gemeinnützig anerkannt ist, wie diese am 23. März 1966 mitgeteilt hat.
Der erkennende Senat vermochte sich jedoch der von der Beklagten und dem Sozialgericht vertreten Ansicht nicht anzuschließen, der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG liege auch im übrigen vor, weil die Arbeitgeberin des Klägers auf dessen Arbeitsverhältnis den für Arbeitnehmer des Bundes geltenden BAT anwende. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung soll hierzu in einem Erlaß vom 25. Juni 1964 dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu der Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKVO u.a. mitgeteilt haben, daß der dort bestimmte Ausschlußtatbestand nicht entfalle, wenn die Kinderzuschlagsregelung tariflich in der Weise eingeschränkt wird, daß die Kinderzuschläge für die dritten und weiteren Kinder fortfallen, sofern nur im übrigen eine der in dieser Vorschrift genannten tariflichen Gesamtregelung (z.B. BAT, MTB, MTL, BMTG) Anwendung findet. Diese Ansicht ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG vereinbar.
Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung entfällt der Kindergeldanspruch nur für Personen, die bei dort näher bestimmten Arbeitgebern beschäftigt sind, wenn diese auf das Arbeitsverhältnis "Tarifverträge, die für die Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes gelten, oder vergleichbare tarifvertragliche Regelungen” anwenden, d.h., ohne irgendwelche Einschränkungen anwenden. Wird also z.B. der BAT nicht vollständig angewandt, so sind die Voraussetzungen dieses Ausschlußtatbestandes nicht erfüllt.
Sinn und Zweck der in § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG enthalten Bestimmung erfordert aber eine andere Auslegung. Es kann vom Gesetzgeber z.B. nicht gewollt sein, daß etwa dann, wenn der BAT lediglich bezüglich der Urlaubs- oder Arbeitszeitregelung nicht in vollem Umfange angewandt wird, der Ausschlußtatbestand entfällt. Denn der Anspruch auf Kindergeld kann nicht von einer geringfügig abweichenden Regelung z.B. in einem Betriebs-Tarifvertrag abhängen, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Zweck des Bundeskindergeldgesetzes steht, den durch Kinder bedingten erhöhten Auswand einer Familie auszugleichen (vgl. BVerf. G. Band 11 S. 115). Es kann daher auch nicht entscheidend sein, ob im "wesentlichen” ein für Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes geltender Tarifvertrag angewandt wird. Abgesehen davon, daß es kein brauchbares Kriterium dafür gibt, was bei einem Tarifvertrag das Wesentliche ist und welche Vereinbarungen als unwesentlich anzusehen sind, ist es im konkreten Falle des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG nicht zulässig, die tarifvertragliche Regelung über Kinderzuschläge z.B. im BAT als unwesentlich zu bezeichnen, wenn nur die übrigen in diesem Tarifvertrag enthaltenen Regelungen angewandt werden. Denn von allen tarifvertraglichen Regelungen ist hier nur die über Kinderzuschläge rechtserheblich, weil es um die Kindergeldregelung und nicht um arbeitsrechtliche Fragen wie z.B. die Gehalts- oder Urlaubsregelung geht. Daraus folgt, das § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG am Ende mit dem Zusatz zu lesen ist: " oder vergleichbare tarifvertragliche Regelungen über die Gewährung von Kinderzuschlägen angewandt werden”.
