Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Krankenversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Kassel (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 Kr 384/68
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Sozialgerichts Kassel vom 6. Februar 1968 aufgehoben und die Klage abgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger, der bei der Firma B., W., beschäftigt und Mitglied der beklagten Ersatzkasse ist, war vom 6. Juli 1965 bis 28. Februar 1966 arbeitsunfähig krank und erhielt von der Beklagten in der Zeit vom 26. Oktober 1965 bis 28. Februar 1966 Krankengeld nach der Beitragsklasse 27 in Höhe von DM 21,33 täglich.
Bei einer Betriebsprüfung am 14. Oktober 1966 stellte die Beklagte fest, daß der Kläger im November 1965 von seinem Arbeitgeber eine sog. Urlaubsabgeltung für das Jahr 1965 in Höhe eines Monatsgehaltes (701,– DM) erhalten hatte. Mit Bescheid vom 17. Oktober 1966 forderte sie von dem Arbeitgeber hierfür Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 155,95 DM nach. Dieser Bescheid ist rechtsverbindlich geworden.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 1966 forderte die Beklagte vom Kläger das für November 1965 gezahlte Krankengeld zurück und vertrat die Auffassung, die ihm gewährte Urlaubsabgeltung sei an die Stelle des bezahlten Urlaubs getreten, so daß der Anspruch auf Krankengeld gem. § 189 der Reichsversicherungsordnung (RVO) im November 1965 geruht habe. Da der Kläger auf den Auszahlungsscheinen bestätigt habe, für diesen Monat kein Entgelt erhalten zu haben, sei ihm neben der Urlaubsabgeltung zu Unrecht Krankengeld gezahlt worden. Seinem hiergegen eingelegten Widerspruch wurde mit Bescheid vom 4. September 1967 nicht abgeholfen.
Der Kläger hat zunächst am 8. August 1967 gegen den seinem Arbeitgeber erteilten Bescheid betreffend die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und am 14. September 1967 auch gegen den ihm erteilten Widerspruchsbescheid vom 4. September 1967 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben. Dieses lud die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die Bundesanstalt für Arbeit gem. § 76 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Verfahren bei und erkannte mit Urteil vom 6. Februar 1968 für Recht:
"Der Bescheid vom 18. Okt. 1966 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Sept. 1967 wird aufgehoben, soweit Überzahlung von Krankengeld geltend gemacht wird.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten zu erstatten.”
Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Urlaubsabgeltung sei im vorliegenden Fall unzulässig gewesen, weil das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestanden habe. Die Abgeltung sei jedoch nur zufällig während der Krankheit, jedoch nicht für Zeiten der Erkrankung gezahlt worden, so daß es an der zeitlichen Überschneidung beider Leistungen fehle, die allein die Anwendung des § 189 RVO rechtfertigen könne.
Gegen das ihr am 19. März 1968 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. April 1968 Berufung eingelegt. Sie führt u.a. aus, das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld nach § 189 RVO habe nicht zur Voraussetzung, daß das Arbeitsentgelt gerade mit Rücksicht auf die Krankheit weitergezahlt werde. Vielmehr genüge es, daß überhaupt Entgelt gezahlt sei. Nachdem das BSG auch die Entschädigung für nicht in Anspruch genommenen Urlaub zum beitragspflichtigen Entgelt erklärt habe, stelle die Urlaubsabgeltung im vorliegenden Fall Entgelt im Sinne des § 189 RVO dar.
Sie beantragt,
der Berufung stattzugeben.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt aus, im Laufe des Klageverfahrens habe er sich davon überzeugt, daß Urlaubsabgeltungen wie jedes andere steuerpflichtige Entgelt der Beitragspflicht unterlägen. Sein Arbeitgeber habe im November 1965 seinen Urlaubsanspruch in Form einer einmaligen Zuwendung in bar abgegolten, da er durch seine Krankheit in finanzielle Not geraten und nicht in der Lage gewesen sei, den Urlaub in Freizeit abzutragen. Es habe sich um eine einmalige Unterstützung gehandelt, die nicht als Arbeitsentgelt angesehen werden könne.
