L 3 Kg 528/67

Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Kindergeld-/Erziehungsgeldangelegenheiten
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 Kg 528/67
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Leitsätze
Ausbildungszulage gemäß § 14 a BKGG ist auch in der Zeit zu gewähren, in welcher ein Student der Philologie eine von der Hochschule geförderte einjährige Tätigkeit als „assistant teacher” an einer englischen Schule ausübt.
Auf die Berufung des Klägers werden das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 31. März 1967 sowie die Bescheide vom 2. März, 22. Juli und 29. August 1966 aufgehoben.

Die Beklagte hat die dem Kläger entstandenen außergerichtlichen Verfahrenskosten zu erstatten.

Tatbestand:

Die Beklagte gewährte dem Kläger gem. § 14 a des Bundeskindergeldgesetzes (BKGG) Ausbildungszulage für dessen Tochter B., die ab November 1963 als Philologiestudentin an der Universität F. immatrikuliert war und als Hauptfächer Germanistik und Anglistik belegt hatte. Ihr Berufsziel ist eine Tätigkeit als Deutschlehrerin an höheren Schulen im englischsprachigen Ausland. Nachdem die Beklagte im Januar 1966 erfahren hatte, daß diese Tochter des Klägers sich ab September 1965 zur Vervollständigung in der englischen Sprache für 1 Jahr als "assistant teacher” (Hilfslehrkraft) an einer Schule in England befand und an der Universität C. 5 Wochenstunden belegt hatte, entzog sie dem Kläger die Ausbildungszulage mit den Bescheiden vom 2. März und 22. Juli 1966 ab September 1965 und forderte den inzwischen gezahlten Betrag von 220,– DM mit der Begründung zurück, es liege eine Unterbrechung des Hochschulbesuches vor. Ab November 1966 ist die Tochter des Klägers wieder an der Universität F. immatrikuliert. Während ihres Englandaufenthaltes, der im Rahmen einer deutsch-englischen Austauschvereinbarung erfolgte, erhielt sie ein Stipendium von 43.12.7 englischen Pfund.

Gegen diese Bescheide legte der Kläger Widerspruch ein, brachte Bescheinigungen des englischen Seminars der Universität F. vom 16. Oktober 1965 und 18. März 1966 sowie der L. School für Girls Y. M., G., vom 21. März 1966 bei und vertrat die Auffassung, daß die Ausbildungszulage während des Aufenthalts seiner Tochter in England weiter zu gewähren sei.

Nachdem seinem Widerspruch mit Bescheid vom 29. August 1966 nicht abgeholfen worden war, erhob der Kläger beim Sozialgericht Frankfurt/M. Klage, die mit Urteil vom 31. März 1967 abgewiesen wurde. Auf die Entscheidungsgründe wird Bezug genommen. Das Sozialgericht hat die Berufung zugelassen.

Gegen das ihm am 22. April 1967 zugestellte Urteil hat der Kläger am 18. Mai 1967 Berufung eingelegt. Er führt u.a. aus, die Tätigkeit seiner Tochter in England sei als Schulausbildung im Sinne des § 14 a BKGG anzusehen. Sie stelle auch keine Unterbrechung des Studiums dar, sondern diene der notwendigen Vervollständigung des Sprachstudiums an einer deutschen Universität und sei nur deshalb noch nicht als allgemein erforderlich erklärt worden, weil die Zahl der verfügbaren Studienplätze in England den deutschen Bedarf nicht decke. Nur deshalb sei diese Tätigkeit noch nicht ausdrücklich in den Studienplan der Hochschule aufgenommen worden.

Er beantragt,
das Urteil des Sozialgerichts Frankfurt/M. vom 31. März 1967 sowie die Bescheide vom 22. Juli und 29. August 1966 aufzuheben.

Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.