Auch die Entwicklungsgeschichte des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG spricht für eine solche Auslegung dieser Bestimmung, die an sich § 3 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 KGG entspricht, nach dessen Abs. 2 Nr. 2 kein Anspruch auf Kindergeld für Arbeitnehmer des Bundes, des Länder, der Gemeinden und sonstigen öffentlichen Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts bestand, soweit ihre Dienstherren Regelungen anwandten, die mindestens den allgemeiner tariflichen Bestimmungen des Bundes oder der Länder über Kinderzuschläge entsprechen. Gemäß Abs. 4 a.a.O. konnten den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts auf Antrag Verwaltungen und Betriebe, die dem öffentlichen Dienst, sowie Anstalten, Einrichtungen und Vereinigungen mit gemeinnützigem Charakter gleichgestellt werden, wenn auf ihre Arbeitnehmer Regelungen angewandt wurden, die mindestens den allgemeinen tariflichen Bestimmungen der Bundes oder der Länder über Kinderzuschläge entsprechen. § 7 BKGG hat u.a. die Regelungen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis 6, Abs. 3, Satz 1 und Abs. 4 KGG ersetzt. Wie in dem Regierungsentwurf zu § 7 BKGG einleitend ausgeführt ist, soll ein Anspruch auf Kindergeld ausgeschlossen sein, wenn für das Kind bereits auf Grund gesetzlicher Vorschriften Leistungen gewährt werden, die dem Kindergeld vergleichbar sind (vgl. § 8 BKGG), weil das geltend Kindergeldrecht von dem Grundsatz beherrscht wird, daß die Gewährung des Kindergeldes nach Möglichkeit nicht zu Doppelleistungen für ein Kind führen soll. Da die Dienstherren und Arbeitgeber in der öffentlichen Verwaltung Kinderzuschläge gewähren, schließt § 7 BKGG zunächst den Bereich des öffentlichen Dienstes von der Gewährung des Kindergeldes aus. § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG bezieht sich – worauf im Regierungsentwurf sodann hingewiesen wird – auf Verwaltungen, die zwar in den Formen des Privatrechts organisiert sind, aber zum öffentlichen Dienst im weiteren Sinne gerechnet werden können. Während nach dem Kindergeldgesetz Voraussetzung für die Gleichstellung mit Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts war, daß der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern mindestens gleich hohe Kinderzuschläge gewährte wie der Bund und die Länder, entfällt die Gleichstellung – aber auch nur diese – nach Inkrafttreten des Bundeskindergeldgesetzes, weil das Kindergeld nicht mehr durch Beiträge der Arbeitgeber finanziert wird. Statt des Gleichstellungsverfahrens ist im Bundeskindergeldgesetz ein objektives Merkmal bestimmt worden, an dem der quasi-öffentlichrechtliche Charakter von Arbeitgebern ohne weiteres abgelesen werden kann. Als geeignetes Merkmal hat der Gesetzgeber die Anwendung der für den Bund oder ein Land geltend Tarifverträge oder eine vergleichbare tarifvertragliche Regelung angesehen. In dem Regierungsentwurf wurde die Auffassung vertreten, daß der BAT z.B. nur von solchen Arbeitgebern angewandt werde, die sich selbst als Teil der öffentlichen Verwaltung ansehen (vgl. Bundestagsdrucksache IV 818, S. 15 f.). Auch daraus ergibt sich eindeutig, daß der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG nur dann anzuwenden ist, wenn ein dem öffentlichen Dienst nahestehender Arbeitgeber z.B. im BAT vereinbarte Regelungen über die Gewährung von Kinderzuschlägen anwendet. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber des Bundeskindergeldgesetzes eine rückläufige Bewegung in der Gewährung von Kindergeld an die in § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG genannten Arbeitnehmer eingeleitet hat. Wenn die Ansicht der Beklagten richtig wäre, würde der Kläger nämlich nach dem Inkrafttreten des Bundeskindergeldgesetz für sein drittes Kind weder einen Anspruch auf Kindergeld noch gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung eines Kinderzuschlages gehabt haben. Die gegenteilige, am ende des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1964 von der Beklagten vertretene Auffassung, der Kläger habe "bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Gesetzes gegen seinen Arbeitgeber” einen Anspruch auf Kinderzuschlag gehabt, ist unzutreffend. Nach der beim Inkrafttreten des Bundeskindergeldgesetzes geltenden Fassung des § 7 Abs. 6 hatten nämlich nur Arbeitnehmer des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts einen Anspruch auf den Kinderzuschlag gegen ihre Arbeitgeber. Der Kläger gehört aber nicht zu diesen Arbeitnehmern, was die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid auch zugegeben hat. Aus welchem Rechtsgrund der Kläger nach Ansicht der Beklagten "trotzdem” gegen seinen Arbeitgeber einen dahingehenden Anspruch ab 1. Juli 1964 gehabt haben soll, ist nicht erkennbar. Vertritt man mit ihr die Auffassung, daß der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG dem Anspruch des Klägers auf Kindergeld ab 1. Juli 1964 entgegenstand, so würde diese Bestimmung gegen den in Artikel 3 des Grundgesetzes normierten Gleichheitsgrundsatz verstoßen, denn es sich keine vernünftigen Gesichtspunkte für die Versagung des Kindergeldes an die Gruppe der Arbeitnehmer, zu der der Kläger gehört, ersichtlich.
