L 3 Kg 798/66

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 Kg 798/66
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ausbildungszulage nach § 14 a BKGG ist auch an einen Landeswohlfahrtsverband zu zahlen, der einen Fürsorgezögling in einem anerkannten Lehrberuf ausbildet und ihm nur Leistungen im Rahmen der Fürsorgeerziehung gewährt.
1. Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. Juni 1966 wird zurückgewiesen.

2. Auf die Anschlußberufung des Klägers wird auf das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15.6.1966 dahin abgeändert, daß die Beklagte verurteilt wird, ab 1.4.1965 für den minderjährigen H. O. K. Ausbildungszulage zu gewähren und deren Auszahlung an die Kläger anzuordnen.

3. Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.

Tatbestand:

Der Kläger beantragte am 6. September 1965 die Gewährung von Ausbildungsbeihilfe für den 1941 geborenen H.-O. K. (K.) Er gab an, K. sei durch Beschluss des Amtsgerichts Kassel vom 30. Juni 1964 der Fürsorgeerziehung überwiesen worden und seit dem 7. Juli 1964 im Jugendheim St. Untergebracht. K. werden von ihm überwiegend aus öffentlichen Mitteln unterhalten. Nach einer beigefügten Lehranzeige wird er ab 1. April 1965 in Durchführung der Fürsorgeerziehung von dem Kläger zur Erlernung der Lehranzeige wird er ab 1. April 1965 in Durchführung der Fürsorgeerziehung von dem Kläger zur Erlernung des Dreherhandwerks ausgebildet. Der Kläger erklärte, eine Erziehungsbeihilfe oder Vergütung werde an K. nicht gezahlt. Der Vater des K., der nach Angabe des Klägers ein weiteres Kind hat, bevollmächtigte diesen, die Ausbildungszulage bei der Beklagten zu beantragen und seine Interessen in einem evtl. Rechtsstreit wahrzunehmen. Mit Bescheid vom 14. Oktober 1965 lehnte die Beklagte die Zahlung von Ausbildungszulage ab. Es müsse davon ausgegangen werden, daß in Fällen, in denen der Fürsorgeträger als Lehrherr in Erscheinung trete, die ansonsten zu zahlende Erziehungsbeihilfe durch die Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und gegebenenfalls Taschengeld abgegolten sei. Der Wert allein der Unterkunft und Verpflegung betrage jedenfalls mehr als 40,– DM monatlich.

Als seinem hiergegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 1. Dezember 1965 nicht abgeholfen worden war, erhob der Kläger beim Sozialgericht Kassel Klage. Nachdem er zunächst beantragt hatte, die Beklagte für verpflichtet zu erklären, die beantragte Ausbildungsbeihilfe zu gewähren, stellte er in der mündlichen Verhandlung vor dem Sozialgericht Kassel am 15. Juni 1966 nur den Antrag, den Bescheid der Beklagten vom 14. Oktober 1965 in der Form des Widerspruchsbescheides vom 1. Dezember 1965 aufzuheben. Mit Urteil vom gleichen Tage gab das Sozialgericht diesem Antrag statt und ließ die Berufung zu. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen.

Gegen das ihr am 28. Juli 1966 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 11. August 1966 Berufung eingelegt. Sie führt u.a. aus, die Ausbildungszulage stelle einen Beitrag zu der zusätzlichen Aufwendung dar, die Eltern durch die Ausbildung eines Kindes entstünden. Da K. jedoch nicht von seinen Eltern unterhalten werde, sondern sich auf Kosten des Sozial- oder Jugendamtes in Fürsorgeerziehung befinde, entstünden den Eltern für dessen Erziehung und Ausbildung keine Kosten. Im übrigen müssten auch auf Lehrverhältnisse der vorliegenden Art die Grundsätze über die Gewährung einer Erziehungsbeihilfe angewandt werden. Die danach zu zahlende Erziehungsbeihilfe werde auch im vorliegenden Fall durch die Gewährung von Unterkunft, Kost und Taschengeld an K. abgegolten. Diese Leistungen hätten zweifellos einen Geldwert von mehr als 30,– DM monatlich.

Sie beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 15. Juni 1966 aufzuheben und die Klage abzuweisen.