Sie führt u.a. aus, der Hochschulbesuch der Tochter B. des Klägers sei ab 1. September 1966 unterbrochen worden, weil deren Assistententätigkeit an einer Schule in England nicht dem Hochschulbesuch untergeordnet werden könne und andererseits die Belegung von Vorlesungen an der Universität C. mit insgesamt 5 Wochenstunden nicht ausreiche, um den Schluß zuzulassen, durch diesen Hochschulbesuch werde die Arbeitskraft ganz oder überwiegend in Anspruch genommen, wie dies für die Erlangung von Ausbildungszulage Voraussetzung sei. Da der Kläger die für den Anspruch auf Ausbildungszulage bedeutsame, am 1. September 1965 eingetretene Veränderung in den Verhältnissen seiner Tochter dem Arbeitsamt nicht angezeigt habe, sei auch die nachträgliche Entziehung und Rückforderung dieser Leistung für die Monate September 1965 bis Februar 1966 gerechtfertigt.

Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung durch Urteil ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Nr. 2 SGG).

Entscheidungsgründe:

Die durch Zulassung statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.

Sie ist auch begründet. Die Beklagte hat dem Kläger zu Unrecht die für dessen Tochter B. gem. § 14 a BKGG gewährte Ausbildungszulage ab September 1965 entzogen.

Nach dieser Bestimmung erhalten Personen, die in der Bundesrepublik ihren Wohnsitz oder gewöhnlichen Aufenthalt haben, für jedes Kind, das zwischen der Vollendung des 15. und 27. Lebensjahres u.a. eine öffentliche oder staatlich anerkannte private allgemein- oder berufsbildende Schule oder eine Hochschule besucht, eine Ausbildungszulage, wobei jedoch Kinder nicht berücksichtigt werden, deren Arbeitskraft durch den Besuch der Schule oder Hochschule weder ganz noch überwiegend in Anspruch genommen wird.

Es ist der Beklagten zwar zuzugeben, daß es sich bei dem Englandaufenthalt der Tochter des Klägers in der Zeit vom 1. September 1965 bis 31. August 1966 nicht um einen "Schulbesuch” im Sinne dieser Bestimmung handelte, denn sie nahm nicht an dem Unterricht der englischen Schule als Lernende teil und erhielt dort keine schulische Ausbildung wie die englischen Schüler. Nach der vom Kläger vorgelegten Bescheinigung der englischen Schule vom 21. März 1966 war sie vielmehr als "assistant teacher” tätig und hatte vor allem zum Zweck der Nachbereitung des Unterrichts der englischen Fachlehrer kleine Konversationsgruppen mit Schülern zu bilden, die sprachlich hierzu geeignet waren. Außerhalb der hierfür mit 12 Wochenstunden angegebenen Zeit sollte sie sich selbst fortbilden und die vorhandenen Lernmöglichkeiten an einer Universität und Abendinstituten ausnutzen. Dies ergibt sich aus den Auskünften des englischen Seminars der Universität F. vom 18. März 1966 und der englischen L. school für girls vom 21. März 1966.

Zwar besuchte die Tochter des Klägers während ihres Englandaufenthaltes die Hochschule in C., hatte dort aber nur 5 Wochenstunden belegt, so daß ihre Arbeitskraft dadurch weder ganz noch überwiegend in Anspruch genommen wurde (§ 14 a Abs. 1 Satz 3 BKGG).

