Land
Hessen
Sozialgericht
Hessisches LSG
Sachgebiet
Unfallversicherung
Abteilung
3
1. Instanz
SG Frankfurt (HES)
Aktenzeichen
-
Datum
2. Instanz
Hessisches LSG
Aktenzeichen
L 3 U 685/69
Datum
3. Instanz
Bundessozialgericht
Aktenzeichen
-
Datum
-
Kategorie
Urteil
Die Berufung der Klägerin gegen das am 16. Mai 1969 verkündete Urteil des Sozialgerichts Frankfurt a.M. vom 25. April 1969 wird zurückgewiesen.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte erließ am 2. Februar 1966 die Unfallverhütungsvorschrift "Kassen” (UVV.). Nach § 2 dieser Vorschrift müssen Arbeitsplätze innerhalb öffentlich zugänglicher Räume, an denen regelmäßig Bargeld griffbereit vorhanden ist, so beschaffen sein, daß die daran Beschäftigten gegen Angriffe mit Gefahr für Leben oder Gesundheit geschützt sind. In dem Anhang zu dieser Vorschrift ist in Ziffer 1 Absatz 2 bestimmt, daß die Arbeitsplätze von den Raumteilen, die dem Publikumsverkehr dienen schußsicher abgetrennt sein müssen. Keiner besonderen schußsicheren Abtrennung bedürfen die Arbeitsplätze, wenn neben anderen Voraussetzungen sich mindestens 10 Beschäftigte ständig in den Räumen, aufhalten. Für die Erfüllung dieser Anforderung wurde den Mitgliedern der Beklagten eine Frist bis zum 1. Februar 1969 gesetzt.
Am 10. Februar 1967 hat die Klägerin, die Mitglied der Beklagten ist, bei dieser beantragt, ihr in Abweichung von Ziffer 1 Absatz 2 Satz 2 der Bestimmungen zu § 2 der UVV zu gestatten, in ihren Geschäftsstellen, in denen sich ständig mindestens 6 Beschäftigte in der Schalterhalle aufhalten, von schußsicheren Abtrennungen abzusehen. Diesen Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 1968 abgelehnt und dem hiergegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 19. November 1968 nicht abgeholfen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist noch beim Sozialgericht Frankfurt a.M. anhängig.
Am 24. Dezember 1968 hat die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt a.M. eine weitere Klage erhoben und beantragt festzustellen, daß Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2 der Bestimmungen zu § 2 in Anhang zur Unfallverhütungsvorschrift "Kassen” (VBG 120) gegenüber der Klägerin nichtig ist, hilfsweise, daß die Klägerin nicht erst dann berechtigt ist, auf die schußsichere Abtrennung von Kassenplätzen, die den übrigen von der Beklagten für den Fall des Fehlens einer schußsicheren Abtrennung aufgestellten Voraussetzungen genügen, zu verzichten, wenn sich diese Kassenplätze in Räumen befinden, in denen ständig mindestens 10 Beschäftigte anwesend sind.
Nachdem das Sozialgericht eine Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 23. Mai 1967 eingeholt hatte, wies es die Klage mit dem am 16. Mai 1969 verkündeten Urteil vom 25. April 1969 ab und führte zur Begründung aus, die Klage bezüglich des Hauptantrages sei unzulässig, weil die Sozialgerichte keine Rechtsnormen nachprüfen könnten. Die Klage bezüglich des Hilfsantrages sei zwar zulässig aber unbegründet. Die angegriffene Unfallverhütungsvorschrift falle in den beurteilungsfreien Spielraum der Berufsgenossenschaft, der nicht überprüfbar sei. Es liege weder ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz noch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor, desgleichen keine willkürliche Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gegen Raubüberfälle.
Gegen das ihr am 31. Mai 1969 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Juni 1969 Berufung eingelegt. Sie trägt u.a. vor, Haupt- und Hilfsantrag unterschieden sich lediglich durch ihre Formulierung. Da mit dem Hauptantrag nur die Feststellung der Nichtigkeit der in Frage stehenden Unfallverhütungsvorschrift gegenüber der durch die Norm unmittelbar betroffenen Klägerin begehrt werde, ziele auch der Hauptantrag auf keine abstrakte Normenkontrolle hin sondern beinhalte wie der Hilfsantrag nur die Prüfung der Verbindlichkeit einer Norm für einen konkreten Anspruch bei einem bestimmten Sachverhalt. Das Sozialgericht habe den auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruhenden Kern ihrer Argumentation verkannt, der darin bestehe, daß die schußsichere Abtrennung bei Kassen mit 6–9 Beschäftigten ein Mittel bedeute, das weder notwendig noch geeignet sei, den mit ihm verfolgten rechtlichen Zweck zu erreichen. Nur bei Kassen mit regelmäßig 1–5 Beschäftigten sei die schußsichere Abtrennung des eigentlichen Kassenraums sinnvoll, weil es auch bei Kassen mit 2–5 Beschäftigten vorkommen könne, daß sich vorübergehend nur der Kassierer im Schalterraum befinde. Bei den größeren Kassen mit 6–9 Beschäftigten sei dagegen die schußsichere Abtrennung weder notwendig noch geeignet, den mit ihr verfolgten rechtlichen Zweck zu erreichen. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, daß die schußsichere Verglasung von Kassen dieser Größenordnung die Gewaltanwendung nicht ausschließe sondern sie lediglich auf die übrigen Beschäftigten oder die Kunden und damit auf einen unter Umständen wesentlich größeren Personenkreis ablenke, der dadurch in erhöhtem Maße gefährdet sei. Bei dieser Art der räuberischen Erpressung bleibe es fraglich, ob sich der Kassierer angesichts seiner eigenen Sicherheit der Erpressung sofort beugen werde, wie er es weisungsgemäß tun müsse. Beuge er sich nicht bzw. nicht sofort, so schaffe gerade die schußsichere Verglasung eine zusätzliche Gefährdung. Die Gefährdung des Kassierers sei hier wesentlich geringer als bei den kleineren Kassen. Die UVV sei daher nicht nur nicht notwendig sondern setze um des Schutzes eines einzigen Beschäftigten – des Kassierers – willen andere Beschäftigte und Kunden einer erhöhten Gefährdung aus. Dadurch verfehle sie eindeutig ihren rechtlichen Zweck, verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sei folglich nichtig. Im übrigen bedurften nach der Unfallverhütungsvorschrift "Kassen” der gemeindlichen Unfallversicherungsträger die Kassen mit 6–9 Beschäftigten keiner schußsicheren Abtrennung. Hier sei die Mindestbeschäftigtenzahl so festgesetzt, wie es von der Klägerin in diesem Verfahren für eine völlig gleichgelagerte Situation verfochten werde. Insoweit liege auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch die Beklagte vor. Ein Vergleich der Überfallhäufigkeit auf Kassen mit verschieden hohen Beschäftigtenzahlen beweise die Richtigkeit ihrer Auffassung. Auf die ca. 1850 Kassen der dem Bundesverband angeschlossenen Banken mit 1–5 Beschäftigten seien in der Zeit vom 1. Januar 1965 bis 31. Dezember 1968 74 Kassen, also 4 %, von den ca. 780 Kassen mit 6–9 Beschäftigten dagegen nur 10 und damit lediglich 1,3 % der Kassen dieser Größenordnung überfallen worden. Auf ihre 190 Kassen mit 6–9 Beschäftigten sei seit dem 1. Januar 1965 überhaupt kein Überfall ausgeführt worden. Diese Zahlen bestätigten, daß die Gefährdung der Kassen mit 6–9 Beschäftigten ganz wesentlich geringer sei als die der Kassen mit 1–5 Beschäftigten. Die willkürlich vorgenommene Grenzziehung der Beklagten bei einer Mindestbeschäftigtenzahl von 10 entbehre somit der rechtlichen Grundlage und sei gerichtlich voll nachprüfbar. Denn bei dem in § 708 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verwandten Begriff "zur Verhütung von Arbeitsunfällen” handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß Ziffer 1 Abs. 2 Satz 2 der Bestimmungen zu § 2 im Anhang zur Unfallverhütungsvorschrift "Kassen”, soweit sie die Mindestbeschäftigtenzahl von 10 festsetze, gegenüber der Klägerin nichtig sei,