Die Beklagte hat in der letzten mündlichen Verhandlung noch vorgetragen, durch die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG solle verhindert werden, daß Arbeitgeber, die sich als dem öffentlichen Dienst nahestehend betrachten, bei tarifvertraglichen Regelungen die Zahlung von Kinderzuschlägen zu ihren Gunsten manipulieren. Es ist der Beklagten zuzugeben, daß der Arbeitgeber des Klägers, obwohl er sich als "Organ der staatlichen Wohnungspolitik” ansieht und den als gemeinnützig anerkannten Wohnungsunternehmungen gleichgestellt ist, mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen ab 1. Juni 1964 vereinbart hat, daß für die dritten und weiteren Kinder seiner Arbeitnehmer keine Kinderzuschläge mehr gezahlt werden, offensichtlich um diese Zahlungen auf den Bund abzuwälzen. Er zwingt damit jeden seiner Arbeitnehmer mit drei und Kindern, den Kindergeldanspruch gegen die Beklagte zu verfolgen. Erst wenn ein Antrag auf Kindergeld nach Ausschöpfung des Rechtsweges rechtskräftig abgelehnt worden ist und bei sinngemäßer Anwendung der für Beamtem geltenden Bestimmungen Anspruch auf Kinderzuschlag besteht, wird dieser gem. § 2 des Vierten Tarifvertrages zur Änderung des Betriebs-Tarifvertrages vom 27. März 1963, abgeschlossen am 10. Juli 1964, gewährt. Diese Praxis des Arbeitgebers mag für den Kläger unerfreulich und für den Bund nicht wünschenswert sein. Angesichts der ihrem Sinn und Zweck nach eindeutigen gesetzlichen Regelung kann jedoch der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG hier nicht angewandt werden. Dies verbietet sich auch in Hinblick auf den das gesamte Kindergeldrecht tragenden Grundgedanken eines Familienlastenausgleiche durch Kindergeldgewährung, der es erfordert, daß möglichst für sämtliche, an sich nach dem BKGG anspruchsberechtigten Kinder die Mehrbelastungen ausgeglichen werden. Aus diesem Grunde hat das Bundessozialgericht zu § 3 Abs. 2 Nr. 1 KGG zutreffend die Auffassung vertreten, daß das Kindergeld für Kinder von Angehörigen des öffentlichen Dienstes nur dann ausgeschlossen ist, wenn für diese Kinder in anderer Weise – also durch Gewährung von Kinderzuschlägen – gesorgt ist, und daß, wenn im Einzelfall kein Kinderzuschlag zusteht, Kindergeld zu gewähren ist (vgl. Urteil vom 30.6.1964, 7 RKg 2/63). Da nicht erkennbar ist, daß durch das Bundeskindergeldgesetz eine Verschlechterung des früheren Rechtszustandes herbeigeführt werden sollte, ist § 7 Abs. 1 Nr. 4 in der erfolgten Weise auszulegen.
Etwas anderes gilt auch nicht nach Inkrafttreten des § 7 Abs. 6 BKGG in der Fassung, die diese Bestimmung durch Artikel 1 Ziff. 6 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 222) erfahren hat. Danach haben Arbeitnehmer, für deren Kinder nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 Kindergeld nicht gewährt wird, gegen ihre dort genannten Arbeitgeber, wenn diese auf ihr Arbeitsverhältnis nicht die für Beamte geltenden besoldungsrechtlichen Vorschriften über Kinderzuschläge oder Regelung anwenden, die den besoldungsrechtlichen Vorschriften mindestens entsprechen, unter den üblichen Voraussetzungen dieses Gesetzes für das zweite und jedes weitere Kind Anspruch auf Leistungen in Höhe des Kindergeldes. Im Gegensatz zu § 7 Abs. 6 in der ursprünglichen Fassung des BKGG haben nunmehr also auch die in Abs. 1 Nr. 4 a.a.O. bezeichneten Arbeitnehmer unter besonderen Voraussetzungen einen arbeitsrechtlichen Anspruch gegen ihre Arbeitgeber auf Leistungen in Höhe des Kindergeldes. Voraussetzung für diesen Anspruch ist aber, daß ihnen für ihre Kinder "nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 Kindergeld nicht gewährt wird.” Wie oben ausgeführt wurde, hat der Kläger aber gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kindergeld, weil der Ausschlußtatbestand des Absatzes 1 Nr. 4 a.a.O. bei ihm nicht anwendbar ist. Der Neufassung des § 7 Abs. 6 BKGG kommt nur in den Fällen Bedeutung zu, in denen die in Absatz 1 Nr. 3 und 4 bezeichneten Arbeitgeber zwar grundsätzlich die für Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes geltenden Vorschriften über Kinderzuschläge anwenden, im Einzelfall jedoch diese Vorschriften aus besonderen Gründen entfallen. Nur dann sollen die Arbeitgeber auch in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 a.a.O. zur Zahlung von Ersatzleistungen in Höhe des gesetzlichen Kindergeldes verpflichtet sein (vgl. hierzu Bundestagsdrucksache zu IV/3028, S. 5, zu Nr. 3 b). Für den Kläger ist also auch § 7 Abs. 6 a.a.O. in dessen neuer Fassung nicht