Jedoch liegen die Voraussetzungen für die Gewährung von Ausbildungszulage deshalb vor, weil die Tochter des Klägers auch ab September 1965 weiterhin die Universität F. im Sinne des § 14 a Abs. 1 Nr. 1 BKGG "besuchte”. Der erkennende Senat hat bereits in seinem rechtskräftig gewordenen Urteil vom 10. Mai 1967, L-3/Kg-63/67 (abgedruckt bei Breithaupt, 1968, S. 76, und im Rechtsprechungsdienst der Sozialgerichtsbarkeit zu § 14 a BKGG), entschieden, daß Ausbildungszulage auch für die sog. notwendige Wartezeit zwischen dem Abitur und dem Beginn des Hochschulstudiums zu gewähren ist, obwohl in diesem Zeitraum eine Schule nicht mehr und eine Hochschule noch nicht besucht wird. Als wesentlich wurde dabei angesehen, daß diese Zwischenzeit zu einer einheitlichen Ausbildungszeit gehört, in der das Kind noch nichts verdient und in welcher der Gesetzgeber den Erziehungsberechtigten deshalb finanziell unterstützen will. Anspruchsvoraussetzung für die Gewährung von Ausbildungszulage ist lediglich, daß sich das Kind in einer Schul- oder Hochschulausbildung befindet, ohne daß es darauf ankommt, daß eine Schule oder Hochschule in jedem Zeitpunkt der Ausbildung auch tatsächlich besucht wird. Mit der Ausbildungszulage soll neben das Kindergeld eine Einkommensgrundlage treten, die ausschließlich für Kinder, die sich in Ausbildung befinden, bestimmt ist (vgl. Bundestagsdrucksache zu VI/3028). Eltern, die ihren Kindern den Besuch einer weiterführenden Schule ermöglichen, sollen finanziell entlastet werden. Aus dem in § 14 a Abs. 1 BKGG verwandten Begriff "Ausbildungszulage” und dem Sinn dieser gesetzlichen Bestimmung ergibt sich somit, daß sich das Kind, für welches diese Zulage begehrt wird, tatsächlich in einer Schul- oder Hochschulausbildung befinden muß. Das war in dem hier streitigen Zeitraum der Fall. Die Tochter des Klägers studierte zunächst bis zum Sommersemester 1965 4. Semester an der Universität F. Germanistik und Anglistik, ging dann ab 1. September 1965 für ein Jahr nach England und setzte ihr Studium im Wintersemester 1966/67 an der Universität F. fort. Dieser zwischen das 4. und 5. Semester eingeschaltete Englandaufenthalt stellte keine Unterbrechung des Hochschulstudiums dar, weil auch in dieser Zeit eine Ausbildung für das mit dem Hochschulbesuch angestrebte Berufsziel, nämlich eine Tätigkeit als Deutschlehrerin an höheren Schulen im englischsprachigen Ausland, erfolgte.

Zwar war der Englandaufenthalt entgegen der Stellungnahme des englischen Seminars der Universität F. vom 16. Oktober 1965 nicht "unbedingt notwendig” und auch kein "integraler Bestandteil des Studiums”, weil er nämlich nicht Voraussetzung für die Ablegung der Prüfung war, da die vorhandenen Studienplätze in England nicht für alle Studenten ausreichten. Jedoch geht aus dieser Auskunft eindeutig hervor, daß der Englandaufenthalt eine von der Universität F. gewünschte und von ihr geförderte zusätzliche Ausbildung darstellt, die von der Ständigen Konferenz der Kultusminister mit den englischen Schulbehörden vereinbart worden ist und daher als eine Art Praktikum dem Studium zugute kommt (vgl. auch Lauterbach/Wickenhagen, Komm. zum BKGG, Anm. 10 zu § 14 a). Eine Unterbrechung des Studiums mit der Folge, daß die Ausbildungszulage entfällt, würde nur dann vorliegen, wenn eine Hochschule aus Gründen nicht besucht wird, die von dieser nicht als für das Studium wünschenswert betrachtet werden. Das ist hier jedoch nicht der Fall, zumal es der Tochter des Klägers nach der Auskunft der englischen Schule untersagt war, in England eine andere Beschäftigung auszuüben. Ihre Assistententätigkeit betrug nach der genannten Auskunft mindestens 12 Stunden in der Woche, zu denen 5 Wochenstunden an der Universität C. hinzukamen. Weiterhin ist mit einer Vorbereitungszeit von etwa der gleichen Dauer auszugehen, so daß ihre Arbeitskraft jedenfalls im Sinne des § 14 a Abs. 1 Satz 3 BKGG überwiegend durch diese Ausbildung in Anspruch genommen wurde.

Daß der Tochter des Klägers in England ein Stipendium gewährt wurde, ist für die Zahlung von Ausbildungszulage unerheblich. Diese wird ohne Rücksicht auf das Einkommen oder Vermögen des Kindes bzw. des Anspruchsberechtigten gewährt. Nach der Auskunft der englischen Schule handelte es sich hierbei auch nur um einen Unterhaltszuschuß.

Die Beklagte hat dem Kläger daher die Ausbildungszulage für dessen Tochter B. ab November 1965 zu Unrecht entzogen, so daß die angefochtenen Bescheide aufzuheben waren. Damit wird die Verfügung, mit der diese Ausbildungszulage bewilligt wurde, wieder rechtswirksam, so daß keine Verurteilung der Beklagten zur Zahlung dieser Zulage für die Zeit des Englandaufenthaltes der Tochter des Klägers erforderlich war.

Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Rechtskraft
Aus
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