hilfsweise,
daß sie bereits dann berechtigt sei auf die schußsichere Abtrennung von Kassenplätzen, die den übrigen von der Beklagten für den Fall des Fehlens einer schußsicheren Abtrennung aufgestellten Voraussetzungen genügen, zu verzichten, wenn sich diese Kassenplätze in Räumen befinden, in denen ständig mindestens 6 Beschäftigte anwesend sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt u.a. aus, die Klägerin begehre keineswegs mit zwei Formulierungen dasselbe. Ihr Hauptantrag stelle unmißverständlich auf die Feststellung der Wichtigkeit der UVV ab, während es ihr im Hilfsantrag um die Feststellung einer Berechtigung gehe. Die Überprüfung der für nichtig gehaltenen UVV könne die Klägerin nur im Rahmen ihres Hilfsantrages begehren. Im übrigen gehe es der Klägerin nicht nur um eine Prüfung inter partes. Das ergebe sich klar aus ihren Ausführungen in der Berufungsschrift, in welcher sie die Bedeutung dieses Rechtsstreits als Musterprozeß für eine große Zahl von Kreditinstituten hervorgehoben habe. Deshalb könne die Überprüfung der UVV von der Klägerin nur als abstrakte gemeint sein. Eine solche sei aber ausgeschlossen. Die Klägerin verkenne, daß auch die Kassierer in Kassen mit 6–9 Beschäftigten gefährdet seien, wie sich, aus dem von der Klägerin vorgetragenen Zahlenmaterial ergebe. Das Sozialgericht sei daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß von einer Unverhältnismäßigkeit der Mittel ebensowenig die Rede sein könne wie von einem willkürlichen Handeln. Vielmehr habe sie sich von durchaus sachdienlichen Erwägungen leiten lassen. Auch liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, wenn die gemeindlichen Unfallversicherungsträger nach Erlaß der hier in Frage stehenden UVV eine andere Regelung vorgezogen hätten.
Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht abgewiesen.
Es hat zunächst zutreffend ausgeführt, daß die Klage, soweit sie den Hauptantrag betrifft, auf die abstrakte Feststellung der Richtigkeit einer UVV gerichtet und damit unzulässig ist.
Die von der Klägerin für nichtig gehaltene Ziffer 1 Absatz 2 Satz 2 der Bestimmungen zu § 2 im Anhang der UVV ist ein Bestandteil der Unfallverhütungsvorschriften der Beklagten, gültig ab 2. Februar 1966. Sie stellt keinen nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG mit der Klage anfechtbaren Verwaltungsakt sondern eine autonome Rechtsnorm dar. Die Normennatur der UVV folgt daraus, daß diese im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung Sachverhalte mit unmittelbarer Verbindlichkeit gegenüber ihren Mitgliedern regeln. Abzulehnen ist die von Forsthoff (Lehrbuch der Verwaltung, 8. Auflage, S. 129) vertretene Auffassung, die von Berufsverbänden ergangenen Vorschriften und Anordnungen würden zu Unrecht dem Begriff der Satzungen zugerechnet. Da diese statutarischen Regelungen nur die Mitglieder verpflichteten und keine nach außen reichende Wirkung hätten, stellten sie nichts anderes dar als ein Gegenstück zu den Verwaltungsanordnungen und entbehrten somit des Rechtssatzcharakters, so daß sie auch keiner besonderen gesetzlichen Grundlage bedürften. Abgesehen davon, daß die UVV eine gesetzliche Grundlage haben, muß jeder im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung ergangenen Regelung Normennatur zukommen, durch die den Mitgliedern unmittelbar und rechtsverbindlich Verpflichtungen auferlegt werden, deren Nichteinhaltung mit Ordnungsstrafen belegt werden und eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen kann. (§§ 710 RVO, 330, 367 Nr. 14 StGB; RGZ 95, 180). Die Unfallverhütungsvorschriften stellen auch keine auf Grund einer Delegation beruhenden Rechtsverordnungen dar, sondern sind vielmehr autonome Rechtsnormen. Im Verhältnis zur RVO sind sie sekundäre Rechtsquellen und dürfen daher staatliches Recht weder abändern noch einschränken, denn das aus der staatlichen Rechtssetzungsgewalt hervorgehende staatliche Recht ist insgesamt ranghöher als das von ihm, anerkannte, von Verbänden auf Grund einer Autonomie selbst geschaffene Recht (vgl. Wolff, Verwaltungsrecht, 6. Auflage, S. 112; Asanger in "Grundsatzfragen der sozialen Unfallversicherung”, Festschrift für Dr. Lauterbach, S. 298 ff.). Im Sozialgerichtsverfahren kann jedoch Rechtsschutz nur im Rahmen der §§ 54, 55 SGG begehrt werden, d.h., wenn ein den Kläger beschwerender Verwaltungsakt ergangen, der Erlaß eines von ihm beantragten begünstigenden Verwaltungsaktes unterblieben, ihm eine beanspruchte Leistung vorenthalten oder zwischen den Beteiligten eine bestimmte Rechtsbeziehung streitig geworden ist. Auch die in § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG vorgesehene Feststellungsklage setzt ein konkretes Rechtsverhältnis voraus. Dagegen ist für eine abstrakte Normenkontrolle kein Raum (vgl. Urteil des BSG vom 24. Sept. 1968 6 RKa 31/66). Die gegenteilige Auffassung der Klägerin, ihr Klagebegehren beinhalte sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag nur die Prüfung der Verbindlichkeit einer Norm für einen konkreten Anspruch bei einem bestimmten Sachverhalt, ist rechtsirrig. Die an einen abstrakt festgelegten Tatbestand anknüpfende generelle und unmittelbar wirkende Statuierung von Rechtsfolgen gibt einer Regelung normativen Charakter, weil sie nicht für einen Einzelfall sondern für eine unbestimmte und unbestimmbare Zahl von Einzelfällen gelten will (vgl. BSG a.a.O., Urteil vom 25. Februar 1966, 3 RK 38/65). Ein "konkreter Anspruch” befindet sich im vorliegenden Fall nicht im Streit. Vielmehr ist das Klagebegehren im Hauptantrag auf eine abstrakte, d.h. von einem konkreten Anwendungsfall der Vorschrift losgelöste Normenkontrolle gerichtet und geht ausschließlich dahin, die in Frage stehende UVV für nichtig zu erklären. Die Klage ist daher vom Sozialgericht insoweit zu Recht als unzulässig abgewiesen worden.