Die beigeladene BfA sowie die Bundesanstalt für Arbeit haben beantragt, sie aus der Beiladung zu entlassen, weil sich die Frage, ob für die Urlaubsabgeltung Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien, nicht mehr im Streit befinde. Mit Beschluss vom 18. November 1969 sind die Beiladungsbeschlüsse des Sozialgerichts Kassel aufgehoben worden. Da der Arbeitgeber des Klägers den nur gegen ihn gerichteten Beitragsbescheid der Beklagten nicht mit der Klage angefochten hat und der Kläger hierdurch nicht beschwert ist, bestand für seine Beiladung keine Rechtsgrundlage.
Auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten (2 Hefter) sowie der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet. Die Beklagte fordert zu Recht mit Bescheid vom 18. Oktober 1966 vom Kläger das diesem für den Monat November 1965 gezahlte Krankengeld zurück, weil es in diesem Zeitraum gem. § 189 Abs. 1 Satz 1 RVO ruhte.
Nach dieser Bestimmung tritt das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld ein, wenn und soweit der Versicherte während der Krankheit Arbeitsentgelt erhält. Nicht zweifelhaft ist, daß einer Urlaubsabgeltung Entgeltcharakter im Sinne des § 160 Abs. 1 RVO zukommt. Für die Entgelteigenschaft auch einer tarifvertragswidrig gezahlten Urlaubsabgeltung genügt es, daß sie dem Arbeitnehmer im Hinblick auf das Beschäftigungsverhältnis zugeflossen ist (vgl. Urteil des BSG vom 26. Januar 1967 3 RK 25/64). In der Krankenversicherung gilt jedoch für die Entrichtung der Beiträge und die Gewährung der Barleistungen nicht notwendig die gleiche Bemessungsgrundlage, auch wenn die verschiedenen Bemessungsvorschriften von dem gemeinsamen Entgeltbegriff des § 160 RVO ausgehen (vgl. Urteil des BSG vom 21. Januar 1969, 3 RK 32/66). Es ist daher unabhängig von § 160 RVO zu prüfen, ob der Leistung des Arbeitsgebers des Klägers der Charakter von Arbeitsentgelt im Sinne des § 189 Abs. 1 Satz 1 RVO zukommt. Dieser Bestimmung ist nur zu entnehmen, daß Doppelleistungen von Entgelt und Krankengeld, die beide dem gleichen Zweck, nämlich der Sicherung des Unterhalts dienen, ausgeschlossen werden sollen (vgl. Urteil des BSG vom 30. Januar 1963, 3 RK 16/59). Die RVO enthält keine Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen Leistungen des Arbeitgebers bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers den Charakter von Arbeitsentgelt oder eines blossen Zuschusses haben.
Der dem Kläger während der Arbeitsunfähigkeit von seinem Arbeitgeber im November 1965 ausgezahlte Geldbetrag in Höhe eines Monatsgehaltes ist zwar als "Urlaubsabgeltung bezeichnet worden. Es wurde zwischen ihnen vereinbart, daß der Kläger auf seinen Urlaubsanspruch für das Jahr 1965 verzichten sollte. Ein dahingehender vertraglicher Verzicht ist aber nach § 134 BGB nichtig. Eine Abgeltung von Urlaub in Geld ist nämlich nur dann zulässig, wenn der Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, so daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Voraussetzung für die Entstehung des Abgeltungsanspruchs ist. Erst "mit” dessen Beendigung entsteht der Abgeltungsanspruch (§ 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes vom 8. Januar 1963, BGBl. I S. 2; Urteil des BSG vom 26. Januar 1967, 3 RK 44/64; Dersch-Neumann, Kommentar zum Bundesurlaubsgesetz, Anm. 82 zu § 7). Daraus folgt, daß der Urlaub während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht abgegolten werden konnte. Da das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestand, hätte der Urlaub auf das Urlaubsjahr 1966 übertragen und vom Kläger nach Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit nach dem 28. Februar 1966 genommen werden können und müssen. Es war daher unzulässig, daß der Arbeitgeber des Klägers diesem den Urlaub "abkaufte” (vgl. Dersch-Neumann a.a.O. Anm. 78 ff. zu § 7). Das ist vom Sozialgericht auch nicht verkannt worden.