anwendbar, da er für sein drittes Kind gem. § 1 Abs. 1 BKGG seinen Kindergeldanspruch gegen die Beklagte hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Verfahrenskosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger ist Angestellter bei der N. H. G.m.b.H., Staatliche Treuhandstelle für Wohnungs- und Kleinsiedlungswesen – Organ der staatlichen Wohnungspolitik –. Seine Arbeitgeberin hatte mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen am 27. März 1963 einen ab 1. April 1963 in Kraft getretenen Betriebs-Tarifvertrag abgeschlossen, nach dessen § 2 der Bundesangestelltentarif (BAT) vom 23. Februar 1961 Bestandteil des Betriebs-Tarifvertrages wurde. Nach § 3 des Betriebs-Tarifvertrages gehen die Bestimmungen dieses Vertrages den sich aus dem BAT ergeben Vorschriften vor. Der Kläger erhielt für seine am 17. August 1955, 3. August 1957 und 30. April 1962 geborenen Kinder Kinderzuschläge. Nachdem das Gesetz über die Gewährung von Kindergeld und Ausbildungszulage (Bundeskindergeldgesetz – BKGG –) vom 14.4.1964 am 1.7.1964 in Kraft getreten war, wurde mit einem "Vierten Tarifvertrag zur Änderung des Betriebs-Tarifvertrages vom 27. März 1963” mit Wirkung ab 1. Juli 1964 vereinbart, daß ein Kinderzuschlag gem. § 31 BAT nur für das erste und zweite Kind gewährt wird (§ 1). Weiter heißt es in § 2 dieses Tarifvertrages:
"Soweit bisher für dritte und weitere Kinder Kinderzuschlag gezahlt worden ist, wird er als Vorschuß solange weiter gewährt, bis der einzelne Arbeitnehmer entsprechend seinem nach dem Bundeskindergeldgesetz vom 14. April 1964 alsbald zu stellenden Antrag Kindergeld erhält.
Wird ein Antrag auf Kindergeld nach Ausschöpfung des Rechtsweges rechtskräftig abgelehnt und bestünde bei sinngemäßer Anwendung der für die Beamten geltenden Bestimmungen Anspruch auf Kinderzuschlag, wird dieser gewährt.”
Die Arbeitgeberin des Klägers stellte daraufhin die Zahlung des Kinderzuschlages für dessen drittes Kind am 30. Juni 1964 ein.
Am 22. Juli 1964 beantragte der Kläger bei der Beklagten unter Hinweise auf diese tarifvertragliche Regelung die Zahlung von Kindergeld für sein drittes Kind. Mit Bescheid vom 14. August 1964 lehnte die Beklagte diesen Antrag gem. § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG ab, weil die Arbeitgeberin des Klägers sinngemäß die für Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes geltenden Tarifverträge anwende. Gegen diesen Bescheid legte der Kläger Widerspruch ein, dem mit Bescheid vom 24. August 1964 nicht abgeholfen wurde, weil der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG vorliege. Des Umstand, daß der BAT lediglich bezüglich der Gewährung von Kinderzuschlägen für das dritte Kind und die weiteren Kinder nicht angewendet werde, stehe dem nicht entgegen, wie auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung mit Erlaß vom 25. Juni 1964 unter dem Aktenzeichen II b 4 – 2983 dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung mitgeteilt habe.
Hierauf erhob der Kläger beim Sozialgericht Darmstadt Klage, die mit Urteil vom 21. September 1965 abgewiesen wurde. Der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG liege bereits dann vor, wenn der BAT grundsätzlich Anwendung finde. Nicht erforderlich sei, daß bis ins letzte Detail die für Bund und Länder geltenden Tarifverträge oder vergleichbare Regelungen für anwendbar erklärt worden seien. Im vorliegenden Fall sei die grundsätzliche Anwendung des BAT nicht durch Änderungen im Betriebs-Tarifvertrag beseitigt worden, auch nicht dadurch, daß ab 1. Juli 1964 die Kinderzuschläge für die dritten und weiteren Kinder entfielen.
Gegen dieses ihm am 23. Oktober 1965 zugestellte Urteil hat der Kläger am 16. November 1965 Berufung eingelegt. Er führt u.a. aus, das Sozialgericht habe nicht geprüft, ob § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG mit Artikel 3 des Grundgesetzes vereinbar sei. Im übrigen finde diese Bestimmung in seinem Fall eine Anwendung, weil für ihn nur ein zwischen seinem Arbeitgeber und der zuständigen Gewerkschaft abgeschlossener Betriebs-Tarifvertrag gelte, der sich von den für Arbeitnehmer des Bundes und der Länder geltenden tarifvertraglichen Regelungen unterscheide. Er habe gegen seinen Arbeitgeber keinen vertraglichen oder tarifrechtlichen Anspruch auf Zahlung des Kinderzuschlages für sein drittes Kind, und zwar auch nicht nach § 7 Abs. 6 BKGG, weil diese Bestimmung nur für Arbeitnehmer des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstiger Körperschaften des öffentlichen Rechts gelte.
Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Darmstadt vom 21. September 1965 aufzuheben und die Beklagte zu verurteilen, ihm ab 1. Juli 1964 für sein drittes Kind Kindergeld in Höhe von 50,– DM monatlich zu gewähren.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie schließt sich der Auffassung des Sozialgerichts an. Es sei für die Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG entscheidend, daß Inhalt und Aufbau des hier in Betracht kommenden Betriebs-Tarifvertrages im wesentlichen mit dem BAT übereinstimmten, da der Zusatz "hinsichtlich der Gewährung von Kinderzuschlägen” in dieser gesetzlichen Bestimmung fehle. Es genüge also, wenn die allgemeinen Merkmale des BAT über Dienstzeiten, Vergütungssystem, Krankenbezüge und Kündigungsbestimmungen erfüllt seien. Die abweichenden Regelungen in dem Betriebs-Tarifvertrag seien nicht so schwerwiegend, daß einer Vergleichbarkeit mit dem BAT oder Boden entzogen werde. Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten, der beigezogenen Betriebs-Tarifverträge für die Zeit vom 27. März 1963 bis 27. April 1965, sowie der Gerichtsakten Bezug genommen, der zum Gegenstand der mündlichen Verhandlung gemacht wurde.
Entscheidungsgründe:
Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist zulässig.
Sie ist auch begründet. Dem Kläger steht antragsgemäß ab 1. Juli 1964 für sein am 30. April 1962 geborenes drittes Kind Kindergeld nach dem BKGG zu.
Der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG, an dem der Anspruch des Klägers scheitern könnte und über dessen Vorliegen zwischen den Beteiligten allein Streit besteht, liegt nicht vor. Nach dieser Bestimmung wird Kindergeld nicht gewährt, wenn eine Person, bei der das Kind nach § 2 Abs. 1 berücksichtigt wird, Arbeitnehmer einer Vereinigung, Einrichtung oder Unternehmung ist auf ihr Arbeitsverhältnis die Tarifverträge, die für die Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes gelten, oder vergleichbare tarifvertragliche Regelung angewandt werden.
Zunächst ist festzustellen, – und nur insoweit ist der Beklagten zu folgen – daß der Kläger Arbeitnehmer einer der in dieser Bestimmung genannten Unternehmung ist. Dem Wortlaut ist zwar nicht zu entnehmen, um welche Art von Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen es sich handeln muß. Aus der Entstehungsgeschichte dieser Vorschrift, ihrer Überschrift "Öffentlicher Dienst” sowie dem Umstand, daß die für Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes geltenden tarifvertraglichen Regelungen nicht von rein privatrechtlichen Vereinigungen, Einrichtungen und Unternehmungen angewandt zu werden pflegen, ist zu schließen, daß es sich um solche handeln muß, die zwar in den Formen des Privatrechts organisiert sind, aber zum öffentlichen Dienst im weiteren Sinne gerechnet werden können. Ebenso wie bisher nach § 3 Abs. 4 des Kindergeldgesetz (KGG) handelt es sich hierbei im wesentlichen um Verwaltungen und Betriebe, die den Körperschafen, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts nahestehen, sowie um Vereinigungen, Einrichtungen Unternehmungen mit gemeinnützigem Charakter (vgl. auch Bundestagsdrucksache IV/818, S. 15). Der Kläger ist Arbeitnehmer einer solchen Unternehmung, die auch von den Finanzbehörden als gemeinnützig anerkannt ist, wie diese am 23. März 1966 mitgeteilt hat.
Der erkennende Senat vermochte sich jedoch der von der Beklagten und dem Sozialgericht vertreten Ansicht nicht anzuschließen, der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG liege auch im übrigen vor, weil die Arbeitgeberin des Klägers auf dessen Arbeitsverhältnis den für Arbeitnehmer des Bundes geltenden BAT anwende. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung soll hierzu in einem Erlaß vom 25. Juni 1964 dem Präsidenten der Bundesanstalt für Arbeitsvermittlung und Arbeitslosenversicherung zu der Anwendung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKVO u.a. mitgeteilt haben, daß der dort bestimmte Ausschlußtatbestand nicht entfalle, wenn die Kinderzuschlagsregelung tariflich in der Weise eingeschränkt wird, daß die Kinderzuschläge für die dritten und weiteren Kinder fortfallen, sofern nur im übrigen eine der in dieser Vorschrift genannten tariflichen Gesamtregelung (z.B. BAT, MTB, MTL, BMTG) Anwendung findet. Diese Ansicht ist weder mit dem Wortlaut noch mit dem Sinn und Zweck sowie der Entstehungsgeschichte des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG vereinbar.