Der Senat vermochte sich aber nicht der weiteren Ansicht des Sozialgerichts anzuschließen, hinsichtlich des Hilfsantrages sei die Klage zulässig. Mit diesem Antrag in der vom Senat in der letzten mündlichen Verhandlung angeregten Fassung begehrt die Klägerin festzustellen, daß sie bereits dann berechtigt ist auf die schußsichere Abtrennung von Kassenplätzen zu verzichten, wenn sich diese in Räumen befinden, in denen ständig mindestens 6 Beschäftigte anwesend sind. Die Klägerin hat ausgeführt, das Klagebegehren unterscheide sich im Haupt- und Hilfsantrag lediglich in der Formulierung, nicht aber in Bezug auf den Inhalt. Das ist richtig und vom Sozialgericht übersehen worden. Das Anliegen der Klägerin ist bei beiden Anträgen das gleiche: sie will, daß die UVV für rechtsunwirksam erklärt wird und glaubt, dies wenigstens mit dem Hilfsantrag erreichen zu können, nachdem sie in der ersten Instanz zunächst nur eine Nichtigkeitsklage erhoben hatte und von der Beklagten auf die Unzulässigkeit dieser Klageart hingewiesen worden war. Die Ansicht des Sozialgerichts, bei dem Hilfsantrag der Klägerin komme es auf die "Verbindlichkeit der UVV für einen konkreten Anspruch bei einem bestimmten Sachverhalt” an, denn sie fühle sich durch die in der UVV enthaltenen, Anforderungen beschwert, hält der Senat für unzutreffend. Denn auch mit dem Hilfsantrag erstrebt die Klägerin der Sache nach nur eine mit einem bestimmten Lebensvorgang nicht zusammenhängende abstrakte Klärung einer Rechtsfrage, wofür aber, wie ausgeführt, der Sozialrechtsweg nicht zur Verfügung steht, so daß auch diese Klage unzulässig ist. Es ist den Sozialgerichten verwehrt, eine Norm auf ihre Rechtsgültigkeit abstrakt, d.h. außerhalb eines Rechtsstreits, dessen Entscheidung von der Anwendung der Norm auf einen konkreten Sachverhalt abhängt, zu prüfen (vgl. Urteil des BSG vom 25. Oktober 1961, 6 RKa 27/61 und vom 24. September 1968, 6 RKa 31/66). Ein solcher Rechtsstreit, dessen Entscheidung von einer Norm (hier der UVV) auf einen konkreten Sachverhalt abhängt, liegt nicht vor. Die Klägerin wendet sich nämlich nur gegen die UVV als solche. Die Beklagte hat jedoch hieraus bisher noch keine Folgerungen gegenüber der Klägerin gezogen, d.h., diese Vorschriften noch nicht angewandt. Erst in einem solchen Rechtsstreit könnte ihre Gültigkeit nachgeprüft werden.
Selbst wenn man aber mit der Klägerin und dem Sozialgericht der Auffassung sein wollte, daß hier eine mit einem bestimmten Lebensvorgang zusammenhängende konkrete Klärung einer Rechtsfrage begehrt wird, etwa weil durch die UVV alle Kassen der Klägerin mit 6–9 Beschäftigten unmittelbar, also bestimmbare Fälle, betroffen werden, ist die Berufung unbegründet. Die von der Klägerin angegriffene UVV ist nämlich zu Recht ergangen.
Das Sozialgericht hat nicht dargelegt, in welchem Umfang eine UVV durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nachgeprüft werden kann, sondern nur die Ansicht vertreten, die Berufsgenossenschaften hätten in eigener Machtvollkommenheit über Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen zu entscheiden, wobei ihnen ein "weiter justizfreier Beurteilungsspielraum” zur Verfügung stehe. Während die Beklagte hierzu nichts ausgeführt hat, vertritt die Klägerin die Ansicht, für die Entscheidung der Frage, ob eine Unfallverhütungsvorschrift gemäß § 708 Abs. 1 RVO der "Verhütung von Arbeitsunfällen” diene, sei der Beklagten kein nicht kontrollierbares Ermessen eingeräumt, vielmehr handele es sich hierbei um einen in den Bereich der Rechtsanwendung fallenden unbestimmten Rechtsbegriff. Lediglich die Entscheidung zwischen mehreren gleichgeeigneten, im Sinne der Notwendigkeit liegenden Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen sei eine Frage des bloßen Handelns und damit Ermessenssache.
Diese Auffassungen verkennen den Rechtscharakter der UVV.
Nach § 708 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind die Berufsgenossenschaften verpflichtet, Vorschriften über Einrichtungen, Anordnungen und Maßnahmen, welche die Unternehmer zur Verhütung von Arbeitsunfällen zu treffen haben, zu erlassen. § 709 bestimmt sodann, daß die UVV der Genehmigung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung bedürfen, der zuvor die zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder zu hören hat. Diesen Behörden obliegt danach die Prüfung, ob die UVV geeignet sind, den gesetzlichen Zweck der "Verhütung von Arbeitsunfällen” zu erfüllen und nicht mit den staatlichen Arbeitsschutzvorschriften kollidieren. Aus der Bestimmung des § 708 Abs. 1 Nr. 1 RVO folgt, daß der Gesetzgeber die Unfallverhütung den Unfallversicherungsträgern als eigene Aufgabe im Rahmen der ihnen verliehenen Selbstverwaltung (§§ 646 ff. RVO) übertragen hat. Es handelt sich dabei um eine Rechtsnorm, welche die Unfallversicherungsträger zu einem Handeln verpflichtet, ihr für das wie des Handelns aber mehrere Möglichkeiten läßt (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 2 f zu § 54). Der gesetzliche Auftrag, Vorschriften zur Verhütung von Arbeitsunfällen zu erlassen, beinhaltet keinen sog. unbestimmten Rechtsbegriff. Bei diesem ist nur eine richtige Entscheidung möglich, während in § 708 Abs. 1 RVO die Unfallversicherungsträger das Recht erhalten haben, zwischen mehreren möglichen und rechtmäßigen Verhaltensweisen diejenigen zu wählen, die für die zu regelnden Unfallsituationen als die zweckmäßigsten erscheinen. Daraus folgt, daß die Unfallverhütungsvorschriften durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nur daraufhin nachprüfbar sind, ob sie im Einklang stehen mit staatlichem Recht – hier also mit der RVO – sowie Verfassungsrecht (vgl. Peters-Sautter-Wolff, a.a.O. Anm. 7 a zu § 51 SGG.
Zunächst ist die hier in Frage stehende UVV in der gesetzlich vorgesehenen Weise zustande gekommen. Sie ist von der Vertreterversammlung der Beklagten beschlossen, am 12. Januar 1966 vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung genehmigt und im Bundesanzeiger Nr. 12 vom 19. Januar 1966 verkündet worden (§§ 709, 708 Abs. 2 Satz 2 RVO) und am 2. Februar 1966 in Kraft getreten (§ 16 Abs. 2 UVV).
Die UVV ist auch in Übereinstimmung mit § 708 Abs. 1 Nr. 1 RVO "zur Verhütung von Arbeitsunfälle” ergangen. Die entgegengesetzte Ansicht der Klägerin, die UVV werde von dieser gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt und sei daher rechtswidrig, ist unzutreffend. Abgesehen davon, daß die Beklagte vom Gesetzgeber nicht "ermächtigt” sondern verpflichtet worden ist, eine UVV zu erlassen, war sie auch berechtigt, das Erfordernis der schußsicheren Verglasung von Kassenplätzen bis zu einer Beschäftigtenzahl von 9 aufzustellen.