Zu Unrecht vertritt es dann jedoch die Ansicht, die Abgeltung des Urlaubs sei nur zufällig während der Krankheit, jedoch nicht für Zeiten der Erkrankung gezahlt worden, so daß es an der zeitlichen Überschneidung beider Leistungen fehle, die allein die Anwendung des § 189 Abs. 1 Satz 1 RVO rechtfertigen könne. Der Zeitraum, für den das Urlaubsentgelt gezahlt werde, beginne grundsätzlich erst nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit.
Zwar trifft es zu, daß das Krankengeld nur dann ruht, wenn die Leistung des Arbeitgebers auch mit dem Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit in Beziehung steht, was stets dann der Fall ist, wenn es sich um Arbeitsentgelt handelt von dem von vornherein feststeht, daß es während der Krankheit für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit gezahlt wird, so daß der Anspruch auf Krankengeld mit dem Bezug des Arbeitsentgeltes zusammenfällt (vgl. Urteil des BSG vom 28. Oktober 1965, 3 RK 51/61). Die dem Kläger gewährte Leistung von 701,– DM bezog sich jedoch ausschließlich auf das Jahr 1965, in dem er vom 6. Juli bis 31. Dezember arbeitsunfähig krank war, und resultiert nur aus dem Arbeitsverhältnis, ohne das sie nicht gewährt worden wäre. Da diese Leistung keine Urlaubsabgeltung darstellte, konnte sie auch nicht für die Zeit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit gewährt werden und keinen Urlaubsersatz darstellen mit dem Ziel, später eine für die Erholung notwendige Freizeit zu finanzieren. Sie wurde nach dem Willen des Klägers und seines Arbeitgebers im November 1965 ausdrücklich für die Zeit der damals noch bestehenden Erkrankung gezahlt, wobei davon ausgegangen worden ist, daß die Arbeitsunfähigkeit jedenfalls noch bis zum 31. Dezember 1965 andauern würde. Die Leistung des Arbeitgebers des Klägers war also gerade nicht für die sich an die Arbeitsunfähigkeit anschließende Zeit bestimmt, vielmehr sollte damit der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 1965 endgültig erfüllt werden. Wie dieser vorgetragen hat, befand er sich damals – bedingt durch seine lange Erkrankung – in einer finanziellen Notlage, der durch die Zahlung der "Urlaubsabgeltung” abgeholfen werden sollte. Diese hatte also den gleichen Zweck wie das Krankengeld, nämlich der Sicherung des Unterhalts des Klägers zu dienen, und stellte damit tatsächlich Arbeitsentgelt dar, so daß eine Doppelleistung von Entgelt und Krankengeld i.S. von § 189 Abs. 1 Satz 1 RVO vorlag.
Die Voraussetzungen des § 189 Abs. 1 Satz 3 a.a.O. sind nicht gegeben. Danach gelten Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld ohne Rücksicht auf ihre Höhe nicht als Arbeitsentgelt. Diese Vorschrift ist hier jedoch nicht anzuwenden, weil der Arbeitgeber des Klägers keine zusätzliche Leistung erbringen, sondern den Urlaubsanspruch des Klägers abgelten wollte und dieser damit einverstanden war, so daß eine Umdeutung in einen Zuschuss zum Krankengeld dem Willen der Vertragspartner widersprechen würde.
Auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat in seinem Erlaß vom 24. Juni 1952 (Sozialversicherung 1955, S. 175) – allerdings ohne Begründung – die Auffassung vertreten, daß eine während der Krankheit gezahlte Urlaubsabgeltung den Krankengeldanspruch zum Ruhen bringt (s. auch Gura, WzS 1959, S. 272).
Nach alledem stand dem Kläger kein Anspruch auf Krankengeld für den Monat November 1965 zu. Da er auf den Auszahlungsscheinen nicht angegeben hatte, daß ihm von seinem Arbeitgeber für den Monat November 1965 eine einmalige Zahlung in Höhe eines Monatsgehaltes gewährt worden ist, erhielt die Beklagte erst bei einer Betriebsprüfung am 14. Oktober hiervon Kenntnis. Sie hat daher ohne ihr Verschulden das Krankengeld für den Monat November 1965 an den Kläger ausgezahlt, so daß dieser insoweit ungerechtfertigt bereichert und die Beklagte berechtigt ist, das Krankengeld zurückzufordern (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Anm. 9 vor § 179 RVO).
Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Der Kläger, der bei der Firma B., W., beschäftigt und Mitglied der beklagten Ersatzkasse ist, war vom 6. Juli 1965 bis 28. Februar 1966 arbeitsunfähig krank und erhielt von der Beklagten in der Zeit vom 26. Oktober 1965 bis 28. Februar 1966 Krankengeld nach der Beitragsklasse 27 in Höhe von DM 21,33 täglich.
Bei einer Betriebsprüfung am 14. Oktober 1966 stellte die Beklagte fest, daß der Kläger im November 1965 von seinem Arbeitgeber eine sog. Urlaubsabgeltung für das Jahr 1965 in Höhe eines Monatsgehaltes (701,– DM) erhalten hatte. Mit Bescheid vom 17. Oktober 1966 forderte sie von dem Arbeitgeber hierfür Sozialversicherungsbeiträge in Höhe von 155,95 DM nach. Dieser Bescheid ist rechtsverbindlich geworden.
Mit Bescheid vom 18. Oktober 1966 forderte die Beklagte vom Kläger das für November 1965 gezahlte Krankengeld zurück und vertrat die Auffassung, die ihm gewährte Urlaubsabgeltung sei an die Stelle des bezahlten Urlaubs getreten, so daß der Anspruch auf Krankengeld gem. § 189 der Reichsversicherungsordnung (RVO) im November 1965 geruht habe. Da der Kläger auf den Auszahlungsscheinen bestätigt habe, für diesen Monat kein Entgelt erhalten zu haben, sei ihm neben der Urlaubsabgeltung zu Unrecht Krankengeld gezahlt worden. Seinem hiergegen eingelegten Widerspruch wurde mit Bescheid vom 4. September 1967 nicht abgeholfen.
Der Kläger hat zunächst am 8. August 1967 gegen den seinem Arbeitgeber erteilten Bescheid betreffend die Nachzahlung von Sozialversicherungsbeiträgen und am 14. September 1967 auch gegen den ihm erteilten Widerspruchsbescheid vom 4. September 1967 beim Sozialgericht Kassel Klage erhoben. Dieses lud die Bundesversicherungsanstalt für Angestellte und die Bundesanstalt für Arbeit gem. § 76 Abs. 2 des Sozialgerichtsgesetzes (SGG) zum Verfahren bei und erkannte mit Urteil vom 6. Februar 1968 für Recht:
"Der Bescheid vom 18. Okt. 1966 in der Fassung des Widerspruchsbescheides vom 4. Sept. 1967 wird aufgehoben, soweit Überzahlung von Krankengeld geltend gemacht wird.
Die Beklagte hat dem Kläger die Kosten zu erstatten.”