Die Klägerin hat Anschlußberufung eingelegt und beantragt,
1) die Beklagte zu verurteilen, ab 1. April 1965 die gesetzliche Ausbildungszulage für den minderjährigen H.-O. K. zu gewähren,

2) festzustellen, daß die Beklagte verpflichtet ist, die Auszahlung der Ausbildungsbeihilfe zu Händen des Klägers anzuordnen.

Sie trägt u.a. vor, die Auffassung der Beklagten, den Eltern des K. entstünden durch die Fürsorgeerziehung keine Kosten, sei unzutreffend. Vielmehr betrage der zumutbare Beitrag des Eltern und des Minderjährigen zu den Unterbringungskosten gem. §§ 81 Abs. 2 des Jugendwohlfahrtgesetzes (JWG), 76, des Bundessozialhilfegesetzes z.Zz. Monatlich 50,– DM. Eine von der Beklagten antragsgemäß gezahlte Ausbildungszulage würde zu einer Umberechnung des dem K. und dessen Eltern zumutbaren Höchstbetrages und somit zu einer prozentualen Verminderung der Beitragspflicht führen. Im übrigen nimmt sie Bezug auf ein in Fotokopie überreichtes Urteil des Sozialgerichts Bayreuth vom 28. April 1966, S-Ar – 45/65 Kg.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).

Auf den weiteren Inhalt der Gerichts- und Kindergeldakte wird Bezug genommen.

Entscheidungsgründe:

Die Berufung ist gem. § 27 des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) in Verbindung mit § 143 SGG statthaft, worauf das Sozialgericht in dem angefochtenen Urteil zutreffend hingewiesen hat. Der Zulassung der Berufung gem. § 150 Nr. 1 SGG bedurfte es daher nicht, da diese nur in Betracht kommt, wenn einer der Ausschließungsgründe der §§ 144 bis 149 SGG oder des § 27 Abs. 2 BKGG vorliegt. Die form- und fristgerecht eingelegte Berufung ist somit zulässig.

Sie ist jedoch unbegründet. Die Beklagte hat die Gewährung von Ausbildungszulage für den in Fürsorgeerziehung befindlichen K. zu Unrecht abgelehnt. Die Voraussetzungen des § 14 a BKGG sind erfüllt. K. wird nämlich von dem Kläger in einem anerkannten Lehrberuf ausgebildet und sein Vater hat noch ein weiteres Kind. Die Beklagte versagt, K. erhalte von dem Kläger eine "Erziehungsbeihilfe oder Vergütung” im Sinne des § 14 a Abs. 1 Satz. 1 BKGG, weil davon ausgegangen werden müsse, daß in Fällen, in denen der Fürsorgeträger als Lehrherr in Erscheinung tritt, die sonst zu zahlende Erziehungsbeihilfe durch die Gewährung von Unterkunft, Verpflegung und gegebenenfalls Taschengeld abgegolten werde, da der Wert allein der Unterkunft und Verpflegung mehr als 40,– DM bzw. 30,– DM monatlich betrage.

Der erkennende Senat ist demgegenüber ebenso wie das Sozialgericht der Auffassung, daß für den in Fürsorgeerziehung stehenden K. weder eine "Erziehungsbeihilfe” noch eine "Vergütung” im Sinne des § 14 a Abs. 1 BKGG gewährt wird. Es handelt sich dabei nach Wortlaut und Sinn dieser gesetzlichen Regelung nur um Leistungen, die von einem Lehrherrn an einen Lehrling oder Anlernling auf Grund des Ausbildungsverhältnisses gewährt werden (vgl. Bundestagsdrucksache IV/3028). Andere Leistungen des Lehrherrn scheiden dabei ebenso aus wie Leistungen anderer Personen, seien sie öffentlicher oder privater Natur, und sonstiges Einkommen oder Vermögen des Lehr- oder Anlernlings. Allerdings muß eine "Erziehungsbeihilfe” nicht stets in einer Geldleistung bestehen, sie kann vielmehr auch in Form von Sachleistungen, z. durch Gewährung von Unterhalt und Verpflegung, gewährt werden. Insoweit ist der Beklagten beizupflichten. Es trifft auch zu, dass K., der von dem Kläger in einem Lehrberuf ausgebildet wird, von diesem Unterhalt und Verpflegung erhält. Jedoch werden diese Leistungen, Lehrherrn, gewährt, vielmehr ist die Beklagte gem. § 85 JW hierzu verpflichtet, um einen Erziehungsnotstand zu beseitigen. Die Leistungen des Klägers sind somit nicht davon anhängig, dass der Fürsorgezögling in einem Lehrberuf ausgebildet wird. Dadurch, daß der Kläger den K. selbst in einem Lehrberuf ausbildet, hat sich in der Art seiner Leistungspflicht gegenüber der Zeit vor Beginn der Lehre nichts geändert.