Das hauptsächliche Argument der Klägerin besteht in der Behauptung, die Kassen mit 6–9 und mit 10 und mehr Beschäftigten wiesen generell keine unterschiedliche Überfallhäufigkeit auf, so daß die Grenzziehung bei einer Mindestbeschäftigtenzahl von 10 auf einer falschen Erkenntnis der Tatsachen beruhe und daher willkürlich sei. Die Klägerin gibt jedoch zu, daß auch Kassen mit 6–9 Beschäftigten überfallen worden sind, und zwar von den 780 Kassen der dem Bundesverband angeschlossenen Banken in der Zeit vom 1. Januar 1965 bis 31. Dezember 1968 insgesamt 10, von den kleineren 1850 Kassen dagegen 74. Aus der geringeren Gefährdung der Kassen mit 6–9 Beschäftigten kann nicht gefolgert werden, daß bei ihnen ein Schutz durch eine Verglasung des Kassenraums entbehrlich ist. Da unbestreitbar eine Gefährdung der Kassierer auch hier besteht, ist die Beklagte verpflichtet, Sicherungsmaßnahmen anzuordnen. Zwar kann es zweifelhaft sein, bis zu welcher Beschäftigtenzahl eine Verglasung erforderlich ist. Am sichersten wäre es, wenn alle Arbeitsplätze innerhalb aller Kassen mit schußsicherem Glas geschützt wurden. Da die Gefahr eines Überfalls aber erfahrungsgemäß mit der Zahl der Beschäftigten geringer wird, die Kosten für eine Verglasung aber bei großen Kassen unverhältnismäßig hoch sind, hatte die Beklagte diese Umstände gegeneinander abzuwägen. Wenn sie dabei zu dem Ergebnis gelangte, daß die Grenze bei Kassen mit bis zu 9 Beschäftigten zu ziehen sei, so ist das unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden, auch nicht unter dem der Verhältnismäßigkeit der zu ergreifenden Schutzmaßnahmen. Sie hat dabei durchaus ein angemessenes Verhältnis zwischen dem bestmöglichen Schutz der Kassierer, deren objektiver Gefährdung und den anzuwendenden Mitteln hergestellt und nicht willkürlich gehandelt. Im übrigen kann aus dem statistischen Material nicht gefolgert werden, daß auch in Zukunft Kassen mit 6–9 Beschäftigten in geringerem Maße überfallen werden als kleinere Kassen. Das kann sich z.B. bei einer wirtschaftlichen Rezession sehr bald ändern. Die Beklagte hat aber auch hier den bestmöglichen Schutz der Versicherten zu gewährleisten.
Eine von der Zweckbestimmung des § 708 Abs. 1 Nr. 1 RVO nicht gedeckte Grenzziehung kann der Beklagten auch nicht mit dem Argument vorgeworfen werden, die schußsichere Verglasung der Kassenräume verliere immer mehr an Wirksamkeit, weil die Täter dazu übergingen, außerhalb der Verglasung befindliche Bankangestellte oder sogar Kunden zu bedrohen, um damit den Kassierer in seiner schußsicheren Kabine zu zwingen, Geld herauszugeben, wodurch eine noch größere Gefahrenquelle für einen erweiterten Personenkreis eintrete. Solche Überfälle sind zweifellos nicht selten vorgekommen. Die Klägerin übersieht jedoch, daß dann konsequenterweise von einer schußsicheren Verglasung aller Kassiererräume abzusehen wäre, weil Bankräuber stets die Möglichkeit haben, den Kassierer durch Bedrohung eines Bankkunden zu zwingen, Geld herauszugeben. Unter diesem Gesichtspunkt wäre jede Verglasung eines Kassenraums unnötig und würde nur eine Gefährdung anderer Personen herbeiführen. Die Klägerin sieht aber selbst den Schutz kleiner Kassen durch Verglasung der Kassiererräume als erforderlich an und widerspricht sich damit insoweit. Daß die Verglasungsmaßnahmen der Kassen aber tatsächlich sinnvoll sind und einen Rückgang der Kassenüberfälle sowie eine offensichtliche Verlagerung der Überfälle auf Geldtransporte zur Folge haben, ist gerichtsbekannt und wird auch von der Klägerin zugegeben (vgl. hierzu auch die zu den Akten gegebenen Zeitungsausschnitte sowie der Aufsatz von Terpitz, Bl. 101 ff. GA). Die Verglasung der Kassen hat also ihr Ziel zu einem nicht unwesentlichen Teil erreicht, und zwar obwohl die Möglichkeit besteht, daß Kassenräuber andere Personen mit einer Schußwaffe bedrohen und den Kassierer dadurch zur Herausgabe von Geld zwingen. Im übrigen ist diese Überfallmethode für die Täter gefährlicher. Sie werden nämlich in der Regel nicht so schnell in den Besitz des Geldes kommen wie bei einer direkten Bedrohung des Kassierers. Es kann dabei Zeit verstreichen, in der die herbeigerufene Polizei in der Lage ist, anzurücken. Auch kann bei dieser Methode eher unbemerkt eine Alarmanlage betätigt werden. Im übrigen ist nicht auszuschließen, daß manche Täter sich durch die Verglasung von einem Überfall abhalten lassen, weil sie entweder nicht auf den Gedanken kommen, andere Personen zu bedrohen, ihnen diese Methode nicht liegt, oder sie damit rechnen, daß sich der Kassierer dadurch nicht einschüchtern läßt. Auch dieser von der Klägerin vorgebrachte Gesichtspunkt ist somit nicht geeignet, die UVV als rechtswidrig erscheinen zu lassen.
Schließlich liegt auch keine Verletzung des Gleichheitssatzes (Artikel 3 GG) vor. Die Klägerin glaubt, einen solchen Verstoß aus dem Umstand herleiten zu können, daß die gemeindlichen Unfallversicherungsträger in ihren Unfallverhütungsvorschriften eine schußsichere Verglasung nur bei Kassen mit bis zu 6 Beschäftigten fordern. Abgesehen davon, daß die Beklagte berechtigt ist, unabhängig von den Überlegungen der gemeindlichen Unfallversicherungsträger zu bestimmen, welche UVV sie zur Durchführung des ihr erteilten gesetzlichen Auftrages für erforderlich hält, sind ihre Vorschriften jedoch früher erlassen worden. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat sich in seinem Erlaß vom 23. Mai 1967 (Bl. 28 ff. der GA) auch dahin geäußert, er lege Wert darauf, daß die gemeindlichen Unfallversicherungsträger so schnell wie möglich die UVV der Beklagten erlassen, damit ein möglichst weitgehender Schutz für alle in Kreditinstituten Beschäftigten erreicht werde. Nur aus situationsbedingten Gründen habe er sich seinerzeit mit der 6-Personen-Grenze einverstanden erklärt. Im übrigen seien die gemeindlichen Unfallversicherungsträger aber angehalten worden, zusätzliche Maßnahmen auch bei Kassen mit mehr als 6 in Kassenräumen Beschäftigten zu fordern, wenn dies nach den örtlichen Verhältnissen notwendig sei. Auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ist also der Auffassung, daß allein die UVV der Beklagten geeignet sind, einen möglichst guten Schutz der Versicherten gegen Raubüberfälle zu gewährleisten.
Nach alledem ist die von der Klägerin angegriffene UVV der Beklagten zu Recht erlassen worden. Ihre Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
Die Beteiligten haben einander keine Kosten zu erstatten.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand:
Die Beklagte erließ am 2. Februar 1966 die Unfallverhütungsvorschrift "Kassen” (UVV.). Nach § 2 dieser Vorschrift müssen Arbeitsplätze innerhalb öffentlich zugänglicher Räume, an denen regelmäßig Bargeld griffbereit vorhanden ist, so beschaffen sein, daß die daran Beschäftigten gegen Angriffe mit Gefahr für Leben oder Gesundheit geschützt sind. In dem Anhang zu dieser Vorschrift ist in Ziffer 1 Absatz 2 bestimmt, daß die Arbeitsplätze von den Raumteilen, die dem Publikumsverkehr dienen schußsicher abgetrennt sein müssen. Keiner besonderen schußsicheren Abtrennung bedürfen die Arbeitsplätze, wenn neben anderen Voraussetzungen sich mindestens 10 Beschäftigte ständig in den Räumen, aufhalten. Für die Erfüllung dieser Anforderung wurde den Mitgliedern der Beklagten eine Frist bis zum 1. Februar 1969 gesetzt.