Zur Begründung wurde ausgeführt, eine Urlaubsabgeltung sei im vorliegenden Fall unzulässig gewesen, weil das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestanden habe. Die Abgeltung sei jedoch nur zufällig während der Krankheit, jedoch nicht für Zeiten der Erkrankung gezahlt worden, so daß es an der zeitlichen Überschneidung beider Leistungen fehle, die allein die Anwendung des § 189 RVO rechtfertigen könne.
Gegen das ihr am 19. März 1968 zugestellte Urteil hat die Beklagte am 18. April 1968 Berufung eingelegt. Sie führt u.a. aus, das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld nach § 189 RVO habe nicht zur Voraussetzung, daß das Arbeitsentgelt gerade mit Rücksicht auf die Krankheit weitergezahlt werde. Vielmehr genüge es, daß überhaupt Entgelt gezahlt sei. Nachdem das BSG auch die Entschädigung für nicht in Anspruch genommenen Urlaub zum beitragspflichtigen Entgelt erklärt habe, stelle die Urlaubsabgeltung im vorliegenden Fall Entgelt im Sinne des § 189 RVO dar.
Sie beantragt,
der Berufung stattzugeben.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er führt aus, im Laufe des Klageverfahrens habe er sich davon überzeugt, daß Urlaubsabgeltungen wie jedes andere steuerpflichtige Entgelt der Beitragspflicht unterlägen. Sein Arbeitgeber habe im November 1965 seinen Urlaubsanspruch in Form einer einmaligen Zuwendung in bar abgegolten, da er durch seine Krankheit in finanzielle Not geraten und nicht in der Lage gewesen sei, den Urlaub in Freizeit abzutragen. Es habe sich um eine einmalige Unterstützung gehandelt, die nicht als Arbeitsentgelt angesehen werden könne.
Die beigeladene BfA sowie die Bundesanstalt für Arbeit haben beantragt, sie aus der Beiladung zu entlassen, weil sich die Frage, ob für die Urlaubsabgeltung Sozialversicherungsbeiträge zu entrichten seien, nicht mehr im Streit befinde. Mit Beschluss vom 18. November 1969 sind die Beiladungsbeschlüsse des Sozialgerichts Kassel aufgehoben worden. Da der Arbeitgeber des Klägers den nur gegen ihn gerichteten Beitragsbescheid der Beklagten nicht mit der Klage angefochten hat und der Kläger hierdurch nicht beschwert ist, bestand für seine Beiladung keine Rechtsgrundlage.
Auf den Inhalt der beigezogenen Akten der Beklagten (2 Hefter) sowie der Gerichtsakte wird Bezug genommen.
Die Beteiligten erklärten sich mit einer Entscheidung ohne mündliche Verhandlung einverstanden (§ 124 Abs. 2 SGG).
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist auch begründet. Die Beklagte fordert zu Recht mit Bescheid vom 18. Oktober 1966 vom Kläger das diesem für den Monat November 1965 gezahlte Krankengeld zurück, weil es in diesem Zeitraum gem. § 189 Abs. 1 Satz 1 RVO ruhte.