§ 14 a BKGG stellt zwar eine familienpolitische Leistung eigener Art da, enthält aber auch in Absatz 2 Satz 1 Halbsatz 1 die Bestimmung, daß die Ausbildungszulage an eine andere Person oder Stelle als den Berechtigten ausgezahlt werden soll, wenn diese das Kind ganz oder überwiegend unterhält. Es gilt damit die gleiche Regelung wie beim Kindergeld (§ 12 Abs. 3 BKGG). Der Gesetzgeber hat also den Grundsatz des Familienlastenausgleiches durchbrochen und ist einer Forderung des Bundesrates nachgekommen, wonach sowohl das Kindergeld als auch die Ausbildungszulage den Trägern der Sozialhilfe zugesprochen werden soll, auf deren Kosten das Kind in einem Heim untergebracht ist (vgl. Bundestagsdrucksache IV/1961). Aus dieser gesetzlichen Regelung folgt, daß einem Sozialhilfeträger die Ausbildungszulage für ein Kind stets dann zuzusprechen ist, wenn er das Kind anstelle der Eltern unterhält und es in einem anerkannten Lehr- oder Anlernberuf ausbilden läßt, ohne daß als Gegenleistung eine Erziehungsbeihilfe oder Vergütung von dem Lehrherrn gezahlt wird. Wohnt das Kind in einem Heim des Sozialhilfeträgers der es bei einem anderen Lehrherrn ausbilden läßt, und wird dem Kind von diesem weder eine Erziehungsbeihilfe noch Vergütung gezahlt, so kann es keinem Zweifel unterliegen, daß dem Sozialhilfeträger die Ausbildungszulage zu zahlen ist. Das muß aber auch den Fall gelten, dass der Sozialhilfeträger das Kind selbst ausbildet, zumal ihm dadurch erhöhte Kosten gegenüber der reinen Fürsorgeerziehung entstehen. Da außerdem eine Verpflichtung des Klägers zur Zahlung einer Vergütung oder Ausbildungszulage auf Grund des Lehrverhältnisses nicht besteht, kann die Gewährung von Unterkunft und Verpflegung an K. somit auch nicht ab Beginn der Lehrzeit als Abgeltung einer Zahlungsverpflichtung angesehen werden (wie hier im Ergebnis auch die Urteile der Sozialgerichte Bayreuth vom 28.4.1966, S Ar 45/65, Braunschweig vom 26.9.1966, S 8/Kg Ar 3/66, und Bremen vom 3. Mai 1966, S Kg 8/66, letzteres abgedruckt im Dienstblatt der Beklagten, Ausgabe C bei § 14 a BKGG Nr. 1161).

Auf die zulässige Anschlußberufung des Klägers war die Beklage zu verurteilen, für K. Ausbildungszulage zu gewähren und deren Auszahlung an den Kläger anzuordnen. Gemäß § 14 a Abs. 1, 12 Abs. 3 BKGG soll das zuständige Arbeitsamt die Auszahlung der Ausbildungszulage an die Stelle anordnen, die das Kind unterhält. Diese Fassung ist gewählt worden, damit das Arbeitsamt die Möglichkeit hat, trotz Erfüllung der gesetzlichen Voraussetzungen von der Auszahlung abzusehen, wenn die Anordnung zugunsten einer bestimmten Stelle oder Person dem Grundgedanken des Gesetzes oder dem Zweck der Vorschrift widersprechen würde (Bundestagsdrucksache IV/1961). Es liegt also keine reine Ermessensentscheidung vor, vielmehr hat die Beklagte die Anordnung zu treffen, wenn die erforderlichen Voraussetzungen hierfür gegeben sind. Da im vorliegenden Fall von dem Beklagten keine Bedenken gegen die Auszahlung der Ausbildungszulage an den Kläger geltend gemacht wurden und auch nicht zu erkennen sind, mußte die Beklagte zur Leistung verurteilt werden.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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