Am 10. Februar 1967 hat die Klägerin, die Mitglied der Beklagten ist, bei dieser beantragt, ihr in Abweichung von Ziffer 1 Absatz 2 Satz 2 der Bestimmungen zu § 2 der UVV zu gestatten, in ihren Geschäftsstellen, in denen sich ständig mindestens 6 Beschäftigte in der Schalterhalle aufhalten, von schußsicheren Abtrennungen abzusehen. Diesen Antrag hat die Beklagte mit Bescheid vom 29. Juni 1968 abgelehnt und dem hiergegen eingelegten Widerspruch mit Bescheid vom 19. November 1968 nicht abgeholfen. Die gegen diesen Bescheid erhobene Klage ist noch beim Sozialgericht Frankfurt a.M. anhängig.
Am 24. Dezember 1968 hat die Klägerin beim Sozialgericht Frankfurt a.M. eine weitere Klage erhoben und beantragt festzustellen, daß Ziff. 1 Abs. 2 Satz 2 der Bestimmungen zu § 2 in Anhang zur Unfallverhütungsvorschrift "Kassen” (VBG 120) gegenüber der Klägerin nichtig ist, hilfsweise, daß die Klägerin nicht erst dann berechtigt ist, auf die schußsichere Abtrennung von Kassenplätzen, die den übrigen von der Beklagten für den Fall des Fehlens einer schußsicheren Abtrennung aufgestellten Voraussetzungen genügen, zu verzichten, wenn sich diese Kassenplätze in Räumen befinden, in denen ständig mindestens 10 Beschäftigte anwesend sind.
Nachdem das Sozialgericht eine Stellungnahme des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung vom 23. Mai 1967 eingeholt hatte, wies es die Klage mit dem am 16. Mai 1969 verkündeten Urteil vom 25. April 1969 ab und führte zur Begründung aus, die Klage bezüglich des Hauptantrages sei unzulässig, weil die Sozialgerichte keine Rechtsnormen nachprüfen könnten. Die Klage bezüglich des Hilfsantrages sei zwar zulässig aber unbegründet. Die angegriffene Unfallverhütungsvorschrift falle in den beurteilungsfreien Spielraum der Berufsgenossenschaft, der nicht überprüfbar sei. Es liege weder ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz noch den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit vor, desgleichen keine willkürliche Anordnung von Sicherungsmaßnahmen gegen Raubüberfälle.
Gegen das ihr am 31. Mai 1969 zugestellte Urteil hat die Klägerin am 30. Juni 1969 Berufung eingelegt. Sie trägt u.a. vor, Haupt- und Hilfsantrag unterschieden sich lediglich durch ihre Formulierung. Da mit dem Hauptantrag nur die Feststellung der Nichtigkeit der in Frage stehenden Unfallverhütungsvorschrift gegenüber der durch die Norm unmittelbar betroffenen Klägerin begehrt werde, ziele auch der Hauptantrag auf keine abstrakte Normenkontrolle hin sondern beinhalte wie der Hilfsantrag nur die Prüfung der Verbindlichkeit einer Norm für einen konkreten Anspruch bei einem bestimmten Sachverhalt. Das Sozialgericht habe den auf dem Grundsatz der Verhältnismäßigkeit beruhenden Kern ihrer Argumentation verkannt, der darin bestehe, daß die schußsichere Abtrennung bei Kassen mit 6–9 Beschäftigten ein Mittel bedeute, das weder notwendig noch geeignet sei, den mit ihm verfolgten rechtlichen Zweck zu erreichen. Nur bei Kassen mit regelmäßig 1–5 Beschäftigten sei die schußsichere Abtrennung des eigentlichen Kassenraums sinnvoll, weil es auch bei Kassen mit 2–5 Beschäftigten vorkommen könne, daß sich vorübergehend nur der Kassierer im Schalterraum befinde. Bei den größeren Kassen mit 6–9 Beschäftigten sei dagegen die schußsichere Abtrennung weder notwendig noch geeignet, den mit ihr verfolgten rechtlichen Zweck zu erreichen. Die bisherigen Erfahrungen zeigten, daß die schußsichere Verglasung von Kassen dieser Größenordnung die Gewaltanwendung nicht ausschließe sondern sie lediglich auf die übrigen Beschäftigten oder die Kunden und damit auf einen unter Umständen wesentlich größeren Personenkreis ablenke, der dadurch in erhöhtem Maße gefährdet sei. Bei dieser Art der räuberischen Erpressung bleibe es fraglich, ob sich der Kassierer angesichts seiner eigenen Sicherheit der Erpressung sofort beugen werde, wie er es weisungsgemäß tun müsse. Beuge er sich nicht bzw. nicht sofort, so schaffe gerade die schußsichere Verglasung eine zusätzliche Gefährdung. Die Gefährdung des Kassierers sei hier wesentlich geringer als bei den kleineren Kassen. Die UVV sei daher nicht nur nicht notwendig sondern setze um des Schutzes eines einzigen Beschäftigten – des Kassierers – willen andere Beschäftigte und Kunden einer erhöhten Gefährdung aus. Dadurch verfehle sie eindeutig ihren rechtlichen Zweck, verstoße gegen den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit und sei folglich nichtig. Im übrigen bedurften nach der Unfallverhütungsvorschrift "Kassen” der gemeindlichen Unfallversicherungsträger die Kassen mit 6–9 Beschäftigten keiner schußsicheren Abtrennung. Hier sei die Mindestbeschäftigtenzahl so festgesetzt, wie es von der Klägerin in diesem Verfahren für eine völlig gleichgelagerte Situation verfochten werde. Insoweit liege auch ein Verstoß gegen den Gleichheitssatz durch die Beklagte vor. Ein Vergleich der Überfallhäufigkeit auf Kassen mit verschieden hohen Beschäftigtenzahlen beweise die Richtigkeit ihrer Auffassung. Auf die ca. 1850 Kassen der dem Bundesverband angeschlossenen Banken mit 1–5 Beschäftigten seien in der Zeit vom 1. Januar 1965 bis 31. Dezember 1968 74 Kassen, also 4 %, von den ca. 780 Kassen mit 6–9 Beschäftigten dagegen nur 10 und damit lediglich 1,3 % der Kassen dieser Größenordnung überfallen worden. Auf ihre 190 Kassen mit 6–9 Beschäftigten sei seit dem 1. Januar 1965 überhaupt kein Überfall ausgeführt worden. Diese Zahlen bestätigten, daß die Gefährdung der Kassen mit 6–9 Beschäftigten ganz wesentlich geringer sei als die der Kassen mit 1–5 Beschäftigten. Die willkürlich vorgenommene Grenzziehung der Beklagten bei einer Mindestbeschäftigtenzahl von 10 entbehre somit der rechtlichen Grundlage und sei gerichtlich voll nachprüfbar. Denn bei dem in § 708 Abs. 1 der Reichsversicherungsordnung (RVO) verwandten Begriff "zur Verhütung von Arbeitsunfällen” handele es sich um einen unbestimmten Rechtsbegriff.