Nach dieser Bestimmung tritt das Ruhen des Anspruchs auf Krankengeld ein, wenn und soweit der Versicherte während der Krankheit Arbeitsentgelt erhält. Nicht zweifelhaft ist, daß einer Urlaubsabgeltung Entgeltcharakter im Sinne des § 160 Abs. 1 RVO zukommt. Für die Entgelteigenschaft auch einer tarifvertragswidrig gezahlten Urlaubsabgeltung genügt es, daß sie dem Arbeitnehmer im Hinblick auf das Beschäftigungsverhältnis zugeflossen ist (vgl. Urteil des BSG vom 26. Januar 1967 3 RK 25/64). In der Krankenversicherung gilt jedoch für die Entrichtung der Beiträge und die Gewährung der Barleistungen nicht notwendig die gleiche Bemessungsgrundlage, auch wenn die verschiedenen Bemessungsvorschriften von dem gemeinsamen Entgeltbegriff des § 160 RVO ausgehen (vgl. Urteil des BSG vom 21. Januar 1969, 3 RK 32/66). Es ist daher unabhängig von § 160 RVO zu prüfen, ob der Leistung des Arbeitsgebers des Klägers der Charakter von Arbeitsentgelt im Sinne des § 189 Abs. 1 Satz 1 RVO zukommt. Dieser Bestimmung ist nur zu entnehmen, daß Doppelleistungen von Entgelt und Krankengeld, die beide dem gleichen Zweck, nämlich der Sicherung des Unterhalts dienen, ausgeschlossen werden sollen (vgl. Urteil des BSG vom 30. Januar 1963, 3 RK 16/59). Die RVO enthält keine Bestimmungen darüber, unter welchen Voraussetzungen Leistungen des Arbeitgebers bei Arbeitsunfähigkeit des Arbeitnehmers den Charakter von Arbeitsentgelt oder eines blossen Zuschusses haben.
Der dem Kläger während der Arbeitsunfähigkeit von seinem Arbeitgeber im November 1965 ausgezahlte Geldbetrag in Höhe eines Monatsgehaltes ist zwar als "Urlaubsabgeltung bezeichnet worden. Es wurde zwischen ihnen vereinbart, daß der Kläger auf seinen Urlaubsanspruch für das Jahr 1965 verzichten sollte. Ein dahingehender vertraglicher Verzicht ist aber nach § 134 BGB nichtig. Eine Abgeltung von Urlaub in Geld ist nämlich nur dann zulässig, wenn der Urlaub bei Beendigung des Arbeitsverhältnisses ganz oder teilweise nicht mehr gewährt werden kann, so daß die Beendigung des Arbeitsverhältnisses Voraussetzung für die Entstehung des Abgeltungsanspruchs ist. Erst "mit” dessen Beendigung entsteht der Abgeltungsanspruch (§ 7 Abs. 4 des Bundesurlaubsgesetzes vom 8. Januar 1963, BGBl. I S. 2; Urteil des BSG vom 26. Januar 1967, 3 RK 44/64; Dersch-Neumann, Kommentar zum Bundesurlaubsgesetz, Anm. 82 zu § 7). Daraus folgt, daß der Urlaub während der Arbeitsunfähigkeit des Klägers nicht abgegolten werden konnte. Da das Arbeitsverhältnis ungekündigt fortbestand, hätte der Urlaub auf das Urlaubsjahr 1966 übertragen und vom Kläger nach Wiedererlangung seiner Arbeitsfähigkeit nach dem 28. Februar 1966 genommen werden können und müssen. Es war daher unzulässig, daß der Arbeitgeber des Klägers diesem den Urlaub "abkaufte” (vgl. Dersch-Neumann a.a.O. Anm. 78 ff. zu § 7). Das ist vom Sozialgericht auch nicht verkannt worden.
Zu Unrecht vertritt es dann jedoch die Ansicht, die Abgeltung des Urlaubs sei nur zufällig während der Krankheit, jedoch nicht für Zeiten der Erkrankung gezahlt worden, so daß es an der zeitlichen Überschneidung beider Leistungen fehle, die allein die Anwendung des § 189 Abs. 1 Satz 1 RVO rechtfertigen könne. Der Zeitraum, für den das Urlaubsentgelt gezahlt werde, beginne grundsätzlich erst nach dem Ende der Arbeitsunfähigkeit.