Nach dem Wortlaut dieser Bestimmung entfällt der Kindergeldanspruch nur für Personen, die bei dort näher bestimmten Arbeitgebern beschäftigt sind, wenn diese auf das Arbeitsverhältnis "Tarifverträge, die für die Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes gelten, oder vergleichbare tarifvertragliche Regelungen” anwenden, d.h., ohne irgendwelche Einschränkungen anwenden. Wird also z.B. der BAT nicht vollständig angewandt, so sind die Voraussetzungen dieses Ausschlußtatbestandes nicht erfüllt.
Sinn und Zweck der in § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG enthalten Bestimmung erfordert aber eine andere Auslegung. Es kann vom Gesetzgeber z.B. nicht gewollt sein, daß etwa dann, wenn der BAT lediglich bezüglich der Urlaubs- oder Arbeitszeitregelung nicht in vollem Umfange angewandt wird, der Ausschlußtatbestand entfällt. Denn der Anspruch auf Kindergeld kann nicht von einer geringfügig abweichenden Regelung z.B. in einem Betriebs-Tarifvertrag abhängen, die in keinerlei Zusammenhang mit dem Zweck des Bundeskindergeldgesetzes steht, den durch Kinder bedingten erhöhten Auswand einer Familie auszugleichen (vgl. BVerf. G. Band 11 S. 115). Es kann daher auch nicht entscheidend sein, ob im "wesentlichen” ein für Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes geltender Tarifvertrag angewandt wird. Abgesehen davon, daß es kein brauchbares Kriterium dafür gibt, was bei einem Tarifvertrag das Wesentliche ist und welche Vereinbarungen als unwesentlich anzusehen sind, ist es im konkreten Falle des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG nicht zulässig, die tarifvertragliche Regelung über Kinderzuschläge z.B. im BAT als unwesentlich zu bezeichnen, wenn nur die übrigen in diesem Tarifvertrag enthaltenen Regelungen angewandt werden. Denn von allen tarifvertraglichen Regelungen ist hier nur die über Kinderzuschläge rechtserheblich, weil es um die Kindergeldregelung und nicht um arbeitsrechtliche Fragen wie z.B. die Gehalts- oder Urlaubsregelung geht. Daraus folgt, das § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG am Ende mit dem Zusatz zu lesen ist: " oder vergleichbare tarifvertragliche Regelungen über die Gewährung von Kinderzuschlägen angewandt werden”.
Auch die Entwicklungsgeschichte des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG spricht für eine solche Auslegung dieser Bestimmung, die an sich § 3 Abs. 2 Nr. 2, Abs. 4 KGG entspricht, nach dessen Abs. 2 Nr. 2 kein Anspruch auf Kindergeld für Arbeitnehmer des Bundes, des Länder, der Gemeinden und sonstigen öffentlichen Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts bestand, soweit ihre Dienstherren Regelungen anwandten, die mindestens den allgemeiner tariflichen Bestimmungen des Bundes oder der Länder über Kinderzuschläge entsprechen. Gemäß Abs. 4 a.a.O. konnten den Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts auf Antrag Verwaltungen und Betriebe, die dem öffentlichen Dienst, sowie Anstalten, Einrichtungen und Vereinigungen mit gemeinnützigem Charakter gleichgestellt werden, wenn auf ihre Arbeitnehmer Regelungen angewandt wurden, die mindestens den allgemeinen tariflichen Bestimmungen der Bundes oder der Länder über Kinderzuschläge entsprechen. § 7 BKGG hat u.a. die Regelungen des § 3 Abs. 2 Nr. 1 bis 6, Abs. 3, Satz 1 und Abs. 4 KGG ersetzt. Wie in dem Regierungsentwurf zu § 7 BKGG einleitend ausgeführt ist, soll ein Anspruch auf Kindergeld ausgeschlossen sein, wenn für das Kind bereits auf Grund gesetzlicher Vorschriften Leistungen gewährt werden, die dem Kindergeld vergleichbar sind (vgl. § 8 BKGG), weil das geltend Kindergeldrecht von dem Grundsatz beherrscht wird, daß die Gewährung des