Sie beantragt,
unter Aufhebung des angefochtenen Urteils festzustellen, daß Ziffer 1 Abs. 2 Satz 2 der Bestimmungen zu § 2 im Anhang zur Unfallverhütungsvorschrift "Kassen”, soweit sie die Mindestbeschäftigtenzahl von 10 festsetze, gegenüber der Klägerin nichtig sei,
hilfsweise,
daß sie bereits dann berechtigt sei auf die schußsichere Abtrennung von Kassenplätzen, die den übrigen von der Beklagten für den Fall des Fehlens einer schußsicheren Abtrennung aufgestellten Voraussetzungen genügen, zu verzichten, wenn sich diese Kassenplätze in Räumen befinden, in denen ständig mindestens 6 Beschäftigte anwesend sind.
Die Beklagte beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Sie führt u.a. aus, die Klägerin begehre keineswegs mit zwei Formulierungen dasselbe. Ihr Hauptantrag stelle unmißverständlich auf die Feststellung der Wichtigkeit der UVV ab, während es ihr im Hilfsantrag um die Feststellung einer Berechtigung gehe. Die Überprüfung der für nichtig gehaltenen UVV könne die Klägerin nur im Rahmen ihres Hilfsantrages begehren. Im übrigen gehe es der Klägerin nicht nur um eine Prüfung inter partes. Das ergebe sich klar aus ihren Ausführungen in der Berufungsschrift, in welcher sie die Bedeutung dieses Rechtsstreits als Musterprozeß für eine große Zahl von Kreditinstituten hervorgehoben habe. Deshalb könne die Überprüfung der UVV von der Klägerin nur als abstrakte gemeint sein. Eine solche sei aber ausgeschlossen. Die Klägerin verkenne, daß auch die Kassierer in Kassen mit 6–9 Beschäftigten gefährdet seien, wie sich, aus dem von der Klägerin vorgetragenen Zahlenmaterial ergebe. Das Sozialgericht sei daher zutreffend zu dem Ergebnis gelangt, daß von einer Unverhältnismäßigkeit der Mittel ebensowenig die Rede sein könne wie von einem willkürlichen Handeln. Vielmehr habe sie sich von durchaus sachdienlichen Erwägungen leiten lassen. Auch liege kein Verstoß gegen den Gleichheitssatz vor, wenn die gemeindlichen Unfallversicherungsträger nach Erlaß der hier in Frage stehenden UVV eine andere Regelung vorgezogen hätten.
Im übrigen wird auf den Inhalt der beigezogenen Akte der Beklagten sowie der Gerichtsakte Bezug genommen.
Entscheidungsgründe:
Die statthafte Berufung ist form- und fristgerecht eingelegt und daher zulässig.
Sie ist jedoch unbegründet. Das Sozialgericht hat die Klage – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht abgewiesen.
Es hat zunächst zutreffend ausgeführt, daß die Klage, soweit sie den Hauptantrag betrifft, auf die abstrakte Feststellung der Richtigkeit einer UVV gerichtet und damit unzulässig ist.
Die von der Klägerin für nichtig gehaltene Ziffer 1 Absatz 2 Satz 2 der Bestimmungen zu § 2 im Anhang der UVV ist ein Bestandteil der Unfallverhütungsvorschriften der Beklagten, gültig ab 2. Februar 1966. Sie stellt keinen nach § 55 Abs. 1 Nr. 4 SGG mit der Klage anfechtbaren Verwaltungsakt sondern eine autonome Rechtsnorm dar. Die Normennatur der UVV folgt daraus, daß diese im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung Sachverhalte mit unmittelbarer Verbindlichkeit gegenüber ihren Mitgliedern regeln. Abzulehnen ist die von Forsthoff (Lehrbuch der Verwaltung, 8. Auflage, S. 129) vertretene Auffassung, die von Berufsverbänden ergangenen Vorschriften und Anordnungen würden zu Unrecht dem Begriff der Satzungen zugerechnet. Da diese statutarischen Regelungen nur die Mitglieder verpflichteten und keine nach außen reichende Wirkung hätten, stellten sie nichts anderes dar als ein Gegenstück zu den Verwaltungsanordnungen und entbehrten somit des Rechtssatzcharakters, so daß sie auch keiner besonderen gesetzlichen Grundlage bedürften. Abgesehen davon, daß die UVV eine gesetzliche Grundlage haben, muß jeder im Rahmen der berufsgenossenschaftlichen Selbstverwaltung ergangenen Regelung Normennatur zukommen, durch die den Mitgliedern unmittelbar und rechtsverbindlich Verpflichtungen auferlegt werden, deren Nichteinhaltung mit Ordnungsstrafen belegt werden und eine strafrechtliche Verfolgung nach sich ziehen kann. (§§ 710 RVO, 330, 367 Nr. 14 StGB; RGZ 95, 180). Die Unfallverhütungsvorschriften stellen auch keine auf Grund einer Delegation beruhenden Rechtsverordnungen dar, sondern sind vielmehr autonome Rechtsnormen. Im Verhältnis zur RVO sind sie sekundäre Rechtsquellen und dürfen daher staatliches Recht weder abändern noch einschränken, denn das aus der staatlichen Rechtssetzungsgewalt hervorgehende staatliche Recht ist insgesamt ranghöher als das von ihm, anerkannte, von Verbänden auf Grund einer Autonomie selbst geschaffene Recht (vgl. Wolff, Verwaltungsrecht, 6. Auflage, S. 112; Asanger in "Grundsatzfragen der sozialen Unfallversicherung”, Festschrift für Dr. Lauterbach, S. 298 ff.). Im Sozialgerichtsverfahren kann jedoch Rechtsschutz nur im Rahmen der §§ 54, 55 SGG begehrt werden, d.h., wenn ein den Kläger beschwerender Verwaltungsakt ergangen, der Erlaß eines von ihm beantragten begünstigenden Verwaltungsaktes unterblieben, ihm eine beanspruchte Leistung vorenthalten oder zwischen den Beteiligten eine bestimmte Rechtsbeziehung streitig geworden ist. Auch die in § 55 Abs. 1 Nr. 1 SGG vorgesehene Feststellungsklage setzt ein konkretes Rechtsverhältnis voraus. Dagegen ist für eine abstrakte Normenkontrolle kein Raum (vgl. Urteil des BSG vom 24. Sept. 1968 6 RKa 31/66). Die gegenteilige Auffassung der Klägerin, ihr Klagebegehren beinhalte sowohl im Haupt- als auch im Hilfsantrag nur die Prüfung der Verbindlichkeit einer Norm für einen konkreten Anspruch bei einem bestimmten Sachverhalt, ist rechtsirrig. Die an einen abstrakt festgelegten Tatbestand anknüpfende generelle und unmittelbar wirkende Statuierung von Rechtsfolgen gibt einer Regelung normativen Charakter, weil sie nicht für einen Einzelfall sondern für eine unbestimmte und unbestimmbare Zahl von Einzelfällen gelten will (vgl. BSG a.a.O., Urteil vom 25. Februar 1966, 3 RK 38/65). Ein "konkreter Anspruch” befindet sich im vorliegenden Fall nicht im Streit. Vielmehr ist das Klagebegehren im Hauptantrag auf eine abstrakte, d.h. von einem konkreten Anwendungsfall der Vorschrift losgelöste Normenkontrolle gerichtet und geht ausschließlich dahin, die in Frage stehende UVV für nichtig zu erklären. Die Klage ist daher vom Sozialgericht insoweit zu Recht als unzulässig abgewiesen worden.