Zwar trifft es zu, daß das Krankengeld nur dann ruht, wenn die Leistung des Arbeitgebers auch mit dem Zeitraum der Arbeitsunfähigkeit in Beziehung steht, was stets dann der Fall ist, wenn es sich um Arbeitsentgelt handelt von dem von vornherein feststeht, daß es während der Krankheit für die Zeit der Arbeitsunfähigkeit gezahlt wird, so daß der Anspruch auf Krankengeld mit dem Bezug des Arbeitsentgeltes zusammenfällt (vgl. Urteil des BSG vom 28. Oktober 1965, 3 RK 51/61). Die dem Kläger gewährte Leistung von 701,– DM bezog sich jedoch ausschließlich auf das Jahr 1965, in dem er vom 6. Juli bis 31. Dezember arbeitsunfähig krank war, und resultiert nur aus dem Arbeitsverhältnis, ohne das sie nicht gewährt worden wäre. Da diese Leistung keine Urlaubsabgeltung darstellte, konnte sie auch nicht für die Zeit nach Beendigung der Arbeitsunfähigkeit gewährt werden und keinen Urlaubsersatz darstellen mit dem Ziel, später eine für die Erholung notwendige Freizeit zu finanzieren. Sie wurde nach dem Willen des Klägers und seines Arbeitgebers im November 1965 ausdrücklich für die Zeit der damals noch bestehenden Erkrankung gezahlt, wobei davon ausgegangen worden ist, daß die Arbeitsunfähigkeit jedenfalls noch bis zum 31. Dezember 1965 andauern würde. Die Leistung des Arbeitgebers des Klägers war also gerade nicht für die sich an die Arbeitsunfähigkeit anschließende Zeit bestimmt, vielmehr sollte damit der Urlaubsanspruch des Klägers für das Jahr 1965 endgültig erfüllt werden. Wie dieser vorgetragen hat, befand er sich damals – bedingt durch seine lange Erkrankung – in einer finanziellen Notlage, der durch die Zahlung der "Urlaubsabgeltung” abgeholfen werden sollte. Diese hatte also den gleichen Zweck wie das Krankengeld, nämlich der Sicherung des Unterhalts des Klägers zu dienen, und stellte damit tatsächlich Arbeitsentgelt dar, so daß eine Doppelleistung von Entgelt und Krankengeld i.S. von § 189 Abs. 1 Satz 1 RVO vorlag.
Die Voraussetzungen des § 189 Abs. 1 Satz 3 a.a.O. sind nicht gegeben. Danach gelten Zuschüsse des Arbeitgebers zum Krankengeld ohne Rücksicht auf ihre Höhe nicht als Arbeitsentgelt. Diese Vorschrift ist hier jedoch nicht anzuwenden, weil der Arbeitgeber des Klägers keine zusätzliche Leistung erbringen, sondern den Urlaubsanspruch des Klägers abgelten wollte und dieser damit einverstanden war, so daß eine Umdeutung in einen Zuschuss zum Krankengeld dem Willen der Vertragspartner widersprechen würde.
Auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat in seinem Erlaß vom 24. Juni 1952 (Sozialversicherung 1955, S. 175) – allerdings ohne Begründung – die Auffassung vertreten, daß eine während der Krankheit gezahlte Urlaubsabgeltung den Krankengeldanspruch zum Ruhen bringt (s. auch Gura, WzS 1959, S. 272).
Nach alledem stand dem Kläger kein Anspruch auf Krankengeld für den Monat November 1965 zu. Da er auf den Auszahlungsscheinen nicht angegeben hatte, daß ihm von seinem Arbeitgeber für den Monat November 1965 eine einmalige Zahlung in Höhe eines Monatsgehaltes gewährt worden ist, erhielt die Beklagte erst bei einer Betriebsprüfung am 14. Oktober hiervon Kenntnis. Sie hat daher ohne ihr Verschulden das Krankengeld für den Monat November 1965 an den Kläger ausgezahlt, so daß dieser insoweit ungerechtfertigt bereichert und die Beklagte berechtigt ist, das Krankengeld zurückzufordern (vgl. Peters, Handbuch der Krankenversicherung, Anm. 9 vor § 179 RVO).
Auf die Berufung der Beklagten war das angefochtene Urteil daher aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Die Kostenentscheidung folgt aus § 193 SGG.
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