Kindergeldes nach Möglichkeit nicht zu Doppelleistungen für ein Kind führen soll. Da die Dienstherren und Arbeitgeber in der öffentlichen Verwaltung Kinderzuschläge gewähren, schließt § 7 BKGG zunächst den Bereich des öffentlichen Dienstes von der Gewährung des Kindergeldes aus. § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG bezieht sich – worauf im Regierungsentwurf sodann hingewiesen wird – auf Verwaltungen, die zwar in den Formen des Privatrechts organisiert sind, aber zum öffentlichen Dienst im weiteren Sinne gerechnet werden können. Während nach dem Kindergeldgesetz Voraussetzung für die Gleichstellung mit Körperschaften, Anstalten und Stiftungen des öffentlichen Rechts war, daß der Arbeitgeber seinen Arbeitnehmern mindestens gleich hohe Kinderzuschläge gewährte wie der Bund und die Länder, entfällt die Gleichstellung – aber auch nur diese – nach Inkrafttreten des Bundeskindergeldgesetzes, weil das Kindergeld nicht mehr durch Beiträge der Arbeitgeber finanziert wird. Statt des Gleichstellungsverfahrens ist im Bundeskindergeldgesetz ein objektives Merkmal bestimmt worden, an dem der quasi-öffentlichrechtliche Charakter von Arbeitgebern ohne weiteres abgelesen werden kann. Als geeignetes Merkmal hat der Gesetzgeber die Anwendung der für den Bund oder ein Land geltend Tarifverträge oder eine vergleichbare tarifvertragliche Regelung angesehen. In dem Regierungsentwurf wurde die Auffassung vertreten, daß der BAT z.B. nur von solchen Arbeitgebern angewandt werde, die sich selbst als Teil der öffentlichen Verwaltung ansehen (vgl. Bundestagsdrucksache IV 818, S. 15 f.). Auch daraus ergibt sich eindeutig, daß der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG nur dann anzuwenden ist, wenn ein dem öffentlichen Dienst nahestehender Arbeitgeber z.B. im BAT vereinbarte Regelungen über die Gewährung von Kinderzuschlägen anwendet. Es bestehen keine Anhaltspunkte dafür, daß der Gesetzgeber des Bundeskindergeldgesetzes eine rückläufige Bewegung in der Gewährung von Kindergeld an die in § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG genannten Arbeitnehmer eingeleitet hat. Wenn die Ansicht der Beklagten richtig wäre, würde der Kläger nämlich nach dem Inkrafttreten des Bundeskindergeldgesetz für sein drittes Kind weder einen Anspruch auf Kindergeld noch gegen seinen Arbeitgeber einen Anspruch auf Zahlung eines Kinderzuschlages gehabt haben. Die gegenteilige, am ende des Widerspruchsbescheides vom 24. August 1964 von der Beklagten vertretene Auffassung, der Kläger habe "bei Vorliegen der übrigen Voraussetzungen des Gesetzes gegen seinen Arbeitgeber” einen Anspruch auf Kinderzuschlag gehabt, ist unzutreffend. Nach der beim Inkrafttreten des Bundeskindergeldgesetzes geltenden Fassung des § 7 Abs. 6 hatten nämlich nur Arbeitnehmer des Bundes, der Länder, der Gemeinden und sonstigen Körperschaften des öffentlichen Rechts einen Anspruch auf den Kinderzuschlag gegen ihre Arbeitgeber. Der Kläger gehört aber nicht zu diesen Arbeitnehmern, was die Beklagte in dem Widerspruchsbescheid auch zugegeben hat. Aus welchem Rechtsgrund der Kläger nach Ansicht der Beklagten "trotzdem” gegen seinen Arbeitgeber einen dahingehenden Anspruch ab 1. Juli 1964 gehabt haben soll, ist nicht erkennbar. Vertritt man mit ihr die Auffassung, daß der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG dem Anspruch des Klägers auf Kindergeld ab 1. Juli 1964 entgegenstand, so würde diese Bestimmung gegen den in Artikel 3 des Grundgesetzes normierten Gleichheitsgrundsatz verstoßen, denn es sich keine vernünftigen Gesichtspunkte für die Versagung des Kindergeldes an die Gruppe der Arbeitnehmer, zu der der Kläger gehört, ersichtlich.