Der Senat vermochte sich aber nicht der weiteren Ansicht des Sozialgerichts anzuschließen, hinsichtlich des Hilfsantrages sei die Klage zulässig. Mit diesem Antrag in der vom Senat in der letzten mündlichen Verhandlung angeregten Fassung begehrt die Klägerin festzustellen, daß sie bereits dann berechtigt ist auf die schußsichere Abtrennung von Kassenplätzen zu verzichten, wenn sich diese in Räumen befinden, in denen ständig mindestens 6 Beschäftigte anwesend sind. Die Klägerin hat ausgeführt, das Klagebegehren unterscheide sich im Haupt- und Hilfsantrag lediglich in der Formulierung, nicht aber in Bezug auf den Inhalt. Das ist richtig und vom Sozialgericht übersehen worden. Das Anliegen der Klägerin ist bei beiden Anträgen das gleiche: sie will, daß die UVV für rechtsunwirksam erklärt wird und glaubt, dies wenigstens mit dem Hilfsantrag erreichen zu können, nachdem sie in der ersten Instanz zunächst nur eine Nichtigkeitsklage erhoben hatte und von der Beklagten auf die Unzulässigkeit dieser Klageart hingewiesen worden war. Die Ansicht des Sozialgerichts, bei dem Hilfsantrag der Klägerin komme es auf die "Verbindlichkeit der UVV für einen konkreten Anspruch bei einem bestimmten Sachverhalt” an, denn sie fühle sich durch die in der UVV enthaltenen, Anforderungen beschwert, hält der Senat für unzutreffend. Denn auch mit dem Hilfsantrag erstrebt die Klägerin der Sache nach nur eine mit einem bestimmten Lebensvorgang nicht zusammenhängende abstrakte Klärung einer Rechtsfrage, wofür aber, wie ausgeführt, der Sozialrechtsweg nicht zur Verfügung steht, so daß auch diese Klage unzulässig ist. Es ist den Sozialgerichten verwehrt, eine Norm auf ihre Rechtsgültigkeit abstrakt, d.h. außerhalb eines Rechtsstreits, dessen Entscheidung von der Anwendung der Norm auf einen konkreten Sachverhalt abhängt, zu prüfen (vgl. Urteil des BSG vom 25. Oktober 1961, 6 RKa 27/61 und vom 24. September 1968, 6 RKa 31/66). Ein solcher Rechtsstreit, dessen Entscheidung von einer Norm (hier der UVV) auf einen konkreten Sachverhalt abhängt, liegt nicht vor. Die Klägerin wendet sich nämlich nur gegen die UVV als solche. Die Beklagte hat jedoch hieraus bisher noch keine Folgerungen gegenüber der Klägerin gezogen, d.h., diese Vorschriften noch nicht angewandt. Erst in einem solchen Rechtsstreit könnte ihre Gültigkeit nachgeprüft werden.
Selbst wenn man aber mit der Klägerin und dem Sozialgericht der Auffassung sein wollte, daß hier eine mit einem bestimmten Lebensvorgang zusammenhängende konkrete Klärung einer Rechtsfrage begehrt wird, etwa weil durch die UVV alle Kassen der Klägerin mit 6–9 Beschäftigten unmittelbar, also bestimmbare Fälle, betroffen werden, ist die Berufung unbegründet. Die von der Klägerin angegriffene UVV ist nämlich zu Recht ergangen.
Das Sozialgericht hat nicht dargelegt, in welchem Umfang eine UVV durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nachgeprüft werden kann, sondern nur die Ansicht vertreten, die Berufsgenossenschaften hätten in eigener Machtvollkommenheit über Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen zu entscheiden, wobei ihnen ein "weiter justizfreier Beurteilungsspielraum” zur Verfügung stehe. Während die Beklagte hierzu nichts ausgeführt hat, vertritt die Klägerin die Ansicht, für die Entscheidung der Frage, ob eine Unfallverhütungsvorschrift gemäß § 708 Abs. 1 RVO der "Verhütung von Arbeitsunfällen” diene, sei der Beklagten kein nicht kontrollierbares Ermessen eingeräumt, vielmehr handele es sich hierbei um einen in den Bereich der Rechtsanwendung fallenden unbestimmten Rechtsbegriff. Lediglich die Entscheidung zwischen mehreren gleichgeeigneten, im Sinne der Notwendigkeit liegenden Maßnahmen zur Verhütung von Arbeitsunfällen sei eine Frage des bloßen Handelns und damit Ermessenssache.
Diese Auffassungen verkennen den Rechtscharakter der UVV.
Nach § 708 Abs. 1 Nr. 1 RVO sind die Berufsgenossenschaften verpflichtet, Vorschriften über Einrichtungen, Anordnungen und Maßnahmen, welche die Unternehmer zur Verhütung von Arbeitsunfällen zu treffen haben, zu erlassen. § 709 bestimmt sodann, daß die UVV der Genehmigung des Bundesministers für Arbeit und Sozialordnung bedürfen, der zuvor die zuständigen obersten Verwaltungsbehörden der Länder zu hören hat. Diesen Behörden obliegt danach die Prüfung, ob die UVV geeignet sind, den gesetzlichen Zweck der "Verhütung von Arbeitsunfällen” zu erfüllen und nicht mit den staatlichen Arbeitsschutzvorschriften kollidieren. Aus der Bestimmung des § 708 Abs. 1 Nr. 1 RVO folgt, daß der Gesetzgeber die Unfallverhütung den Unfallversicherungsträgern als eigene Aufgabe im Rahmen der ihnen verliehenen Selbstverwaltung (§§ 646 ff. RVO) übertragen hat. Es handelt sich dabei um eine Rechtsnorm, welche die Unfallversicherungsträger zu einem Handeln verpflichtet, ihr für das wie des Handelns aber mehrere Möglichkeiten läßt (vgl. Peters-Sautter-Wolff, Komm. zur Sozialgerichtsbarkeit, Anm. 2 f zu § 54). Der gesetzliche Auftrag, Vorschriften zur Verhütung von Arbeitsunfällen zu erlassen, beinhaltet keinen sog. unbestimmten Rechtsbegriff. Bei diesem ist nur eine richtige Entscheidung möglich, während in § 708 Abs. 1 RVO die Unfallversicherungsträger das Recht erhalten haben, zwischen mehreren möglichen und rechtmäßigen Verhaltensweisen diejenigen zu wählen, die für die zu regelnden Unfallsituationen als die zweckmäßigsten erscheinen. Daraus folgt, daß die Unfallverhütungsvorschriften durch die Gerichte der Sozialgerichtsbarkeit nur daraufhin nachprüfbar sind, ob sie im Einklang stehen mit staatlichem Recht – hier also mit der RVO – sowie Verfassungsrecht (vgl. Peters-Sautter-Wolff, a.a.O. Anm. 7 a zu § 51 SGG.
Zunächst ist die hier in Frage stehende UVV in der gesetzlich vorgesehenen Weise zustande gekommen. Sie ist von der Vertreterversammlung der Beklagten beschlossen, am 12. Januar 1966 vom Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung genehmigt und im Bundesanzeiger Nr. 12 vom 19. Januar 1966 verkündet worden (§§ 709, 708 Abs. 2 Satz 2 RVO) und am 2. Februar 1966 in Kraft getreten (§ 16 Abs. 2 UVV).
Die UVV ist auch in Übereinstimmung mit § 708 Abs. 1 Nr. 1 RVO "zur Verhütung von Arbeitsunfälle” ergangen. Die entgegengesetzte Ansicht der Klägerin, die UVV werde von dieser gesetzlichen Ermächtigung nicht gedeckt und sei daher rechtswidrig, ist unzutreffend. Abgesehen davon, daß die Beklagte vom Gesetzgeber nicht "ermächtigt” sondern verpflichtet worden ist, eine UVV zu erlassen, war sie auch berechtigt, das Erfordernis der schußsicheren Verglasung von Kassenplätzen bis zu einer Beschäftigtenzahl von 9 aufzustellen.