Die Beklagte hat in der letzten mündlichen Verhandlung noch vorgetragen, durch die Bestimmung des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG solle verhindert werden, daß Arbeitgeber, die sich als dem öffentlichen Dienst nahestehend betrachten, bei tarifvertraglichen Regelungen die Zahlung von Kinderzuschlägen zu ihren Gunsten manipulieren. Es ist der Beklagten zuzugeben, daß der Arbeitgeber des Klägers, obwohl er sich als "Organ der staatlichen Wohnungspolitik” ansieht und den als gemeinnützig anerkannten Wohnungsunternehmungen gleichgestellt ist, mit der Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen ab 1. Juni 1964 vereinbart hat, daß für die dritten und weiteren Kinder seiner Arbeitnehmer keine Kinderzuschläge mehr gezahlt werden, offensichtlich um diese Zahlungen auf den Bund abzuwälzen. Er zwingt damit jeden seiner Arbeitnehmer mit drei und Kindern, den Kindergeldanspruch gegen die Beklagte zu verfolgen. Erst wenn ein Antrag auf Kindergeld nach Ausschöpfung des Rechtsweges rechtskräftig abgelehnt worden ist und bei sinngemäßer Anwendung der für Beamtem geltenden Bestimmungen Anspruch auf Kinderzuschlag besteht, wird dieser gem. § 2 des Vierten Tarifvertrages zur Änderung des Betriebs-Tarifvertrages vom 27. März 1963, abgeschlossen am 10. Juli 1964, gewährt. Diese Praxis des Arbeitgebers mag für den Kläger unerfreulich und für den Bund nicht wünschenswert sein. Angesichts der ihrem Sinn und Zweck nach eindeutigen gesetzlichen Regelung kann jedoch der Ausschlußtatbestand des § 7 Abs. 1 Nr. 4 BKGG hier nicht angewandt werden. Dies verbietet sich auch in Hinblick auf den das gesamte Kindergeldrecht tragenden Grundgedanken eines Familienlastenausgleiche durch Kindergeldgewährung, der es erfordert, daß möglichst für sämtliche, an sich nach dem BKGG anspruchsberechtigten Kinder die Mehrbelastungen ausgeglichen werden. Aus diesem Grunde hat das Bundessozialgericht zu § 3 Abs. 2 Nr. 1 KGG zutreffend die Auffassung vertreten, daß das Kindergeld für Kinder von Angehörigen des öffentlichen Dienstes nur dann ausgeschlossen ist, wenn für diese Kinder in anderer Weise – also durch Gewährung von Kinderzuschlägen – gesorgt ist, und daß, wenn im Einzelfall kein Kinderzuschlag zusteht, Kindergeld zu gewähren ist (vgl. Urteil vom 30.6.1964, 7 RKg 2/63). Da nicht erkennbar ist, daß durch das Bundeskindergeldgesetz eine Verschlechterung des früheren Rechtszustandes herbeigeführt werden sollte, ist § 7 Abs. 1 Nr. 4 in der erfolgten Weise auszulegen.
Etwas anderes gilt auch nicht nach Inkrafttreten des § 7 Abs. 6 BKGG in der Fassung, die diese Bestimmung durch Artikel 1 Ziff. 6 des Gesetzes zur Änderung und Ergänzung des Bundeskindergeldgesetzes vom 5. April 1965 (BGBl. I S. 222) erfahren hat. Danach haben Arbeitnehmer, für deren Kinder nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 Kindergeld nicht gewährt wird, gegen ihre dort genannten Arbeitgeber, wenn diese auf ihr Arbeitsverhältnis nicht die für Beamte geltenden besoldungsrechtlichen Vorschriften über Kinderzuschläge oder Regelung anwenden, die den besoldungsrechtlichen Vorschriften mindestens entsprechen, unter den üblichen Voraussetzungen dieses Gesetzes für das zweite und jedes weitere Kind Anspruch auf Leistungen in Höhe des Kindergeldes. Im Gegensatz zu § 7 Abs. 6 in der ursprünglichen Fassung des BKGG haben nunmehr also auch die in Abs. 1 Nr. 4 a.a.O. bezeichneten Arbeitnehmer unter besonderen Voraussetzungen einen arbeitsrechtlichen Anspruch gegen ihre Arbeitgeber auf Leistungen in Höhe des Kindergeldes. Voraussetzung für diesen Anspruch ist aber, daß ihnen für ihre Kinder "nach Absatz 1 Nr. 3 oder 4 Kindergeld nicht gewährt wird.” Wie oben ausgeführt wurde, hat der Kläger aber gegen die Beklagte einen Anspruch auf Kindergeld, weil der Ausschlußtatbestand des Absatzes 1 Nr. 4 a.a.O. bei ihm nicht anwendbar ist. Der Neufassung des § 7 Abs. 6 BKGG kommt nur in den Fällen Bedeutung zu, in denen die in Absatz 1 Nr. 3 und 4 bezeichneten Arbeitgeber zwar grundsätzlich die für Arbeitnehmer des Bundes oder eines Landes geltenden Vorschriften über Kinderzuschläge anwenden, im Einzelfall jedoch diese Vorschriften aus besonderen Gründen entfallen. Nur dann sollen die Arbeitgeber auch in den Fällen des § 7 Abs. 1 Nr. 3 oder 4 a.a.O. zur Zahlung von Ersatzleistungen in Höhe des gesetzlichen Kindergeldes verpflichtet sein (vgl. hierzu Bundestagsdrucksache zu IV/3028, S. 5, zu Nr. 3 b). Für den Kläger ist also auch § 7 Abs. 6 a.a.O. in dessen neuer Fassung nicht anwendbar, da er für sein drittes Kind gem. § 1 Abs. 1 BKGG seinen Kindergeldanspruch gegen die Beklagte hat.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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