Das hauptsächliche Argument der Klägerin besteht in der Behauptung, die Kassen mit 6–9 und mit 10 und mehr Beschäftigten wiesen generell keine unterschiedliche Überfallhäufigkeit auf, so daß die Grenzziehung bei einer Mindestbeschäftigtenzahl von 10 auf einer falschen Erkenntnis der Tatsachen beruhe und daher willkürlich sei. Die Klägerin gibt jedoch zu, daß auch Kassen mit 6–9 Beschäftigten überfallen worden sind, und zwar von den 780 Kassen der dem Bundesverband angeschlossenen Banken in der Zeit vom 1. Januar 1965 bis 31. Dezember 1968 insgesamt 10, von den kleineren 1850 Kassen dagegen 74. Aus der geringeren Gefährdung der Kassen mit 6–9 Beschäftigten kann nicht gefolgert werden, daß bei ihnen ein Schutz durch eine Verglasung des Kassenraums entbehrlich ist. Da unbestreitbar eine Gefährdung der Kassierer auch hier besteht, ist die Beklagte verpflichtet, Sicherungsmaßnahmen anzuordnen. Zwar kann es zweifelhaft sein, bis zu welcher Beschäftigtenzahl eine Verglasung erforderlich ist. Am sichersten wäre es, wenn alle Arbeitsplätze innerhalb aller Kassen mit schußsicherem Glas geschützt wurden. Da die Gefahr eines Überfalls aber erfahrungsgemäß mit der Zahl der Beschäftigten geringer wird, die Kosten für eine Verglasung aber bei großen Kassen unverhältnismäßig hoch sind, hatte die Beklagte diese Umstände gegeneinander abzuwägen. Wenn sie dabei zu dem Ergebnis gelangte, daß die Grenze bei Kassen mit bis zu 9 Beschäftigten zu ziehen sei, so ist das unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt zu beanstanden, auch nicht unter dem der Verhältnismäßigkeit der zu ergreifenden Schutzmaßnahmen. Sie hat dabei durchaus ein angemessenes Verhältnis zwischen dem bestmöglichen Schutz der Kassierer, deren objektiver Gefährdung und den anzuwendenden Mitteln hergestellt und nicht willkürlich gehandelt. Im übrigen kann aus dem statistischen Material nicht gefolgert werden, daß auch in Zukunft Kassen mit 6–9 Beschäftigten in geringerem Maße überfallen werden als kleinere Kassen. Das kann sich z.B. bei einer wirtschaftlichen Rezession sehr bald ändern. Die Beklagte hat aber auch hier den bestmöglichen Schutz der Versicherten zu gewährleisten.
Eine von der Zweckbestimmung des § 708 Abs. 1 Nr. 1 RVO nicht gedeckte Grenzziehung kann der Beklagten auch nicht mit dem Argument vorgeworfen werden, die schußsichere Verglasung der Kassenräume verliere immer mehr an Wirksamkeit, weil die Täter dazu übergingen, außerhalb der Verglasung befindliche Bankangestellte oder sogar Kunden zu bedrohen, um damit den Kassierer in seiner schußsicheren Kabine zu zwingen, Geld herauszugeben, wodurch eine noch größere Gefahrenquelle für einen erweiterten Personenkreis eintrete. Solche Überfälle sind zweifellos nicht selten vorgekommen. Die Klägerin übersieht jedoch, daß dann konsequenterweise von einer schußsicheren Verglasung aller Kassiererräume abzusehen wäre, weil Bankräuber stets die Möglichkeit haben, den Kassierer durch Bedrohung eines Bankkunden zu zwingen, Geld herauszugeben. Unter diesem Gesichtspunkt wäre jede Verglasung eines Kassenraums unnötig und würde nur eine Gefährdung anderer Personen herbeiführen. Die Klägerin sieht aber selbst den Schutz kleiner Kassen durch Verglasung der Kassiererräume als erforderlich an und widerspricht sich damit insoweit. Daß die Verglasungsmaßnahmen der Kassen aber tatsächlich sinnvoll sind und einen Rückgang der Kassenüberfälle sowie eine offensichtliche Verlagerung der Überfälle auf Geldtransporte zur Folge haben, ist gerichtsbekannt und wird auch von der Klägerin zugegeben (vgl. hierzu auch die zu den Akten gegebenen Zeitungsausschnitte sowie der Aufsatz von Terpitz, Bl. 101 ff. GA). Die Verglasung der Kassen hat also ihr Ziel zu einem nicht unwesentlichen Teil erreicht, und zwar obwohl die Möglichkeit besteht, daß Kassenräuber andere Personen mit einer Schußwaffe bedrohen und den Kassierer dadurch zur Herausgabe von Geld zwingen. Im übrigen ist diese Überfallmethode für die Täter gefährlicher. Sie werden nämlich in der Regel nicht so schnell in den Besitz des Geldes kommen wie bei einer direkten Bedrohung des Kassierers. Es kann dabei Zeit verstreichen, in der die herbeigerufene Polizei in der Lage ist, anzurücken. Auch kann bei dieser Methode eher unbemerkt eine Alarmanlage betätigt werden. Im übrigen ist nicht auszuschließen, daß manche Täter sich durch die Verglasung von einem Überfall abhalten lassen, weil sie entweder nicht auf den Gedanken kommen, andere Personen zu bedrohen, ihnen diese Methode nicht liegt, oder sie damit rechnen, daß sich der Kassierer dadurch nicht einschüchtern läßt. Auch dieser von der Klägerin vorgebrachte Gesichtspunkt ist somit nicht geeignet, die UVV als rechtswidrig erscheinen zu lassen.
Schließlich liegt auch keine Verletzung des Gleichheitssatzes (Artikel 3 GG) vor. Die Klägerin glaubt, einen solchen Verstoß aus dem Umstand herleiten zu können, daß die gemeindlichen Unfallversicherungsträger in ihren Unfallverhütungsvorschriften eine schußsichere Verglasung nur bei Kassen mit bis zu 6 Beschäftigten fordern. Abgesehen davon, daß die Beklagte berechtigt ist, unabhängig von den Überlegungen der gemeindlichen Unfallversicherungsträger zu bestimmen, welche UVV sie zur Durchführung des ihr erteilten gesetzlichen Auftrages für erforderlich hält, sind ihre Vorschriften jedoch früher erlassen worden. Der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung hat sich in seinem Erlaß vom 23. Mai 1967 (Bl. 28 ff. der GA) auch dahin geäußert, er lege Wert darauf, daß die gemeindlichen Unfallversicherungsträger so schnell wie möglich die UVV der Beklagten erlassen, damit ein möglichst weitgehender Schutz für alle in Kreditinstituten Beschäftigten erreicht werde. Nur aus situationsbedingten Gründen habe er sich seinerzeit mit der 6-Personen-Grenze einverstanden erklärt. Im übrigen seien die gemeindlichen Unfallversicherungsträger aber angehalten worden, zusätzliche Maßnahmen auch bei Kassen mit mehr als 6 in Kassenräumen Beschäftigten zu fordern, wenn dies nach den örtlichen Verhältnissen notwendig sei. Auch der Bundesminister für Arbeit und Sozialordnung ist also der Auffassung, daß allein die UVV der Beklagten geeignet sind, einen möglichst guten Schutz der Versicherten gegen Raubüberfälle zu gewährleisten.
Nach alledem ist die von der Klägerin angegriffene UVV der Beklagten zu Recht erlassen worden. Ihre Berufung war daher zurückzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 193 SGG.
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